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Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
Klara
Beiträge: 4530
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Beitragvon Klara » 03.04.2007, 22:09

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Zuletzt geändert von Klara am 17.06.2007, 15:32, insgesamt 1-mal geändert.

Klara
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Beitragvon Klara » 04.04.2007, 20:28

Hallo lichel,

verrätst du mir, was an den Mutter-Kind-Dialogen nicht stimmt? Ich will es wissen!

Zu dem anderen: Es soll nicht direkt abgesprochen gewesen sein zwischen den Männern, dass Tomasz an Inge ran darf, aber es war dem Vergewaltiger - unausgesprochen - klar, dass es für Joseph okay wäre. Es gibt ja auch noch was zwischen Ja und Nein. Andernfalls hätte er ja seinen Job riskiert etc. Joseph soll es gemerkt haben, am Ende, zumindest, DASS etwas war, wie weit es genau ging, ist ihm egal, und dass ihr Gewalt angetan wurde, billigt er. Er tut ihr ja selbst Gewalt an, und eine Demütigung mehr macht sie nur gefügiger. Wenn das platt, banal und langweilig ist, nimmt der Text das ebenso in Kauf wie Joseph und Tomasz Inges Erniedrigung und Ginas Trauma in Kauf nehmen: Es gehört zum System, weißt du.

Das Klischee vom wilden Polen war mir bislang nicht bekannt. Mal ganz laut gefragt: FÜHLT SICH HIER EIN POLE ODER JEMAND FÜR EINEN POLEN AUF DEN SCHLIPS GETRETEN???
Manche sind nett, manche sind blöd wie alle anderen auch, und wie alle anderen Nationalitäten auch, gibt es Vergewaltiger unter ihnen. Und Vergewaltigung hat entgegen gängiger Ver-Herr-lichung meiner Meinung nach sehr, sehr wenig mit "Trieb" zu tun, dagegen sehr viel mit Macht. Vergewaltigung ist ein Ausdruck für die eine - sicherlich erbärmliche - Schwäche eines Mannes, der so notwendig "Macht" braucht, dass er dafür den Willen körperlich Schwächerer brechen muss.

Wenn x Voraussetzungen erfüllt sein müssen - off text sozusagen -, bevor der Text für dich lebt, lichel, kann er nicht gut sein.

Was jedoch verstehst du unter einer
simple(n) Vergewaltigungs-Story, die, so scheint mir, nicht mal versucht, irgendetwas zu hinterfragen?

Was soll ich hinterfragen? Ich gucke doch nur durch Ginas Augen. Ein Kind schaut zu. Der Leser liest durch Kinderaugen. Wenn das nicht gelingt, sit es schlecht geschrieben, basta.


ob er einfach chauvinistisch-gutmütig, oder eben eher in Richtung pervers-gewalttätig geht,

Gina kennt diese Unterscheidungen nicht, die du da triffst. Beides (und noch viel mehr!) haben in einem Mann Platz.

Gruß
Klara

lichelzauch

Beitragvon lichelzauch » 04.04.2007, 21:06

Hallo Klara,

Zu dem anderen: Es soll nicht direkt abgesprochen gewesen sein zwischen den Männern, dass Tomasz an Inge ran darf, aber es war dem Vergewaltiger - unausgesprochen - klar, dass es für Joseph okay wäre. Es gibt ja auch noch was zwischen Ja und Nein. Andernfalls hätte er ja seinen Job riskiert etc. Joseph soll es gemerkt haben, am Ende, zumindest, DASS etwas war, wie weit es genau ging, ist ihm egal, und dass ihr Gewalt angetan wurde, billigt er. Er tut ihr ja selbst Gewalt an, und eine Demütigung mehr macht sie nur gefügiger.

Gut. Darum ging es mir die ganze Zeit. Ich hatte es nämlich genauso im Kopf, bis eben die im ersten Posting zitierten Zeilen auftauchten @ abgekartertes Spiel. Würde ich noch ein bisschen deutlicher machen.

