Fragmente (Arbeitstitel)

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 23.07.2007, 10:51

Fragmente



Wie lange dauert eine Stunde im Sumpf? Wir sollten uns nicht mit Nacktschnecken messen. Die können meterhohe Mauern überwinden.
Es scheint fast so, als wollte der Knöterich uns zum Straucheln bringen. Wir müssen die Füße sorgsam heben. Und auf unsere Fesseln achten.
Sind das dort Brotkrumen auf dem Amboss?

***

Ich sollte nun die gelbe Kugel ganz leicht mit Rechts-Effet anspielen, dann wäre die Partie doch beendet, oder?

***

Wenn du das Deodorant wegließest, wäre ich dir noch etwas näher.
Und Seltsamkeit ist nur eine Überinterpretation der Wahrnehmung, ebenso wie die Lüge.

***

In Masuren läuten deine Hochzeitsglocken, während ich die Staubfasern von unseren Kopfkissen inhaliere. Ich hätte sie vorher nur einmal kräftig ausschütteln sollen. Und die Bezüge waschen. Habs versäumt zur Hoch-Zeit.

***

Die Brombeere an der Straße ist noch zu sauer. Es bedürfte eines Sommers.

***

Wieso die Fußmatte immer nach links rutscht, weiß ich auch nicht. Sollen wir Photos von damals anschauen? Ich mag die Art, wie du schnippisch wirst.

***

In grünen Seen könnten wir – ganz nackt – die Lösung finden.

***

Das Glas mit dem Sprung sollten wir besser nicht verwahren. Und wachsam sein, wenn wir das Gyuto abtrocknen.
Ich glaube nicht, dass es Spinnennetze gibt, aus denen sich ein Mensch nicht befreien könnte.
Schau mal, auf dieser Seite bieten sie virtuelle Tiere an. Ich wünsche mir doch schon so lange einen Ziegenbock.
Nein, die alte Frau von nebenan habe ich auch lange nicht mehr gesehen.

***

Früher rochen die Sonntage nicht so sehr nach Brennspiritus.
Wir sollten es bei den Provisorien belassen. Dann fällt die Trennung nachher nicht so schwer. Oder der Tod. Was macht dich so sicher, dass es einen weiteren Sommer geben wird?

***

Die Leute in den Großstädten fühlen sich immer so überlegen ... dabei können sie von da aus (vor lauter Dunst) nicht einmal die Milchstraße sehen.
Dieser Pfirsich kommt mir irgendwie zärtlich vor. Es ist schön, unter freiem Himmel zu onanieren. Sekundenbruchteile unterscheiden sich nicht wesentlich von Ozeanen.

***

Wie heiß es in dir war.
Es ist noch was vom Pfirsich über.

***

In den Frühträumen ist es so, als überschreite man für einen Moment die Grenze, als gelange man kurz ans andere Ufer. Das Waten zurück wird aber jeden Morgen mühsamer.

***

Man hört kaum noch Amseln. Wir sollten die streunenden Hauskatzen einfangen und in der Regentonne ersäufen. Ich ertrage ihre Überlegenheit nicht.

***

Die Elstern sollten wir auch abschießen. Verfluchtes Gezänk!
Es war ein gute Idee, die Flagge von Juist hier zu hissen. Wenn du die Augen schließt und dem Wind zuhörst, ist es wie am Meer. Man kann überall am Meer sein.
Hab wieder die Photographien angeschaut von dir, und mich auf die Insel geträumt.
Die Festung von Schloss Glücksburg lässt sich mit einer Handvoll Bogenschützen einnehmen. Sie haben die Reichweite unserer Pfeile unterschätzt.

***

Von den Äpfeln, die ich manchmal kaufe, esse ich immer nur einen. Die restlichen lege ich zum Verfaulen hin.

***

Die anderen Burgen sind auch nicht viel besser. Mit ein paar Streitkolbenkämpfern in der Hinterhand kannst du sie alle aushebeln.

