wörter

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 15.06.2007, 09:29

 

Wörter, Wörter überall Wörter
sie nagen und kriechen
fauchen und rennen
verbeißen sich wütend
wie verfeindete Hunde
bis aufs Blut
geifern um den besten Platz und lassen keine Ruhe
Schlaffresser mit spitzen Zähnen
die wie ein Uhrwerk ineinander greifen
und sich drehen
und mich drehen
aufgezogen pendeln

zwischen

erst war ich sicher (gestern brannte die Antwort lichterloh)

dein Wischwasser erstickte die Flammen
bis der Qualm meine Lungen schwärzte

in deiner Wohnung empfängst du Sie, die Wissende
ihretwegen begann deine Welt sauber zu reden
sie brachte deinen Sätzen ihre Bedeutung bei

über
allem

auf den Fassaden
in den Schaufenstern der menschengeschmückten Stadt
auch in den Schatten dahinter
ihr geschriebenes Gesicht

und in mir

nichts als würgende Wörter (eure Nähe raubt mir die Worte)

in deiner Hand hältst du meine Flügel und weißt es nicht

und weißt es doch

du brichst sie nicht versehentlich

 

Chiquita

Beitragvon Chiquita » 15.06.2007, 20:57

hallo smile, intensive, wütende dichtung. reingehämmert, wie man das eigentlich nur mit einer alten mechanischen kann.
würzige kost.

gruß
chiquita

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Beitragvon Ylvi » 15.06.2007, 23:32

Hallo chiquita,

herzlich willkommen im Salon, danke für deinen Komm., es ist interessant, dass es bei dir wütend ankommt.
Intensiv und würzig gefällt mir natürlich gut :-) .

Vielleicht kommt ja noch Rückmeldung, ob das Gedicht von anderen auch so aufgefasst wird. Dann müsste ich wohl noch einmal sehr grundsätzlich nachdenken. :12:

liebe Grüße smile

Chiquita

Beitragvon Chiquita » 15.06.2007, 23:56

lese dein gedicht doch mal unbefangen selbst - es strotzt doch geradezu vor aggressivität.
verbale beispiele: ... verbeißen, nagen, fauchen, brichst, geifern, brannte, erstickte ...
adverbien und adjektive: ... wütend, verfeindete, spitzen, würgende ...
substantive: ... zähnen, flammen, qualm, blut, schlaffresser ...

worüber willst du da grundsätzlich nachdenken?

gruß
chiquita

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Beitragvon Ylvi » 16.06.2007, 08:01

Hallo Chiquita,
Wenn du dich ausschließlich auf die erste Strophe beziehst, die sicherlich gespickt ist mit "aggressiven" Wörtern, kann ich dir recht geben. Allerdings ist es ja nicht das LIch, das diese Empfindung hegt. Und in den folgenden Zeilen, die ja "erklären", wie es zu diesem "Überfall" der Wörter auf das LIch kommt, sollte doch ein anderes Gefühl (oder ein anderer Gedanke) tragen.
Die Flammen und den Qualm würde ich z.B. nicht unter die von dir genannten Wörter einreihen. Mein Problem wäre, wenn die erste Strophe so dominiert, dass das LIch und die Geschichte vollkommen dahinter zurücktritt. Der Ausklang des Gedichtes ist alles andere als aggressiv.

liebe Grüße
smile

Chiquita

Beitragvon Chiquita » 16.06.2007, 09:07

guten morgen.
na ja, es ist nicht gerade ein blümchengedicht, und das finde ich gut daran. du "wagst" unorthodoxe bilder und klagst an bzw. klagst. mir wurde nur noch nicht klar, wen das lyr-ich mit "wissende" meint, und wer sich hinter dem "du" versteckt, der am ende dem lyr-ich die flügel bricht.
vielleicht finde ich deine lesart heraus, wenn ich mehr über den inhalt erfahre.

gruß
chiquita

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 16.06.2007, 13:44

Hallo Chiquita,

es ist nicht gerade ein blümchengedicht

und das bei mir. :-)
vielleicht finde ich deine lesart heraus, wenn ich mehr über den inhalt erfahre.

Eigentlich würde ich mich den Inhalt betreffend gerne noch zurückhalten, irgendetwas scheint entweder gar nicht oder zumindest seltsam anzukommen bei dem Gedicht. Ich hatte eigentlich eher befürchtet der Inhalt wäre zu offensichtlich ausgebreitet. Deshalb verwirrt es mich ein wenig. Vielleicht hätte ich es doch in Liebeslyrik posten sollen. :confused-smiley-006:

liebe Grüße smile

@ alle: Ich wäre für eine kurze Rückmeldung, warum nicht kommentiert wird dankbar.

