Unter der Sonne

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Chiquita

Beitragvon Chiquita » 21.07.2007, 13:45

Unter der Sonne



Am Tisch neben mir sitzt das
Unternehmen Familie
ein Baby an der Brust der Mutter
ein werdendes trägt sie bereits wieder
unter dem Herz
und der Vater füttert seinen kleinen
Sohn mit Speiseeis
Eine starke Gemeinschaft
ich bewundere ihren Lebensmut
wie tausende Generationen vor ihnen
Pioniere des Lebens
fraktal den Kreislauf von Geburt und
Sterben fortsetzend
ob hungerleidend
oder auf der Flucht
in Lagern eingepfercht
und ermordet
in Bombennächten um ihr Leben bangend
von Pest und Cholera dahingerafft
das Unternehmen Familie hielt stand

Das rotblonde Haar der stolzen Mutter
am Nebentisch leuchtet
wie ein Feuer
wie ein Strahlenkranz
sie säugt ihr Baby, und die Menschen
freuen sich darüber
Ich sitze am Bogengang des alten
Rathauses
und blinzele auf die Szene des Cafés
friedlich und beschaulich
das Familienglück
Ich bin nur ein halber Mensch, will mir
scheinen
ich fühle mich seltsam ausgegrenzt
verdammt zu einem Leben am Rande
ewig schauend - nicht wissend

Aber die Sonne
mit ihrem gütigen Strahlenlächeln nimmt
mich in ihre warmen Arme und flüstert:
Baby, an dir ist alles dran ...




20.07.07

Caty

Beitragvon Caty » 21.07.2007, 17:09

Chiquita, die letzte Strophe! Das Kind Chiquita, das er noch mal sein möchte. ( Entschuldigung, ich träume, das LyrIch ist selbstverständlich nicht dein Ich).

Was mir nicht an dem Begriff "Unternehmen Familie" gefällt, ist, dass es ein laxer Medienbegriff ist. Das Wort Familie würde doch ausreichen, oder?

Ich hätte drei, vier Vorschläge zum Verdichten:

"trägt sie bereits wieder unter dem Herz": Streich "bereits wieder" und dann deklinieren: unter dem Herzen.

"und der Vater füttert seinen kleinen/Sohn ...": Streich "seinen", dafür "den".

Ich kann mich mit "fraktal" nicht so recht anfreunden. Mein Fremdwörterbuch führt das Wort noch nicht einmal auf. Meinst du, dass der Leser versteht, was gemeint ist?

"leuchtet wie ein Feuer": Hier würde ich "ein" streichen.

"wie ein Strahlenkranz": Hier streichen "wie". Sodass das Ganze dann heißt: "leuchtet wie Feuer, ein Strahlenkranz".

"und die Menschen freuen sich darüber": Würde ich ersatzlos streichen.

"ich fühle mich seltsam ausgegrenzt": Hier würde ich "seltsam" streichen. Vielleicht sogar umformulieren: "Ich Ausgegrenzter" oder sowas.

"ewig schauend - nicht wissend": Hier würde ich umformulieren: "ein Schauender". Streichen würde "nicht wissend", denn "Schauender" sagt ja schon aus, dass nur geschaut wird.

Nicht sicher bin ich, ob die Verse von "ob hungerleidend ... das Unternehmen Familie hielt stand"
nötig sind. Ich neige eher dazu, sie zu streichen.

Die letzte Strophe würde ich umbauen:

Aber die Sonne
nimmt mich in ihre Arme
(Sie) flüstert:
"Alles dran (an dir), Baby"

Das sind so meine Vorschläge, Chiquita. Vielleicht kannst du was davon gebrauchen.

Herzlich Caty

Chiquita

Beitragvon Chiquita » 21.07.2007, 17:24

o wei, caty, das sind so viele vorschläge, daß ich erschrak.
mal sehen, ob ich die punkte nachher mal durchgehe. im moment sitze ich auf dem klo.
längere sitzung.

