wellisch

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 18.07.2007, 19:03

 

wellisch


mein Meer hütet keine Tränen
es lächelt sich die Küste rund

das weise Sandkorn findet auch die kleinste Ritze
in den Planken deines wankenden Stegs

meine Fragen atme ich
in die Daunen der gestreiften Gänse
die über den höchsten Bergen noch Freiheit an den Himmel malen

sie fliegen über alle ausgedachten Grenzen
und kein Nebel hindert sie an ihrem Weg

ihr Ziel ist im Süden, wo die Magnolien blühn
und ich dich küssen werde an kommenden Tagen

wir sprechen fließend wellisch – wir zwei
und deine Brandungsklänge fluten die verborgenen Kuhlen
bis meine Kreise pulsieren unter der Decke der Nacht

Perlen wachsen auf meiner Haut in diesen Stunden
an einem ledernen Band trage ich sie ins Leben hinein

da sind noch die feinen Stolpersteine am Strand
die ich mir legte vor vergessener Zeit

nun sammle ich sie wieder ein - für deinen Namen
der sich mit meinem im grünen Wasser vereint

sag - wie lange muss ich noch warten?
flüster es dem Sperling
in meiner Hand


 

Klara
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Beitragvon Klara » 18.07.2007, 19:23

Hallo Smile,

gefällt mir ganz gut, aber ich würde ein bisschen straffen (manches erklärt sich von selbst: zum Beispiel Steg - wankend, anderes ist mir zu direkt ausgesprochen). Auch würde ich im Futur bleiben. (Beim Titel bin ich unentschlossen)


mein Meer hütet keine Tränen
es lächelt sich die Küste rund

das weise Sandkorn findet die kleinste Ritze
in den Planken deines Stegs

meine Fragen atme ich
in die Daunen der gestreiften Gänse
die über den Bergen Freiheit an den Himmel malen

sie fliegen über alle Grenzen
und kein Nebel hindert sie

ihr Ziel ist, wo die Magnolien blühn
und ich dich küssen werde

wir werden fließend wellisch sprechen
uns fluten lassen
bis meine Kreise pulsieren unter der Decke der Nacht [meine Kreise pulsieren verstehe ich nicht]

Perlen werden auf meiner Haut wachsen
bis ich sie an ein ledernes Band lege

Am Strand werden auch noch die kleinen Stolpersteine liegen
die ich mir legte vor vergessener Zeit [vor vergessener Zeit ist ein bisschen üppig: IN vergessener Zeit?]

Doch ich werde sie endlich einsammeln
um deinen Namen dait zu schreiben

Herzlich
Klara

Gast

Beitragvon Gast » 19.07.2007, 18:22

Liebe smile,

das ist wahrscheinlich typisch für dich, Bilder, Bilder und nicht immer ist die Verknüpfung dieser auf den ersten Bliuck erkennbar.
Viel Raum also für den Leser sich einzulassen und die Luft dazwischen mit den Gänsen zu atmen . ;-)

Ich stimme Klara zu, die Vorschläge auch gleich mitgeliefert hat.
Etwas zurückhaltender das Ganze.
Klara schreibt, dass sie jene Stelle nicht verstehe:
bis meine Kreise pulsieren unter der Decke der Nacht

Mir ergeht es mit dieser Stelle und jener:Perlen werden auf meiner Haut wachsen
ebenso ... ich habe da nur eine sehr schmerzhafte Vorstellung, auf die ich im Text gern verzichten würde ... Ich muss an "Knoten" in der Haut denken., obwohl du von Perlen schreibst.

Hm schwierig auch die Folgestelle, mit dem Lederband (für mich).

Hat unterschwellig so etwas wie "An die Kette legen" :frage:

Liebe Grüße
Gerda

PS ... mal etwas anderes, hast du den Ausdruck "wellisch" schon einmal in einem deiner Texte verwendet? Ich weiß auch nicht, seit gestern kaue ich darauf herum und könnte schwören, ihn bei dir schon mal gelesen zu haben, genau so: wir sprechen fließend wellisch ... aber ich muss mich wohl täuschen ...

