Waltanz

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
Edith

Beitragvon Edith » 12.07.2007, 20:04

Hallo liebe Salonmitglieder,
hiermit möchte ich meinen Einstand geben. Die Moderatoren des Forums kennen den Text schon, weil ich mich damit hier beworben habe, aber ich möchte ihn trotzdem gerne noch vorstellen.

Liebe Grüße,
Edith
... etwas aufgeregt angesichts der Forumspremiere :rolleyes:


Waltanz (geändert nach Anregung - danke! :-))

Edith Huber

Walin, hast du ihn gehört? Er hat so schön gesungen, so unendlich schön und mit seinem Gesang hat er dir alles gesagt.
Hörst du ihn denn nicht? Er kann nur für dich singen, für keine andere Walin der Welt. Du bist es, die zählt, nur du, schon immer, denn er kennt nur euer Lied. Aber das weißt du, nicht wahr? Ja, natürlich. Nur ein Mensch kann so etwas Dummes fragen.
Du weißt, erhörst ihn und kommst heran, schwimmst zu ihm, gleitest auf ihn zu. Wie hat er auf diesen Moment gewartet! Seine Bestimmung wird sich erfüllen. Walin, höre genau hin, merke es dir gut. Das ist dein Lied. Das ist euer Lied. Du wirst es danach nie wieder hören.

Walin, wie schön du bist! Nichts ist so schön wie du in diesem Moment. Als du deinen Tanz beginnst, immer um ihn herum, in deinem eigenen Rhythmus mit einer Zerbrechlichkeit, mit einer Grazilität, die ihresgleichen sucht, bleibt die Zeit stehen. Obwohl du vierzehn Meter lang und neunundzwanzig Tonnen schwer bist, wirkt jede deiner Bewegungen wie die einer Feder. Perfekte Leichtigkeit, Zeitlupeneinblicke in deine Welt. Du tanzt für ihn, wie deinesgleichen seit Urzeiten zu tanzen vermag. Du tanzt, tanzt, tanzt. Drehst dich um dich selbst und ihn, zeigst ihm deine Reize, wirbst nun deinerseits um ihn mit wachsender Anspannung, als ob du nicht längst wüsstest.

Bis er dich berührt, endlich berührt, ganz sanft im warmen, karibischen Meer. Diese Berührung ist die letzte Gewissheit. Jetzt habt ihr es gefühlt. Ihr könnt beide sicher sein, Walin, so sicher, dass ihr euch gefunden habt. Nach der langen Reise durch die Meere, seiner wie deiner, ist es fast ein Wunder. Hundert Kilometer weit reicht sein Gesang, ein kaum hörbares Wispern in endlosen Ozeanen.
Und dennoch gab es keinen Zweifel, wusstest du, du würdest ihn hören, wenn der Tag gekommen ist. Instinkt ist ein banales Wort für diese Art von Wissen.

Sehnsucht greift nach mir als ich euch sehe, einander umgarnend, miteinander spielend, euch neckend. Trotz eurer gegenseitigen Gewissheit lasst ihr euch diesen Teil der Vereinigung nicht nehmen. Ihr lernt euch kennen, eure Bewegungen, eure kleinen Eigenheiten.
Ein leiser, ziehender Schmerz nimmt mich ein, den ich nicht fassen kann. Vielleicht weil ich wünschte, wie du zu sein, durch das Leben zu gleiten, in dem instinktiven Wissen, dass er irgendwo da draußen wartet und meine Sprache spricht während ich nur darauf warte, ihm zu geben, was er braucht und was nur ich ihm geben kann.
Diese Sicherheit zu haben, Walin, ist ein Herzenswunsch der Menschen.

Und ihr tanzt und tanzt! Immer noch tanzt ihr. Glücklich seht ihr aus. Eure Vorfreude auf die Vereinigung ist greifbar und dann, ja dann... Dann taucht ihr hinab in dunkle Tiefen jenseits des Riffs.

Die Art und Weise wie euer Geschlechtsakt vollzogen wird, soll dein Geheimnis bleiben. Kein Mensch weiß, wie Wale sich lieben und ich glaube, so soll es sein. Wissen doch manche Menschen noch nicht einmal um ihre eigene Liebe.

Aber später, Walin, später, wenn euer Tanz vorbei ist und jeder von euch zufrieden und ohne Trennungsschmerz wieder seines Weges zieht, pass gut auf!
Schütze das werdende Leben in dir, schütze dein Kalb – und lehre es zu tanzen.
Zuletzt geändert von Edith am 14.07.2007, 15:37, insgesamt 1-mal geändert.

Edith

Beitragvon Edith » 14.07.2007, 15:31

Hmmmm....
ja, ich glaube wirklich, das muss sacken!
Mir ist jetzt auf jeden Fall wichtig, den Titel zu ändern. Mir gefällt "Waltanz", weil das nah am Thema ist und zugleich auch klar wird, dass es sich um ein Wale handelt.
Und ich werde den Menschen mehr einarbeiten. Wenn ich jetzt auch noch nicht weiß, in welche Richtung ich damit gehen will.

