September am Meer

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
scarlett

Beitragvon scarlett » 08.09.2007, 23:45

Im späten Licht der Pinien
atmet der Sommer aus
behutsam
legt sich der Wind in die Dünen
tagwarme Worte bedeckt er
allmählich mit Sand

Noch schaukeln die Möwen
auf flüssiger Jade
noch wogt und vibriert am Mittag
die Luft
wenn selbst der fliegende Händler
seine Ballade herzafrikanisch summt

Salzig* schmeckt dieser September
auf deinen Lippen und du weißt:
die Muscheltage sind gezählt.
Du pflückst
die letzte sanfte Wärme
bevor das Jahr sich weiter schält

*schon - endgültig entfernt; danke allen, die zu dieser version beigetragen haben.

1. Version

Im späten Licht der Pinien
atmet der Sommer aus
behutsam
legt sich der Wind in die Dünen
tagwarme Worte bedeckt er
allmählich mit Sand

Noch schaukeln die Möwen
auf flüssiger Jade
noch wogt und vibriert am Mittag
die Luft
wenn selbst der fliegende Händler
seine Ballade herzafrikanisch summt

Salzig schmeckt dieser September
auf deiner Haut schon und du weißt:
die Muscheltage sind gezählt.
Du pflückst
die letzte sanfte Wärme
bevor das Jahr sich weiter schält


scarlett, 2007
Zuletzt geändert von scarlett am 10.09.2007, 21:49, insgesamt 2-mal geändert.

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Beitragvon Pjotr » 10.09.2007, 12:30

Hallo Scarlett,

ich finde das "schon" jetzt auch besser plaziert. Mit meinem limitierten Wissen kenne ich allerdings noch nicht die Bedeutung von "salzig" im Zusammenhang mit abgelaufener Zeit. Jenen Roman und Film kenne ich auch nicht, falls darin ein Hinweis stecken sollte. Jedenfalls dachte ich im Kontext von Möwen und Muscheln spontan an Meersalz, also an die positive Verbundenheit zur Natur, die seit Wochen genossen wird. Das Gegenteil von Aufbruchstimmung also. Um die Aufbruchstimmung auszumalen, hätte ich vielleicht statt mit "Salz" etwas mit "Koffer" gedichtet. Kofferduft, irgendwas in der Art ...

Aber möglicherweise bin ich jetzt noch viel mehr auf dem falschen Dampfer, was diese eine Zeile betrifft. Bild


Salute

Pjotr

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Beitragvon Pjotr » 10.09.2007, 12:41

smile hat geschrieben:Darf ich fragen, warum du nicht in der "Ich" Form schreibst?


Hallo Smile, gute Frage. Für mich klingt die Du-Form hier angenehm nachdenklich; da ist ein Ich, das über sein Selbst reflektiert, das setzt Ruhe voraus, was sich in der Umkehrwirkung wiederum in der Stimmung entfaltet. Zudem entsteht durch die Du-Form hier, glaube ich, eine leichte Distanz weg von der Egozentrik hin zur Natur. Aber alles nur in subtilen Maßen. Im lyrischen Feinschliff; ob bewusst oder intuitiv, das weiß natürlich nur Scarlett, an die die Frage auch gerichtet war. Ich gebe weiter ...


Salute

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Beitragvon Ylvi » 10.09.2007, 16:24

Hallo Pjotr,

das ist ein interessanter Aspekt. Die Distanzierung lese ich auch, allerdings eher nicht als selbstreflektierende sondern als "wahrheitspostulierende". Sozusagen ein "man" mit direkter Ansprache. Für mich würde es in der "Ich" Form einen zurückhaltenderen, subtileren und persönlicheren Klang haben. Weg von der Allgemeingültigkeit hin zu einer individuellen Erfahrung.

liebe Grüße smile

Max

Beitragvon Max » 10.09.2007, 16:41

Liebe Scarlett,

da ich den Salon ein paar Wochen nicht wirklich gesehen habe, kann ich nicht alle Kommentare hier lesen, ja noch nicht einmal alle Gedichte kommentieren, die mir am Herzen liegen.