***

Warum ich die Aussetzer und Doppelschläge meines Herzens ignoriere und nicht damit zum Arzt gehe? Nun, es hat einen gewissen Reiz, gegen einen übermächtigen Gegner anzutreten. Stell dir mal vor, was das für ein Coup wäre, wenn es mir gelänge, das Remis bis kurz vor Schluss zu halten und dann über die rechte Außenbahn einen Touchdown durchbrächte.

***

Ich möchte nie mehr fliegen.

***

Dieser Tag ist wie das Möbiusband, was ich heute zusammenklebte. Am Ende ist man wieder am Anfang, nur verdreht.
Ansonsten Sauerkonserven und Vollkornbrot.

***

Hab die Gedichte, die von dir handeln, weggeschickt. Sie sind aber immer noch hier. Ich sollte vielleicht die Manuskripte im Garten vergraben und die Festplatte löschen. Das wäre ein bisschen endgültiger. Macht es einen Unterschied, ob ich diesen Schnaps noch trinke oder nicht?

***

Zeit, den Schmerz ins Haus zu bitten. Er hockt schon so lange reglos unter dem Rhododendron.

***

Nachtschweiß mindert das Wohlbehagen nicht. Erst, wenn er kalt geworden ist. Und uns der Mutterleib wieder ausspuckt, in die fröstelnde Dämmerung.

***

20 am Tag * 30 Jahre = 219.000. Wieviele sind genug?

***

Entschuldige, dass ich dich nur benutze.

***

Die Tage werden kürzer. Die Nächte auch. Das dazwischen wird länger.

***

Wir sitzen wieder wie vor 25 Jahren auf dem Balkon auf der Brückenstraße, im vierten Stock, hinten raus, zum Parkplatz von Schätzlein, und sehen den Autos beim Rangieren zu, und den Einkaufswagen beim Klimpern, während Lutz hinten in der Wohnung in die Dusche kotzt. Weil er es wieder mal nicht bis zum Klo geschafft hat.

***

Es gibt uns aber nicht mehr.

***

Beim Brennholzspalten entstehen manchmal kleine Spielzeugfische, mit Augen und Flossen. Diese beiden hier könnten ein Forellenpaar sein, findest du nicht? Nein? Lass uns die Kinder fragen.

***

Ich gelange nur über diese Treppe zu dir.

***

An guten Tagen können wir den Tisch mit zwei Aufnahmen abräumen. Heute müssen wir mal die Pomeranzen mit Schulkreide schmieren. Dieser Einbänder war genial.

***

In einem Kreis gibt es keine Verstecke.

***

Wir füllen Pokale mit Brackwasser und setzen Goldfische rein.

***

Heute hatte ich zum ersten Mal eine dieser dicken Hausspinnen auf der Hand. Anstatt sie mit der Duschbrause in den Abfluss zu spülen, habe ich sie einfach hochgenommen und angeschaut. Sie hat ängstlich ausgesehen, und saß ganz still. Unvermittelt lief sie dann meinen Arm hoch, und da habe ich die andere Hand genommen, um sie davon abzuhalten. Das ging einige Male so, rechts und links, bis ich sie einfach auf dem Hof vom Arm schüttelte und die Tür hinter mir schloss.
Es ist etwas anderes als Ekel.

***

Jetzt verschieben sie wieder die unterirdischen Aparaturen. Du kannst es hören, wenn du dein Ohr ganz fest an den Kanaldeckel (die Erde) drückst.

***

Blut. Überall ist Blut.

***

Muss ein Scheißgefühl für dich gewesen sein, als ich bewusstlos auf deinem Schoß lag und mein Blut über deine Hose lief. Entschuldige. Normalerweiser passiert mir sowas nicht.

***

Du liebst nicht.
Du weißt nichtmal, was das ist.

