Erfahrung

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Sam

Beitragvon Sam » 03.09.2007, 08:14

erfahrung


liebe:

ein rauer stein

der die harte haut deiner hand

zerreibt

wenn du ihn wirfst

oder ihn fängst

Heidrun

Beitragvon Heidrun » 03.09.2007, 08:42

Grüß` dich Sam!

Dein Text gefällt mir von der Idee her ausgezeichnet, gerade weil diese so ungewöhnlich ist (der geworfene Stein als Metapher der Liebe).

Aus rhythmischen Gründen würde ich das letzte "ihn" weglassen, in der 6. Zeile.

Wie denkst du darüber, wenn du das Gedicht laut liest?

Liebe Grüße
Heidrun

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annette
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Beitragvon annette » 03.09.2007, 09:28

Hallo Sam,

ich finde das Bild toll, das Du hier gefunden hast! Mir gefallen die Einfachheit und Gegenständlichkeit des Steins als Metapher für die Liebe sehr.
Heidruns Vorschlag wegen des "ihn" würde ich unterstützen.

Noch eins: Muss die Haut "hart" sein? Es stört mich etwas in seiner Nähe zu "rau". Ist es nicht egal, ob die Haut hart oder weich ist? Sie wird ohnehin zerrieben.

Gruß - annette

Sam

Beitragvon Sam » 03.09.2007, 14:26

Hallo Heidrun,

Wie denkst du darüber, wenn du das Gedicht laut liest?


Gute Frage. Jetzt hatte ich gerade bei diesen Zeilen schon des öfteren die Gelegenheit, sie vor Publikum zu lesen. Ich mache dabei vor der sechsten Zeile eine realitiv lange Pause.

Das wiederholte "IHN" soll eine Trennung bewirken. Es ist nicht das Gleiche, ob man den Stein wirft, oder ihn fängt. In beiden Fällen zerreibt er die Haut der Hand, aber auf ganz unterschiedliche Weise.


Hallo Annette,

was das IHN betrifft, sieh doch bitte oben bei dem, was ich Heidrun geschrieben habe.

Zu deiner Frage: Muss die Haut hart sein?

Ja, wenn es zum Titel des Gedichtes passen soll. Der raue Stein wird nicht zum ersten Mal gefangen oder geworfen.


Herzlichen Dank euch beiden für's Lesen und Kommentieren!

Liebe Grüße

Sam

Hakuin

Beitragvon Hakuin » 03.09.2007, 14:37

rauer stein

zerreibt

deine harte haut

wenn du wirfst

oder fängst
:pfeifen:

erinnert an die verwendung von bimsstein...

salve
hakuin

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leonie
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Beitragvon leonie » 03.09.2007, 15:44

Lieber Sam,

das finde ich ein absolut ungewöhnliches Bild für "Liebe". Und überzeugend. Man kann es fühlen. und darüber nachdenken.
Ich finde das einfach gelungen.

Liebe Grüße

leonie

Gast

Beitragvon Gast » 03.09.2007, 17:26

Lieber Sam,

ein ungewöhnliches und doch so treffendes Bild für die Liebe.
Da ist die raue Haut der Hand. Vielleicht voller Schwielen, aber der "Liebe Stein" hat eine harte Schale. Möglich dass dieser Stein die Schwielen glättet und/oder Schmerz zufügt.
Dir ist es gelungen "Liebeschmerz" einzubeziehen, ohne dass das Wort Schmerz benannt ist.
Aber ohne Schmerz keine Liebe und keine Liebe ohne Schmerz.

Sam hat geschrieben:wenn du ihn wirfst

oder ihn fängst

Was meinst du, wäre das zweite "ihn" nicht verzichtbar?

Liebe Grüße
Gerda

Sam

Beitragvon Sam » 05.09.2007, 10:27

Hallo Hakuin,

ja Bimsstein - haben wir immer benutzt, damals, als ich meine Lehre auf dem Bau machte.


Hallo Leonie,

freut mich sehr, wenn du es gelungen findest! Und es darüber hinaus zum Nachdenken anregt.


Hallo Gerda,

danke für deine Bemerkungen zu dem Gedicht. Und ja, ich wollte irgendwie das "Schmerzhafte" das so eng mit dem Lieben/Geliebtwerden zusammenhängt ausdrücken, ohne dass es schmerzhaft klingt.

Das IHN in der letzten Zeile. Da hab ich Heidrun schon was zu geschrieben. Ich will es gerne dort lassen. Ohne das zweite IHN würde man die letzten beiden Zeilen schneller lesen und das Werfen und das Fangen würden zusehr zusammenrücken. Aber der "Schmerz" beim Werfen des Steines ist ein anderer, wie der beim Fangen.

Herzlichen Dank für's Lesen und eure Meinung!

Liebe Grüße

Sam

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 05.09.2007, 10:49

Hallo Sam,

ich finde das Bild etwas schwierig, sofern es sich nicht nur auf einseitige Liebe beziehen soll.
Was ist, wenn die Liebe in der Luft liegt (der Stein gerade fliegt), spürt man sie dann nicht?
Kann immer nur einer den Stein halten? (Nur einer lieben? Hört die Liebe auf, wenn man den Stein wieder wirft?)
Wenn jemand die Liebe "wegwirft" entsteht der Schmerz nicht beim Werfer, sondern beim anderen.
Wenn jemand die Liebe "fängt" entsteht Schmerz?
Wenn ich so lese, dass durch die Liebe Härte verloren geht, man empfindsamer und weicher wird, ist das ein schönes Bild.
Das Werfen selbst erzeugt ein seltsames, negatives "Liebesbild" in meiner Vorstellung.

