Bläuling (3 Varianten)

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 03.04.2007, 13:21

3. Variante (entsüßt und entmaikäfert)

ich wollte ich könnte
die Flügel des Bläulings
berühren

die Zehen gruben sich ins Irlandgrün
und er flog achten
über weiße Blüten

mein Elfenprinz von Seite sieben
mir war fast, als könne ich
auf einmal lieben

die Arme streckten sich
ins klare Kühl
hab zärtlich ihn gefangen

Da gellte spitz ein Schrei:
Lass dass! Du dummes Ding!
Du bringst ihn um.

bleich saß er
in meiner kleinen Hand
und konnte nicht mehr fliegen

die gefallenen Schuppen
blieben als Mahnung
auf mir liegen

nun trage ich Schuhe
und wünsche
nichts mehr

bin wunschlos
betäubt
Schmetterlingsleer



2. Variante (entsüßt?)

ich wollte ich könnte
die Flügel des Bläulings
berühren

die Zehen gruben sich ins Irlandgrün
und er flog achten
über weiße Blüten

mein Elfenprinz von Seite sieben
mir war fast, als könne ich
auf einmal lieben

die Arme streckten sich
ins klare Kühl
hab zärtlich ihn gefangen

Da gellte spitz
ein Schrei,
dass ich ein Mörder sei!

bleich saß er
in meiner Hand
und konnte nicht mehr fliegen

die gefallenen Schuppen
blieben als Mahnung
auf mir liegen

nun trage ich Schuhe
und wünschte doch
ich könnte

nur einmal noch
die Flügel des Bläulings
berühren


1. Variante (süß)

ich wünschte
ich könnte
nur einmal noch
die Flügel des Schmetterlings berühren

mit nackten Füßen
lief ich übers Irlandgrün
und sah ihn tanzen
über weißen Blüten

er umflatterte mich mit Nähe
mein Elfenprinz von Seite Sieben
und es war mir, als könne ich
die ganze Welt auf einmal lieben

meine Arme streckten sich
hoch in die leichte Luft
hab ihn ganz zärtlich
eingefangen

Da gellte spitz ein Schrei
an meine Ohren:
Lass dass! Du dummes Ding!
Du bringst ihn um.

er saß in meiner kleinen Hand
und konnte nicht mehr fliegen
sein Schillern blieb noch jahrelang
als Mahnung auf mir liegen

nun trag ich Schuhe
und wünschte doch
ich könnte
nur einmal noch
die Flügel des Schmetterlings berühren
Zuletzt geändert von Ylvi am 06.04.2007, 13:59, insgesamt 5-mal geändert.

scarlett

Beitragvon scarlett » 03.04.2007, 17:15

Liebe smile,

ich finde das zauberhaft - in seiner Leichtigkeit, mit seinen märchenhaften Elementen und als Kontrast dazu die nüchterne "Erwachsenenwelt".

Sprachlich ist mir folgendes aufgefallen:

S3 "und es war mir, als könne ich" - das klingt mir ein wenig ungelenk, wie wäre denn:

"und mir war, als könnte ich"...

S5 ich denke, der Bruch in dieser Strophe ist gewollt - das Gleichmäßige ist dahin, der spitze Schrei, der Imperativ. Und doch würde ich noch was einfügen, was es in meinen Ohren etwas weniger brjüchig klingen ließe:

"da gellte spitz ein Schrei
von fern an meine Ohren"... oder so ähnlich.

S6 "Jahrelang" ---- klein

S7 da würde ich den Zeilenumbruch anders setzen:

"nun trag(e- würd ich weglassen) ich Schuhe
und wünschte doch
ich könnte nur einmal noch
die Flügel des Schmetterlings berühren" (vielleicht hier einen Genitiv nehmen????- des Schmetterlings Flügel berühren)

Vielleicht ist ja was dabei, was du brauchen kannst.

Ganz besonders schön ist das Schillern, das als Mahnung zurückbleibt und der Elfenprinz von Seite sieben..

Hat es einen besonderen Grund, warum es Irlandgrün sein muß? "durchs Irlandgrün" wär rhythmisch irgendwie auch glatter, oder?