Gast

Beitragvon Gast » 16.06.2007, 14:51

Liebe smile,

bei diesem Gedicht, habe ich zunächst nur drüber gelesen, da das Thema "Wörter"/ "Worte" oft behandelt - mich nicht angezogen hat.

Es ist ein Thema, dass auf Zwischenmenschliches immer passt. Dass es ein Beziehungsgedicht ist habe ich schon herausgelesen.

Der erste Teil:

smile hat geschrieben:Wörter,
Wörter überall Wörter
sie nagen und kriechen
fauchen und rennen
verbeißen sich wütend
wie verfeindete Hunde
bis aufs Blut geifern
um den besten Platz
und lassen keine Ruhe
Schlaffresser mit spitzen Zähnen
die wie ein Uhrwerk ineinander greifen
und sich drehen
undmich drehen
aufgezogen pendeln


gefällt mir in seiner expressiven Sprache. Augenscheinlich beschäftigt sich das Lyrich mit der Beziehung und der in dieser Beziehung fehlenden gemeinsamen Sprache. Nicht nur das, die Wörter werden wie Waffen benutzt, eines gibt das andere, man macht sich anscheinde gegseitig fertig. (Das Thema gibt es w. a. immer wiederkehrend, aber hier wirkt es für dennoch frisch)
Ich habe ein wenig anders gesetzt, kann aber sein, dass es dir nicht behagt und ein "und" habe ich gestrichen.

Im weitern Verlauf wechselt du stilistisch auf die Erzählebene.
Ich kann dir jetzt keinen Tipp geben zu kürzen, aber ich finde, du hast im Prinzip "Zwei in Einem".
Im Grunde ist der erste Teil der sehr emotionale auch etwas wütende Teil, das Aufbäumen des Lyrich und ider zweite, der eher in sich gekehrte, resignierende.

Vielleicht könntest du so fortfahren: (in schlage im Ursprungstext vor)
smile hat geschrieben:zwischen

erst war ich sicher
gestern

die Antwort brannte lichterloh

Wischwasser
erstickte die Flammen
bis der Qualm meine Lungen schwärzte


Bis hierher, weiter komme ich nicht, denn jetzt erzählst du tatsächlich eine Begebenheit, m. M., die mit "Wörtern" nur noch zu tun hat, weil sie das Erlebte transportieren.

smile hat geschrieben:in deiner Wohnung empfängst du Sie, die Wissende
ihretwegen begann deine Welt sauber zu reden
sie brachte deinen Sätzen ihre Bedeutung bei

über
allem

auf den Fassaden
in den Schaufenstern der menschengeschmückten Stadt
auch in den Schatten dahinter
ihr geschriebenes Gesicht

und in mir

nichts als würgende Wörter (eure Nähe raubt mir die Worte)

in deiner Hand hältst du meine Flügel und weißt es nicht

und weißt es doch

du brichst sie nicht versehentlich


Hier überschlagen sich dann Bilder (?) / Begebenheiten die ich nicht einordnen kann. Ich dachte z. B. an eine Dreiecksbeziehung, frage mich aber, warum dann der Titel "Wörter".

smile hat geschrieben: eure nähe raubt mir die worte
e...
(Hier sind es die Worte, was etwas anderes als Wörter bedeutet)
Wessen Nähe ist gemeint, die des lyr. Du und noch einer anderen Person?
Also irgendwo hakt das Verstehen bei mir.

Natürlich muss ich den Text nicht so vollständig durchdringen, aber ich habe gedacht, das es dich im Detail interessiert, wegen der Frage nach Kommentaren. :smile:

Vielelicht hilft dir es bei der Bearbeitung weiter.

Liebe Grüße
Gerda

Klara
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Beitragvon Klara » 16.06.2007, 15:27

Hallo Smile,

ich lese das als einen wütenden, traurigen Text darüber, dass der Geliebte (oder die Geliebte, wenn es sich um lesbische Liebe handelt) eine andere liebt, seit einer Weile schon. So ein Dreieck, das offen abgehandelt wird, produziert eine Menge "Wörter" und mitunter auch "Worte", Erklärungen, Entschuldigungen, Verletzungen, Lügen, noch schlimmere Wahrheiten, Beleidigungen, scheinbare Übereinstimmungen, im Kreis gedreht. Sprich: Es wird unendlich viel geredet, und es hilft unendlich wenig, meistens, nehme ich an.

Ich sehe den Text nicht als fertigen lyrischen Text. Für mich sieht es aus wie eine Skizze, die entweder in etwas anderes einfließen könnte oder als Grundlage für etwas anderes dienen kann. Später. Entweder verdichtet oder als Prosa.

Ich finde den Text kraftvoll und leidenschaftlich.

Herzlich
Klara

Scal

Beitragvon Scal » 16.06.2007, 16:22

Hallo Smile,

"eure Nähe raubt mir die ...." Sätze - kam mir in den Sinn.

