das bleibt ewig

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Niko

Beitragvon Niko » 15.04.2007, 19:44

da
Zuletzt geändert von Niko am 16.11.2007, 14:38, insgesamt 1-mal geändert.

Jürgen

Beitragvon Jürgen » 18.04.2007, 12:01

Hallo Niko,

das finde ich sehr stark. Dein Gedicht lösen Beklemmung und Wut zugleich aus. Vor allem die erste Strophe und die beiden letzten Strophen sind stark formuliert.

"in jeden
nicht gleichgeschalteten"

Das ließ mich stutzen. Das Wort "gleichgeschaltet" kann sich eigentlich nur auf Denken bzw. Verhalten beziehen. Es klingt als beziehst Du Dich nur auf politisch Andersdenkende und gesellschaftliche Gegner des Nationalsozialismus (z. B. Swing-Jugend). Der destruktive Hass richtete sich doch auch auf Ethnien (Menschen jüdischen Glaubens, Sinti & Roma), wo man m. E. nicht von Gleichschaltung sprechen kann, da der Hass auf diese Menschen nicht auf abweichendes Verhalten von den Vorgaben der Nazis basiert, sondern schlicht und ergreifend auf Rassismus.

Unklar ist mir auch der Sinn der Klammern. Ich sehe keine Notwendigkeit zu dieser besonderen Abgrenzung vom restlichen Text. Man kann die umklammerten Zeilen für sich alleine stehend im Zusammenhang lesen und als eine Art Zusammenfassung sehen:

hinter dem stacheldraht endet der strom
auf den wegen hallt noch ein stiefelschritt
selbst die tür weint beim öffnen
der adler kreist in weitem bogen

Ein Gedicht im Gedicht. Aber war es das, was Du mit den Klammern erreichen wolltest?

Am letzten Satz knabbere ich noch. Du meinst sicher den deutschen Adler. Aber wie der weite Bogen gemeint ist, da habe ich anscheinend noch ein Brett vor dem Kopf.

Sehr gut finde ich den Titel. Da steckt viel drin, vor allem eine Absage an Relativieren und Revisionisten.

Sehr gerne gelesen.

Jürgen

Traumreisende

Beitragvon Traumreisende » 18.04.2007, 12:17

hallo

manches gedicht sollte einfach als impuls des betrachtens/wiederbetrachtens/ nachdenks ect. genommen werden, so dieses.
jede textarbeit nähme etwas, nähme deine betrachtung. macht berührung zum wort...

mein ja zu diesem text/Bild

lg silvi

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 18.04.2007, 12:27

Hallo Niko,

Hui :blink2: - großartig! Und da ich nichts weiter zu kommentieren finde, bleibt es bei dieser kurzen Rückmeldung.

Jürgen, eine Möglichkeit wäre der Bezug zu "einen goßen Bogen um etwas machen" = "sich nicht beschäftigen wollen mit" ;-)

Ferdigruß!
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

Klara
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Beitragvon Klara » 18.04.2007, 12:45

Hallo,

es ist gut geschrieben, hübsche Bilder, aber mir persönlich ist es zu pathetisch, zu metaphorisch, zu ungenau.

Zugegeben: Bei diesem Thema bin ich überkritisch. Und frage: Sagt der Text etwas Neues? Sagt er es ehrlich? Oder setzt er sich faul auf die Betroffenheit auf, klebt wie ein Kaugummi am Gaumen?

Auch stimme ich nicht mit der Philosophie überein, die der Text impliziert.

Denn war der Zug denn wirklich entgleist? Lief nicht eher alles auf die Vernichtungsmaschinerie hin? Und wer war der Zugführer?

Ich verstehe das Herzflimmern nicht, und auch nicht den "Glauben an die Menschlichkeit", der hier enden soll. Was soll das für ein Glaube sein? Was und wer ist MENSCHLICHKEIT?

Kurz: Zu große Worte. Zu kleine Aussage.

lg
klara

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 18.04.2007, 12:47

Lieber Niko,

es erschüttert, ganz klar.

mir kommt das Wort enden/ende zu oft vor. ist das absicht?

noch immer enden/(hinter dem stacheldraht endet der strom)/dahinter enden alle wege

das ist alles. große kongruenz im erfühlen des gedichtes!

Lieben Gruß
ELsa
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Beitragvon Klara » 18.04.2007, 12:50

Hallo Elsa,

ich finde, Erschüttertsein ist zu einfach. Das kann man so billig haben, das Erschüttertsein. Kriegste an jeder Ecke, egal zu welchem Thema, fürn Appel und'n Ei.
Wo führt das hin, das Erschüttertsein? In die eigenen aufgewühlten Eingeweide? Damit sich wie ein Mensch fühlen kann? Das wäre noch im Nachhinein Missbrauch der Opfer, meinst du nicht?

lg
klara

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 18.04.2007, 12:52

Liebe Klara,

einige meiner Verwandten haben Auschwitz nicht überlebt, daher rührt meine Erschütterung her. Es betrifft speziell dieses Thema und kein anderes.

Lieben Gruß
ELsa
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Beitragvon Klara » 18.04.2007, 12:56

Hallo Elsa,

dann erschüttert dich das Thema - oder das Gedicht?

Wenn es für dich stimmt, liege ich ja vielleicht falsch mit meiner Skepsis dem Text gegenüber -

lg
klara

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Beitragvon Elsa » 18.04.2007, 13:01

dann erschüttert dich das Thema - oder das Gedicht?


