Schweben, vorher: Frei

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leonie
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Beitragvon leonie » 11.06.2007, 23:01

Schweben

Noch wach, dem Tag zuschauen,
der nicht gehen mag

Im Dämmerlicht zieht sich die Sehnsucht aus, hinaus
ins Weite

sucht die Amsel, singt ihr nie gelerntes Lied
immer zur selben Zeit
Wer schrieb es in ihre Kehle
für wen -

Nicht wissen, ja. Nicht wissen, dass man nicht weiß,

Wolke sein
sich als Silberrand unter der Sonne
einparken, auflösen ins Blau




Erstfassung:

Noch wach, dem Tag zuschauen,
der mag nicht gehen.

Im Dämmerlicht zieht sich die Sehnsucht aus, hinaus
ins Weite

sucht die Amsel, singt sie
ihr nie gelerntes Lied
immer zur selben Zeit
Wer schrieb es in ihre Kehle
für wen -

Wie Fledermäuse hören können,
die Farben nicht einmal vermissen.

Wie blind ich bin.
Nicht wissen, ja. Nicht wissen, dass man nicht weiß,

Wolke sein
sich als Silberrand unter der Sonne
einparken, auflösen ins Blau, schweben

frei sein.
Zuletzt geändert von leonie am 15.06.2007, 10:37, insgesamt 5-mal geändert.

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 13.06.2007, 12:08

Hallo Leonie,
oh nein, wo sind die Fledermäuse hin? Das war meine Lieblingsstelle. Das Gefühl, das du beschreibst verstehe ich schon, für mich macht sich mein sträuben nur an diesem Wort "frei" fest. Es wäre für mich eher der Zustand der Leere oder der Ruhe oder der Stille...
Deshalb hätte ich auch eher die Amsel als die Fledermaus gekillt. Ich schreib einfach mal, wie ich es für mich lesen würde wollen.

Ruhe

Noch wach, dem Tag zuschauen,
der nicht gehen mag.

Im Dämmerlicht zieht sich die Sehnsucht aus, hinaus ins Weite

Wie Fledermäuse hören können,
die Farben nicht einmal vermissen.

Blind ich bin.
Nicht wissen, ja. Nicht wissen, dass man nicht weiß,

Wolke sein
sich als Silberrand unter der Sonne
einparken, auflösen ins Blau

Ruhe schweben


liebe Grüße smile

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 13.06.2007, 12:16

Liebe smile&leonie,

die Amseln sind so strak, nie nie diese streichen bitte!

Schweben als Titel zu nehmen und unten fortzunehmen finde ich einen perfekten Vorschlag...und aus den Fledermäusen, smile, macht leonie einfach ein neues Gedicht, in Ordnung? :pfeifen:


Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Gast

Beitragvon Gast » 13.06.2007, 13:05

Liebe leonie,

erfreut sehe ich, dass sich hier etwas gewandelt hat, ja, dass die Fledermäuse gewichen sind, finde ich gut. Amsel und Fledermäuse war zu viel des Guten, sie kommmen tatsächlich wohl auch nicht zur gleichen Tageszeit vor.
Jedenfalls ist es so: Wenn ich abends im Garten die ersten Fledermäuse fliegen sehe, dass ich keine Vögel mehr singen höre, auch keine Amsel.

Nun ist die Amsel nicht nur ein eifriger Sänger, sondern auch ein Vogel, der sehr verbreitet ist und demzufolge schon viel besungen (im Sinn von bedichtet) wurde.

Ich habe, als ich das Gedicht zum ersten Mal las, überlegt, ob die Amsel wohl ersetzt werden könnte...
Nein, ich hätte keine Idee. Darüberhinaus hast du einen wunderschönen neuen Ansatz für ihr Lied gefunden. Du schreibst nicht, wie so oft von der Melancholie, sondern fragst, wo kommt das Lied her. Das gefällt mir und ist wunderbar offen, trifft somit die Intention deines Gedichts und den Titel.

