in erinnerung

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Niko

Beitragvon Niko » 28.08.2007, 19:45

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[b]i
Zuletzt geändert von Niko am 16.11.2007, 14:56, insgesamt 1-mal geändert.

Herby

Beitragvon Herby » 29.08.2007, 10:46

Hallo Niko,

nachdem ich gestern schon um Deinen Text geschlichen bin, will ich mich jetzt mal ran wagen. Ich sage "wagen", da sich mir der Text noch nicht völlig erschließt.

Die erste Strophe scheint mir in ihrer Aussage noch recht klar zu sein: nach dem Motto "Über Tote nur Gutes" zeichnen Hinterbliebene meist ein stark verklärtes Bild des Toten. Negative Eigenschaften werden ausgeblendet, stattdessen vermeintlich oder tatsächlich positive Züge umso mehr hervorgehoben. Für letztere stehen abstrahierend die "flügelschläge wundheilung und sternenmantel".

Richtet sich der Blick der ersten Strophe noch auf Außenstehende, spricht LyrIch dann in der zweiten von sich selbst. Durch den Beginn mit "auch" werden dabei beide Strophe verbunden, LyrIch ordnet sich unter die ein, von denen es in I spricht. So weit, so gut. Probleme bereitet mir zum einen das, wovon es spricht: Trockenmauern und Erntezeiten. Mit dem ersten Begriff konnte ich zunächst gar nichts anfangen, hab mal nachgeschlagen und las, dass solche Mauern u.a. im Weinbau verwendet werden. In diesem Zusammenhang würde dann auch die Erntezeit im Sinne der Weinlese einen Sinn ergeben. Abgesehen davon, dass ich sehr unsicher bin, ob diese Deutung von Dir intendiert ist, frage ich mich, wie dies in den Gesamtkontext Deines Gedichts passen soll.

Eine andere Lesart wäre die, dass die Erntezeit als metaphorische Anspielung auf den Tod zu verstehen ist (der Tod fährt die Ernte ein), dann bringe ich aber wiederum die Trockenmauern nichts ins Bild. Werden diese auch auf Friedhöfen verwendet?

Und schließlich überlege ich, ob das, was das LyrIch spricht, ebenso verklärend falsch ist, wie es in Strophe I von den anderen Hinterbliebenen gesagt wird. Immerhin stellt es sich durch die Verwendung von "auch" ja in eine Reihe mit ihnen. Diese Überlegung betrifft auch die letzten beiden Verse. LyrIch spricht immer wieder von sich - bedeutet das, dass es einem Teil seiner Persönlichkeit nachtrauert und dabei nur dessen gute Seiten erwähnt und die negativen verschweigt? Sich also praktisch selbst täuscht?

Du siehst, lieber Niko, Fragen über Fragen und möglicherweise liege ich sogar mit denen noch falsch. Es wäre spannend zu sehen, wie andere Deinen Text lesen oder wie weit Du willens bist, erhellende Antworten zu geben.

Herzliche Grüße in die zweite Wochenhälfte,
Herby
Zuletzt geändert von Herby am 29.08.2007, 12:39, insgesamt 1-mal geändert.

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 29.08.2007, 11:37

Hallo Niko,

mir geht es ähnlich wie Herby. Die erste Strophe erschließt sich, auch die Bilder. Bei der zweiten Strophe jedoch weiß ich nicht so recht, ob ich in die richtige Richtung denke. (Trauert das LIch um sich selbst, sein verbautes Leben?)
Ich musste an dein Gedicht "de profundis" denken, in denen die Mauern ja auch eine Rolle spielten.

liebe Grüße smile

Gast

Beitragvon Gast » 29.08.2007, 11:44

Lieber Niko,

jetzt bin ich auch sehr gespannt auf deine Ausführungen, dennn ich will nicht verhehlen, dass es mir ganz ähnlich ergeht wie Herby, der (nach meinem Dafürhalten) umfassend die Punkte genannt hat, die in deinem Text eine Bedeutung haben könnten.
Mir fällt im Zusmmenhang mit den Trockenmauern noch ein, dass sie auch im Gebirge zur Wegbefestigung und zum Verhindern von Erosion gebaut werden. Allerdings glaube ich nicht, dass diese Gedanken helfen deiner Intention nachzuspüren.
Was mir noch durch den Sinn geht, wäre eventuell Biblisches, Jesu mit den Jüngern im Weinberg ... Aber es ist mehr eine Art diffuse Vorstellung, die ich ableite.
Ungewöhnlich mutet es an, dass in der ersten Strophe, das Lyrich umbeteiligt ist, Außenstehender, der Hinterbliebene befragt.
Ungewöhnlich sind nicht die Antworten die es erhält.
Warum ist es wichtig für das Lyrich im Str. 2 festzustellen: "auch ich bin hinterblieben"?
Da muss es doich einen Zusammenhang geben ... möglich, dass er da zu suchen ist, wo sich die Gedankengänge der Hinterbliebenen ähnlich sind.
Ohne Herby Ausführungen wäre ich bestimmt stumm geblieben.
Gerade lese ich smiles Hinweis auf dein "de profundis", mehr als die "Seelenverwandschaft" der Texte kann ich für mich nicht entblättern.

Ich hoffe natürlich sehr, dass du uns mit deinem Text nicht allein zurücklässt, sondern dass du uns weiterhelfen wirst.

Liebe Grüße
Gerda

Niko

Beitragvon Niko » 03.09.2007, 13:53

hallo herby, smile und gerda!!
das fragen der hinterbliebenen nach dem, was bleibt drückt ja zum einen unsere angst (hat die nicht jeder?) vor dem "nichts danach" aus. und ist ja grundsätzlich auch ein irrwitz, weil hinterbliebene nicht wissen können, was mit den hinterlassenden geschehen ist. aber es quält die frage: "was bleibt" von einem übrig? hat irgendetwas bestand?
Probleme bereitet mir zum einen das, wovon es spricht: Trockenmauern und Erntezeiten.

für mich sind die begriffe so zu verstehen: trockenmauern... -der wink mit dem weinberg ist nett, war aber nicht in womöglich religiöser absicht geschrieben. trockenmauern sind erdverbunden, voller leben, dennoch standfest. zum einen. zum anderen halt auch trockene mauern: kein verrotten, kein verfall durch zuviel wasser... und erntezeiten beinhaltet das ernten der (lebens)früchte. so es etwas zu ernten gibt...
LyrIch spricht immer wieder von sich - bedeutet das, dass es einem Teil seiner Persönlichkeit nachtrauert und dabei nur dessen gute Seiten erwähnt und die negativen verschweigt? Sich also praktisch selbst täuscht?
ja, herby! und ich bin schweinefroh, dass du das gleich erkannt hast. daran hängt ja letztlich das ganze gedicht, an diesem schluss.
deine erinnerung an de profundis erstaunt und freut mich zugleich. es könnte in gewisser weise schon ein teil eines zykluses ausmachen, wenn ichs mir so recht bedenke.
ich hoffe, fürs erste mal das gröbste beantwortet zu haben.

lieben gruß: Niko


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