Geh nur!

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Perry

Beitragvon Perry » 13.05.2007, 13:21

Geh nur


Winde dich
aus den Gedanken
fliehe dem Blick-
winkel meiner Augen

Löse dich
aus den Armen
doch lass mir den Traum
wiederkehrender Störche


1. Fassung:

Geh nur!


Winde dich
aus den Gedanken
fliehe dem Blick
winkel meiner Augen

Löse dich
aus den Armen
doch lass mir den Traum
von der Wiederkehr der Störche
Zuletzt geändert von Perry am 14.05.2007, 16:29, insgesamt 1-mal geändert.

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noel
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Beitragvon noel » 13.05.2007, 14:08

sich aus gedanken winden
feines bild
denn hier ist implizit, dass ein einfaches vergessen auch
von dem/der die/der geht nicht machbar ist
eine feine sicht, eine weite
sicht
auch der zeilenbruch von blick & winkel
gibt mir wieder beide perspektiven

durch das NICHT ausblenden der (angedeuteten) sicht&fühlweise des angesprochenen
DU's gewinnt der text mir
& auch wenn die störche ein alt
_hergebrachtes motiv scheinen
durch den eigenwilligen stil des textes
passt es mir gerade zum ende hin
sehr gut
NOEL = Eine Dosis knapp unterhalb der Toxizität, ohne erkennbare Nebenwirkung (NOEL - no observable effect level).

Wir sind alle Meister/innen der Selektion und der konstruktiven Hoffnung, die man allgemein die WAHRHEIT nennt ©noel

Gast

Beitragvon Gast » 13.05.2007, 15:01

Lieber Perry,

das gefällt mir gut in seiner schlichten bildhaften Sprache und auch in anspielung auf die mythologische Bedeutung der großen Zugvögel.

Lyrich will vergessen, ja, es bittet sogar darum, dass sich da Du aus seine Gedanken entferen möge, aberdie beiden letzten Zeilen, sprechen die Sprache des Unterbewussten, mich überdies sehr an, weil das Lyrich das Du auch darum bittet, ihm nicht alle Illuisonen zu zerstören, jedenfalls lese ich es so.
Das Bild der Störche, (Zugvögel/Wiederkehr) hat als Symbol für Fruchtbarkeit, eine tiefe Bedeutung.
Es kann den Neubginn für das Lyrich (ohne Du vielleicht auch) bedeuten, aber eben auch die Hoffnung,beinhalten, dass das Du irgendwann einmal - um im Storchenbild zu bleiben - ins heimische Nest zurückkehrt, so wie die Störche alljährlich ihre Brutstätten wieder aufsuchen.

Ich habe die Zeilen als eine sehr intensiv formulierte Sehnsucht gelesen, ohne den Hauch von Sentimentalität.
Natürlich ist es kein neuer Gedanke, dieser:
Geh nur, geh nur ich halte dich nicht auf, aber lass mir die Erinnerung, die Hoffnung ... natürlich nicht, denn seit Menschen sich paaren, gibt es auch Trennung ... und auch die Sehnsucht und Hoffnung dieser eine Mensch möchte zurückkehren. (Dass sich diese Rückkehr im realen Leben oft gar nicht als so gut oder günstig erweist, ist wieder etwas anderes) .

Aber die Worte, die du gefunden hast, habe ich gern gelesen.

Liebe Grüße
Gerda

Louisa

Beitragvon Louisa » 13.05.2007, 15:44

Hallo Perry!

Ich finde dieses "nur" im Titel klingt etwas vorwurfsvoll im Gegensatz zum Text. Wieso nicht "Geh!" ?

Ich mag das "Winden aus den Gedanken"... wie man sich aus Stricken, dem Dickicht oder Schlingpflanzen windet. Mir hätte so ein kleines Attribut auch gefallen (also: Gedanken-netz...zum Beispiel)-

Wieso flieht man nicht aus dem Blickwinkel? (Sonst gut.)

Wieso nicht "meinen" Armen? (Sonst gut :smile: )

Den Traum der widerkehrenden Störche finde durch Gerdas Hilfestellung auch interessant. Obgleich ich erst einmal an eine Geburt oder einen Kinderwunsch gedacht habe :smile: ...

Insgesamt mag ich das Gedicht, obgleich das natürlich etwas gängige (wie Gerda schon anmerkte) Bitten und Träume sind.

Liebe Grüße!
l.

