Im Labyrinth
Gerade
zeigst du zum Ausgang
Doch ich will den Baumwegen folgen
mich in Zweigen verlieren
atmen
was wieder grünt*
Das ist ein kleiner Versuch, der einem der vielen wundervollen Bilder Orits entstammt, will nur testen, ob es auch so taugt.
*geändert: "wenn es" zu "was" - merci an Leonie
auch geändert: "grünt" zu "wieder grünt", danke an Carl
Im Labyrinth
Lieber Max,
ich verstehe das "gerade" genauso wie Scal, komme aber zu dem gegenteiligen Ergebnis. M.E. sollte der Zeilenbruch so beiben.
Er ist ein starkes Satzzeichen und betont die räumliche bedeutung von "gerade". Das Ziel des "gerade" ist der "Ausgang" am Schluss der nächsten Zeile. Der Gegensatz zwischen ich und du ist mit dem Anfang der 2. Strophe genug thematisiert.
Ich finde auch Peters Kommentar sehr bemerkenswert.
Auch wenn ich das "du" konkret, personaler nehme als einen Engel, so zeigen sich für mich zwei Geisteshaltungen. Ob es sich dabei um einen innerpersonalen Konflikt oder exemplarisch um einen partnerschaftlichen handelt, kann offen bleiben.
Die 1. Strophe sieht in dem Labyrinth eine intellektuelle Herausforderung (das empfinde ich anders als Peter). Die Aufgabe ist gemeistert: da geht's lang. Das ist so befriedigend, wie Gauß' allgemeine, topologische Lösung für Wegelabyrinthe. (Gehe immer mit einer Hand an der Wand lang. Nie loslassen, dann kommst du unweigerlich raus!)
Labyrinthe sind aber lebenspraktische Aufgaben.
Dagegen will sich das Lyr-Ich auf den Prozess des Lebens einlassen.
Der führt über unüberschaubare Umwege und trägt die Gefahr des sich verlierens in sich...
Deswegen ist die notwendige Voraussetzung Hoffnung und Vertrauen. Was ein rationales Ich beides nicht hat.
Orits Baum steckt in dem Labyrint und es müsste m.E. das "wieder" aus Deinem Ausgangsgedicht dazu!
"atmen/ was wieder grünt"
Es geht um den Aspekt des Todes, von dem Peter spricht.
Das Labyrinth als Symbol bedeutet:
Im Innern des L gibt es ein schützenswertes Geheimnis.
Ein schreckliches wie im Palst des Minos, oder ein schönes, wie im L von Chartres.
Durch ein L soll etwas abgehalten werden. Es ist wie ein Torwächter.
Deshalb gehört z.B. die Rune "Perth" (= das L) zum Zyklus der Initiation: Der Prüfling stirbt so oder so. Aber wenn alles gut geht, kommt er als ein Neuer aus der Lebensprüfung hervor. Deshalb das "wieder": es lässt noch erkennen, dass es um einen Neuanfang nach dem Winter geht.
Ob es sich um den Konflikt zwischen rationaler und intuitiver Gehirnhälfte geht (an der wir beide leiden
) oder in einem partnerschaftliche, oder einfach um die Spannung in Orits Lebensbaum.
Natürlich kann ich nach Deinen Postings davon ausgehen, dass Du das alles nicht intendiert hast.
Aber wer kennt sich schon?
LG, C
ich verstehe das "gerade" genauso wie Scal, komme aber zu dem gegenteiligen Ergebnis. M.E. sollte der Zeilenbruch so beiben.
Er ist ein starkes Satzzeichen und betont die räumliche bedeutung von "gerade". Das Ziel des "gerade" ist der "Ausgang" am Schluss der nächsten Zeile. Der Gegensatz zwischen ich und du ist mit dem Anfang der 2. Strophe genug thematisiert.
Ich finde auch Peters Kommentar sehr bemerkenswert.
Auch wenn ich das "du" konkret, personaler nehme als einen Engel, so zeigen sich für mich zwei Geisteshaltungen. Ob es sich dabei um einen innerpersonalen Konflikt oder exemplarisch um einen partnerschaftlichen handelt, kann offen bleiben.
