nachts

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
moshe.c

Beitragvon moshe.c » 01.06.2007, 22:58

nachts

in den himmel schauen
oder dich umarmen

während ich weiß
vom hobeln
an den dünnen brettern
der worte sein

schaue ich pickel
und barthaare
an dir

gebe alle öffnungen preis
aber töne bleiben so leis

habe ich niemals
einen anderen schwan

Louisa

Beitragvon Louisa » 01.06.2007, 23:20

Hallo Moshe!

Was ich an Deinen Gedichten gern habe, ist die Mühe, die Du in der Wortwahl aufbringst. Ich lese eigentlich immer irgendein Wort bei Dir, was ich beinahe vergessen hätte. "Hobeln" zum Beispiel. Diese unverbrauchten Worte fügen sich dann (mir scheint recht assoziativ) zu einem bunten Mix zusammen, den ich nicht immer entschlüsseln kann.
Das feine ist, dass man ja auch Bilder verwenden kann, die sich nicht ohne weiteres erschließen ("Chiffren" oder?) ... Aber ich glaube sie müssen dann schon sehr stimmig sein.

Der Anfang gefällt mir ganz gut. Es ist jetzt nichts "Unglaubliches" :smile: ... aber es liest sich schön.

Dann folgt die zweite Strophe und es erscheint mir ein klein Wenig kompliziert formuliert.

"Während ich weiß
vom hobeln
an den dünnen Brettern
der Worte"



Das verstehe ich und finde die Idee, dass vor den Worten Bretter liegen, an denen man erst hobeln muss, um die Worte zu entdecken...ganz großartig! Das ist ein tolles Bild.
Aber was hat das "sein" dort zu suchen? "sein" wäre zudem ja nur ein Wort, wenn Du meinst, dass Du nur dort hobelst, darf es also nicht "WortE" heißen oder?

Ich hätte geschrieben:

Während ich hoble
an den dünnen Brettern
der Worte (sein???)


bzw: "des Wortes sein" (Aber das "sein" stört mich eigentlich nur. Es lenkt von dem schönen Bild ab.)

oder:

...
vor den/Deinen/meinen Worten


-Jetzt kommt die dritte Strophe, die ich nur schwer ergründen kann. Vielleicht, überlege ich, meinst Du, dass man zwar die schönen Worte hat, aber wenn man ein bisschen daran hobelt, findet man die kleinen menschlichen Makel wie Pickel und Barthaare. Obwohl ich Barthaare sexy finde. Aber es geht hier um eine Frau? -Dann nicht.

Also: Ich kann damit wenig anfangen, finde es aber einen schönen Kontrast zum "in den himmel schauen / oder dich umarmen" :smile: -

Dann kommen die beiden sich reimenden Zeilen, die mich wieder sehr verwirren, weil sie in einer ganz anderen Ebene liegen. Das ist das Problem. Die Bilder sind (für meine Begriffe) durch nichts miteinander verbunden oder ihre Verbindung offenbart sich mir nur schwer.

Das man sich öffnet, aber die Außenwelt trotzdem nicht stärker in den Menschen "eindringt" (so verstehe ich das)... finde ich wieder ganz gut, aber man kann es auch ganz anders interpretieren. Es ist mir etwas zu schwammig und ich kann es wie gesagt nicht im Kontext betrachten.
(Der Reim belustigt mich auch ein bisschen...)

Ist das am Schluss eine Frage? Auch diese kann ich nicht ganz ergründen... Aber für sich genommen keine schlechte Frage :smile: . Wann hat man schon mal einen Schwan?

(Spielst Du auf Leda an?)

Das Ende verwirrt mich nur noch mehr! Die Dinge brauchen kleine Brücken zueinander, denke ich!

Aber für die Idee mit den verbretterten Worten, hat sich das Gedicht gelohnt!

Vielen Dank und einen anderen Schwan!
l.

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 01.06.2007, 23:32

Liebe Louisa!

Bevor ich jetzt einfach ins Bett falle nur soviel:

Es ist aus der Sicht einer Frau geschrieben.

Bis (ach ja) nacher.

Moshe

Mucki
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Beitragvon Mucki » 02.06.2007, 01:31

lieber moshe,

die "leise liebe" zwischen zwei alten menschen, aus der sicht des Ichs ("hobeln an den dünnen brettern" lese ich als särge, also das ende vor augen haben oder sich dessen bewusst sein) und auch das ende der worte "sein" = existenz, noch ausgesprochen werden können, hast du für mich sehr gelungen geschrieben.
buenas noches
mucki

Louisa

Beitragvon Louisa » 02.06.2007, 09:59

Und wie erklärt sich Madame den Schwan?

(Die Särge sind auch eine gute Idee, aber das ist schon etwas weit geführt, finde ich. Oder? Mir genügen die Bretter vollkommen. Dann würde ich als Wort auch nicht "sein" nehmen, sondern "Leben"...)

Morgengrüße,
l.

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 02.06.2007, 12:35

Lieber moshe,

den Text finde ich - toll! Ich verstehe natürlich längst nicht alles (mir fällt auch Leda ein, was wohl falsch ist), aber bei diesem Text rutscht das Nichtverstehen genau in die vielfach bezogenen Umbrüche hinein und füllt sie aus wie eine reife Frucht (und man will die Kerne, aber lässt sie trotzdem da).