Gast

Beitragvon Gast » 13.05.2007, 15:53

zum "Nur" im Titel,

liebe Louisa,

ich glaube, es kommt auf die Betonung an, Vielleicht kennst du nicht dieses: "Geh nur", bei dem die Stimme zum "nur" hin abgesenkt wird, das klingt dann nämlich sehr resignierend und nicht vorwurfsvoll.

Liebe Grüße
Gerda

Mucki
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Beitragvon Mucki » 13.05.2007, 18:07

Hallo Manfred,

einfache Worte mit viel Aussage. Das gefällt mir. Im Titel würde ich das Anführungszeichen entfernen, damit man das "nur" leiser liest und den Titel nicht als Aufforderung nimmt.


Winde dich
aus den Gedanken
fliehe dem Blick --> hier würde ich hinter Blick einen Bindestrich setzen, damit der Zusammenhang bleibt und dennoch die zweifache Leseweise.
winkel meiner Augen

Löse dich
aus den Armen --> besser: aus meinen Armen
doch lass mir den Traum
von der Wiederkehr der Störche

Da man Störche sofort mit Kinderwunsch assoziiert, würde ich hier einen anderen Zugvogel wählen.
Saludos
Mucki

Louisa

Beitragvon Louisa » 13.05.2007, 18:57

(An Gerda :smile: : Aber ein Ausrufezeichen dahinter ist für mich der Gipfel des Vorwurfs...)

Mucki
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Beitragvon Mucki » 13.05.2007, 19:00

Hallo Louisa,

deshalb meinte ich auch, dass das Ausrufezeichen wegmüsste, weil man es sonst wirklich als Vorwurf oder Aufforderung lesen würde, aber Manfred gar nicht so meint, wie man aus den Zeilen erliest.
Saludos
Mucki

Louisa

Beitragvon Louisa » 13.05.2007, 19:10

Chapeau!

Gast

Beitragvon Gast » 13.05.2007, 20:40

@ !

liebe Mucki und Louisa, naja, typisch Gerda halt, das Ausrufezeichen habe ich glatt ausgblendet.
Das sollte weg, klar, wenn es nicht vorwurfsvoll bestimmend gemeint ist.

Aber beim Storch, liebe Mucki muss ich dir widersprechen, denn in Manfreds Text ist vom Storch der wiederkehrt die Rede und nicht vom Klapperstorch ;-)
Man findet in der Griech. Mythologie und in der Chin. Hinweise auf den Storch, die weitergehen als nur bis zum Kinder bringen. Darüberhinaus, gilt bei Störchen so viel ich weiß, die Einehe.

Liebe Grüße
Gerda

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 13.05.2007, 21:21

Hallo!

Also für mich beinhaltet "Geh nur" nicht automatisch einen Vorwurf, ob nun mit Ausrufezeichen oder ohne.

Und ob es wirklich sinnvoll ist, mit "meinen" statt "den" drei Pronomen in drei (kurzen) Zeilen zu produzieren?! Ich zweifle.

Perry, mir gefällt der Text eigentlich, wie er ist...

Ferdigruß!
Zuletzt geändert von ferdi am 13.05.2007, 21:47, insgesamt 3-mal geändert.
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

Max

Beitragvon Max » 13.05.2007, 21:34

Lieber Perry,

auch ich würde ein "geh nur!" nicht automatisch als Vorwurf lesen wollen. Jedenfalls würde es nicht besser, wenn da einfach "GEH" stünde.

Ich kämpfe allerdings etwas mit den Störchen. Man kann sicherlich viel interpretieren bezüglich des Nestbautriebs der Störche und der Standorttreue dieser Tiere (ich fand das sehr schön wie Gerda das interpretiert hast), aber ich habe als ersten Eindruck bei Wort "Storch" immer die Assoziation "Klapperstorch". Vielleicht bin ich da ja aber auch der einzige.

Liebe Grüße
Max

Scal

Beitragvon Scal » 13.05.2007, 21:53

Hallo Manfred,

es ist schön und fließend dargestellt, dieses innere Bewegtsein, diese Wunschgebärde.
Ein gewisses Zweifelgefühl habe ich bei "die Wiederkehr der Störche". Nicht so sehr wegen des Bildes (es lässt mehrere Deutungen zu, ich denke vor allem an Frühlingshaftes, an Liebe) sondern hauptsächlich des lautlichen Klanges wegen.

Lieben Gruß
Scal

Mucki
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Beitragvon Mucki » 13.05.2007, 22:34

Hallo Max,

aber ich habe als ersten Eindruck bei Wort "Storch" immer die Assoziation "Klapperstorch". Vielleicht bin ich da ja aber auch der einzige.


nein, mir geht es genauso, siehe weiter oben,-)
Saludos
Mucki


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