***

Ich habe mir eine Bürste mit einem langen Stiel gekauft, für den Rücken. Damit ich deine Hände nicht mehr vermisse.
Das Wasser war heute so heiß, dass meine Haut ganz gerötet ist. Ich konnte aber nicht damit aufhören, mir die Brause in den Nacken zu halten und sie ganz langsam in ihrer Neigung zu verändern, so dass sich das Wasser immer neue Bahnen über den Rücken suchte. Es war, als liefe flüssiges Wachs an mir herunter.

***

Sperma trocknet langsamer als Blut.

***

Die Tage, an denen es nicht hell werden will, sollte man nutzen, um die Lebensarchive fortzuführen. Damit diejenigen, die hinter uns aufräumen müssen, es einfacher haben.

***

Immer noch eitern Glassplitter aus meiner Haut. Ich spüre keinen Schmerz. Nur das Bedürfnis, etwas abstoßen zu müssen. Diesen Schorf muss ich auch nochmal abziehen. Es ist noch etwas darunter.

***

Man kann nicht noch einmal von vorne beginnen.

***

Heute Nacht konnte ich die Ratten in meinen Abwasserleitungen nagen hören (ich hatte immer vermutet, dass die Gefahr von innen kommt). Ich wurde wach davon.
Aber es bedarf erst des Nebels, um die wirklich leisen Geräusche wahrzunehmen.

***

Das Jahr weiß nicht, dass es ein neues ist.

***

Es kommen tatsächlich frische Triebe aus dem Erdreich. Ich hatte nicht mehr damit gerechnet.

***

Es spielt keine Rolle, was in der Mitte ist. Auf die Ränder müssen wir achtgeben.

***

Nein, Schatz, ich kann dir kein aktuelles Photo schicken. Es gibt keines. Jedes Bild zeigt einen Moment nach seiner Belichtung bereits die Vergangenheit.

***

Das entscheidende Buch steht wahrscheinlich noch ungelesen im Regal. Kann jetzt nur noch Fjodor oder Franz sein. Oder das mit den verschiedenen Knoten.

***

Nein, ich werde die alten Sachen noch einmal nähen lassen.

***

Das Erwachen ist sechzehntausend blassgelbe Quadrate.

***

Das Hartholz klingt wie eine tiefe Glocke, wenn sie es ins Wattenmeer rammen. Sie machen aber später keinen Glauben daran fest.

***

Auf den Kneipenklos hängen sie immer getönte Spiegel auf. Dann ist die Illusion perfekt, dass man sich gut fühlt.

***

Unter den Straßenlaternen werfen wir immer zwei Schatten: Einen langen blassen, der uns weit vorauseilt, und einen kräftigen kurzen, der uns von hinten einholt und dann neben uns herläuft.

***

Wieder kein Obst gekauft. Nur geraucht und auf den Stillstand gehofft.

***

Aber nichts hält inne.

***

Ich weiß nicht, warum ich den Koffer immer noch nicht ganz ausgepackt habe. Ich glaube diesen Wänden nicht mehr. Schau, da ist noch Sand unter dem Buch über Ebbe und Flut.

***

Ich schlage nicht mehr nach den Fliegen. Jedes Mal, wenn du sie nicht triffst, wirst du dir mehr deiner Ohnmacht bewusst.

***

Ich will das Wiesenheu wieder riechen.

***

Sie sollten jeden Tag Bomben in der Nachbarschaft entschärfen. Es ist so wunderbar still.

***

Wann eigentlich haben die Bewegungen aufgehört? Seit ich unter diesem Bett bin, herrscht Tag- und Nachtgleiche. Hinter der Fußleiste fand gerade eine Scharade statt, aber ich kam nicht auf die Lösung. Eine der Assseln trug ein silbernes Hochzeitskleid, dessen Schleppe sich mit den Teppichfasern verwoben hatte. Eine andere sang Kantaten dazu, und die dritte bot Schaltjahre feil.

***

Man kann die Sägespäne in der Raufaser zählen. Das bringt wieder ein paar Minuten.
Die glücklichen Tage hatten wir morgens immer mit Kaffeeweißer angemalt.