Dieses aber finde ich wunderschön, vielleicht weil es mit seinen Themen Spätsommer und Meer auch meine Themen sind. Die Umsetzung ist Dir für meinen Geschmack sehr gut gelungen, das Gedicht hat sehr viele guet Bilder, die Jade zum Beispiel .. Mit den Muschetagen hadere ich ein wenig, weil ich glaube etwas derartiges schon gelesen zu haben, aber für mich ist das ein wirklich gelungenes Gedicht!

Liebe Grüße
Max

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noel
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Beitragvon noel » 10.09.2007, 17:39

ola

ich habe NICHt einen komentar gelesen
deinen text
nur deinen text
& stelle fest,
dass einzig das "schon" veränderung fand.



Salzig schon schmeckt der September
auf deinen Lippen und du weißt:
die Muscheltage sind gezählt.
Du pflückst
die letzte sanfte Wärme
bevor das Jahr sich weiter schält


Salzig schmeckt dieser September
auf deiner Haut schon und du weißt:
die Muscheltage sind gezählt.
Du pflückst
die letzte sanfte Wärme
bevor das Jahr sich weiter schält


ich bin jetzt mal...
aber mir sind beide SCHONS obsolet
in der ersten wie in der zweiten version
bedarf dein metaphorisch feinsinniger text diese umgangsprachlichen
zeitansagers nicht
... meint noel

--->

Salzig schmeckt der September
auf deiner Haut und du weißt:
die Muscheltage sind gezählt.
Du pflückst
die letzte sanfte Wärme
bevor das Jahr sich weiter schält
NOEL = Eine Dosis knapp unterhalb der Toxizität, ohne erkennbare Nebenwirkung (NOEL - no observable effect level).

Wir sind alle Meister/innen der Selektion und der konstruktiven Hoffnung, die man allgemein die WAHRHEIT nennt ©noel

scarlett

Beitragvon scarlett » 10.09.2007, 21:46

Liebe Kommentatoren,

nach langem hin und her, drehen und wenden angeregt durch eure hinterfragung des "schon" bin ich zu dem schluß gekommen, es komplett zu streichen.
Begründung:
eigentlich macht es keinen sinn. Warum? Natürlich hatte ich es als zeitliches moment gedacht, schon ist es spät im jahr, jetzt geht es ans eingemachte (im übertragenen sinn), aber das ergibt eigentlich keinen schlüssigen sinn mit der urlaubs - bzw. meerZeit, die "gestundet", gezählt ist. Am meer schmeckt es ja IMMER salzig, oder???
Ursprünglich hatte ich mit "salz" auch den gedanken "würze", (des lebens, der zeit usw.) intendiert, die mit fortschreitender zeit vielleicht intensiver zu spüren/schmecken ist, aber: eigentlich paßt es mir nicht wirklich in den kontext, zumal das zeitliche element in den vorherigen strophen ja anklingt.

Was das "du" anbelangt: das hat sich mir förmlich aufgedrängt. Natürlich habe ich überlegt: wieso nicht "ich"??? Und dann habe ich gemerkt, daß mir hier das etwas distanziertere du lieber ist, auch auf das risiko hin, das du, smile, genannt hast.
Das "du" bleibt.

Pjotr: nein, es steckte kein hinweis in dem "salzig" in richtung buch/film. Daß es in diese richtung interpretiert werden könnte, ist mir erst etwas später aufgefallen und hat mir eigentlich bauchschmerzen verursacht.

Noel, danke für deinen komm und dafür, daß dir der text metaphorisch feinsinnig erscheint, freut mich.

Lieber max, es freut mich ganz besonders, daß du wieder "da" bist und dich zu meinem gedicht geäußert hast.
Ich weiß nicht, wo die muscheltage bereits vorkommen, gut möglich, daß sich da wieder was zwischengeschoben hat. Bewußt ist es mir nicht.

Liebe smile,
auch dir herzlichen dank für deine rückmeldung. Wie gesagt, das distanziertere "du" kam fast von selbst und hat dann meinen überlegungen hierzu standgehalten. Das mußte irgendwie einfach so sein. ein "ich" ist mir zu nah, kommt bei diesem text nicht in frage für mich.

