Nachtdusche

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Benutzeravatar
Ylvi
Beiträge: 9470
Registriert: 04.03.2006

Beitragvon Ylvi » 28.08.2007, 09:32

 

Nachtdusche


der warme Nebel umarmt
verheimlicht
dem Spiegel den Raum

dein Finger malt ein Fragezeichen
zwischen Augen
tiefer
auf meine Lippen
setzt du den Punkt

(erstaunlich
wie mir das mundet)

auch wenn durch die Kälte
die von außen strömt
das Geschriebene verschwindet
nur zum Schein

denn du hast Zauberhände

(weißt du,
Flugzeuge, die Schallmauern in Bodennähe durchbrechen,
können weiße Wolken in den Himmel hallen)

und jeden Tag
kehr ich zurück
an den Spiegel
und hauche


 

Heidrun

Beitragvon Heidrun » 28.08.2007, 11:20

Hallo, smile,

dein Gedicht gefällt mir inhaltlich und sprachlich gut.

Doch möchte ich eine Anmerkung machen:

Die Klammern würde ich persönlich nicht setzen, denn sie wirken störend auf den Lesefluss. Wie wäre es, wenn du deren Inhalt komplett in den Text integriertest?

Fragende doch schöne Grüße
Heidrun

pandora

Beitragvon pandora » 28.08.2007, 11:22

hallo smile,

ein wunderbar zartes gedicht, das ein ritual zu beschreiben scheint.
ich finde vor allem die in klammer gesetzten flüsterstimmen sehr schön.

einzig der titel ... den könnte ich mir verändert vorstellen. "nachtdusche" klingt im gegensatz zu den strophen sehr nüchtern und wuchtig. oder?

lg
p.

Benutzeravatar
noel
Beiträge: 2666
Registriert: 04.08.2006

Beitragvon noel » 28.08.2007, 12:12

ich versuche das bild des nebels
der hier mit der über
_schrift eindeutig scheint
mit diesen
pas des deux zu formieren

jemand hinterließ im nebel
zwischen den augen ein fragezeichen
was doch auf lippen vollendung findet & mundet
& immer wieder mit einem hauch gezeugt werden kann

etwas bleibendes

wo ich strudel ist das gegenüberdu & dre spiegel
die eins zu sein scheinen & doch nicht
der spiegel als die immerwiederkrehrenden
hände
des gegenüber
der sich dort leichterhand ewig schrieb


muss pandora rEcht geben
die überschrift augt mir auch nicht
NOEL = Eine Dosis knapp unterhalb der Toxizität, ohne erkennbare Nebenwirkung (NOEL - no observable effect level).

Wir sind alle Meister/innen der Selektion und der konstruktiven Hoffnung, die man allgemein die WAHRHEIT nennt ©noel

Gast

Beitragvon Gast » 28.08.2007, 13:22

Liebe smile,

das gefällt mir gut, ja! ... und die ersten Klammern braucht es nicht denke ich, bei dem Inhalt der zweiten grüble ich noch, denn mir will sich das nicht wirklich in die Zartheit des Textes und besonders ins Schlussbild fügen ...
Mir ist schon die Metaphorik klar, aber ... zu krass - im Wortsinn.

Eine feine Art, eine bekannte Sitation, bildlich in den Spiegel, ins Wort zu setzen.
Das "Weißt du" empfinde ich als überflüssig.

Liebe Grüße
Gerda

Herby

Beitragvon Herby » 28.08.2007, 23:44

Hi smile,

was ich an Deinem Gedicht reizvoll finde, sind die Gegensätze zwischen Wärme - Kälte und Sein -Schein, mit denen Du die Gedanken des LyrIch umkleidest.

Obwohl ich mich sonst oft mit Klammern in Gedichten schwer tue, finde ich sie hier durchaus berechtigt, sogar reizvoll, da ihr Inhalt sich nach meinem Lesen auf einer anderen Ebene bewegt. Würde die erste Klammer wegfallen, wie Gerda das vorschlägt, hätte die Beobachtung ein völlig anderes Gewicht und würde von ihrer Leichtigkeit und, ja, Beiläufigkeit verlieren.
Ähnlich wie Gerda geht es mir allerdings mit dem Inhalt der zweiten Klammer, der sich mir im Kontext noch nicht ganz erschließt.

Und mit dem Titel liege ich auch noch quer, zum einen wegen des Klangs (pandora schrieb ja schon dazu), zum anderen weil ich die Bedeutung des Elements der Nacht im Gedicht nicht wiederfinde. Der Titel erweckt so in mir Erwartungen, die aber dann der Text nicht erfüllt.

Das ändert aber nichts daran, dass ich Dein Gedicht inspirierend finde und gerne gelesen habe.

Liebe Grüße
Herby

Benutzeravatar
Ylvi
Beiträge: 9470
Registriert: 04.03.2006

Beitragvon Ylvi » 29.08.2007, 09:21

Hallo Heidrun, pandora, noel, Gerda und Herby,

ich habe mich sehr über eure Kommentare gefreut. Da die Fragen oder Kritikpunkte sich überschneiden, werde ich euch gemeinsam antworten.