***

Hinter den Vorhängen weiß ich die Zeitspinnen. Sie scheiden jetzt unverdauliche Momente aus. Ob ich ihnen etwas Kupfergeld geben sollte für ihre Dienste?

***

Ich würde so gerne noch einmal unter deiner Brust sterben.

***

Weißt du noch, wie ich nachts mitten im See aus dem Schlauchboot steigen musste und dich zur Insel schieben, weil wir ein Leck hatten?
Als das Gewitter kam, haben wir uns unter die Malerfolie gelegt, und dein Unterleib hat uns beide gewärmt.

***

Der Pfad ist zugewachsen. Man müsste durch Dornen.

***

Ich habe mir immer gewünscht,
dass du mir mein Herz zurückgibst.
Inzwischen möchte ich, dass du es behälst.

***

Ich benutze immer noch die Reisezahnbürste. Als ob es bald weiterginge.

***

28/08/2008




Wenn du dir morgens aus den Kippen im Aschenbecher eine Zigarette drehst schmeckt es, also ob du die Gedanken von gestern noch einmal rauchen würdest.

***

40 Sorten Grau. Such dir eine aus.

***

Die Geräusche ändern sich. Der Klang bleibt gleich.

***

Wir sollten bald die Beete anlegen. Die Erde ausbringen. Bevor der Herbst kommt. Nein, ich werde nichts anpflanzen. Du musst nur warten.

***

Was ist schon dabei, mit einem Regenschirm auf dem Fahrrad nach Hause zu fahren? Lass die Leute doch lachen. Hör mal, das Feuerwerk. Sie feiern wieder ihre eigene Sinnlosigkeit. Ist es nicht schön, wie der Regen jetzt auf unser Zelt prasselt?

***

Immer wenn ich diese Sanddorn-Marmelade esse, kann ich wieder die wettergegerbten Holzplanken unter unseren nackten Füßen spüren. Damals hast du die Beere ausgespuckt, die ich dir zwischen die Lippen gelegt hatte, weil sie dir zu sauer war. Möchtest du jetzt einen Löffel davon? Die hat unser Pensionswirt selbst eingekocht, und sie ist ganz süß. Und ein bisschen bitter.

***

Den letzten Rest lasse ich im Glas, als Andenken, und stelle ihn in den Kühlschrank zurück. Zum Verschimmeln.

***

Es gibt gar keine Farben, Liebling. Nur eingesperrtes Licht.

***

Diese Wohnung ist ein Museum.
Spürst du auch, wie es kühler wird?

***

Die Tage fühlen sich jetzt an, als vertrockneten sie unter mir. Ich sollte in den Regen hinausgehen.

***

Ich habe diese Türe schon so lange nicht mehr geöffnet.

***

Überall stehen die Männer in den Hauseingängen. Sie rauchen Löcher in die Zeit.

***

Wir haben die Butter vergessen.

***

12/09/2008



***

Man muss die Jalousien langsam öffnen. Sonst bricht der Tag so schnell über uns herein.
Der Küchenschrank ist zu voll geworden. Welche von den Tassen würdest du zuerst wegwerfen?

***

Hinter den Bergen spielen sie wieder Schöpfung. Vielleicht haben wir Glück, und es misslingt dieses Mal.
Du brauchst dich nicht zu fürchten. Nach dem Tod wird es so sein wie vor der Geburt.

***

Ich habe jetzt mit dem Einmauern begonnen. Zuerst die Fenster. Die Türe lasse ich offen bis zum Schluss. Du musst dich beeilen, wenn du noch hinein möchtest.
Die Leitungen werde ich bald trennen.

***

18/09/2008



Die Nachrichten, die noch hereinkommen, sind nicht für mich.

***

Die Meisen sind wieder da. Ich habe sie den ganzen Sommer nicht gesehen.

