Fische sterben stumm

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Perry

Beitragvon Perry » 27.07.2007, 15:44

Fische sterben stumm


Wachst du eines Morgens auf
und ich liege als Fisch neben dir
dann bring mich schnell zum Wasser

Leg mich nicht in die Badewanne
und gib mir keine Fliegenlarven
ich brauche nur die Weite des Meeres

Liegt eines Abends ein anderer
in der Beuge deiner Arme dann
denke an die Stille unseres Ozeans


1. Fassung:

Fische sterben stumm


Wenn du eines Morgens aufwachst
und neben dir ein Fisch im Bett liegt
dann bring ihn schnell zum Meer

Leg ihn nicht in die Badewanne
und füttere ihn mit Fliegenlarven
er würde sterben ohne Salz im Wasser

Wenn eines Abends ein anderer
in der Beuge deiner Arme liegt
dann denke an die Stille des Ozeans
Zuletzt geändert von Perry am 29.07.2007, 11:42, insgesamt 1-mal geändert.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 29.07.2007, 00:49

Hallo Manfred,

jetzt hab ich dein Gedicht schon so oft gelesen, komme jedoch nach wie vor nicht dahinter und warum Liebeslyrik?
Ich dachte zuerst an eine Meerjungfrau, die sich vielleicht hinter dem "Fisch" verbergen könnte, hielt dies jedoch für zu abwegig.
Hilfst du mir auf die Sprünge?
ratlose Grüße
Mucki

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Sethe
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Beitragvon Sethe » 29.07.2007, 01:15

Wenn man morgens aufwacht und neben einem liegt der Partner oder die Partnerin und hat dir, der Beziehung und sich selbst nichts mehr zu sagen, oder will und kann dir nichts mehr sagen, und zwar weil die Beziehung in etwas so ist wie das Meer ohne Salz.
Dann geh mit deinem Partner/Partnerin dorthin (oder gib ihm/ihr wieder die Möglichkeit), wo er/sie wieder mit Dir und mit sich sprechen kann. Das ist nicht die Badewanne, mit dem Wasser ohne Salz, denn dies ist das, was jetzt schief läuft.
Das Meer mit dem Salz ist der richtige Ort, also das, wo er/sie zu Beginn der Beziehung so sein konnte, daß er/sie sprechen konnte und wollte.
Tja, und wenn man nur die Badewanne nimmt, liegt halt irgendwann jemand anders dort, wo Du gelegen hast, denn der Partner/Partnerin ist für dich in der Badewanne gestorben. Ich meine sie/er lebt noch, aber die Beziehung ist gestorben.

Der letzte Satz mit der Stille des Ozeans läßt mich etwas grübeln. Da aber immer nur in solchen Fällen die Badewanne genommen wurde, kann im Ozean niemand mehr sein, der spricht.

Ich befürchte, ich liege fürcherlich schief.
Aber das kam mir beim Lesen in den Sinn.

Perry

Beitragvon Perry » 29.07.2007, 11:38

Hallo Mucki, hallo Sethe,
freut mich, dass euch mein Text interessiert. Sethe hat es vom Ansatz her bereits gut getroffen. Es ist ein Trennungs- bzw. Abschiedsgedicht. Die Gefühle des LyrIchs sind erkaltet, es fühlt sich wie ein Fisch auf dem Trockenen im gemeinsamen Liebesbett. Da es sich selbst nicht lösen kann, bittet es das LyrDu es zum Meer zu bringen und ihm die Freiheit wieder zu schenken. Durch diesen letzten Liebesdienst würde die Erinnerung an ihre schönen Zeiten, trotz der Trennung und sicher baldigen neuen Liebe, eine Angenehme bleiben.
Ich hoffe, es ist jetzt soweit verständlich, ich habe in einer neuen Fassung versucht die Sicht des LyrIchs noch besser rauszuarbeiten.
Danke und LG
Manfred

Mucki
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Beitragvon Mucki » 29.07.2007, 16:10

Hallo Manfred,

ja, in der neuen Version kommt deine Intention sehr viel besser zum Ausdruck.
Hier wird jetzt klar, worum es geht. Vor allem den letzten Satz finde ich jetzt richtig gut,-)
Saludos
Mucki

Chiquita

Beitragvon Chiquita » 29.07.2007, 16:15

schöne idee, perry. mit der letzten strophe hadere ich. da empfinde ich einen bruch. hätte man das bild nicht anders auflösen können?
zb. statt "beuge" hätte ich "bucht" genommen - das käme dem bild des meeres näher.
und ist die stille wirklich eine charakteristik für einen ozean? (in dem kontext zur liebe.)
das bitte ich zu überdenken.

gruß
chiqu.