Ganz lieben dank euch allen,
eure äußerst beglückte
scarlett

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Beitragvon Pjotr » 11.09.2007, 07:45

Servus Scarlett,

womöglich werde ich die Textarbeit jetzt überstrapazieren, wenn ich meine, dass statt dem "schon" entweder ein "noch" stehen müsste, oder stattdessen das "und" verschwinden sollte, denn trotz gewichenem "schon" verstehe ich diese "und"-Verknüpfung nicht. Diese Stelle wirkt auf mich ein wenig wie eine schriftstellerische Baustelle, dessen ursprüngliches Bauziel schon vor einiger Zeit verändert wurde, gleichwohl noch gedankliche Relikte jenes Zieles enthält, die aber im neuen Ausbau keinen Sinn machen.


Salute

Pjotr


Edit: Ich ziehe meinen Kommentar zurück, wenn das "und" zu verstehen ist als ein "und gleichwohl" anstatt als ein "und daher".

scarlett

Beitragvon scarlett » 11.09.2007, 11:05

Ja, Pjotr, eher im Sinne eines "und doch// und gleichwohl" - weil sicherlich nicht der ganze, nicht dieser September insgesamt salzig schmecken wird, die Tage sind gezählt, es wird nicht so bleiben, deshalb gilt es festzuhalten (wie ja auch die Muscehl festhält, etwas im Inneren verbirgt) die letzte Wärme, bevor das Jahr weiterschreitet.

Und nein, du überstrapazierst (noch ;-) ) nichts, du zwingst mich nur zu einem ganz genauen Hinschauen und Überprüfen. Aber ich hoffe, jetzt ist es klar, oder?

Liebe Grüße,
scarlett

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Beitragvon Pjotr » 11.09.2007, 12:11

Kloßbrühenklar jetzt.

Keine weiteren Einwände.

Niko

Beitragvon Niko » 11.09.2007, 16:27

hallo scarlett, hallo runde!
ja..es ist "angenehme" lyrik. und um es gleich mal vorweg zusagen: ich krieg im moment soetwas oder gar besseres nicht mal annähernd hin.
trotzdem finde ich den text zu hoch gehangen. er ist wie öl auf rauher seelenhaut, wohlig, warm, "gefällig". ja.....das alles ist er, aber dennoch ist er mir genau in dieser art auch einfach zu glatt. da ist nichts drin, was mich wirklich bewegen würde, nichts, was ich besonders fände. FÜR MICH ein text, der sich bekannter mittel bedient. aber ich gehe davon aus, dass scarlett das auch genaqu so wollte.
ich kann einerseits auch die lobpreisungen verstehen. aber ich wollte für mich hier nur auch mal zum ausdruck bringen, was ich über den text denke.
so....nu könnt ihr euch entrüsten *g

lieben gruß: Niko

scarlett

Beitragvon scarlett » 11.09.2007, 21:01

"so....nu könnt ihr euch entrüsten *g"

... nicht doch, lieber Niko, niemand wird sich entrüsten, am allerwenigsten ich.

du hast natürlich irgendwo recht, mit dem "glatten", vielleicht auch "zu glatten" in meinem gedicht bzw. dem gedicht selbst und ich kann mir gut vorstellen, daß es noch einige andere gibt, die das genauso empfinden/sehen wie du, ohne es zu schreiben ;-) )

Schade, daß dir keines der verwendeten bilder zusagt, daß du keinem zugestehst, doch etwas "besonderes" im sinne von zumindest ungewöhnlich zu sein.

aber da kann man nichts machen, wenn es dich nicht erreicht, erreicht es dich halt nicht, vielleicht schafft das ja dann ein anderes gedicht wieder, meinst du nicht?

ganz liebe grüße und danke für dein feedback,

scarlett

Niko

Beitragvon Niko » 11.09.2007, 21:30

hallo scarlett!
ich habe nicht geschrieben, dass es mich nicht erreicht. dein gedicht erzeugt stimmung. aber innerhalb dieser maßgabe ist es mir zu glatt, hat keine ecken und kanten.

lieben gruß: Niko

scarlett

Beitragvon scarlett » 11.09.2007, 22:55

Lieber Niko,

ja stimmt, du hast geschrieben, "da ist nichts drin, was mich wirklich bewegen würde".
Entschuldige bitte das falsche Zitieren.

Ich verstehe schon, was du mit dem zu glatt meinst.

Lieben Gruß,
scarlett


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