Über alles Weitere denke ich noch nach :-)!

Liebe Grüße,
Edith

Sam

Beitragvon Sam » 15.07.2007, 16:59

Hallo Edith,

du schreibst:

Einige von Euch kämpfen mit der Vermenschlichung, aber das war eigentlich beabsichtigt. Der Blick eines Menschen in eine ihm unverständliche Welt. Der Mensch mit seinem vermeintlich so hohen Grad an Sozialisierung und Wissen, der so vielen Naturphänomenen oder auch nur dem Paarungsverhalten der Wale ganz einfach ahnungslos gegenübersteht. DAS war meine Intention, kombiniert mit einem etwas idealisierenden, verträumt-sehnsüchtigen Blick.


Gerade mit der Idealisierung habe ich so meine Probleme. Nicht nur, weil sie Wunschdenken an Stelle von Tatsachen zum Mittelpunkt macht, sondern weil sie durch die Projezierung von Menschlichem ins Tierische am Ende entzaubert und ein Bild, das uns Staunen lässt, gerade weil wir nicht alles wissen und verstehen, durch gefühlsüberladene Einpinselungen verwischt wird.
In deinem Text wird aus dem Liebesspiel der Wale ein Sehnsuchtsabdruck der Beobachterin. Nicht nur aus dem Zusammentreffen der beiden Tiere, sondern auch wie es zustande kommt. Dieses Rufen, das nur von einem möglichen Partner (dem Idealen!) gehört werden kann.
Das Ideal wird aber sogar noch ausgeweitet, nicht nur auf die Sehnsucht der Beobachterin, sondern auf die der ganzen Menscheit.
Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass die Wale immer so oft herhalten müssen, wenn es um die Idealisierung der Natur geht, auf ihrem Rücken schon unzählige Esoterik- und Ökogäule literarisch zu Tode geritten wurden oder ich einfach ein grundsätzlichen Vorbehalt gegen diese Art von "Naturromantik" habe - für mich ist das sehr, sehr nahe am Kitsch.

Aber das natürlich ein gänzlich subjektives Urteil und sagt nichts über die Qualität des Textes aus. Es bewirkt nur, dass ich nicht vorbehaltlos an den Text herangehen kann, da mir die Schilderungen am Ende immer ein Stück zu süß, zu schwulstig, zu klebrig sind. Weil das Ideal an keiner Stelle, auch nicht ein kleines Bisschen, hinterleuchtet wird.

Liebe Grüße

Sam

Edith

Beitragvon Edith » 15.07.2007, 17:16

Hallo Sam,
stimmt, Du hast völlig recht. Das Ideal wird nicht hinterleuchtet.
Ich möchte an dieser Stelle mal ganz provozierend fragen: muss es immer hinterleuchtet werden? :smile:

Danke in jedem Fall für Deinen Kommentar!

Herzliche Grüße,
Edith

Sam

Beitragvon Sam » 15.07.2007, 17:24

Hallo Edith,

ich finde deine Frage nicht provozierend, sondern durchaus berechtigt. Meine Antwort ist:

Nein, muss es nicht. Es müsste aber, wenn du mich als Leser erreichen wolltest.

Ich denke aber, dass es viele Leser gibt, die sich davon sehr angesprochen fühlen, weil sie vielleicht gerade hierin ihre eigenen Sehnsüchte genau ausgedrückt und bebildert finden.

Mit lieben Grüßen

Sam

Edith

Beitragvon Edith » 15.07.2007, 17:27

Hallo Sam,

für mich ist der Text auch eher untypisch, weil ich mir oft irgendwelche kritischen Themen vornehme - deshalb kann ich mich gut in Dich hineinversetzen und Deine Meinung schon auch nachvollziehen!

Liebe Grüße,
Edith

Max Dernet

Beitragvon Max Dernet » 15.07.2007, 17:31

ich hielt den waltanz zuerst für ne parodie.
ist er anscheinend nicht.

:eek:

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Beitragvon Zefira » 15.07.2007, 17:35

Ich habe das von Sam angesprochene Problem auch sehr oft mit Tiergeschichten, ich habe mich auch sehr intensiv damit beschäftigt, weil ich selbst an einer Tiergeschichtensammlung schreibe. Bei Ediths Text hier stört mich das Element der Projektion nicht, weil es mir sehr bewusst gesetzt erscheint. Wäre der Text ein rein erzählender, hätte ich Gedanken wie "Die Walkuh tanzt für den Wal" auch kritisch betrachtet. Aber Ediths Text baut ja ganz klar ein sprechendes Ich auf, das die Walkuh sogar mit "Du" anspricht. Die Projektion dieses Text-Ichs ist nicht die Projektion der Autorin; der Text stellt durch die Formulierung sogar zu eben dieser Projektion Distanz her. Gerade das gefällt mir daran.