***

Diese Gartenmauer hatte ich einst errichtet, damit die anderen dahinterbleiben. Nun ist es so, als sei ich dahinter. Sie sieht ein bisschen aus wie ein sinkendes Schiff, findest du nicht?
Ich werde sie wahrscheinlich nicht zu Ende bauen. Noch kann man hinüberschauen.

***

Man muss den ersten Kampf gewinnen. Den letzten verliert man immer.

***

Du siehst schlecht aus. Versoffen, und aufgedunsen. Ich auch, nur nicht so schlimm. Die Jahre haben nicht auf uns gewartet. Auf dich nicht und auf mich nicht. Ich komm jetzt in dir, ja?

***

Gerade in der Kneipe kam eine Frau herein, die mir eine Tüte voll Lebensmittel für 4 Euro verkaufen wollte. Brote und Käse in Plastik, schlechte Kartoffeln, Massentierwurst. Und De Moriaan-Tabak von Aldi. Der käme 3 Euro extra. Ich sagte ihr, ich esse und rauche solche Sachen nicht. Sie soll was Anständiges klauen.

***

Allein.

***

Morgen. Alles morgen.

***

Der Schärfebereich ist jetzt hinter der Oberfläche, in den Kristallen. Trotzdem kann ich die Figuren steuern. Es genügt, zu wissen.

***

Heute ist der Tag, um sinnlose Dinge aus dem Haus zu tragen und hinter den Heizkörpern nach dem Verlorenen zu suchen.

***

Weißt du, ich kann mir die Dinge so gut vorstellen, dass ich keinen Sinn mehr darin sehe, sie auszuführen. Es gibt einen Indianerstamm, der deswegen nie Krieg geführt hat.

***








Fragmente ab Okt/2014


Ich erschlage die Wespen jetzt. Es werden zuviele im Haus. Sie kommen durch ein Loch in der Decke. Das habe ich jetzt mit nassem Papier ausgestopft.

***

Sie haben ein neues Loch gefunden. Ich muss auf den Winter warten.

***

Das Glück ist jetzt nur noch als Prämie zu erhalten. Du musst erst Schmerzpunkte sammeln, um es zu bekommen.

***

Heute habe ich das schöne Knoblauchtöpfchen aus gebrannter Erde umgeworfen. Ich stehe vor Scherben.

***

Vielleicht kann man alles noch einmal kleben.

***

Ich ficke nicht mehr. Ich schreibe keine Texte mehr. Spiele keine Gitarre.
Ich dusche noch seltener, wasche mich stattdessen jeden Tag. Ich rieche nicht unangenehm.
Aber ich gehe nicht mehr durch den Wald, am Rhein entlang, dahin, wo Menschen sind.
Ich male nicht, ich zeichne nicht, ich photographiere nicht. Entwickle nichts.
Mal sehen, ob ich den Hof gefegt bekomme.

***

Kiffen hilft.

***

Und aufräumen.

***

Die Schorchelausrüstung brauche ich wohl auch nicht mehr.
Ich kam mal 7 Meter tief, damals, in Instrien. Ich war mitten in den Fischschwärmen.
Wir waren von den Klippen gesprungen.
Keinen Fisch habe ich berührt. Und doch alle.
Und die Muräne lachte aus ihrem Loch.

***

Brian Conolly. Teeniestar meiner Jugend.Tot.
Marc Bolan. Teeniestar meiner Jugend. Tot.
Kurt Cobain. Feingeist, zerbrechlicher. Tot.
Fran Zappa. Politiker. Bester Komponist des 20. Jh. Tot.
Ronnie James Dio. Geschichtenerzähler. Tot.
Hab gerade noch ein Konzert gesehen, mit Sabbath, 2010, als ob nichts wäre.

Loriot. Tot.

Udo Schepers. Zweiradmechnaiker, Mitte 50. Tot aufgefunden, in seiner Wohnung, ziemlich verwest.
Wir kannten uns.