Wie das Gedicht mit dem Thema umgeht. Das spricht mich an. Andere zum Thema oftmals nicht.
Das ist rein persönlich. Für dich ist es nicht gut - für mich schon.

Ist doch okay so, oder? Manches trifft meinen Nerv, anderes deinen. Ist normal, finde ich.

lg
Elsa
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Beitragvon Klara » 18.04.2007, 13:03

Klar, Elsa, alles in Ordnung .-)

Edit: Ich finde es nur schwierig, so völlig außer Acht zu lassen, dass Gedichte über Bäume Verbrechen sein können und dass Gedichte nach/über Auschwitz zweifelhafte Angelegenheiten sind. Die dichterische Naivität bei diesem Thema stört mich.

lg
klara

Niko

Beitragvon Niko » 18.04.2007, 13:21

ist das absicht?

ich schreibe nicht mit absicht, sondern nur mit bauch ;-) (der wächst mir manchmal über den kopf)
nein....das mehrfache "enden" war mir nicht bewusst, elsa. ich schreibe immer im fluss, in einem empfinden raus damit. dieses entgültige, endende, endliche wird wohl eine wichtige rolle gespielt haben. ich werde das evtl noch ändern. ich schau mal, wie dicht es hintereinander folgt.
ich finde, klara, man kann nicht über empfindungen anderer urteilen. das elsa eigene verwandschaft verlor und dadurch betroffen ist, macht mich auch betroffen. weil ich mit dem gedicht etwas anrühre, was einem menschen schmerzen zufügt.
Denn war der Zug denn wirklich entgleist? Lief nicht eher alles auf die Vernichtungsmaschinerie hin? Und wer war der Zugführer?
ie fragen irritieren mich etwas. ich denke, es ist doch nachvollziehbar, was mit entgleisen gemeint ist. und das ein zug auch ein wesenszug sein kann oder ein gesichtszug, oder atemzug.,..........nuja.
es ist gut geschrieben, hübsche Bilder, aber mir persönlich ist es zu pathetisch, zu metaphorisch, zu ungenau.
also ist es nicht gut geschrieben....du musst dich schon entscheiden ;-)
ich denke, pathetisch kann man bei dem thema schon werden. aber das ist halt geschmackssache. ich gebe auch zu, das ich es manchmal gerne dramatisch habe :-) "hübsche bilder" find ich käse, will ich nicht schaffen. wo ist es "ungenau" und was ist ungenau?
Auch stimme ich nicht mit der Philosophie überein, die der Text impliziert.
.sprach sie und ging von dannen, ohne weiteres. du schreibst hier "patsch, patsch, patsch" ein paar klöpse hin und machst dich dann ohne nähere angaben vom acker. das find ich nicht gut, weil ich dann nicht weiß worauf du dich beziehst und was genau dich stört.
also: wenn du nochmal zwei minuten hast, schreibs nochmal. ok?
ich weiß natürlich, dass bei kz-gedichten de hürde sehr hochliegt und vor allem verdammt wackelig. ich will nicht platt sein und dabei nicht schon dagewesenes (thema "warum schreiben" im café)
imitieren. die hohe messlatte ist allerdings auch eine große herausforderung. man muss zusehen, dass man sich nicht übernimmt. denn diese sensible thematik kann einen text schnell kippen lassen.

ferdi, silvi, jürgen: ja.,.die klammern......es sollte das "gefühlte gedachte" das tief emotionale empfinden und die gedanken noch einmal auf einer anderen ebene darstellen. vielleicht auch, wie ferdi schreibt einen bogen machen.....ich weiß nicht. "gleichgeschaltet" ist für mich jeder, den ein regime auf seine klare linie bringt. GLEICHSCHALTUNG = bezeichnet allgemein die teils erzwungene, teils freiwillige Vereinheitlichung aller Gesellschaftsbereiche in totalitären Staaten. die "nicht gleichgeschalteten" sind ergo genau jene, die nicht auf eine linie zu bringen sind oder nicht gebracht werden konnten. darunter zählen dann auch für mich sinti und roma und auch die juden.
der adler kreist....- natürlich der bundesadler. es wird mit dem thema immer noch umgegangen wie mit einer heißen kartoffel. mal abgesehen davon ,dass man zahlungen als symbolischen akt an die opferangehörigen und überlebenden opfer so unerträglich rausgezögert hat, bis auch der letzte keine abfindung mehr bekommen kann, da verstorben. aber auch ungeachtet dessen ist der umgang immer noch inkonsequent, unsicher, ängstlich. ergo meidet man, so gut es geht, diese thematik.
ich danke euch allen sehr fürs kommentieren!

lieben gruß: Niko
Zuletzt geändert von Niko am 18.04.2007, 13:25, insgesamt 1-mal geändert.

Niko

Beitragvon Niko » 18.04.2007, 13:23

Die dichterische Naivität

hätte ich gerne von dir näher erläutert, klara!

lieben gruß: Niko

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Beitragvon leonie » 18.04.2007, 13:30

Lieber niko,

auch rechts (auch unbewußt sinnvoll?), da und hinten kommt häufig vor. Das "wo" finde ich auch ein wenig irritierend beim Lesen, vielleicht könnte man die Stelle umformulieren. Und evtl. die Ortsangaben etwas variieren. (Das nur zum Handwerklichen).
Mir gefällt der Text gut, ich finde, Du hast wieder viele Worte in für mich neuer Weise verwendet und dieses schwierige Thema gut umgesetzt.

Liebe Grüße
leonie


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