Fragment 1

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 13.07.2007, 01:07

thomas milser

Fragment 1



Wie lange dauert eine Stunde im Sumpf? Wir sollten uns nicht mit Nacktschnecken messen. Die können meterhohe Mauern überwinden.

Es scheint fast so, als wollte der Knöterich uns zum Straucheln bringen. Wir müssen die Füße sorgsam heben. Und auf unsere Fesseln achten.

Sind das dort Brotkrumen auf deinem Amboss?

Wir haben die Zweige des Kirschbaums angebrannt beim letzten Hirtenfeuer. Dafür schmeckt der Ouzo endlich mild. Ich sollte nun die gelbe Kugel ganz leicht mit Rechts-Effet anspielen, dann wäre das Spiel doch beendet, oder?

Wenn du das Deodorant wegließest, wäre ich dir noch etwas näher.

Und Seltsamkeit ist nur eine Überinterpretation der Wahrnehmung, ebenso wie die Lüge.

In Masuren läuten deine Hochzeitsglocken, während ich die Staubfasern von unseren Kopfkissen inhaliere. Ich hätte sie vorher nur einmal kräftig ausschütteln sollen. Und die Bezüge waschen. Habs versäumt zur Hoch-Zeit.

Die Brombeere an der Straße ist noch zu sauer. Es bedürfte eines Sommers.

Wieso die Fußmatte immer nach links rutscht weiß ich auch nicht. Sollen wir Fotos von damals anschauen? Ich mag die Art, wie du zickig wirst.

In grünen Seen könnten wir – ganz nackt – die Lösung finden.
Zuletzt geändert von Thomas Milser am 16.07.2007, 10:55, insgesamt 2-mal geändert.
Menschheit, Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu... (Charles Bukowski)

Nifl
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Beitragvon Nifl » 13.07.2007, 17:42

Hi Tom.

(noch keine Kommentare gelesen C-left by Max)

Für mich müsste der Titel im Plural stehen. Denn ich lese hier eine Menge Fragmente. Es fügt sich kein Setting, keine Handlung, keine Figuren, keine Dramaturgie …. kein ä Text? Kunst? Vermutlich. Hoffentlich nicht künstlich.
Ich werde mit Bildern überschüttet. Hin und her gerissen … ähnlich einer Flashkinowerbung…

Fazit:
Ich verstehe nur Bahnhof.

Macht ja nix.

LG
Nifl
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Beitragvon Nifl » 13.07.2007, 17:46

Moin Jung',

kurze Nebenfrage: Warum steht der Titel nicht im Plural?


Ahoi

Pjotr

Hihi
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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 13.07.2007, 18:12

Das kommt davon, hehe.

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 13.07.2007, 18:56

@Nifl,
du wirkst so... abgehetzt?... :o)
so, als ob du gerade von der Arbeit nach hause gekommen wärst und rasch den Text überflogen hättest... jetzt mach's dir erstmal bequem, nimm dir nen Keks, horch, was Onkel Pjotr sagt, und dann guckste vielleicht nochmal in Ruhe? Was anderes fällt mir jetzt grad auf deinen Kommentar nicht ein... :o)

@Edith,
erstmal ein herzliches Wollkommen - Verzeihung, Tippfehler, es sollte natürlich Willkommen heißen - im Salon von mir an dieser Stelle! Ich bin zur Zeit etwas wortkarg und maulfaul - also gewissermaßer 'wrtkrg' und 'mlfl'- in den allgemeinen Themenfäden, deswegen bin ich bislang zumindest kommentarmäßig deinem Eröffnungsfaden ferngeblieben.
Wir haben auch schon einen Knopf nach dir benannt. Guck mal rechts oben neben 'Zitat' - kleiner Scherz!

Freut mich sehr, dass dich die Stimmung einfängt, und wenn es genau die ist, die dich vor dem Schreiben befällt, dann bin ich auf deine Texte gespannt :o)
Mit der Feststellung, dass es sich schwer beschreiben lässt, bist du offensichtlich nicht allein, und dann ist das auch eine gute Beschreibung.

@Leo,
da du ja den von mir zitierten Text kennst, freut es mich umso mehr, dass meiner so 'sanft in dich hineinsickert' :o), dir also offensichtlich nicht 'abgekupfert' vorkommt. Ich wusste während des Scheibens manchmal nicht mehr, ob ich zu nah da dran war, aber irgendwo ist man ja immer nah dran, wenn man was schreibt, nöch?