Ich hab dein Gedicht sehr gern gelesen!

scarlett

Ach ja, was den Titel anbelangt, "Flügel" könnte ich mir sehr gut vorstellen...

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 03.04.2007, 18:49

Hallo Scarlett,

"und mir war, als könnte ich"...

hatte ich auch schon mal, aber dann häufen sich die könnte so, deshalb habe ich versucht es zu umgehen, aber ich werde noch mal darüber nachdenken

S5 möchte ich so belassen, da soll ein starker Bruch sein

S6 danke :d040:

S7 das "e" bei trage war schon mal weg, war mir da unsicher aber nun streich ich es.
den Genitiv muss ich erst mal austesten

Das Gras in Irland hat (zumindest in der Erinnerung) eine andere Farbe als bei uns und das war genau das Bild, welches ich vor Augen hatte.
"durchs Irlandgrün" da denke ich an hohe Gräser
"übers Irlandgrün" sind diese weichen federnden Endloswiesen

Danke für deinen lieben Kommentar und deine Vorschläge.
Ich hatte schon Kitschschelte befürchtet, aber vielleicht kommt sie ja noch. ;-)

liebe Grüße smile

scarlett

Beitragvon scarlett » 03.04.2007, 18:59

Liebe smile,

Kitschschelte? ;-) - also allmählich kriegt man fast den Verfolgungswahn... :-)

Wollt nur noch sagen, daß ich mir erst auf deinen Hinweis hin genauer angeschaut habe, wie das mit der Häufigkeit des "könnte" ist - nun ja, irgendwo hast du ja recht, allerdings ist es mit beim Lesen überhaupt nicht aufgefallen... Außerdem ist kein wirklich großer Unterschied zwischen könne und könnte und ich denke, könnte ist hier auch vom Grammatischen richtig.

Danke für den Hinweis zum Irlandgrün - alles klar.

Schönen Abend dir noch.

scarlett

Max

Beitragvon Max » 03.04.2007, 19:28

Liebe Smile,

ich bin wohl dazu ausersehen, der Kitschschelter zu sein. Das Gedicht enthält bei aller entfundenen Leichtigkeit für mich sehr viele Buzzwords, bei denen ich allergisch reagiere.

Es beginnt mit

ich wünschte
ich könnte
nur einmal noch
die Flügel des Schmetterlings berühren


Da ist zum einen das Wort Schmetterling, das mir ein zu gängiges Bild ist, wenn man Leichtes herbeirufen will [Zum anderen erinnere ich mich und nehme da ein wenig die Pointe vorweg, dass man mir als Kind immer sagte, dass der Schmetterling stirbt, wenn man ihn berührt (keine Ahung, ob das wahr ist)].

In der zweiten Strophe empfinde ich die Kombination von nackten Füßen und weißen blüten, beides Symbole der Unschuld, als ein wenig zu viel. Den Elfenprinz von seite 7 kann ich dann nur noch als ironisches Zitat lesen, das die Wahrnehmung des lyr. Ichs persifiliert, nur weiß ich nicht, ob das so gemeint ist - eher wohl nicht. Wieso das Schillern des Schmetterlings die Mahnung ist, verstehe ic h nur so, dass dies das Eindrückliche am Schmetterling ist ...

Hm, entschuldige, dass ich nun so ganz anderer Meinung bin als Scarlett, aber ich denke, es ließen sich ffür Ähnliches vielleicht frischere Bilder finden.

Liebe Grüße
max

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 03.04.2007, 20:13

Liebe smile,

der Text ist gut arrangiert (Aufbau, Spannungsbogen, Tempo und "Pointe") - trotzdem ist er auch für mich an einigen Stellen "zuviel", ich glaube vor allem, weil es nicht neu ist, das Schmetterlingsmotiv so zu verwenden (der Mensch als jemand, der etwas berühren, aber nicht darf...und wenn doch...), mir ist das schon bekannt... Das Erzählte ist mir ein Wahres, sehr nah(!), aber das Bild ist weder neu noch schlicht, das gibt eine etwas "zähe" Mischung...

So grundsätzliche Kritik bringt dem Text natürlich nichts, darum vielleicht die Idee, an einigen Stellen etwas das Süße zu mildern, denn es gibt ja durchaus noch Kontexte, in denen man Schmetterlinge noch lesen kann.