An Schlaflosigkeitszustände erinnert vor allem der erste Abschnitt.
Die Gesichter im Hintergrund halten die flatternden Flügel und zerwühlen die Satzfähigkeit der Worte.
Viel Brennendes, Pochendes ( "und weißt es nicht und weißt es doch ...").

Lieben Gruß
Scal

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 16.06.2007, 18:11

@ Gerda
vielen Dank für deine ausführliche Rückmeldung. Da bin ich wohl mal wieder komplett Betriebsblind, da für mich die Geschichte völlig klar aus dem Text hervorgeht.
Nun stehe ich wieder vor meinem Dilemma, möchte ich den Text verstanden wissen, oder kann ich den Text loslassen. Zumindest zeigen mir die Kommentare, dass der Text emotional wirkt. Wenn auch unterschiedlich. (wütend, leidenschaftlich, traurig, kraftvoll, brennend, pochend...)

es geht um einen Sprachverlust, die Unfähigkeit die Wörter in einen sinnvollen Zusammenhang zu stellen, und somit einhergehend, der Verlust des Verständnisses für die Dinge an sich

Elsa schrieb in einem Kommentar zu Frage_zeichen:
Wörter sind unzusammenhängend.
Worte bilden einen sinnigen Satz.
an anderer Stelle im Web fand ich:
Wörter bestehen aus Buchstaben,
Worte machen Sinn

der Auslöser für diese Ohnmacht, Zerrissenheit, Verzweiflung, diesen Sinnverlust... ist der Verlust des Du
solange das Du da war (zumindest als Möglichkeit oder Hoffnung auf ein Wir)
war die Welt sicher, die Antworten brannten, brachten Wärme (Hitze - Leidenschaft) und Licht
nun ist da diese Andere, der sich das Ich (@Wissende) unterlegen fühlt, die eine Macht über das Du ausübt, es in Besitz nimmt, verändert, entfremdet
das nimmt dem Ich den Atem (@Qualm)
die Nähe, die das Ich zwischen den Beiden wähnt, raubt dem Ich die Worte (den Sinn, den Zusammenhang, das Schöne, das Beflügelnde...)

das „zwischen“
erscheint mir sehr wichtig, da es ins Leere läuft
es findet zwar ein „erst“ aber es folgt kein „dann“
was den Zustand des Ich denke ich sehr gut fasst

@Klara: danke, für deine Gedanken dazu, wenn neige ich eher zu Verdichtung als zur Prosa, aber das später ist hier wohl entscheidend, denn im Moment sehe ich noch nicht wie

@scal:
Die Gesichter im Hintergrund halten die flatternden Flügel und zerwühlen die Satzfähigkeit der Worte.

das trifft es schon sehr gut, danke

@Chiquita: vielleicht helfen dir die Ausführungen oben meine Intention zu verstehen

vielen Dank für eure Rückmeldung, sie wird in mir arbeiten

liebe Grüße smile

Chiquita

Beitragvon Chiquita » 16.06.2007, 18:54

es ist eine gratwanderung, smile - wenn du an dem gedicht noch arbeiten willst, mußt du dich erneut auf den weg machen, d.h.: du mußt den berg nochmals neu besteigen. vielleicht gehst du eine andere route, vielleicht wählst du aber auch denselben weg zum gipfel und gehst manche strecken (in worten) einfach anders, zb. kraftmäßig anders.
da ich leider nicht deine intention wissen kann (also, der zu erklimmende gipfel für mich im nebel liegt), wäre es hirnrissig, dir ins blaue hinein verbesserungsvorschläge zu machen.

gruß
chiquita

Klara
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Beitragvon Klara » 16.06.2007, 19:01

Entschuldige, Smile, aber deine Ausführungen erscheinen mir mich viel unklarer(bzw. drumherumgeredet) als das Gedicht.

Nun verstehe ich sozusagen gar nichts mehr und fühle mich - gelinde gesagt - veräppelt.

Macht aber nüscht .-)

Grüße
Klara

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 16.06.2007, 19:32

Hallo Klara,
doch, das macht was! Wieso du dich veräppelt fühlst, verstehe ich allerdings nicht. Was genau an meinen Ausführungen verstehst du denn nicht?
Deine Interpretation geht in eine andere Richtung, aber sie ist auch eine Möglichkeit, die ich interessant finde, die der Text auch sicher zulässt, nur eben nicht meine war.

liebe Grüße smile

Hallo Chiquita,
manchmal kann einem ein Kommentar aber auch eine Richtung weisen, oder einen anderen Weg aufzeigen. Gehen muss man ihn dann natürlich trotzdem selbst.

Ob sich der Text noch verändert, kann ich im Moment noch nicht sagen. Muss die Komms. erst einmal sacken lassen.

liebe Grüße smile


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