Caty

Beitragvon Caty » 19.07.2007, 18:58

Liebe Smile, du verwendest nicht gewöhnliche Bilder, das gefällt mir sehr gut - einerseits.
Andererseits müssen sich diese Bilder ungefähr entschlüsseln lassen, sonst wird darüber hinweggelesen und es bleibt nur Unverständnis.

Wie muss ich verstehen: "es (das Meer) lächelt sich die Küste rund"? Welche Vorteile bringt eine "runde" Küste für das Meer? Versteh: Nichts gegen die runde Küste, aber die Metapher steht für etwas Reales, und das kann ich mir bei diesem Bild zum Beispiel nicht erklären.

Ich bezweifle, dass ein Sandkorn "weise" ist, wenn es in einer Ritze verschwindet, denn so wird es von seinen "Brüdern" getrennt. Hat es etwas von ihnen zu befürchten? Hier hätte das Sandkorn ohne Attribut meiner Ansicht nach ausgereicht.

Für den Steg würde ich mir ein anderes Attribut wünschen, "wankend" ist zu naheliegend.

"die über den höchsten Bergen noch Freiheit ..." - Berge sind das Urbild der Freiheit, genauso wie das Meer. Welchen Sinn ergibt es, wenn sie über den höchsten Bergen noch Freiheit malen? Empfinde ich als Tautologie.

"ihr Ziel ist im Süden" - hier würde ich vorschlagen zu schreiben: "ihr Ziel ist der Süden".

"an kommenden Tagen" - die Wendung steht sowieso im Futur, die kommenden Tage doppeln die Aussage. Beabsichtigt?

Dann wird es für mich persönlich interessant: Was ist Wellisch?
Man kennt das Welsche (Französisch) aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges: Die Welschen kommen! Ich habe nicht herausgefunden, was Wellisch bedeutet.

Der Rest der Strophe erschließt sich mir gar nicht. Auch die nächste Strophe erschließt sich mir nicht. Das hört sich wirklich alles schön an, aber ich finde den Sinn nicht heraus.

"vor vergessener Zeit" - besser: in vergessener Zeit.

Dann wird es wieder für mich unklar: "für deinen Namen" werden die Stolpersteine eingesammelt? Ist gemeint: in deinem Namen?

Das Bild mit dem grünen Wasser und den Namen - ich weiß nicht, ob sich Namen im Wasser vereinigen können. Das Bild ist mir zu unverständlich.

"flüster es dem Sperling" - besser: "flüstre es dem Sperling zu/in meiner Hand".

Das sind so meine Fragen an dein Gedicht. Vielleicht können sie dir einen Hinweis für die Überarbeitung geben?

Herzlichst Caty

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 20.07.2007, 10:00

Hallo :pfeifen:

Ich denke nun war genug Zeit für die, die fragten (Klara, Gerda und Caty) nachzulesen. Meine "Eigeninterpretation" habe ich nun wieder gelöscht, damit das Gedicht für die Leser (falls noch welche folgen ;-) ) wieder atmen kann.

liebe Grüße und danke für eure Komms.

smile
Zuletzt geändert von Ylvi am 22.07.2007, 21:01, insgesamt 1-mal geändert.

Gast

Beitragvon Gast » 20.07.2007, 12:03

Liebe smile,

vielen Dank für deine Ausführungen, besonders zu Perlen. Ich hatte nicht weitergedacht, allerdings ist es schwer, setzt sich eine Idee erstmal fest ... schließlich kommen echte Perlen aus dem Meer, das hätte ich mir denken können.
Mir haben deine Bilder keine Schweierigkeiten gemacht - sonst hätte ich es geschrieben. Klaras Verdichtung hätte dennoch Sinn - meine ich - aber das ist ja nicht ausschlaggebend ;-)

Dass meine Erinnerung mich bezüglich des "wellisch" doch nicht getrogen hat, freut mich.
Ich finde, es passt ja auch sehr gut, außerdem erinnert es an Wallonisch und Walisisch.