Die 1. Strophe sieht in dem Labyrinth eine intellektuelle Herausforderung (das empfinde ich anders als Peter). Die Aufgabe ist gemeistert: da geht's lang. Das ist so befriedigend, wie Gauß' allgemeine, topologische Lösung für Wegelabyrinthe. (Gehe immer mit einer Hand an der Wand lang. Nie loslassen, dann kommst du unweigerlich raus!)
Labyrinthe sind aber lebenspraktische Aufgaben.
Dagegen will sich das Lyr-Ich auf den Prozess des Lebens einlassen.
Der führt über unüberschaubare Umwege und trägt die Gefahr des sich verlierens in sich...
Deswegen ist die notwendige Voraussetzung Hoffnung und Vertrauen. Was ein rationales Ich beides nicht hat.
Orits Baum steckt in dem Labyrint und es müsste m.E. das "wieder" aus Deinem Ausgangsgedicht dazu!
"atmen/ was wieder grünt"
Es geht um den Aspekt des Todes, von dem Peter spricht.
Das Labyrinth als Symbol bedeutet:
Im Innern des L gibt es ein schützenswertes Geheimnis.
Ein schreckliches wie im Palst des Minos, oder ein schönes, wie im L von Chartres.
Durch ein L soll etwas abgehalten werden. Es ist wie ein Torwächter.
Deshalb gehört z.B. die Rune "Perth" (= das L) zum Zyklus der Initiation: Der Prüfling stirbt so oder so. Aber wenn alles gut geht, kommt er als ein Neuer aus der Lebensprüfung hervor. Deshalb das "wieder": es lässt noch erkennen, dass es um einen Neuanfang nach dem Winter geht.
Ob es sich um den Konflikt zwischen rationaler und intuitiver Gehirnhälfte geht (an der wir beide leiden
.gif)
Natürlich kann ich nach Deinen Postings davon ausgehen, dass Du das alles nicht intendiert hast.
Aber wer kennt sich schon?
LG, C
Lieber Carl,
es erstaunt, erfreut und beschämt mich beinahe, was sich in meinem so flüchtig dahin geworfenen Text alles lesen und finden lässt. Und - das gebe ich hier gerne zu: Deine Kenntnis von Labyrinthen geht bei weitem tiefer als die meine (nun gut, den Gauß habe ich gekannt, aber das gehört bei mir natürlich im weitestesten Sinne zu den berufsmäßigen Pflichten), da habe ich gelernt
Mir gefällt auch Deine Interpretation der ersten Strophe, das kommt dem Gegensatz zwischen Schild und Baum, den ich in Orits Bild gesehen habe, sehr nahe. Gerne nehme ich auch Deinen Vorschlag auf und füge das "wieder" in Strophe 2 'wieder' ein.
Dein Kommentar war eine sehr erstaunliche Begegnung mit einer Interpretation für mich und eine sehr fruchtbare dazu.
Liebe Grüße
Max
es erstaunt, erfreut und beschämt mich beinahe, was sich in meinem so flüchtig dahin geworfenen Text alles lesen und finden lässt. Und - das gebe ich hier gerne zu: Deine Kenntnis von Labyrinthen geht bei weitem tiefer als die meine (nun gut, den Gauß habe ich gekannt, aber das gehört bei mir natürlich im weitestesten Sinne zu den berufsmäßigen Pflichten), da habe ich gelernt
Mir gefällt auch Deine Interpretation der ersten Strophe, das kommt dem Gegensatz zwischen Schild und Baum, den ich in Orits Bild gesehen habe, sehr nahe. Gerne nehme ich auch Deinen Vorschlag auf und füge das "wieder" in Strophe 2 'wieder' ein.
Dein Kommentar war eine sehr erstaunliche Begegnung mit einer Interpretation für mich und eine sehr fruchtbare dazu.
Liebe Grüße
Max
Lieber Scal,
herzlichen Dank auch für Deinen Kommentar. Ich verstehe, was Du meinst, wenn Du sagst
Umgekehrt finde ich das die Setzung
das gerade noch stärker betont - zum einen, weil es das einzige allein stehende Wort ist, zum anderen weil eben die nachfolgende Zeile gerade ist, oder?
