Wie Sperlingsidylle und Entsetzen zusammen kommen

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
pandora

Beitragvon pandora » 26.06.2007, 15:28

gone
Zuletzt geändert von pandora am 15.03.2008, 17:20, insgesamt 8-mal geändert.

MarleneGeselle

Beitragvon MarleneGeselle » 27.06.2007, 11:11

Hallo Pandora,

ich muss gestehen, dass ich völlig ratlos bin. Steht das leere Sperlingsnest mit den toten Jungvögeln als Sinnbild für einen Mord, den eigene Sohn begangen hat?? Rache? Bestrafung?

Ratlose Grüße
Marlene

Gast

Beitragvon Gast » 27.06.2007, 13:30

Liebe pandora,

Interpretationen die rundum schlüssig sind drängen sich mir nicht gerade auf.
Aber dein Text hat mich am Haken.
Ich empfinde ihn als aufwühlend, habe mir schon ein paar Gedanken zum Lyrich und zum "sein (eigenes) Blut" gemacht. Auch schon versucht eine Parallele zu ziehen zwischen Elterhaus, Brut, (was manzu Kindern nur ironisch sagt oder wenn sie richtig gelungen scheinen) und Sperlingsnest ...
Im Detail möchte ich aber dazu noch nichts sagen,. Ich habe den Eindruck, dass es sein könnte, dass du dich vielleicht auf ein aktuelles Ereignis beziehst. Ich weiß nicht, ob das möglich wäre.
Eines möchte ich gern wissen bevor ich weiter über den Text nachdenke:
pandora hat geschrieben:Davon sind sie. Im Nest bleiben Gestank, Schmutz und Verwesung. Fliegen umschwirren schmierige Brut. Maden. Sich windende weiße Würmer. Zuhauf.

Ist es denn nicht die "Brut" die davon ist?
Du schreibst: Davon sind sie und dann wiederum Fliegen umschwirren schmierige Brut
Das passt für mich nicht zusammen.

Liebe Grüße
Gerda

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 27.06.2007, 13:45

Liebe Pan,

Amoktat in dörflicher Idylle?

Irre spannend zu lesen, aber sehr verschleiert durch den Fokus aufs Nest, das ja Vergleich ist, oder?

Grübelnde Grüße,
ELsa
Schreiben ist atmen

pandora

Beitragvon pandora » 27.06.2007, 15:28

hallo gerda, elsa und marlene,

ich beziehe mich mit dem text in der tat auf ein aktuelles ereignis, würde ihn allerdings nicht so gerne NUR darauf bezogen wissen. ein weiterer rahmen wäre mir lieber. ich überlege, ob ich daher die eindeutigen hinweise auf einen mord herausnehme. generell geht es um schuld, um den umgang mit schuld und schuldigen.

das spatzennest soll die ereignisse spiegeln, in gewisser weise. ich glaube, das ist nicht gut gelungen. das bild scheint nicht zu funktionieren.
was ich zeigen wollte, ist zum einen die mühsame aufzucht der jungen (= die mühen, die eltern beim aufziehen von kindern aufwenden). auch den "stolz" darauf, dass dies offenbar gelingt. die jungen vögel schlüpfen und werden flügge. (= die menschenkinder entziehen sich dem einfluss der eltern/werden selbstständig/verlassen die familie) das wird nicht klar, oder? die jungvögel, marlene und gerda, sterben nicht. sie verlassen das nest.
scheinbar ist alles gut. aber eben nur scheinbar. unter der oberfläche haben sich dinge abgespielt, von denen keiner wusste und die nicht ins idyll passen. im leeren nest (=der familie) lagern die vorzeichen/ahnungen/ankündigungen. (ich weiß nicht genau, wie ich diese ZEICHEN nennen soll)

hm. doofer text? soll ich ihn text löschen (lassen)?

p.

scarlett

Beitragvon scarlett » 27.06.2007, 15:35

Liebe pan,

löschen auf gar keinen Fall! Dazu steckt viel zu viel Gutes in dem Text, der sich mir nach deinen Erklärungen schon besser erschließt.

Ich denke trotzdem noch über die Brut nach... das verwirrt dennoch sehr.

Grüße,

scarlett

Gast

Beitragvon Gast » 27.06.2007, 16:31

Nein pan, kein "doofer" Text, ich habe ihn in den Grundzügen auch verstanden, aber heute keine Zeit mehr, mich ausführlich dazu zu äußern. (Dass die "Brut" im Nest bleibt, ist verwirrend, weil die Vögel/Kinder doch flügge geworden sind, so habe ich das o. gemeint)
Ich melde mich dazu.