Zwei Wochen vorher haben wir noch
seine Scheiße
weggemacht
als er in der Kneipe
kollabierte.

Dass er sterben würde
hatten wir nicht geahnt.

***

Nach dem Kleben muss man es beischleifen, mit 400er Körnung. Die Narben bleiben, aber die Kanten sind nicht mehr so scharf.

***

Zu viele Wasserschäden. Alles schimmelt.

***

Wenn das Ende auf uns kommt, möchte ich noch einmal nackt sein.

***

Um eine wirklich gute Idee zu haben, muss man glücklich sein. Oder in Not.

***

Da ist noch Blut an der Türklinke.

***

Heute habe ich trockenes Laub in meinem Badezimmer verteilt. Ich muss spüren, dass Herbst ist.

***

Hinter allen Mächten steht etwas Einfältiges. Es ist so einfach, sie zu durchschauen.

***

Das Laub kann ich wohl jetzt wieder wegräumen. An den Bäumen ist auch keines mehr.

***

Winter.

***

Wie mag es wohl sein, aus einem Fenster zu springen?

***
Zuletzt geändert von Thomas Milser am 31.01.2016, 03:44, insgesamt 51-mal geändert.
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Beitragvon Ylvi » 23.07.2007, 11:09

Hallo Tom,

da sind aber viele kleine und große Schätze drin versteckt. Das gefällt mir ausgesprochen gut!

Kleine Kritik: Die Setzung in Fragment 1 mit den Leerzeilen finde ich besser. Es lässt mir mehr Zeit zum Denken, bevor es mich zum nächsten Satz hetzt. Eine optische Gedankenlücke fände ich stimmig.

liebe Grüße smile

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 23.07.2007, 11:13

Hi smile,

ja, die Setzung lässt mir auch keine Ruhe. Ich hatte es schon mit Einrückungen versucht, wenn sich ein 'Fragment' über mehr als eine Zeile erstreckt, dadurch gewinnt die nächste dann wieder mehr an Gewicht. Leider nur dann, die Einzeiler liest man eher zu schnell durch.
Ich schlafe nochmal drüber.

Danke fürs Lesen,
Tom.
Zuletzt geändert von Thomas Milser am 23.07.2007, 13:54, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitragvon Thomas Milser » 23.07.2007, 11:21

Du hast Recht. Hab die Leerzeilen wieder eingefügt. Ohne vorher zu schlafen :o)
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Beitragvon Ylvi » 23.07.2007, 17:39

Hallo Tom,

Auf die Diskussion hin, habe ich deine Fragmente noch mal genauer angeschaut.

Ob sie nun autobiographisch sind oder nicht, ist mir ehrlich gesagt egal. Das würde sie nicht schlechter, aber auch nicht besser machen.

Es gibt inhaltliche Stellen, an denen mich persönlich der "textliche" Exhibitionismus stört, da er für mich nicht hineinpasst und mich beinah am weiterlesen hindert. Aber die Augen sind ja zum Glück manchmal schneller, als das Denken.
Sekundenbruchteile unterscheiden sich nicht wesentlich von Ozeanen.

Fängt mich dann wieder ein.

War das jetzt Kritik? Wohl eher Geschmacksbekundung.

Auf die Kritik an diesen Fragmenten bin ich wirklich gespannt.

Grüße smile

edit: mit Leerzeilen viel besser!

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Beitragvon Thomas Milser » 23.07.2007, 18:05

Yep, smile,

wobei wir ja gerade bei der Diskussion festgestellt haben, dass sich Kritik hier, wenn schon nicht verbietet, aber doch von vornherein schwertun muss.

Zum Glück gehöre ich nicht der Fraktion derer an, die 'persönlich' Schaden nehmen, wenn hier jemand reintritt. Also nur immer feste druff! :o)

Aber Geschmacksbekundungen sind auch klasse, eher noch besser.

