Alte Seelen, alte Schweden

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Nihil

Beitragvon Nihil » 11.06.2007, 12:25

Alte Seele,
es ist ein Freudenfest
dich leidend zu sehen ..

Ein letzter Weltenrest,
an dem die Welt
nur alte Seelen leiden lässt ..

Über dem Weltenlauf
geht eine schöne Sonne auf
und alle Tränen sind geweint ..

All ihre Melodien
werden sich auf einen Grundton beziehen -
den Grundton deiner Resignation.


Alter Schwede,
es ist ein Freudenfest
dich leidend zu sehen ..

Ein letzter Weltenrest,
an dem die Welt
nur alte Schweden leiden lässt ..

Über dem Weltenlauf
geht eine schöne Sonne auf
und alle Tränen sind geweint ..

All ihre Melodien
werden sich auf einen Grundton beziehen -
den Grundton deiner Resignation.

Alte Seelen, alte Schweden .. lalala


Nihil
Zuletzt geändert von Nihil am 11.06.2007, 23:32, insgesamt 6-mal geändert.

Nihil

Beitragvon Nihil » 11.06.2007, 13:39

Ein paar Anmerkungen zu dem Text: Der Begriff der Resignation ist nicht im Sinne von "Aufgabe", d.h. "Kapitulation" konnotiert als vielmehr im Sinne von "Überwindung" eines Unheilvollen, eben des Willens als dem Ding an sich. Der Text stellt sich ganz auf den transzendenten Standpunkt, von dem aus betrachtet die Leiden sich als heilsam darstellen, da durch sie als ein möglicher Weg, neben dem Weg der Erkenntnis, der Wille zum Leben gebrochen und überwunden werden kann, welches gleichbedeutend ist mit der Erlösung aus dem Samsara. Ist der Wille überwunden und verneint und damit die Quelle, der alle Leiden entspringen, versiegt, so stellt sich heitere Gelassenheit ein und alle Tränen sind geweint, es ist die schöne Sonne der Verneinung des Willens, eine inverse Sonne der Resignation, die fortan über allem Weltlichen, das nicht mehr anficht, schwebt wie umgekehrt die weltliche Sonne höchstes Symbol für die Bejahung des Willens zum Leben ist und sich als solche idealistisch gesprochen über dem Weltenlauf thronend objektiviert und Grundbedingung allen höheren Lebens ist. Nicht von ungefähr ist diese Sonne blendend hell (Verblendung) und höllisch heiß (Begierden). Nicht von ungefähr bekommt Frau wie Mann von dieser Sonne leicht einen Sonnenbrand (Leiden), ich empfehle Lichtschutzfaktor 100, d.h. die Schopenhauer-Lektüre. :mrgreen: Der Text ist durch und durch positiv zu lesen und hoffnungsvoll und sollte sich ein ablehnendes Gefühl im Leser einstellen, so ist dies eben gerade dem Umstand geschuldet, dass er selbst den Willen noch zu sehr bejaht und sich gegen die Erkenntnis, das Leiden und die Verneinung seinerselbst heftig sträubt, das ist nur natürlich und mir selbst wohl vertraut .. hihi ;-)


Die Erlösung mal einfach gedacht! Der Autor selbst geht nun erstmal ein paar dicke Krokodilstränen weinen, um der Erlösung wieder ein Stückchen näher zu kommen! :mrgreen:

LG

Nihil

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 13.06.2007, 09:15

Lieber Nihil,

das Wort Resigantion macht glaube ich deine eigene Interpretation unmöglich, oder? Die ist nicht Teil des heiteren Leidens.

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Nihil

Beitragvon Nihil » 13.06.2007, 19:54

Liebe Lisa,

leider verstehe ich nicht wie du das genau meinst? Die Leiden selbst sind natürlich kein Freudenfest, nur in der Reflexion, d.h. aus der transscendenten Distanz heraus, ist es insofern eine Freude, da die Leiden einen Weg aus dem samsarischen Kreislauf weisen, da sie der Verneinung des Willens förderlich sind .. aber gut - ich gestehe, dass der Weg der Erkenntnis, das Durchschauen des Schleiers der Maya und die Askese der elegantere und wohl auch der heiterere Weg ist, aber er ist halt nicht jedem gegeben ..

LG

Nihil

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 15.06.2007, 09:13

Lieber Nihil,

das verstehe ich schon auch so, nur ist in deinem Text der Grundton die Resignation - was für mich eben nicht den Zustand aus der transzendenten Refleyion heraus beschriebt - das wäre aber an der Stelle nötig, um den Text positiv lesen zu können? (Für mich ist er eh ironisch..also nur scheinbar positiv angelegt)(die Lektüre ist geschafft, die Praxis aber nicht).


Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Nihil

Beitragvon Nihil » 15.06.2007, 10:09

Liebe Lisa,

ich verstehe dich leider noch immer nicht, ist ja lustig .. :mrgreen:

Der Text selbst soll im Grundton der Resignation verfasst sein? Das ist er ja gerade nicht (oder besser: er ist nicht durch die Resignation motiviert als vielmehr durch die Leiden, meinst du dies?) - er bejaht aber die Resignation, eben von dem transscendenten Standpunkt aus .. stünde der Text ganz im Grundton der Resignation, so wäre in ihm ja nicht mehr von den Leiden die Rede, die in diesem Text primär als seelische Leiden, als die Leiden, welche den Leidenschaften, der Verblendung etc. entsprungen sind, gedacht sind und diese Leiden sind in diesem Text ja noch aktuell und die Resignation, zu der jene Leiden den Weg weisen, ist potentiell, die Resignation tritt in diesem Text nur in abstracto auf als ein Wissen um den Zustand der Freude nach Aufhebung des Willens zum Leben ..

LG

Nihil

Perry

Beitragvon Perry » 18.06.2007, 14:01

Hallo Nihil,
ich denke der Schlüssel zur Grundstimmung in diesem Lied liegt in der Formulierung "Alter Schwede" Diese kameradschaftliche Selbstreflektion des Lyrich über sein Leben, lässt das Leiden in einem über die Mühsal erhabenen Licht erscheinen.
Gefällt mir gut!
LG
Manfred

Max

Beitragvon Max » 18.06.2007, 18:43

Lieber Nihil,

lustigerweise verstehe ich Deinen erklärenden Kommentar über Dein Lied besser als umgekehrt *grins*
Dieser heitere Grundton der Leiden mildter gefällt mir gut.

Was "Resignation" als Wort angeht, so verstehe ich Lisas Kommentar allerdings.

Liebe Grüße
Max


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