Liebe Grüße
Max
herzlichen Dank auch für Deinen Kommentar. Ich verstehe, was Du meinst, wenn Du sagst
Gut vorstellbar wäre für mich, wenn ein Zeilenumbruch nach "du" käme, da ich das "Gerade" wegen des Titels mehr als etwas Räumliches empfinde.
"Zum Ausgang" läse sich dann betonter.
Umgekehrt finde ich das die Setzung
Gerade
zeigst du zum Ausgang
das gerade noch stärker betont - zum einen, weil es das einzige allein stehende Wort ist, zum anderen weil eben die nachfolgende Zeile gerade ist, oder?
Liebe Grüße
Max
Lieber Carl,
nach Deinem posting neulich habe ich mir natürlich vorgenommen, Deine Kommentare gründlich zu lesen. Es hat sich für mich "gelohnt" (obwohl ich dieses Wort fast nicht verwenden mag, weil es so ergebnisorientiert klingt). Vor allem das Gedicht als Ausdruck eines innerpersonalen Konfliktes zu sehen, finde ich sehr spannend.
Man kann es auch als gesellschaftliche Außenseiterpoition lesen: Heute geht es oft um den kürzesten, schnellsten Weg und darum, aus allem möglichst viel rauszuholen. Vier Sprachen im Kindergarten (habe ich letztens echt mal in einer Reportage gesehen), Abi nach 12 Jahren, kurzes Studium, etc.
Das lyr Ich wählt bewusst einen anderen Weg. Um zu atmen. Und vielleicht auch, um das Geheimnis in sich selbst zu finden.
(Wenn man es dann mit "wieder" liest, könnte es sich sogar um ein Lernen im Lebensprozess handeln, statt weiterzurennen, entscheidet sich das lyrIch, sich Zeit zu lassen für neue kreative Möglichkeiten.)
Ich hatte schon die Gelegenheit, durch ein Labyrinth zu gehen, meines Wissens führen Labyrinthe immer zur Mitte, während Irrgärten auch "Sackgassen" haben.
Max, das ist ein so kurzer, aber ein so inhaltsreicher Text. Auch ein sehr kluger, finde ich.
Liebe Grüße
leonie
nach Deinem posting neulich habe ich mir natürlich vorgenommen, Deine Kommentare gründlich zu lesen. Es hat sich für mich "gelohnt" (obwohl ich dieses Wort fast nicht verwenden mag, weil es so ergebnisorientiert klingt). Vor allem das Gedicht als Ausdruck eines innerpersonalen Konfliktes zu sehen, finde ich sehr spannend.
Man kann es auch als gesellschaftliche Außenseiterpoition lesen: Heute geht es oft um den kürzesten, schnellsten Weg und darum, aus allem möglichst viel rauszuholen. Vier Sprachen im Kindergarten (habe ich letztens echt mal in einer Reportage gesehen), Abi nach 12 Jahren, kurzes Studium, etc.
Das lyr Ich wählt bewusst einen anderen Weg. Um zu atmen. Und vielleicht auch, um das Geheimnis in sich selbst zu finden.
(Wenn man es dann mit "wieder" liest, könnte es sich sogar um ein Lernen im Lebensprozess handeln, statt weiterzurennen, entscheidet sich das lyrIch, sich Zeit zu lassen für neue kreative Möglichkeiten.)
Ich hatte schon die Gelegenheit, durch ein Labyrinth zu gehen, meines Wissens führen Labyrinthe immer zur Mitte, während Irrgärten auch "Sackgassen" haben.
Max, das ist ein so kurzer, aber ein so inhaltsreicher Text. Auch ein sehr kluger, finde ich.
Liebe Grüße
leonie
Hallo,
gefällt mir!
Allerdings lese ich den Text gar nicht so kompliziert, sondern sehe es förmlich vor mir - in zwei Varianten:
Person 1 hat genug und will gehen.
Person 2 hat noch nicht genug und will bleiben.
Oder:
Person 1 hadert mit sich selbst, Vernunft gegen Gefühl, Sichloslassen gegen ZurückindenAlltag.