ähm, caty, schreibe du doch einfach dieses gedicht nach deinen vorschlägen. ich gucke es mir dann an. das ginge schneller.
ich drücke nicht so gern.

wow! ich bin immer noch hin und weg, denn so kenne ich dich noch gar nicht, caty.
ich weiß nicht, wie ich deinen kommentar auffassen soll.
das war bestimmt deine absicht.

und nun bin ich endlich fertig, werde mich duschen, einkaufen gehen; und wenn ich dann zurückkomme, mal sehen, wie ich mich äußern werde.
das wird bestimmt lustig.

gruß
chiqu.

Gast

Beitragvon Gast » 21.07.2007, 19:11

Warum so kratzbürstig, Chiquita? Caty hat dir ein paar unverbindliche Vorschläge gemacht. Ich finde sie nachvollziehbar. Die Vorschläge, meine ich. (Schau lieber mal nach, ob wirklich noch alles dran ist. Ich dachte immer, nur Weibsvolk sei zickig.)


@ Caty: *Klugscheißmodus an* "fraktal" ist ein Begriff aus der Mathematik. Ich kenne es aus der Computergrafik. Scheint mir recht passend. (Guck mal hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Fraktal ) *Klugscheißmodus aus* *gg*

Chiquita

Beitragvon Chiquita » 21.07.2007, 20:10

sabine äh melusine, gar nicht kratzbürstig, habe gerade nicht die nerven, mich hinzüglich des gedichts in kleinfurzereien zu ergehen. vielleicht morgen. spätestens übermorgen.
mir fällt gerade ein: "sein sohn" - um zu unterstreichen, daß der vater stolz auf "seinen" sohn ist.

usw.

scheiße, ich werde langsam freßabhängig.

also entschuldigt ...

mjam
chiqu.

Sam

Beitragvon Sam » 21.07.2007, 20:18

Hallo Chiquita,

damit du siehst, dass ich nicht nur betonkopfmäßig herummosere:

Bis "Ich bin nur ein halber Mensch will mir scheinen" finde ich es eine wirklich absolut gelungenes Gedicht. Dieser kurze Abriss über die Geschichte des Unternehmen Familie ist so einprägsam wie treffend. Unlyrisch und ohne sämtliches Möchtegern.

Am Ende verkackst du leider alles in einem unnötigen Pathos, aber das ist mir egal. Ich lese es bis dahin, wo es mir gefällt.

Liebe Grüße

Sam

Gast

Beitragvon Gast » 21.07.2007, 20:20

Dass der Vater stolz auf seinen Sohn ist, macht Sinn.
Du musst ja nicht im Detail alles erklären und begründen, aber einige von Catys Einwänden könntest du überdenken. Hey, Ralph, erinnerst du dich daran, wie du mir mal erklärt hast, dass ich in einem Gedicht zu viele Füllwörter verwendete? Schönes Stück Arbeit war das damals, dir die Details aus der Nase zu ziehen. Sei doch froh, dass Caty gleich sagt, was sie meint.

Tja. Dann ma(h)l guten Appetit.
Rülps.
Mel

Gast

Beitragvon Gast » 21.07.2007, 20:25

Ja und dann noch mal kurz zum Inhalt. An dem was Sam sagt ist was dran. Du bist ein hervorragender Beobachter, Chiq., leider beziehst du alles immer wieder total auf dich selbst und das macht - nicht immer, aber manchmal - die Wirkung kaputt. Hier tut es das (meiner Meinung nach).

Unnötiges Pathos - so kann man's auch nennen. Ich nenne es weinerlichen Narzissmus. Nicht bös gemeint.

Chiquita

Beitragvon Chiquita » 22.07.2007, 10:46

sam, klar, lese das gedicht, wie es dir paßt und bis dahin, wo es dir paßt. dagegen habe ich nichts einzuwenden.
du liest einen pathos. in dem gedicht ist einiges an pathos, auch was die familie angeht.

melusine, es ist richtig, daß ich am ende den bogen zu mir schlage. denn ich beobachte es mit meinen augen, und die szene hat diese wirkung auf mich.
ich sehe keinen weinerlichen narzissmus. absoluter quatsch. es geht um den menschen in der konfrontation mit dem leben, mit den aufgaben (unternehmen) des lebens; es geht um seine spiegelung, um sein selbstbewußtsein (unter der sonne).

gruß
chiqu.
Zuletzt geändert von Chiquita am 22.07.2007, 12:16, insgesamt 1-mal geändert.