Trixie

Beitragvon Trixie » 29.07.2007, 22:50

hallo perry!

ich finde, dass die verzweiflung des lyrichs, die sehnsucht nach mehr/meer irgendwie gut rüberkommt mit dem großen ozean, dem fisch, der auf dem trockenen liegt. das hat mich getroffen. allerdings muss ich chiqu zustimmen ... die stille finde ich komisch...wieso sollte denn das lyrdu an die gemeinsame stille denken? mir kommt es ja eher so vor, als würde das lyrich gerade das dem lyrdu vorwerfen..sie haben sich nichts mehr zu sagen und so.

grüße
trixie

Nihil

Beitragvon Nihil » 29.07.2007, 23:08

Mensch, Trixie - stille Wasser sind tief .. die Stille steht für die Tiefe, für die Tiefe einer Liebe, die nurmehr in der Erinnerung ihr Echo hat ..

LG

Nihil

Trixie

Beitragvon Trixie » 29.07.2007, 23:15

mensch nihil, aber wenn gerade die stille als negativ abgetan wird, dann ist es komisch, sie als positives wieder zu benutzen innerhalb von einem gedicht! man könnte ja auch die fülle unseres ozeans oder die tiefe sagen, wie du ja selbst sagst...

grüßli
trixie

Nihil

Beitragvon Nihil » 29.07.2007, 23:22

Ach Trixie - "die Fülle unseres ozeans" .. ;-) Weshalb denkst du, dass die Stille als ein negatives abgetan wird? Verstehe ich nicht .. sie ist doch als der Appell gemeint, der vergangenen Liebe zu gedenken, oder verstehe ich da etwas verkehrt?

Yet, there is still this appeal,
that we've kept through our lifes,
love, love will tear us apart again ..


LG

Nihil

Chiquita

Beitragvon Chiquita » 29.07.2007, 23:26

der stille ozean wird vielleicht deswegen still genannt, weil er oft alles andere als still ist und somit seine stille viel stärker als stille empfunden wird als normal. das meine laieneinschätzung.
ich weiß nicht, um welche stille es in perrys gedicht geht.
meine interpretation war die friedliche stille - und die paßt weder wirklich zur liebe noch zum ozean.

gruß
chiqu.

Trixie

Beitragvon Trixie » 29.07.2007, 23:29

naja, ich dachte, fische sterben stumm+"ich fühle mich wie ein fisch, komm, wir machen schluss" = wir haben uns nix mehr zu sagen...
und wenn es nix mehr zu sagen gibt, wieso dann sich an die stille zurückerinnern? wenn die stille des ozeans als andere metapher gilt, dann passt sie für mich an dieser stelle so nicht...

grüße
trixe

Nihil

Beitragvon Nihil » 29.07.2007, 23:30

.. es geht um Zeitlichkeit und Emotion .. und auch um die Versöhnung mit dem Moment im Gedenken an das, was einmal war, aber nicht mehr ist ..

LG

Nihil

P.S.: Trixie, du musst jemand sein, der sehr gut abschließen kann und den Dingen nicht anhaftet .. wohl dem! ;-)

Mucki
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Beitragvon Mucki » 30.07.2007, 00:30

Ich lese diese Stille als Mahnung an das LyrDu, (wenn es einen anderen Partner hat) sich daran zu erinnern, dass es mit den beiden vorher nicht funktionierte und das LyrDu es nun besser machen soll. (Wobei man diesen Satz zweifelsohne auch als wehmütige Erinnerung lesen kann). Beides geht m.E.
Saludos
Mucki


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