Es war anregend darüber nachzudenken, geht für mich jedoch nicht auf.

liebe Grüße smile

Sam

Beitragvon Sam » 05.09.2007, 13:28

Hallo smile,

vielen Dank für deinen Kommentar!


Natürlich ist der Stein als Metapher untauglich um alle Aspekte der Liebe zu veranschaulichen.
Von daher gesehen sind deine Fragen berechtigt.

Du schreibst:
Das Werfen selbst erzeugt ein seltsames, negatives "Liebesbild" in meiner Vorstellung.

Tatsächlich geht es hier um ein "negatives" Liebesbild. Deshalb auch der Titel. Es mag ja Leute geben, die mit der Liebe (und damit meine ich nicht nur die Liebe zwischen Lebenspartnern sondern auch zwischen Freunden, innerhalb der Familie etc.) nur positive Erfahrungen gemacht haben. Derer sind aber, glaube ich, nicht sehr viele.
Wenn man aber von negativen Liebeserfahrungen spricht, so denkt man unwillkürlich an Situationen, in denen man selber geliebt hat, und diese Liebe wurde nicht erwidert (man hat den Stein geworfen). Eine ebenso schmerzhafte Erfahrung, wenn auch auf einer anderen Ebene, ist es, zu sehen, wie andere Menschen einem Liebe entgegenbringen, die zu erwidern man nicht in der Lage ist. (Man fängt den Stein).

Diesen schmerzhaften Aspekt des Liebens und Geliebtwerdens wollte ich hier ausdrücken.


Liebe Grüße

Sam

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 05.09.2007, 15:21

Hallo Sam,

Wenn man aber von negativen Liebeserfahrungen spricht, so denkt man unwillkürlich an Situationen, in denen man selber geliebt hat, und diese Liebe wurde nicht erwidert (man hat den Stein geworfen). Eine ebenso schmerzhafte Erfahrung, wenn auch auf einer anderen Ebene, ist es, zu sehen, wie andere Menschen einem Liebe entgegenbringen, die zu erwidern man nicht in der Lage ist. (Man fängt den Stein).


Genau das ist der Punkt, an dem meine Gedanken übers Steinewerfen von deinen abweichen und weshalb die Werfzeilen für mich nicht funktionieren.
Wenn man einen Stein wirft, hatte man ihn in Händen (liebte). Will man ihn dann nicht mehr (liebt man nicht mehr), wirft man ihn (die Liebe) weg.
Wenn man einen Stein fängt (obwohl das vielleicht wehtut), will man ihn haben (liebt), sonst würde man ihm ja ausweichen und ihn fallen lassen.

Wenn also der Stein die Liebe ist, dann liebt (nach meiner Steinewerfphilosophie ;-) ) der, der ihn hält und nicht der, der ihn wirft.

(Im Glücksfall kommen sich beide so nah, dass sie den Stein gemeinsam halten können. :herzchen: )

liebe Grüße smile

Gast

Beitragvon Gast » 05.09.2007, 15:33

Liebe smile, lieber Sam.

ich habe verfolgt, was du smile, dir für Gedanken zu Sams Text machst, und ich finde da viel Nachvollziehbares, wenngleich ich meine, dass es vom Text selbst etwas wegführt. Man kann aber auch sagen frei interpretiert ist ;-) (keine Kritik)
Wo würdest du denn das "Raue" des Steins "ansiedeln wollen und die "harte Haut der Hand"?
Das würde mich interessieren.

Liebe Grüße
Gerda

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Beitragvon Ylvi » 06.09.2007, 09:09

Hallo Gerda,

So kurzen Gedichten nähere ich mich meist über die inhaltliche Aussage. ;-)
Wo würdest du denn das "Raue" des Steins "ansiedeln wollen und die "harte Haut der Hand"?
Das würde mich interessieren.

Man könnte sich das so denken: die Liebe, selbst wenn sie von beiden gehalten wird, ist nicht immer einfach und glatt und unkompliziert. Und sie ist in Bewegung auch in den Händen. Die Schwielen könnte man als Härte interpretieren, die das Leben und die Behauptung darin verursacht haben.
Es wäre doch ein schönes Bild, wenn es der Liebe gelänge die Menschen empfindsamer, weicher und sanfter zu machen.

Aber diese Interpretation entspricht wohl nicht Sams Intention. :pfeifen:

liebe Grüße smile

Sam

Beitragvon Sam » 07.09.2007, 08:14

Hallo smile, hallo Gerda,

vielleicht wird hier die Metapher des Steins mehr gedehnt, als der Autor beabsichtigte. Aber das ist euer gutes Recht. Schließlich gehört das Gedicht im Moment des Lesens ausschließlich dem Leser.

Ja, ich wollte einen negativen Apekt der Liebe beleuchten. Den, das Liebe geben (werfen) schmerzhaft sein kann, aber auch geliebt zu werden (den Stein zu fangen).
Ich denke, meine Konstruktion hält diesen Gedanken. Für weiterführende ist sie vielleicht aber zu schlecht gebaut.

Herzliche Grüße

Sam


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