Der allgemeine Tenor ist für mich auf jeden Fall ein eindeutiges Signal, dass Prosa so auch funktionieren kann, und ich spüre meine zwischenzeitlich etwas versiegte Schreiblust wiederkehren. Vielleicht stellen sich ja auch noch andere Szenen ein, wo mal kein lieb' Mädchen drin vorkommt. Dann klappts vielleicht noch mit dem Epos *hihi*.
Lieben Dank an Euch einstweilen, ich geh dann mal wieder in Schnecken latschen...

Tom
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Beitragvon Nifl » 13.07.2007, 19:23

und dann guckste vielleicht nochmal in Ruhe?

...das finde ich interessant, weil ich mich tatsächlich getrieben fühlte durch die rasante Bildabfolge des Textes, die sich für mich nicht entwickelt. Und in jedem Bild eine kleine Welt... Ich sehe den Text wie Niko eher im Bereich der Lyrik angesiedelt. Immer in "Hab Acht Tiefgang!" Stellung, wie ein Kekskrümel auf dem Amboß... ohne zu verstehen.

Hurz oder nicht Hurz, das ist für mich die Frage.
Aber kein Grund zur Sorge... vielen gefällt das ja offensichtlich.


LG
Nifl
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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 14.07.2007, 01:29

Nö Nifl, keine Sorge :o)

Den Hurz-Verdacht kann ich dir natürlich nicht nehmen, gleichwohl beteuern, dass mir derartiges niemals in den Sinn käme...

Bin ja schon fast froh, dass das auch mal Jemanden nicht anspricht...

Gut's Nächtle,
Tom
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Sam

Beitragvon Sam » 16.07.2007, 06:33

Hallo Tom,

mich erinnert dein Text an einen Setzkasten. Da werden die Kleinigkeiten reingestellt, die man irgendwie niedlich oder toll findet, die einem etwas bedeuten, ohne dass sie unbedingt etwas miteinander zu tun haben. Trotz scheinbar willkürlicher Zusammensetzung ergibt sich dennoch ein Gesamtbild. Nämlich das einer Sammlung. Bei näherem Hinsehen zerbricht das Ganze natürlich wieder in seine Einzelteile und man kann es nur Stück für Stück betrachten.

Einige der Fragmente gefallen mir sehr gut. Das erste z.B. oder auch das Masuren-Hochzeits-Fragment.

Einiges gefällt mir auch nur zum Teil:
Wir haben die Zweige des Kirschbaums angebrannt beim letzten Hirtenfeuer. Dafür schmeckt der Ouzo endlich mild. Ich sollte nun die gelbe Kugel ganz leicht mit Rechts-Effet anspielen, dann wäre das Spiel doch beendet, oder?

Bis zum milden Ouzo ist das sehr schön. Das angehängt (Snooker?)Billiardspiel führt mich gedanklich zu aprupt von draussen (Kirschbaum) nach drinnen (Billiardzimmer).

Oder:
Die Brombeere an der Straße ist noch zu sauer. Es bedürfte eines Sommers. Was immer das sein mag.

Das angehängte "Was immer das sein mag" macht die beiden schönen Sätze davor kaputt. Es klingt furchtbar pathetisch und erinnert zusehr an die ewige Wetternörgelei hierzulande.

Ein Satz, der für mich negativ heraussticht ist dieser:
Und Seltsamkeit ist nur eine Überinterpretation der Wahrnehmung, ebenso wie die Lüge.


Alle anderen Textstückchen sind bildhaft und zum großen Teil lyrisch. Mittendrin aber dieser Weisheitsbrocken, der sich, wenn man ein wenig drüber nachdenkt, schnell als reine Wortklingelei entpuppt und in dieser doch schönen Zusammenstellung völlig deplaziert wirkt.

Wie gesagt, ein Setzkasten. Als Ganzes nur sinnvoll für den Zusammensteller. Dem Betrachter aber bleibt die Freude über das ein oder andere Fundstück.

Liebe Grüße

Sam

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 16.07.2007, 10:54

Hallo Sam, herzlichen Dank dafür, dass du dich so eingehend mit dem Text beschäftigt hast.

Dein Vergleich zu einem 'Setzkasten' trifft es wohl sehr gut. Es ist sehr interessant, welche unterschiedlichen Assoziationen die Textteile bei den einzelnen Lesern hervorrufen.