Das erste wäre, dass ich Schmetterling in Falter ändern würde...ich glaube, das bewirkt gleich sehr viel. Und rhythmisch wäre das doch auch toll?


Dann gibt es noch ein paar Stellen (ich habe sie blau markiert), die meiner Meinung nach den text nochmal mit ihrer Süße belasten, vielleicht könnte man dort noch variieren?


ich wünschte
ich könnte
nur einmal noch
die Flügel des Falters berühren

mit nackten Füßen
lief ich übers Irlandgrün
(das ist mir zu klischee-paradiesisch
und sah ihn tanzen bitte lass ihn etwas anderes tun..tanzen züchtet extrem die Worte um sich süß
über weißen Blüten

er umflatterte mich mit Nähe
mein Elfenprinz von Seite Sieben (holla...Elfenprinz ist schon hart im Kontext, oder? warum Sieben groß?)
und es war mir, als könne ich
die ganze Welt auf einmal lieben

meine Arme streckten sich
hoch in die leichte Luft
hab ihn ganz zärtlich
eingefangen

Da gellte spitz ein Schrei
an meine Ohren:
Lass dass! Du dummes Ding!
Du bringst ihn um.

er saß in meiner kleinen Hand
und konnte nicht mehr fliegen
sein Schillern blieb noch jahrelang
als Mahnung auf mir liegen

nun trag ich Schuhe
und wünschte doch
ich könnte
nur einmal noch
die Flügel des Falters berühren


Ich könnte mir es auch so vorstellen:

Ich wünschte


ich wünschte einst
ich könnte
nur einmal
die Flügel des Falters berühren

meine Arme streckten sich
hoch in die leichte Luft
hab ihn ganz zärtlich
eingefangen

Da gellte spitz ein Schrei
an meine Ohren:
Lass dass! Du dummes Ding!
Du bringst ihn um.

er saß in meiner kleinen Hand
und konnte nicht mehr fliegen
sein Schillern blieb noch jahrelang
als Mahnung auf mir liegen

nun trag ich Schuhe
und wünschte doch
ich könnte
nur einmal noch
die Flügel des Falters berühren


Ich weiß, so ganze Strophen rauszunehmen ist natürlich hart, aber ich glaube, sie scheitern daran, ein (Kinder)idyll auszudrücken....sie werden unecht, obwohl sie ein ganz natürliches Anliegen haben...jedenfalls bei mir funktionierne nicht....

Ich hoffe, es kommt an, dass ich das Anliegen schätze, auch wenn ich sehr vieles kritisiere..

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 03.04.2007, 22:16

Lieber Max und Lisa,
ich antworte euch mal gemeinsam.
Ja, genau das hatte ich befürchtet.
Das erste wäre, dass ich Schmetterling in Falter ändern würde

Nur Falter geht nicht, da muss ich an braune Nachtfalter denken, igitt.
Aber Zitronenfalter wäre vielleicht eine Möglichkeit. Oder?

Die nackten Füße fand ich in sofern neu, als das ich sie ja hinterher in Schuhe stecke. :rolleyes:
Der zweite und dritte Vers sollen süß sein (ich hab schon ganz viel zuckersüßes selbst wieder entfernt.)

holla...Elfenprinz ist schon hart im Kontext, oder?

Den Elfenprinz von seite 7 kann ich dann nur noch als ironisches Zitat lesen

Was ist denn am Elfenprinz so holla? Hab ich da eine Elfenprinztechnische Bildungslücke?
Seite Sieben bezieht sich auf ein Buch in dem ein Elfenprinz vorkommt, an den der Schmetterling das Kind erinnert.
Sieben habe ich nur deshalb groß geschrieben, weil es mir klein nicht gefallen hat. (Ich weiß, schlechte Begründung.)

Zum anderen erinnere ich mich und nehme da ein wenig die Pointe vorweg, dass man mir als Kind immer sagte, dass der Schmetterling stirbt, wenn man ihn berührt (keine Ahung, ob das wahr ist)

Dann bin ich da wohl nicht die einzige, der man das erzählt hat.

Wieso das Schillern des Schmetterlings die Mahnung ist, verstehe ic h nur so, dass dies das Eindrückliche am Schmetterling ist ...