Der Titel mundet oder augt euch nicht. Ich werde mal versuchen, ihn euch schmackhaft zu machen.
Für mich enthält er Assoziationen, die ich für dieses Gedicht nicht missen möchte. Es geschieht etwas in der Nacht, das man am Tag wiederfinden kann. Der Titel spannt einen zeitlichen (und räumlichen) Bogen auf. Da ist das Wasser, das berührt (ein Regen), das sich in kleinen Tröpfchen zu einem Nebel wandelt, der alles erst möglich zu machen scheint und der Aspekt des Abspülens (rein werden)...
Klanglich kann man das Wort meine ich auch sehr sinnlich stimmig machen.

Die Klammern halte ich beide für wichtig und sich gegenseitig bedingend. Wie Herby schrieb, bewegen sie sich auf anderen Ebenen. Wie Pandora schrieb sind es "Flüsterstimmen" (das ist ein sehr schöner Begriff dafür, danke)
Die erste ist das innere Erstaunen über etwas, das im LIch selbst geschieht. Die zweite ein Erstaunen über ein äußeres Phänomen, das dem LIch so großartig und schön (bedeutend) vorkommt, dass es diese "Entdeckung" (mit)teilen möchte. Deshalb ist da auch die Ansprache an das Du.

noels Gedanken zum Pas des deux finde ich sehr schön. Es als Tanz zu sehen, da sind Schritte und eine Leichtigkeit und auch ein Vertrauen, ein Zusammenspiel von Bewegungen...da schwingt eine Musik in der Luft...das augt mir sehr.

Danke für eure Anregungen.

liebe Grüße smile

Perry

Beitragvon Perry » 30.08.2007, 21:38

Halo Smile,
auch wenn ich aus deiner Antwort entnehme, dass du an deinem Text eigentlich nichts ändern willst :smile:, lasse ich dir trotzdem ein paar Anmerkungen da.
Mein Titelvorschlag wäre "Nächtliches oder Nachtschemen", warmer Nebel ist für mich hier "Dunst" und zum Schluss wäre für mich jeden Abend schlüssiger als jeden Tag.
LG
Manfred

Benutzeravatar
Ylvi
Beiträge: 9470
Registriert: 04.03.2006

Beitragvon Ylvi » 31.08.2007, 09:59

Hallo Manfred,

ich danke dir für deine Vorschläge, und freue mich sehr, dass du geschrieben hast, obwohl ich mal wieder meinen Text so verteidige. :pfeifen:

Zum Titel schrieb ich ja schon den Anderen. Er erscheint mir im Moment für mich einfach richtig.
Aus dem warmen Nebel kann ich keinen Dunst machen, weder klanglich noch gedanklich. (Vielleicht spielt die erste Zeile auch schon mit diesem Erstaunen...)
Ich weiß nicht, warum es für dich schlüssiger wäre am Abend zurückzukehren. Für mich ist dieser Bezug zum Tag für das Gedicht wichtig.

liebe Grüße smile

Benutzeravatar
Pjotr
Beiträge: 6793
Registriert: 21.05.2006

Beitragvon Pjotr » 06.09.2007, 15:19

Den negativen Kritiken kann ich persönlich nicht zustimmen. "Nachtdusche" nehme ich als durchaus "stilles" Wort auf. -- Der Text kommt bei mir bestens an. Weicher Klang, behutsam pulsierender Rhythmus, angenehm ruhige Stimmung, intuitiv-natürliche Wortwahl, fesselnde Thematik ... für mich stimmt hier alles.

Kritik der allgemeinen Klammerkritik: Ich finde, die Nutzung von Klammern ist eine Bereicherung der schriftlichen Ausdruckskraft, sie regeln die Lautstärke. Es gibt einige Zeichen für die Temporegelung, und so gibt es auch welche für die Lautstärke und Intonation. Warum darauf verzichten? Es verleiht dem Werk eine zusätzliche Dimension. Smile scheint ohnehin ein Gespür für die Darstellung mehrdimensionaler Raumtiefen zu haben. Besonders da passt die Dynamik mittels der Klammern bestens, wie Sahnehäubchen auf dem Käsekuchen.

Hakuin

Beitragvon Hakuin » 06.09.2007, 18:59

smile,

die kreierte stimmung finde ich wunderbar.

kennst du den: der lehrer macht ein fragezeichen, mit welchem finger macht er den punkt
(war an diese rückenkraulspiel erinnert)

ja! das geschriebene taucht wieder auf, es steht in zauberschrift geschrieben -
oder liegt das an meinem fettfinger...:cool:

nen schönen abend
hakuin

Benutzeravatar
Ylvi
Beiträge: 9470
Registriert: 04.03.2006

Beitragvon Ylvi » 07.09.2007, 21:59

Hallo Pjotr,

das ist ein wunderbarer "nachklingender" Kommentar, danke schön!


Hallo Hakuin,

dir auch danke für deine Rückmeldung.
(Nein, meine Lehrer durften mir nie den Rücken kraulen ;-) )


liebe Grüße euch beiden

smile


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 21 Gäste