Ich möchte mal die von dir benannten aufgreifen:

Das Billardspiel kann auch übertragen betrachtet werden, als taktisches Vorgehen, als 'Schachzug', insofern hat das nicht unbedingt etwas mit Räumlichkeit zu tun.

Bei dem Satz 'Was immer das sein mag' geb ich dir Recht. Als pathetisch empfinde ich ihn zwar nicht, aber auf jeden Fall als lapidar bzw. überflüssig. Den werde ich rausnehmen. Womit ich allerdings - wie bereits bei anderen Korrekturvorschlägen - bei dem Problem bin, was ich weiter unten beschreibe.

Und die Passage mit der 'Seltsamkeit, Lüge...' ist sicherlich unlyrisch, aber ob sie deswegen keine Berechtigung hat, ergibt sich ebenfalls aus dem Ansatz, aus dem der Text entstand.

Ich denke dagegen sehr über deine Aussage "Als Ganzes nur sinnvoll für den Zusammensteller" nach, weil hierin wohl der Knackpunkt liegt. Es ist mein erster Text in dieser fragmentarischen Form, und es ist wohl eher ein Experiment, als dass der Versuch, auf ein 'fertiges Stück lyrische Prosa' hinzuarbeiten, unternommen wurde. Ich habe diese Einzelfiguren in einer besonderen Stimmung (für mich) fließen lassen und unbearbeitet übernommen. Nirgendwo gefeilt, nirgendwo gekürzt, nirgendwo darauf geschielt, ob es 'lyrisch' ist, sich logisch und harmonisch fügt, im Rhythmus bleibt, oder sonstwas.
Ich pflege hier gerne den Vergleich zu einer live gespielten Soloimprovisation auf einem Instrument. Spontan durchgeflossen und verklungen. Das Dumme am geschriebenen bzw. veröffentlichten Wort ist, dass es nicht verklingt, sondern - wie eine Tonträgeraufnahme in der Musik - das Geschehene konserviert.

Und so bleibe ich mit der erstmal ungelösten Frage zurück, ob diese Art der ungefilterten, unbearbeiteten Schreiberei überhaupt eine Berechtigung zur Veröffentlichung hat oder nicht. Wenn es als Ganzes - wie du schreibst - den Leser nicht erreicht, bedürfte es dann einer poetischen Überarbeitung? Nähme aber diese Überarbeitung dem Text nicht auch wieder etwas weg, nämlich genau das Kantige, Unharmonische, ja sogar Unlogische, was ja gerade oftmals das Wesen menschlicher Gedankenflüsse ausmacht? Muss ein Text immer rundgefeilt sein?

Die Tatsache, dass die Reaktionen hier im Forum so unterschiedlich sind, lässt mich auch nicht gerade zu einer eindeutigen Antwort finden. Wahrscheinlich gibts die sowieso nicht.

Jedenfalls finde ich deinen Kommentar sehr anregend und wertvoll.

Schönen Schrank,
Tom.

edit: Ich möchte über diese grundlegende Frage (spontanes, unbearbeitetes Schreiben) mal ein bisschen ausführlicher diskutieren und habe deswegen einen Faden dazu in der Schreibwerkstatt eröffnet. Wäre schön, wenn einige von Euch dazustießen.
Hier gehts lang:
http://www.blauersalon.net/online-liter ... hp?p=68976
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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 23.07.2007, 10:43

Nach der erquicklichen Diskussion in der Schreiberkstatt möchte ich die Fragmentreihe fortführen (und zwar zumächst in Tagebuchform), jedoch in der Rubrik 'Labor' unter 'Experimenteller Lyrik'. Lyrik passt ja - außer nach Nikos Ansicht - nicht so ganz, aber ein Experiment ist es allemal. Wer mag, kann da weitergucken...

http://www.blauersalon.net/online-liter ... 9825#69825

Tom
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Beitragvon Thomas Milser » 25.07.2007, 11:45

Um Doppelmoppelei zu verhindern, schließe ich jetzt diesen Faden. Der Text ist nochmal im selben Board unter dem Titel 'Fragmente - eine Sammlung in Tagebuchform - enthalten.
Löschen möchte ich das hier nicht, weil da so viele interessante Kommentare und Denkanstöße von Euch enthalten sind, für die ich herzlich danke.

Tom.
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