Tom.
Zuletzt geändert von Thomas Milser am 25.07.2007, 01:00, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitragvon Thomas Milser » 23.07.2007, 20:27

Und jetzt habe ich noch die Kursivsetzung aus dem Original übernommen. Ich denke, das ist wichtig.

Interessant auch die Beobachtung, dass ich ich immer wieder beim Lesen und Überarbeiten erwische. Die Diskussion zeigt wohl ihre Wirkung, und es scheint also auch so rum zu funktionieren. Alles sehr interessant....

Diese Forum ist toll...
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lagunkel

Beitragvon lagunkel » 23.07.2007, 22:56

Lieber Tom,

wenn wir schonmal bei Geschmacksbekundungen sind: Mein Geschmack! ;-)

Ich kam mir beim lesen vor wie jemand, der sich durch das Leben eines anderen zappt - find ich super so (hadere nur mit der Platzierung in der Textwerkstatt ? Häh ? ...ich nehm das mal so hin (auch wenn es 'Fragmente' sind, so hängt es doch ganz unweigerlich zusammen, das alles, oder lese ich das einfach falsch?))

ein wenig desorientierte Grüße

Rebekka

EDIT: Ich meinte nicht die Textwerkstatt - halt! Es klingt nicht wie ein Experiment für mich, wirklich nicht! Es ist rund. (Und ich bin müde.)

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Beitragvon Thomas Milser » 23.07.2007, 23:40

Liebe Rebekka,


es war zuerst im Forum unter 'Kurzprosa', dann entbrannte ob meiner Ungewissheit die Diskussion in der Schreibwerkstatt, und so isses nun hiergelandet..

dass du es als 'rund' empfindest, straft die ganze Diskussion Lügen irgendwie... ich empfinde das nämlich auch so... und müde bin ich auch :o)

Ganz toll, dass ich das noch vor dem Schlafengehen zu hören bekomme... sooo falsch kann der Weg wohl nicht sein...

Hab Dank,
Tom.
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Beitragvon leonie » 23.07.2007, 23:42

Ich weiß nicht, ob das stimmt oder nur ein subjektiver Eindruck ist. Also für mich hält das "DU" das Ganze zusammen. Ich lese es als Liebesgeschichte mit vielen Freiräumen.
Manchmal sehe ich auch ein altes Ehepaar, wo es reicht, wenn einer einen Satz sagt. Der andere muss nicht kommentieren oder sich dazu äußern. Aber es kommt trotzdem etwas an. Es wirkt nicht "ins Leere gesprochen".
Zudem wirken die einzelnen Teile auf mich manchmal so, wie diese Fäden auf Jahrmärkten, an denen man ziehen kann und wenn man Glück hat, hängt etwas Schönes dran. Hier oft eigenen Erlebnisse oder Erinnerungen. Ich mag diese Form gern.

Liebe Grüße

leonie

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Beitragvon Thomas Milser » 23.07.2007, 23:58

Es wirkt nicht "ins Leere gesprochen".

Das ist wohl das schönste Kompliment...

Wobei es vorrangig Monologe sind, an einen unbekannten, oder sagen wir: unbenannten bzw. imaginären Adressaten, der auch nicht immer derselbe sein muss. Aber kann. Ich geb mir Mühe, darüber nicht nachzudenken, und das offen zu lassen.

Sind es am Ende Selbstgespräche? Eines Bauchredners gar? So war mein allererster Arbeitstitel, als ich zu schreiben begann, 1987.

Im Moment ziehe ich nur Energie von euren Beiträgen, ganz egoistisch, um zurückzufinden, aber der Tag wird kommen, an dem ich mich wieder euren Texten widmen werde. Ein bisschen Geduld, ja? Ich funktioniere besser, wenn es mir gutgeht. Und dieser Prozess ist dafür zwingend notwendig.