Ob allerdings Frei = Schweben bedeutet ... hm das weiß ich nicht.

Jednfalls ein schöner stiller Text von dir.

Liebe Grüße
Gerda

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 13.06.2007, 14:00

Hallo Lisa,
schade, aber wenigstens dürfen die Fledermäuse bei mir weiter singen. :nicken:
liebe Grüße smile

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leonie
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Beitragvon leonie » 13.06.2007, 15:55

Liebe smile,

die Fledermäuse wollen schon soooo lange in ein Gedicht von mir, die werden sich bestimmt wieder einschleichen :-) . Und bei Dir singen sie ja weiter....

Liebe Lisa,

ich denke, so mache ich es mit dem Titel. Dann ist auch das Wort "frei" nicht mehr da, das es meiner Meinung nach vielleicht eh nicht so ganz getroffen hat.

Liebe Gerda,

vielen Dank. Ob Amseln und Fledermäuse zeitgleich vorkommen, darauf werde ich noch einmal besonders achten an den nächsten Abenden. in jedem Fall hat sich durch die "Verbannung" der Fledermäuse das Problem mit dem Abend und dem Silberrand gelöst, denn während die Amseln singen, gibt es diese noch gegen Abend.

Ich freue mich, dass Dir das Gedicht gefällt!

Liebe alle,

ich möchte die Interpunktion erstmal beibehalten, mir erscheint sie stimmig und unterstützend.

Liebe Grüße und danke an Euch!

leonie

Ach ja, und schon das nächste Problem: Welches Satzzeichen an den Schluss? Ist der Punkt zu hart? Lieber ein Gedankenstrich? Oder drei Punkte?

Max

Beitragvon Max » 13.06.2007, 21:43

Liebe Leonie,

hm, ohne Sehnsucht sähe es für mich am ehesten so aus:

Noch wach, dem Tag zuschauen,
der nicht gehen mag.

Das Dämmerlicht zieht hinaus
ins Weite

sucht die Amsel, singt ihr nie gelerntes Lied
...


Liebe Grüße
max

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leonie
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Beitragvon leonie » 13.06.2007, 22:32

Nachtrag

Liebe Gerda,

eine Recherchen haben ergeben: Die erste Fledermaus war um 21.57 zu sehen, die Amseln verstummten gegen 22.15.
(Zwischendirn habe ich noch einen Igel bemerkt (vom Kleinzeug wie Schnecken, Spinnen, Mücken, Nachtfaltern...will ihch hier schweigen), während das Vieh, das in den letzten Nächten große Löcher ins Blumenbeet wühlt, leider nicht die Güte hatte, sich mir zu zeigen).
Es gibt also tatsächlich Überschneidungen, zumindest in unserem Garten. Trotzdem heißt es für die Fledermäuse in dem Gedicht weiterhin: Wir müssen leider draußen bleiben! :-)

Lieber Max,

ach, mir fehlt was, wenn es nur die Dämmerung ist.
Ich mag diesen Gedanken, dass sich die Sehnsucht im Dämmerlicht auszieht, all die tarnenden, schützenden gewänder..., um dann auszuziehen.
Kennst Du das denn gar nicht?

Liebe Grüße

leonie

Max

Beitragvon Max » 13.06.2007, 22:50

Liebe Leonie,

doch sicher kene ich die Sehnsucht .. und es ist eine schwierige Sache mit ihr. Zum einen ist es große Kunst, wenn man sie in Person auftreten lässt (das ist jetzt keine Ironie), zum anderen will mir scheinen, als habe sie sich in meinem wirklichen Leben immer verkleidet und sei eben nur eine Dämmerung gewesen, die dort verschwand, wo ich auch hinwollte ..