Wenn man einen Schmetterling an den Flügeln anfasst, verliert er seine Schuppen, also sein Schillern und kann dann nicht mehr fliegen.

Ich danke euch für eure Kommentare. Sie haben genau das ausgesprochen, was ich selbst kritischerweise auch gedacht habe. Trotzdem wollte ich es so süß, kindlich belassen. :hut0045:
Würde denn der Zitronenfalter ein wenig helfen?

Liebe Grüße smile

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 04.04.2007, 07:58

Hallo
Ich habe jetzt eine Nacht drüber geschlafen und versucht eine entsüßte Variante zu verfassen. Ich stell sie mal ein, mal sehen, was ihr meint.

liebe Grüße smile

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 04.04.2007, 15:47

Liebe smile,

ja, Bläuling gefällt mir viel besser! Passt ja auch symbolisch :-).

In der Urversion hat mir aber diese Passage besser gefallen:

Da gellte spitz ein Schrei
an meine Ohren:
Lass dass! Du dummes Ding!
Du bringst ihn um.

er saß in meiner kleinen Hand
und konnte nicht mehr fliegen
sein Schillern blieb noch jahrelang
als Mahnung auf mir liegen


zum dem holla-Elfenprinz: Naja...also...entschuldige, das holla...das ist mir so rausgerutscht :pfeifen: ich meien einfach...ich glaube egal wo, selbst in einem Kinderbuch, würde ich (Geschmacksfrage!) bei einem Elfenprinz schon schlucken müssen, egal wo er auftaucht...also Elf alleine ist möglich (aber auch gefährlich) , aber dann auch noch Elfenprinz...es erinnert mich an Fantasyavatare, verkitschte Einhörner und Delphinlampen...ich weiß nicht,...sicher meine spezielle Prägung ;-). Wenn ich den dann direkt über "tanzen" lese und Schmettering auch schon vorkam und barfuß, dann wirft er den ganzen Schatten auf alles andere und alles wird dann durchkitscht, obwohl das gar nicht so ist - ohne ihn...darum musste das holla raus.

Ich würde mir gerne nochmal eien dritte Fassung angucken, mit den neuen Passagen und den alten, die ich stärker finde, als die neuen...und vielleicht ohne Elfenprinz...auch wenn er als Kindererinnerung dargestellt wird? Vielleicht wenigstens ausprobieren?

...

Liebe Grüße,
Lisa
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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 04.04.2007, 16:07

Hallo Lisa,

Mein Elfenprinz muss bleiben! :lachen0031:
Kennst du das Märchen von Astrid Lindgren: Die Elfe mit dem Taschentuch?
Vielleicht kann sie dich ja mit den Elfen versöhnen.

Die Schuppen habe ich in die entsüßte Variante reingenommen, weil sie so schön Doppeldeutig sind. (wie Schuppen von den Augen fallen)

Ich probiere noch ein bisschen vor mich hin.
Danke für deine Anregungen!

liebe Grüße smile

Max

Beitragvon Max » 04.04.2007, 21:53

Liebe Smile,

ich denke, der Bläuling macht schon was her und entsüßt das Gedicht ;-).

Ich hadere vor allem noch mit dem Ende, das klingt mir so sehr nach

"Es gibt keine Maikäfer mehr"

Liebe Grüße
max

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 06.04.2007, 13:41

Hallo Max,

ich bin noch mal in mich gegangen und habe eine entmaikäferte Variante geschrieben. Bin gespannt.

liebe Grüße smile

Max

Beitragvon Max » 06.04.2007, 13:45

Liebe Smile,

ja!

Diese neuen Variant kommt zumindest meinem Empfinden viel näher .. das "betäubt" ist sehr gut gefunden. Dazu kommt, dass die gefallenen Schuppen schon in version 2 für mich deutlicher waren als das Schillern aus Version 1.

Gefällt mir jetzt gut!!

Liebe Grüße
max

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 15.04.2007, 15:46

Hallo Max,
ich hatte ganz vergessen dir zu antworten. Den Tag muss ich mir glaube ich im Kalender rot anstreichen. Wer weiß, wann ich dass wieder von dir lesen darf.
Gefällt mir jetzt gut!!
:banana_1:
liebe Grüße smile


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