Jemand kommt aus dem Winter ins Grüne, endlich! Und atmet auf. Dann fällt ihm ein, dass er wieder nach Hause muss, raus aus dieser Empfindung. Lieber würde er bleiben und das Verrückte phantasieren: mit den Bäumen (wieder!) in den Himmel wachsen. Das Kind sein, das er (auch!) immer noch ist.
Herzlich
klara
gefällt mir!
Allerdings lese ich den Text gar nicht so kompliziert, sondern sehe es förmlich vor mir - in zwei Varianten:
Person 1 hat genug und will gehen.
Person 2 hat noch nicht genug und will bleiben.
Oder:
Person 1 hadert mit sich selbst, Vernunft gegen Gefühl, Sichloslassen gegen ZurückindenAlltag.
Jemand kommt aus dem Winter ins Grüne, endlich! Und atmet auf. Dann fällt ihm ein, dass er wieder nach Hause muss, raus aus dieser Empfindung. Lieber würde er bleiben und das Verrückte phantasieren: mit den Bäumen (wieder!) in den Himmel wachsen. Das Kind sein, das er (auch!) immer noch ist.
Herzlich
klara
Liebe Klara,
an zwei Personen habe ich bei dem 6-Zeiler in der Tat nicht gedacht - interessant, dass man das auch entdecken kann.
Ich meine, ich bin schon manchmal schizophren, aber sich das zu sehr äußert, schreiben wir auch längere Gedichte.gif)
Wie gesagt, die 6 Zeilen sind eigentlich als eine Antwort auf Orits Bild entdstanden.
Lieben Dank fürs Kommentieren
Max
an zwei Personen habe ich bei dem 6-Zeiler in der Tat nicht gedacht - interessant, dass man das auch entdecken kann.
Ich meine, ich bin schon manchmal schizophren, aber sich das zu sehr äußert, schreiben wir auch längere Gedichte
.gif)
Wie gesagt, die 6 Zeilen sind eigentlich als eine Antwort auf Orits Bild entdstanden.
Lieben Dank fürs Kommentieren
Max
Liebe Leonie,
danke fürs Lesen! Ich habe keine Ahnung, ob Labyrinth und Irrgarten zweierlei sind..
Theseus brauchte jedenfalls Ariadnes Faden um wieder aus dem L des Minotaurus rauszufinden. Aber das in Chartres ist so, wie Du sagst...
Das Gute an Max' Gedicht ist, dass es offen für die Deutung bleibt. Deine passt auch sehr gut.
Liebe Klara,
so große Unterschiede sehe ich bei Deiner und meiner Deutung gar nicht...
Lieber Max,
das Geniale an Deiner Version von Orits Baum ist, das Schild als ein "Du" und den Baum als Irrgarten anzusprechen!
Das ist nicht rationalisierbar.
Damit löst sich das Gedicht von diesem Kontext.
Und erhält eine Öffnung, ohne dabei den emotionalen Gehalt zu verlieren (den Orits Fotografie hat).
Und behält eine bestechende Einfachheit.
(Im Übrigen finde ich Smiles Version auch gut!)
Sowas muss einem schon zufallen ...
LG, C
danke fürs Lesen! Ich habe keine Ahnung, ob Labyrinth und Irrgarten zweierlei sind..
Theseus brauchte jedenfalls Ariadnes Faden um wieder aus dem L des Minotaurus rauszufinden. Aber das in Chartres ist so, wie Du sagst...
Das Gute an Max' Gedicht ist, dass es offen für die Deutung bleibt. Deine passt auch sehr gut.
Liebe Klara,
so große Unterschiede sehe ich bei Deiner und meiner Deutung gar nicht...
Lieber Max,
das Geniale an Deiner Version von Orits Baum ist, das Schild als ein "Du" und den Baum als Irrgarten anzusprechen!
Das ist nicht rationalisierbar.
Damit löst sich das Gedicht von diesem Kontext.
Und erhält eine Öffnung, ohne dabei den emotionalen Gehalt zu verlieren (den Orits Fotografie hat).
Und behält eine bestechende Einfachheit.
(Im Übrigen finde ich Smiles Version auch gut!)
Sowas muss einem schon zufallen ...
LG, C
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