Auch mag ich, wie immer der Talg der Liebe bei dir auftaucht, ohne das jemand fortschaut, im Gegenteil.

Ich würde den text lassen, wie er ist und kein Rätselraten beginnen.

(Louisa, da smit dem HObeln hast du schön gesagt...)

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Max

Beitragvon Max » 02.06.2007, 12:53

Lieber Moshe,

ich finde das sehr real und doch poetisch beschrieben. das gefällt mir sehr gut. Du gehst liebevoll mit Deinen Situationen um.

Die leichte Irritation, die ich angesichts der Barthaare verspürte, löstest Du ja in Deinem anschließneden Kommentar gleich auf.

Für mich ein sehr einfühlsamer Text.

Liebe Grüße
max

Mucki
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Beitragvon Mucki » 02.06.2007, 14:22

Hallo Louisa,

Und wie erklärt sich Madame den Schwan?


Schwanenpärchen bleiben für ein ganzes Leben zusammen.
Und das unterstreicht der letzte Satz in Moshes Gedicht.
Saludos
Mucki

Louisa

Beitragvon Louisa » 02.06.2007, 14:45

(...ähem...und wieso fragt sich die Dame dann, ob sie nicht einmal irgendeinen anderen Vogel haben kann?)

(Oder ist es keine Frage?)

Mucki
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Beitragvon Mucki » 02.06.2007, 14:54

ich lese es nicht als Frage, aber das kann Moshe wohl am besten beantworten.

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 02.06.2007, 15:46

Meine Lieben!

Das sich die Assoziation zu Leda aufzwingen würde, hatte ich befürchtet, blieb aber trotzdem bei dem Bild.

Liebe Louisa!
Ich weiß, es ist manchmal schwer eine bestimmte Interpretationsschiene zu verlassen, wenn mal auf ihr ist. Der letzte Vers ist keine Frage. Mach mal die Augen zu, lass ein paar Minuten vergehen, und öffne sie wieder.
Vielleicht hat das teilweise Nichtverstehen meiner Texte auch etwas mit der Nähe zum Abi zu tun, bei dem ja wohl mehr eine rationale Art der Interpretation verlangt wird. Auf jeden Fall wundern mich deine Probleme, da du ja auch immer wieder schöne 'Mixe' von Umständen komponierst.

Liebe Lisa!
Danke für deine Betrachtung. Ich lasse den Text so wie er ist, ohne Frage.

Mit bestem Gruß

Moshe

Louisa

Beitragvon Louisa » 02.06.2007, 17:31

...ah ja...und was meinst Du bezüglich meines Vorschlages zur "Hobel-Strophe" ? Ich fände das dichter.

Ich habe ja erwähnt, dass ich nichts gegen Bilder habe, die sich nicht entschlüsseln lassen, aber mir fehlt hier mancherorts die Brücke zwischen den Bildern.

Trotzdem ist es ein schönes Gedicht, (was man noch perfektionieren könnte, meine ich :smile: )

Liebe Grüße!

Die Schul-Interpretatorin :smile:

(Ich empfinde die Eigenschaft "rational" als Beleidigung :smile: !)

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 02.06.2007, 18:46

Mademoiselle zwingen mich zum Äußersten!

Gerne würde ich Ihr eine Kiste vollreifer Zitronen senden, zur Abwehr eines jeglichen Ungemachs, jedoch gebricht dem Handel die Zuführ dessen aufgrund der Eigenwilligkeiten der Natüre in ihrem Ablaufe.

Daß Sie des Hobelns unkundig sei, ist ebenfalls ein lästiges Hinderniß auf dem Wege uns aus den tiefen des Ursumpfes in die Erläuchtung unserer begnadeten Bestimmung zu begäben.

Sie mag entschuldigen einen kleinen Traktat zu finden, der missliche Umstände misslich versucht an die Tafel der Zeit zu schreiben. Dennoch ehrt es Sie sich in dieses främde Terrainne zu exaltieren. Unerwartet trifft man Sie hier nicht. Eher wie eine Cousine, die einst meinem Kutscher bei einem ungähnem Radbruch aus der Pedrulie half.

Ich hatte, vergeblich und verwärflich, eine Componete gewogen einst in Versuchung zu bringen:

'während ich weiß
vom hobeln
an den dünnen brettern
des seins der worte'

Wie an jedem Abend, saß mein Terrier, geträuh lauernd den Worten aus meiner Wenigkeit, auf dem Foteuil und knurrte bei dieser Bestrebung. Er zaigt, zu meiner Klage, nur Missfallenes an. So wandelte ich in mich.
Es ereignete sich, wie hier gezeigt, daß er schlief dann friedlich und meine Zeilen die rächten Träume wohl brachten.

So möchte ich ihn nicht weiter belähstigen und erbitte alle Nachsicht, ob des geteilten Ungemachs.

Mittels dieser Umstähnde
bedankt sich Ihr

Moshe

Mucki
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Beitragvon Mucki » 02.06.2007, 19:35

Lieber Moshe,

wenn ich das hier lese:

Ich hatte, vergeblich und verwärflich, eine Componete gewogen einst in Versuchung zu bringen:

'während ich weiß
vom hobeln
an den dünnen brettern
des seins der worte'


vermute ich mal, dass ich mit meiner Assoziation falsch lag, da du die "dünnen bretter" dem Sein der Worte zuordnest, als nichts mit Särgen und so, oder?
Saludos
Mucki


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