Chiquita

Beitragvon Chiquita » 22.07.2007, 11:13

hallo caty. nun zu deinem kommentar:



"Chiquita, die letzte Strophe! Das Kind Chiquita, das er noch mal sein möchte. ( Entschuldigung, ich träume, das LyrIch ist selbstverständlich nicht dein Ich)."

caty, weder mein lyr-ich noch ich wollen nochmal kind sein. wir sind es noch - jedenfalls zu einem teil.

"Was mir nicht an dem Begriff "Unternehmen Familie" gefällt, ist, dass es ein laxer Medienbegriff ist. Das Wort Familie würde doch ausreichen, oder?"

ist das ein laxer medienbegriff? wußte ich gar nicht. ich finde diesen begriff sehr treffend, weil so eine familie wirklich ein kleines unternehmen (mit sehr sehr sehr viel arbeit) darstellt. das "unternehmen familie" - kinder produzierend.

"Ich hätte drei, vier Vorschläge zum Verdichten:

"trägt sie bereits wieder unter dem Herz": Streich "bereits wieder" und dann deklinieren: unter dem Herzen."

caty, bist du sicher mit dem deklinieren? ich nicht. "bereits wieder" ist aber doch absolut richtig beobachtet. das eine ist gerade raus, da folgt "bereits wieder" das nächste.

""und der Vater füttert seinen kleinen/Sohn ...": Streich "seinen", dafür "den"."

der vater ist so stolz auf "seinen" sohn. das kannst du dir gar nicht vorstellen, wie der "seinen" sohn angeschaut hat.

"Ich kann mich mit "fraktal" nicht so recht anfreunden. Mein Fremdwörterbuch führt das Wort noch nicht einmal auf. Meinst du, dass der Leser versteht, was gemeint ist?"

kaufe dir ein neueres fremdwörterbuch, caty.

""leuchtet wie ein Feuer": Hier würde ich "ein" streichen.
"wie ein Strahlenkranz": Hier streichen "wie". Sodass das Ganze dann heißt: "leuchtet wie Feuer, ein Strahlenkranz"."

das klingt nicht, caty. ich hatte an dieser stelle bereits genug herumgebastelt.

""und die Menschen freuen sich darüber": Würde ich ersatzlos streichen."

mir war es wichtig, die wirkung der säugenden mutter in der öffentlichkeit zu erwähnen.

""ich fühle mich seltsam ausgegrenzt": Hier würde ich "seltsam" streichen. Vielleicht sogar umformulieren: "Ich Ausgegrenzter" oder sowas."

caty, wieso? "seltsam" - weil ich mich eben nicht ganz ausgegrenzt fühlte. wie ich dann ja auch erkläre, daß ich mich nur als halben menschen sehe. manche gefühle lassen sich nunmal schwer in worte fassen, und da sagt man dann "seltsam" dazu.

""ewig schauend - nicht wissend": Hier würde ich umformulieren: "ein Schauender". Streichen würde "nicht wissend", denn "Schauender" sagt ja schon aus, dass nur geschaut wird."

quatsch, caty, deine vorschläge werden immer irrer. freilich kann man schauen und auch wissen.
"nicht wissend" betont noch einmal die außenseiterposition des lyr-ichs, welches damit hadert.

"Nicht sicher bin ich, ob die Verse von "ob hungerleidend ... das Unternehmen Familie hielt stand"
nötig sind. Ich neige eher dazu, sie zu streichen."

o caty, langsam tuts weh. es war wichtig zu erwähnen, daß das unternehmen den ganzen schwierigkeiten und unsäglichkeiten der geschichte standhielt.

"Die letzte Strophe würde ich umbauen:

Aber die Sonne
nimmt mich in ihre Arme
(Sie) flüstert:
"Alles dran (an dir), Baby""

ja, caty, wenn du das gedicht nach deinen vorschlägen umgebaut hättest, würde das dann passen.

"Das sind so meine Vorschläge, Chiquita. Vielleicht kannst du was davon gebrauchen."

tut mir leid, sekt oder selters, ich bleibe in diesem falle beim sekt. das gedicht nach deinen vorschlägen wäre mir zu fad. ein andermal vielleicht.


gruß
chiqu.


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