Lyrischer Dialog

Hier ist Raum für gemeinsame unkommentierte Textfolgen
Nifl
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Beitragvon Nifl » 11.08.2006, 17:59

Liebe Schreibfanatiker,

ich möchte hier in diesem vitalen Forum einen "lyrischen Dialog" beginnen. Lyrische Dialoge sind kooperatives Schreiben, Gedichte, die (auf-)einander aufbauen. Das können inhaltliche Bezüge sein, oder es werden Worte des "Vorschreibers" aufgegriffen, oder man übernimmt einfach nur die Stimmung.
Hierdurch entstehen unkommentierte Gedichtfolgen. Die Form bleibt dem Autoren überlassen (zB. ob gereimt oder ungereimt ...)
Würde mich über rege Beteiligung freuen!

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Zuletzt geändert von Nifl am 30.08.2006, 19:10, insgesamt 2-mal geändert.

Gast

Beitragvon Gast » 22.05.2007, 00:26

drunter und drüber
rauf und runter

stufen
immer mehr stufen
die zu treppen werden
sich vermehren
neue stufen - neue treppen
ohne anfang und ende
immer mehr
kaskadenartige windungen
ein treppenhausirrgarten
und alle enden im nichts

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 22.05.2007, 08:50

Treppen, ach so viele Treppen,
Die hinauf wir müd uns schleppen,
Stufen, ach so viele Stufen,
Die zum Nichts die Menschen rufen -
Lass dich fallen! Stürz hinunter!
Schmerzen machen wach und munter.
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

Mucki
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Beitragvon Mucki » 23.05.2007, 19:51

sie ging so viele schritte
einen nach dem anderen
behutsam
ängstlich
die stufen zu hoch

sie wussten zu viel
viel zu viel
sie wussten zu wenig
viel zu wenig

fehl am platz
kein raum für sie
so ging sie fort

Max

Beitragvon Max » 24.05.2007, 23:24

Schritte

Den Jungen
sehen
der sich verwirrt
im Dickicht der Pfade

Und dabei
an den Alten denken
der fühlt
dass es bi all den Wegen
nur den einen gab

Niko

Beitragvon Niko » 24.05.2007, 23:56

was er scheint:

ein geschwür im zeitrad
geschultertes mitleid
vertrocknetes gras
einer abgemähten sommerwiese
fallobst im winter
ein alter

was er ist:

ein flamencotänzer
jede nacht mit einer anderen
ein muschelsammler an den gestaden der tagmeere
unter althaut jungherziger
mensch

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 25.05.2007, 09:24

Was du auf deinen Schultern trägst,
Ruht dort für alle Zeiten,
Die Last, die du nicht niederlegst,
Wird ewig dich begleiten.
Es drückt die Größe des Gewichts,
Doch was du trägst, bist du - ist nichts.
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

Max

Beitragvon Max » 26.05.2007, 23:16

Nichts ist leicht
das Kommende so wenig
wie das Vergangene
Zwischen beiden
lastet das nie gesprochene
Wort

Gast

Beitragvon Gast » 27.05.2007, 01:17

Nichtssagendes wird besprochen, wiedergekäut
doch Schwerwiegendes bleibt ungesagt.
Über meinen Schatten springen will ich.
Nicht denken: Das hat noch Zeit,
besser beim nächsten Mal ...

Sondern jetzt, ohne Aufschub.
Dich ansehen, mit dir reden,
dir sagen, was du mir bedeutest.

Du wirst mir nicht zuhören,
(Die Ausrede gilt nicht)
und wenn schon
...
Einmal
alles sagen
und es gut sein lassen.

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 27.05.2007, 10:02

Die größte Vorsicht walten lassen,
Stets ohne Pause wachsam sein,
Mißtrauen jedem schönen Schein,
Den Inhalt ganz genau erfassen,

Nicht das, was wichtig ist, verpassen,
Gewichten jedes Ja und Nein,
Die Freude hören und die Pein,
Die flüchtig sind und rasch verblassen:

Willst du mit andren Menschen reden,
Mach immer dir all dies zur Pflicht,
Bist du auf tränenreiche Fehden,

bewährtes Glück, das doch zerbricht,
Und tiefe Wunden, große Schäden
Bei dir und andren nicht erpicht.
Zuletzt geändert von ferdi am 29.05.2007, 18:48, insgesamt 1-mal geändert.
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

Gast

Beitragvon Gast » 27.05.2007, 11:21

Wenn man stets jedes Wort kontrolliert,
immer versucht alles abzuwägen,
wird die Fassade Gespräche prägen,
Beherrschung es sein, die Inhalt diktiert.

Echte Gefühle hast du verloren,
bist du erst dieserart konditioniert
Dich überrascht nichts, gleich, was dir passiert,
denn du hast dein Ich schlicht eingefroren.

Kein Schmerz wirft dich um, aus deiner Bahn
Du hast vorgesorgt, einen Notfallplan -
ein Rückschlag wird dich nicht irritieren.

Und solltest du je Regung verspüren,
schweigst du, wirst keinesfalls daran rühren
zu sprechen drüber, hältst du für vertan.
Zuletzt geändert von Gast am 29.05.2007, 17:38, insgesamt 1-mal geändert.

aram
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Beitragvon aram » 27.05.2007, 22:54

 

karneval der kulturen


als du nach dem grund fragtest
meiner traurigkeit
log ich dich an
doch ich wusste nichts

als ich nach dem weg fragte
meiner sehnsucht
log ich mich an
doch du wusstest nichts

als wir folgten
jeder dem tag
logen wir ihn an
doch er wusste nichts











edit: rechtschreibung korrigiert  
Zuletzt geändert von aram am 27.05.2007, 23:14, insgesamt 1-mal geändert.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 27.05.2007, 23:05

ich wusste
als ich dich fragte
doch kannte den grund nicht
da war nur dieses tiefe ahnen in mir
dass ich wusste

nichts ist lüge
es ist spüren
unerklärbares spüren
über grenzen hinweg
die wir nicht kennen
nur wissen

Nifl
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Beitragvon Nifl » 29.05.2007, 17:22

Als ich den Grenzer niederschlug
(in Wahrheit war es umgekehrt)
geladen im verrammelten Oberstübchen

Hacken schräg ablaufen hieß es
aber das Bild zog ein (mir nichts dir nichts)
entblößte sich
wie ein ausgeregneter Himmel
überfiel mich von hinten

entrümpeln sollte ich mich
sonst würde sie es tun
entwaffnen sollte ich mich
sonst würde sie es tun

verdammt, ich glaubte ihr!
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Max

Beitragvon Max » 30.05.2007, 19:16

Entrümpelung

Text für Text
nähere ich mich
mir

Der Bursche
hat offensichtlich
Hemingway gemocht
(wie Tausende andere)
sogar seine Epigonen

Noch nie einen Stier
aus der Nähe gesehen
aber von der Corrida schreiben

Grinsend
ertaste ich
die eigene Schamgrenze


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