Liebe Grüße
gerda

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Beitragvon Elsa » 27.06.2007, 17:38

Liebe Pan,

Bloß nicht löschen!

Hier ist der Hund begraben:
Fliegen umschwirren schmierige Brut
Die Brut ist davon. Der Drack bleibt zurück, oder ist eins tot von den Vögeln? Dann sollte das dort stehen, denn wenn die Vögel ausgeflogen sind, kann sich der Leser nicht vorstellen, dass da was Totes liegenbleibt. Hm ...

Lieben Gruß
ELsa
Schreiben ist atmen

Gast

Beitragvon Gast » 29.06.2007, 16:05

Liebe pan

ich versuche jetzt mal eine schrittweise Auseiandersetzung mit deinem Text, vielleicht kann ich zeigen wo ich mehr Deutlichkeit benötige.

pandora hat geschrieben:Sie hat ihn am Haken. Die Angst.
Als die Dörfler sich schweigend abwenden, hat sie ihn.
Mit einem Ratsch fetzt sie die Haut vom Leib.

Es es gibt ein lyr. Er. Er fühlt sich von Angst gepackt, weil er irgend ein Makel hat, weswegen sich die Dörfler von Ihm abwenden.
Du setzt die Angst übergroß ins Bild, im Sinne von, es kommt alles heraus, Er häutet sich, diese Angst hat aber offensichtlich mit Ihm zu tun und ist wohl eher keine Reaktion auf das Abwenden der Anderen, wie ich vermute, da ich die Quelle der Angst noch nicht ausmachen kann denke ich, sie müsse dem Inneren des Er entspringen.
pandora hat geschrieben:Melodien liegen dahinter. Der Bettelrap junger Spatzen. Munteres Sommertschilpen aus weit aufgerissenen, nimmersatten Schlündern.
Die Vogeleltern - unermüdlich. Besorgt. Und stolz, natürlich.

Hier erinnert Er sich an das was hinter den Angst oder unter ihr begraben liegt. Es geht ganz offensichtlich um eigene Nachkommen und deren Munterkeit, sowie die Besorgnis der Eltern, von denen Er ein Teil ist, auch darum wie schön und "gesund" die Familie gewesen ist.
Vogelnest ≈ Schoß der Familie
pandora hat geschrieben:Es ist sein Blut, das im Körper des Sohnes pulsiert. Sein Blut.
Im Körper eines ... eines Mörders.

Ein/ der Sohn ist zum Mörder geworden, Er reflektiert, dass im Körper des Mörders, "sein" Blut fließt, unfassbar, für Ihn.

pandora hat geschrieben:Es ist fremdes Blut, das auf dem Boden gerinnt. Das Blut eines Unschuldigen.

Es hört sich so an, als ob Er/ der Vater sich die Tat vorstellt, mitangesehen oder das Opfer gesehen hat ... An dieser Stelle im Text wird für Seine Angst ein konkreter Grund erkennbar. Es ist die Angst vor dem "Eigen' Fleisch und Blut", das zum Mörder wurde. Die angst vor dem was auch in Ihm stecken könnte.
pandora hat geschrieben:Sie hat ihn wieder am Haken. Die Angst. Legt eine Schlinge um seinen Hals. Tritt zurück und sieht zu.
Das Kind, das lächelnde, blonde ... das kluge Kind. Bringt Verderben und Verdammnis.

Die Angst ist nicht immer gleich stark, aber es gibt Momente wo Er sich ihrer Unheimlichkeit bewusst wird (Wie oben wenn die Dörfler/ Nachbarn/Mitmenschen sich abwenden) und nicht begreifen kann, warum "das lächelnde, blonde ... das kluge Kind" zum Mörder wurde.
pandora hat geschrieben:Davon sind sie. Im Nest bleiben Gestank, Schmutz und Verwesung. Fliegen umschwirren schmierige Brut. Maden. Sich windende weiße Würmer. Zuhauf.

Hier ist der Text m. M. unlogisch.
Die Brut, ≈ Kinder, ist davon. Das heißt die Kinder auch das "Mörderkind" war schon aus dem Heim der Familie fortgezogen - sozusagen flügge geworden. Die Greueltat hat aber das Nest (Familie, das Heim) mitbeschmutzt. Der Satz: Fliegen umschwirren die schmierige Brut fällt hier heraus, weil sich die Vorstellung aufdrängt, dass die Brut im Nest zurückbleibt, was aber durch das "Davon sind sie" bereits zu Beginn des Abschnitts negiert wurde.
Vielleicht hilft hier eine etwas andere Setzung oder eine Umstellung mit einem "Nun" umschwirren Fliegen die schmierige Brut ...
Die Brut darf vom Leser nicht mehr direkt mit dem verlassenen Nest in Verbindung gebracht werden.
pandora hat geschrieben:Sie hat ihn am Haken. Die Angst. Legt eine Schlinge um seinen Hals. Sieht nicht mehr länger zu. Droht. Droht, ihn zu ersticken.
Sie reißt sein Leben entzwei.
Davor ist danach.