Danke, Tom.
Zuletzt geändert von Thomas Milser am 25.07.2007, 01:26, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitragvon Thomas Milser » 25.07.2007, 01:06

Ich erlaube mir, dass jetzt wieder in die Kurzprosa stellen zu lassen. Es ist über den Status des Experimentes hinaus... Ich empfinde es jeden Tag neu als 'fertig', auch wenn es ständig weitergeführt wird.
Im Untertitel werde ich Aktualisierungen bekanntgeben...

Ihr habt mir Mut gemacht,

Tom.
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Sam

Beitragvon Sam » 25.07.2007, 07:39

Hallo Tom,

ohne die in der Werkstatt geführte Diskussion weiterführen zu wollen, kam mir beim Lesen noch ein Gedanke. Diese Art von Fragmente sind offenbar gerade für Internet mehr als tauglich. Sie bedienen, ähnlich wie die oft auch sehr kurz gehaltenen Lyrik, das Bedürfnis nach dem schnellen Konsum. Sie sind schnell gelesen und wirken in ihrer Essenzialität ohne Umwege. Also nicht nur der Wunsch des Autors nach dem ungefilterten unmittelbaren Ausruck, sondern auch der Wunsch vieler Leser nach dem unmittelbaren Eindruck - beidem wird hier nachgekommen.
Dies nur als Feststellung, nicht als Bewertung.

Zu den Fragmenten 2:

Wie schon die Fragmente 1 enthalten sie einige Kostbarkeiten. Mir persönlich gefallen die am besten, bei denen du dir ein paar mehr Worte gönnst, einen Gedanken, auch wenn er spontan ist, ausformulierst. Sowas z.B.:
Warum ich die Aussetzer und Doppelschläge meines Herzens ignoriere und nicht damit zum Arzt gehe? Nun, es hat einen gewissen Reiz, gegen einen übermächtigen Gegner anzutreten. Stell dir mal vor, was das für ein Coup wäre, wenn es mir gelänge, das Remis bis kurz vor Schluss zu halten und dann über die rechte Außenbahn einen Touchdown durchbrächte.

oder
In den Frühträumen ist es so, als überschreite man für einen Moment die Grenze, als gelange man kurz ans andere Ufer. Das Waten zurück wird aber jeden Morgen mühsamer.


Dann kurze Aussagen, die nicht uninteressant sind, wenn man darüber nachdenkt, wen man da gerade beim Denken zuhört:
Von den Äpfeln, die ich manchmal kaufe, esse ich immer nur einen. Die anderen lege ich zum Verfaulen hin.

oder
Dieser Pfirsich kommt mir irgendwie zärtlich vor. Es ist schön, unter freiem Himmel zu onanieren.


Soweit die Rosinen. Derer sind aber meiner Meinung zu wenig, um den ganzen Kuchen schmackhaft zu machen. Weil es dazwischen immer wieder Aussagen gibt, die nichts weiter sind, als lose Enden von Assoziationsketten und Gedankensträngen, die man beim besten Willen nicht nachvollziehen kann. Die Fragmente sind da stark, wo der Autor sich auf seine Umwelt einlässt.
Die Fragen nach der Nachbarin oder ob er noch einen Schnaps trinken soll sind dagegen nicht nur redundant, sondern vermitteln den Eindruck von Füllmaterial.

Liebe Grüße

Sam

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Beitragvon Thomas Milser » 25.07.2007, 09:20

Hallo Sam,

auch, wenn du die Diskussion nicht weiterführen willst (willst du wirklich nicht?), möchte ich trotzdem deinen letzten Beitrag komplett in den entsprechenden Faden hinüberkopieren und dort weiterbesprechen, weil er m.E. ganz viele wertvolle Erkenntnissse und Anregungen enthält, und insbesondere auch solche allgemeingültiger Natur.

Wen's interessiert, bitte hier entlang:

http://www.blauersalon.net/online-liter ... 0010#70010

Ich würde diesen Faden hier ganz gerne für persönliche Eindrücke freihalten.

Liebe Grüße

Tom
Menschheit, Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu... (Charles Bukowski)


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