Liebe Grüße
Gerda

Max

Beitragvon Max » 20.07.2007, 20:29

Liebe Smile,
da habe ich auf Dein achtung hin nicht nur Deinen Kommentar, sondern alle anderen gleich mit übersprungen ;-).

Mir gefällt an diesem Gedicht und an einigen Deiner jüngeren Gedichte, dass sie eine große Bildkrfat entwickeln und zwar etwas eigenes, das Du nur noch gelegentlich verlässt.

Beim vorliegenden Gedicht geschieht das meines Erachtens bei den Vögeln, den Gänsen. Zum einen finde ich es wirklich nicht so furchtabr originell, ihren Flug mit Freiheit zu verbinden, zum anderen stürzen sie mich in geographische bzw. biologische Nachdenklichkeit .. Wo blühen die Magnolien und was für Gänse sind das, die dann dorthin ziehen (Magnolien blühen z.B. bei uns im April, aber wenn die Gans in den Süden zieht, dann muss sie vorher im Norden gewesen sein .. zum überwintern? ... vielleicht hat chiq recht und ich sollte nicht über sowqas nachdenken ..)

Ansonsten habe ich das Gedicht sehr gerne gelesen.

Liebe Grüße
max

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 21.07.2007, 12:37

Hallo Max,

gut gesprungen! :daumen:

Na ja, die Vögel sind real, und kein Berg ist ihnen zu hoch. Die Betonung liegt also darin, dass sie die Freiheit (und da geb ich euch recht, sie ist kein ungewöhnlicher Gedanke in Verbindung mit Vögeln, Bergen und dem Himmel) "noch" oder "sogar" in eine Höhe tragen können, wo es sonst niemand vermag. Und über diese Berge hinweg.

Freut mich, dass dir meine Bilderflut gefällt. :-)

liebe Grüße smile

Nihil

Beitragvon Nihil » 01.08.2007, 09:44

Liebe smile,

"Wellisch" ist - naiv gefragt - die Sprache der Gefühle? Schade, dass du deine Interpretation gelöscht hast - ich hätte sie gerne gelesen ..

LG

Nihil

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 01.08.2007, 11:24

Hallo Nihil,

deine Frage ist nicht naiv, es ist eine gute Frage. Wellisch ist (nach meinem Verständnis) eine Sprache, die man nicht erlernen und nicht übersetzen kann. Sie ist das, was ein wirkliches Verstehen möglich macht. Vielleicht ist sie eine Utopie. Ob wir dieser Utopie im Fühlen am nächsten kommen? Ich glaube, das wäre ein guter Gedanke.

(Ich bin froh, dass du die Eigeninterpretation nicht gelesen hast. Sie hat das Meer verdrängt. Jedes Wort hat seinen Grund. Aber die Gründe zusammen sind nicht das, was das Gedicht ausmacht.)

liebe Grüße smile

Nihil

Beitragvon Nihil » 01.08.2007, 14:04

Liebe smile,

die Interpretation durch den Autor kann die Sicht auf den Text verstellen, sie kann sie aber auch öffnen .. und ich selbst empfinde das Wissen um die Intention des Autors hinter einem Text als großen Gewinn ..

"Wellisch" könnte man demnach jene menschlichen Ausdrucksmöglichkeiten nennen, die jeder Mensch instinktiv versteht, z. B. ein Lächeln, Weinen, Gestiken etc. .. meinst du es derart?

LG

Nihil

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 01.08.2007, 14:44

Lieber Nihil,

mmmhhh... ich denke dabei an die Möglichkeit, dass durch oder über den Worten der "normalen" Sprache etwas aufscheint, etwas eigenständiges entsteht, eine andere Sprache, die man nicht festmachen kann und nicht erzwingen, (nicht erklären :mrgreen: )
Vielleicht so: Sie macht das Lächeln spürbar, ohne dass man das Gesicht sehen muss.

liebe Grüße smile


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