Liebe Grüße
Max

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Beitragvon leonie » 14.06.2007, 10:46

Lieber Max,

Jetzt werde ich ich mir gerade ganz unsicher, was Du damit sagen willst:

Zum einen ist es große Kunst, wenn man sie in Person auftreten lässt (das ist jetzt keine Ironie),


In jedem Fall habe ich den Eindruck, dass es mir mit der Sehnscuht etwas anders geht als Dir. Mir ist es deshalb wichtig, das so beizubehalten, weil für mich die Dämmerung eher der Auslöser ist als eine Art Synonym für die Sehnsucht.

Danke Dir nochmal und liebe Grüße

leonie

P.S. Ich habe mich jetzt an den Punkt am Schluss gewöhnt.... :smile:

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 14.06.2007, 12:54

Liebe leonie,

zur Interpunktion: Ich würde sie reduzieren, ist ist schon etwas "krude" (aber nicht so dominierend).

Vielleicht so?

Schweben

Noch wach, dem Tag zuschauen
der nicht gehen mag

Im Dämmerlicht zieht sich die Sehnsucht aus, hinaus
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Wolke sein
sich als Silberrand unter der Sonne
einparken, auflösen ins Blau


So meine Idee. Übrigens: das Ende ohen schweben ist einfach toll - aber der Titel ist vielleicht wirklich noch nicht perfekt. Also er ist ok! Aber eigentlich ist er eben ein "zusätzliches" Bild für den gleichen Ausdruck, der dann nicht mehr aufgenommen wird (als konkretes Bild). Wie wäre denn "Wolke sein"? Oder "Ins Weite"? Oder "Ihr nie gelerntes Lied"? Das wäre für mich emotional näher am Text.


Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Max

Beitragvon Max » 14.06.2007, 21:37

Liebe Leonie,

ich habe nichts Böses oder Kränkendes sagen wollen, nur ist mir beim schreiben des Komms bewusst geworden, dass das wohl ein erster großer Schritt in Sachen künstlerischer Fingerfertigkeit war, Abstrakta als Personen auftreten zu lassen, dass aber eine noch neuere Tendenz und vielleicht die noch größerer Fertigkeit ist, diese Personen wieder abtreten zu lassen und den Raum den die Begriffe einnehmen zu beschreiben .. uff, schwer ;-)

Liebe Grüße
max

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Beitragvon leonie » 14.06.2007, 22:24

Liebe Lisa,

für die Interpunktion brauche ich noch ein bisschen Bedenkzeit. Danke für Deine Vorschläge dazu! Von Deinen Titelvorschlägen mag ich am meisten "Ins Weite", er kommt meiem Empfinden am Nächsten. ich überlege das nochmal...

Lieber Max,

ach so meinst Du es.
Na, vielleicht bin ich erst im ersten "Stadium" und noch nicht weit genug fortgeschritten. :-) . Ich arbeite daran! Danke Dir fürs Erklären, ich glaube, ich habe das ungefähr verstanden, aber ob das bei diesem Text noch was wird. Grrr, ich hänge ein wenig daran...

Liebe Grüße

leonie

Max

Beitragvon Max » 14.06.2007, 22:28

Liebe Leonie,

das ist ja völliug ok, wenn Du Deine Sehnsucht verteidigst.- Ich gebe ja immer nur ein paar Gedanken zum besten.
Liebe Grüße
max

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Beitragvon leonie » 15.06.2007, 10:42

Liebe Lisa,

ich habe jetzt zwei Punkte weggenommen und eins Deiner Streichkommas aber doch gelassen. Ich finde, so wirkt es offener und das passt dazu.
Im Moment neige ich dazu, den Titel so zu lassen, weil ich eine Doppelung bei solch einem kurzen Text auch nicht so gut finde. Für mich passt "Schweben" ganz gut.

Danke Dir für alles Mitdenken.

Lieber Max,

ja, ich denke hier bleibt die Sehnsucht erstmal drin. "Gedanken zum besten geben" kannte ich nicht. Ich denke, Du tust mehr als das, deshalb Dir auch nochmal Danke!

Liebe Grüße

leonie


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