Schweigen

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Ramona_L

Beitragvon Ramona_L » 31.07.2007, 12:18

Schweigen

Hauchdünn
vernäht Regen
Himmel und Horizont

Von den Nadeln
der alten Kiefer
lösen sich
Tropfen

rollen
über Farngrün
um in Moospolstern
zu nisten

Der helle Streifen
hinter den Hügeln
zieht sich
ins Anthrazit
zurück

Gemeinsam
lauschen wir dem Prasseln

und verschwimmen
im Gleichklang


© RL
Zuletzt geändert von Ramona_L am 31.07.2007, 15:36, insgesamt 1-mal geändert.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 31.07.2007, 13:26

Hallo Ramona,

das gefällt mir sehr gut, wunderbare Bilder, die man direkt vor Augen hat. Auch klasse das: "vernäht Regen Himmel und Horizont".

Bei diesem Passus tue ich mich ein bisschen schwer:

Gemeinsam
ertragen wir das Prasseln
und verschwimmen

im Gleichklang


Aus dem Kontext erlese ich eine beschauliche Gelassenheit, doch hier passt für mich das Wort "ertragen" nicht. Durch das "im Gleichklang" erzeugst durch die Assoziation zur Harmonie. Dem widerspricht das "ertragen". Hier würde ich ein positiv besetzteres Wort wählen.

Nach "Prasseln" würde ich einen Absatz setzen und die beiden letzten Zeilen direkt untereinandersetzen, da man sonst falsch liest, nämlich:
... ertragen wir das Prasseln und verschwimmen ...
aber du beziehst das "verschwimmen" ja auf "im Gleichklang", also besser wäre m.E.:

Gemeinsam
ertragen (hier anderes Wort) wir das Prasseln

und verschwimmen
im Gleichklang

Sehr gern gelesen,-)
Saludos
Mucki

Ramona_L

Beitragvon Ramona_L » 31.07.2007, 15:35

Grüß Dich, Mucki,

ganz lieben Dank für Deine Zeilen ...

Vielleicht so:

Gemeinsam
lauschen wir dem Prasseln

und verschwimmen
im Gleichklang


So wäre es feiner, runder, denke ich auch ...

Herzliche Grüße,
Ramona

Mucki
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Beitragvon Mucki » 31.07.2007, 15:43

Hallo Ramona,

ja, so finde ich es sehr stimmig,-)
Saludos
Mucki

woitek

Beitragvon woitek » 31.07.2007, 16:03

Hallo Ramona_L,

Schön finde ich, wie du den Spannungsbogen vom Titel bis zum erstmaligen Auftauchen der Erzählinstanz im vorletzten Textabschnitt, gleichmäßig aufbaust. Zuerst Naturbeschreibungen, deren Bildhaftigkeit ich gut nachvollziehen kann und die mir auch irgendwie vertraut vorkommen.
Die akustischen Hügel (Titel/Schluss) wirken wie durch eine Brücke über eine lange, visuelle und feuchte Talebene verknüpft. Schön, dass diese Feuchtigkeit auch in der Stille nicht verloren geht.

Gefällt mir.

Gruß
Woitek

Ramona_L

Beitragvon Ramona_L » 31.07.2007, 18:18

... danke Dir Mucki, ja, so denke ich auch.

Danke woitek ... ich freue mich über Deinen Kommentar.

Schöne Grüße,
Ramona

Max

Beitragvon Max » 31.07.2007, 22:02

Liebe Ramona,

das ist für mein gefühl einfach gelungen - ganz besonders stark das Bild der ersten Zeile mit dem nähenden Regen.

Dein Gedicht trifft auf ganz wunderbare Weise einen stillen Moment.

Sehr gerne gelesen.
Liebe Grüße
max

Perry

Beitragvon Perry » 01.08.2007, 11:44

Hallo Ramona,
gefällt mir auch sehr gut, wie du dieses Gefühl der Gemeinsamkeit in die beschauliche Regenszenerie gewebt hast.
Eine Kleinigkeit vielleicht:
Regentropfen rollen nicht wie Murmeln, sie rinnen, auch wenn es so aussieht.
Das "Prasseln" am Schluss ist mir für die leise Stimmung fast zu stark. Wie wärs mit Rauschen, Tröpfeln etc.
Der Titel "Schweigen" ist erstens zu oft benutzt und ich glaube hier zu überdimensioniert, ein zu großes Wort für eine so intime Szene. Alternativ könnte ich mir "Im Gleichklang" gut vorstelen und dafür die beiden letzten Zeilen weglassen, die sind sowieso zu erklärend.
Vielleicht ist ja eine Anregung für dich dabei. Sehr gern gelesen!
LG
Manfred

Ramona_L

Beitragvon Ramona_L » 01.08.2007, 12:15

Lieber Max,

das freut mich jetzt aber heftig ;o) danke schön.