Sollte ich mich komplett unverständlich ausgedrückt haben, schiebt es auf die derzeitige Temperatur.

Sonntagsgruß
Zefira
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(Ikkyu Sojun)

Edith

Beitragvon Edith » 15.07.2007, 22:33

Zefira, danke!

Freut mich sehr, dass Dir der Text gefällt!

Schönen Abend wünsch ich,
Edith

Sam

Beitragvon Sam » 16.07.2007, 07:08

Hallo Zefira,

ich sehe hier auch nicht die Projektion der Autorin (wenn mein Kommentar diesen Eindruck erweckt, dann tut es mir leid), sondern der Beobachterin.

Wäre der Text ein rein erzählender, hätte ich Gedanken wie "Die Walkuh tanzt für den Wal" auch kritisch betrachtet. Aber Ediths Text baut ja ganz klar ein sprechendes Ich auf, das die Walkuh sogar mit "Du" anspricht.

Es ist doch immer wieder faszinierend, wie unterschiedlich die Lesegeschmäcker sind. Für mich gibt gerade dieses Ansprechen des Tieres noch die Buttercreme auf des sowieso schon zuckersüße Gebäck. Dir aber gefällt es genau deswegen. Und das freut mich auch sehr für Edith, denn der Text macht nicht den Eindruck, als hätte sich die Autorin keine Mühe damit gemacht oder einfach mal was dahin geschrieben.

Diese Unterschiedlichkeit in den subjektiven Leseeindrücken zeigt mal wieder, wie wichtig es ist, dass sich möglichst viele zu einem Text äussern.

O.K., das war jetzt vielleicht O.T. - aber egal.

Hallo Edith,

für mich ist der Text auch eher untypisch, weil ich mir oft irgendwelche kritischen Themen vornehme

Da freue ich mich doch sehr auf deine nächsten Texte!

Liebe Grüße

Sam

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Beitragvon Zefira » 16.07.2007, 11:01

Um nicht missverstanden zu werden - mir geht es nicht nicht um das Ansprechen der Walkuh an sich, sondern darum, dass ein von der Erzählerin getrenntes sprechendes Ich aufgebaut wird. Eben deshalb kann man iin meinen Augen den Text, wenn man will, durchaus kritisch lesen, sogar als gegenüber derartigen Projektionsgeschichten kritischen Text.

lG Zefira
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Sam

Beitragvon Sam » 16.07.2007, 17:14

Hallo Zefira,

mir geht es nicht nicht um das Ansprechen der Walkuh an sich, sondern darum, dass ein von der Erzählerin getrenntes sprechendes Ich aufgebaut wird.

Wo bzw. wie wird das von der Erzählerin getrennte Ich denn aufgebaut? Würde mich wirklich sehr interessieren Zefira, woran du das festmachst. Ich komm selbst beim nochmaligen Lesen nicht dahinter. :12:

Liebe und neugierige Grüße

Sam

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Beitragvon Zefira » 16.07.2007, 17:51

Hm, schwer zu formulieren; nachdem ich den Text noch einmal gelesen habe, glaube ich sogar, es handelt sich um eine sehr persönliche Lesart von mir, und vielleicht ist sie so von Edith definitiv nicht beabsichtigt. Ich kann es nur so sagen: Für mich wäre der Text Kitsch, wenn er nicht ein sprechendes Ich aufbauen würde, das mit seinen Sehnsüchten und Projektionen wiederum sehr menschlich wirkt. Um es mit einem Vergleich zu erklären - ich kann einen romantischen Bergbauernroman schreiben, oder ich kann über eine Person erzählen, die tiefbefriedigt einen romantischen Bergbauernroman liest oder schreibt (was in diesem Fall dasselbe wäre). Ersteres wäre Kitsch, letzteres nicht unbedingt, es kann sogar sehr menschlich und emphatisch sein.

Wie gesagt, vielleicht komme ich damit jetzt sehr weit weg von dem, was Edith beabsichtigt hat. Sorry, Edith ... :icon_redface:
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(Ikkyu Sojun)

Sam

Beitragvon Sam » 17.07.2007, 09:50

Hallo Zefira,

vielen Dank! Ich denke, ich verstehe jetzt, was du meinst.

Liebe Grüße

Sam

Gast

Beitragvon Gast » 17.07.2007, 13:08

Liebe Edith,

ich weiß nicht, ob es dir weiterhilft, aber wenn du ein Märchen über Wale geschreiben hättest, hätte ich das "Vermenschlichen" nicht so störend empfunden, denke ich.
Vielleicht scheiden sich da genau die Meinungen ...

Ich wünsche dir, dass du das für dich Essentielle herauskristallisieren kannst.

Liebe Grüße
Gerda


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