Sein Leben ist auf den Kopf gestellt, nichts ist mehr so wie es den Anschein hatte.
Schwierigkeiten bereitet mir der Ausspruch: Davor ist Danach.
Ich kann daraus keine Schlussfolgerung abeleiten.
Soll es heißen, Er wird sich nicht auseiandersetzen, sondern alles verdrängen? Sich sein "heiles Bild" erhalten?

Du siehst, dass ich dir schon recht weit folgen kann.
Vielleicht kannst du noch etwas klarer werden, ohne, dass sich der Text deshalb ausschließlich auf diesen einen konkreten Fall beziehen muss, der für dich Anhaltspunkt ist.

Liebe Grüße
Gerda

Gast

Beitragvon Gast » 29.06.2007, 21:24

Hallo pandora,

mich macht der Text neugierig. Stößt ab, zieht an, beides zugleich. Er erschließt sich mir noch nicht so recht (auch nach mehrmaligem Lesen), aber das stört mich nicht, weil er nachdenklich macht. Viel Interpretationsspielraum offen lässt. Ich würde zwar gern wissen, was dahinter steht, aber ich weiß nicht, ob ich es gern im Text genauer erklärt haben möchte.
Spannend auf jeden Fall! Auch die Form. Ich mag Texte, die sich im Grenzbereich von Lyrik und Prosa bewegen.

Die Stelle mit der Verwesung im leeren Nest finde ich am schwersten verständlich.

Angst. Warum eigentlich Angst? Ist es nicht eher Scham? Hm, wahrscheinlich eine Mischung von beidem. (Nur mal so "ins Unreine gedacht".)

LG Mel

pandora

Beitragvon pandora » 04.07.2007, 20:41

liebe gerda,

ich danke dir wie verrückt für die detaillierte auseinandersetzung mit dem text. ich habe momentan ein bisschen viel um die ohren, beruflich, und von daher nur sporadisch zeit, mich um meine brachliegenden texte zu kümmern.

zwei dinge deshalb auf die schnelle, mehr oder weniger.

die missverständliche stelle mit der fliegenbrut habe ich geändert. ich hoffe, sie ist nun klarer. von der sache her wäre ich auch bereit, die maden völlig rauszuschmeißen. (allerdings glaube ich, dass sie ein drastisches und aussagekräftiges bild sind für den tod.)

außerdem wollte ich noch etwas zu "davor ist danach." schreiben. es geht nicht um verdrängung. (aber ich verstehe, wie du darauf kommst.) es geht darum, dass der mord ein menschenleben gewissermaßen in zwei teile zerlegt. es gibt es "davor" und ein "danach", aber die erschütterung eines ganzen gefüges ist so gründlich, dass das "davor" in den schatten tritt und de facto nicht mehr existiert angesichts der grauenvollen ereignisse. (zumindest ist auch fraglich geworden, ob das "davor" - die heile familienwelt - wirklich ein "davor" war.)

auch für deinen kommentar, melusine, danke ich dir ganz herzlich. ich denke allerdings nicht, dass man durchgängig von scham reden bzw. schreiben könnte. am ende des textes vielleicht. am anfang (dörflerszene) nicht. da geht es schon eher um aufschrecken und befürchtungen und eben: ANGST.

lg
pan

MarleneGeselle

Beitragvon MarleneGeselle » 05.07.2007, 09:46

Hallo Pandora,

deine Zweitfassung ist klarer und besser, auch als Außenstehender bekommt man eine Ahnung von dem, was sich da abgespielt hat.

Liebe Grüße
Marlene

Gast

Beitragvon Gast » 05.07.2007, 11:14

Liebe pan,

für mich ist die zweite Fassung auch klarer. Besonders an der Stelle mit der "Brut" fühle ich mich nicht mehr irritiert.
Inwieweit du vielleicht anders setzen könntest, habe ich überlegt, bin aber zu keinem brauchbaren Ergebnis gekommen.

Eines noch, mir scheint, dir ist eine Panne unterlaufen, denn als erste Version steht der Text nun 3 x gepostet ...

Liebe Grüße
Gerda

pandora

Beitragvon pandora » 05.07.2007, 13:57

liebe gerda,

OBERpeinlich, diese textanhäufung ...
ich habe reduziert auf einen.

danke!

lg
pan


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