Lieber Perry,

neee, sie rollen, sie kullern regelrecht, wenn
sie schwer genug sind und der Regen sehr heftig ist,
deshalb auch das Prasseln ...

Abends in einer Blockhütte, über dem Fjord, der Regen,
bei einem Glas Wein ... sich umeinander schweigen ... und soooo ...

Euch herzliche Grüße,
Ramona

Caty

Beitragvon Caty » 01.08.2007, 18:31

Liebe Ramona,

das ist ein schönes Gedicht über das Schweigen in der Natur. Die erste und zweite Strophe gefallen mir sehr gut, ich kann mich einfühlen.

Für Strophe 3 hätte ich einen Korrekturvorschlag:

rollen
über Farngrün
um in Moospolstern
zu nisten

Dieses "um" ist unlogisch. Die Tropfen rollen nicht über Farngrün, um ...
sondern weil sie sich lösen. Du gebrauchst dieses "um" im Sinne von "schließlich", aber das ist syntaktisch falsch.

Letzte Strophe: Hier hätte ich den Vorschlag "schwimmen" statt "verschwimmen", im Sinne davon,
wir sind ein Paar (und nicht: wir lösen uns auf).

Herzlich Caty

Perry

Beitragvon Perry » 01.08.2007, 19:29

Hallo Ramona,
na klar, nach ein paar Gläsern Wein, da kullern sogar die Regentropfen. :mrgreen:
LG
Manfred
Zuletzt geändert von Perry am 02.08.2007, 17:19, insgesamt 1-mal geändert.

woitek

Beitragvon woitek » 01.08.2007, 19:56

Mmm, "rinnen" statt "rollen" sehe ich als recht gute Möglichkeit. So hast du auch eine schöne Vokalkurve (rinnen - grün - polstern - nisten), vom hellen i zum offenen o und wieder zurück.

Wie wäre es mit "rauschen" statt "prasseln, dass ist weniger stark und du hättest noch einen interessanten, weil gut klingenden, Binnenreim.

Ramona_L

Beitragvon Ramona_L » 01.08.2007, 20:07

... danke Euch nochmals,

@ hallo Caty ... muss Dichtung logisch sein?? ...

@ sorry, Perry, wo steht was von "ein paar Gläsern" ... ???
mir scheint Du reagierst etwas spitz, weil ich auf Deine Vorschläge nicht eingehe?
Sie rollen, schau mal wenn es stark regnet, musst auch nix trinken vorher *smile*
... ja und kullern, dagegen wäre auch nix einzuwenden ...
manchmal liest man ja auch, das Tränen kullern :pfeifen:

@ danke, woitek, aber lauschen, dem Rauschen??? Neee ...
da klappen sich mir die Fußnägel hoch ... mag ich nicht,
Und das Prasseln drückt für mich diesen starken Regen an diesem
Abend aus ...

Euch einen schönen Abend,
herzlich, Ramona

scarlett

Beitragvon scarlett » 01.08.2007, 20:58

Liebe Ramona,
(keine Komms gelesen)

dein Gedicht transportiert eine Menge: an optischen, akustischen und olfaktiven Elementen. Das finde ich sehr schön. Die Bilder sind klar, überdecken einander nicht, lassen Räume entstehen.

Was ich zu bedenken geben würde:

gleich in der ersten Strophe würde ich den Regen nicht artikellos lassen. Zum einen ist es ja ein ganz bestimmter Regen, an einem ganz bestimmten Ort, zu einer ganz bestimmten Zeit gehört, was aber m M nach viel wichtiger ist: der Rhythmus wird durch ein "der" glatter. Probiers einfach mal aus.

Ferner die Tropfen, die über Farngrün rollen um in Moospolstern zu nisten. Ich kann mich damit nicht anfreunden, daß das der Sinn des Rollens von Tropfen sein soll...
Wenn du das aber so siehst, ok.
Ich hätte allerdings einen Alternativvorschlag, laß mich wissen, wie du darüber denkst.

Sehr gerne gelesen, Ramona!

Grüße,
s.

schön, daß du wieder da bist!


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