Und damit ist der Text doch für mich schonmal nicht mehr langweilig, weil er mir eine interessante Situation zeigt. Mag sein, dass ich mich durch das Posten unter "Kommunikation" zu sehr darauf konzentriert habe, jetzt auch egal.
Dir ist die Kinder-Perspektive wichtig, gut, die nimmst du im Mittel-Teil ein. Da hat Gerda gesagt, dass es sie trifft und mitnimmt, sie voll drin ist etc. Kann ich nicht bestätigen, aber ich fand es auch nicht schlecht. Die Füllerfeder ist schön, das Kopfrucken etc. man ist schon drin! Ich finde diesen Aspekt nur nicht sonderlich interessant (und das heißt natürlich nicht interessant dargestellt, klar, ABER ich möchte meine eigene Wahrnehmung da auch gleich denunzieren. Z.B. die Dialoge, so lebensecht sie wahrscheinlich sind, kommen bei mir eben nicht lebensecht an und ich bin mir eigentlich sicher, dass da meine Wahrnehmung nicht stimmt (jedenfalls habe ich das schon oft bemerkt, dass viel gelobte Dialogstellen bei mir nicht funktionieren) und trau mich auch nicht recht, da zu beurteilen.
Aber natürlich ist das durchaus auch ein Ziel, dass eine Vergewaltigung darzustellen (in meinen Augen) rechtfertigt, wenn auch ein heikles Ziel (will heißen, diese Perspektive ist sicherlich eine der schwierigeren).
Also, diesbezüglich weiche ich aus.

Dann der Pole *g - wie ich schon oben schrieb (grr), kam mir der Klischee-Gedanke erst nach dem Lesen, es ist meiner Meinung also gar kein Fehler des Textes. Ob sich ein Pole davon getroffen fühlt interessiert mich kein bisschen, du musst also nicht so rumschreien *g - aber du charakterisierst Tomasz NUR durch sein rabiates Verhalten, Wörter wie "gurren", "zischen" etc. und diese Halbaffensprache (nicht dass ich polnisch könnte, aber es ist halt komisch). Keine Ahnung, der fremde böse Mann eben. Mich stört es wie gesagt nicht beim Lesen, ich kann mir aber vorstellen, viele empfinden das so.

Hmm... das lief jetzt nicht so gut? *g

Liebe Grüße,
lichelzauch

Charly

Beitragvon Charly » 04.04.2007, 21:17

Hallo alle!

Das ist der Unterschied zwischen dem, was der Autor von der Geschichte im Kopf hat, und dem was er zu Papier gebracht hat.
Mir geht es wie lichelzauch.
Aus dem Text selbst sind die (später angeschnittenen) Fakten nicht erkennbar.

Was die Polen angeht, Klara, hast du ein absolut korrektes Bild gezeichnet. Ich bin in Masuren geboren. PC hin oder auch her. Das ist wie mit den rumänischen Zigeunern, die hier bei uns (Aufnahmesiedlung für Asybewerber) die Häuser ausgeräumt haben - das ist Tatsache und keine erfundene Unterstellung - als sie wieder weg waren, gingen Einbrüche und Diebstahl hochprozentig zurück - und sich öffentlich darüber beschwert haben, wir würden sie in einem falschen Licht darstellen.
Wenn es auch andere Polen gibt, dann bin ich immer mit den einen konfrontiert worden. Wenn sie einen anderen Ruf haben wollen, sollen sie ihn vorleben.

Dein Text liest sich gut. Ich bin versucht zu sagen, ich hätte ihn gern gelesen, aber dafür ist das Thema zu sehr unter der Gürtellinie.

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 05.04.2007, 16:29

Hallo Klara,

ich lese den Text wie lichelzauch und auf diese Art gefällt er mir.

Zu dem anderen: Es soll nicht direkt abgesprochen gewesen sein zwischen den Männern, dass Tomasz an Inge ran darf, aber es war dem Vergewaltiger - unausgesprochen - klar, dass es für Joseph okay wäre.


Ich würde, damit das klar ist, diese beiden Sätze einfach streichen:
Es war ein abgekartetes Spiel.
Und er hatte gewonnen.


Durch die Stellen, die lichel angemerkt hat 8Zwinkern etc.) wird genau das gelesen, was du oben willst. Mit den Sätzen liest es sich, als sei das alles geplant.

Die Sprache des Polen empfinde ich auch zu stark stilisiert. An einigen Stellen würde ich das etwas mildern, damit es nicht zum Klischee wird bzw. nicht zu fokussiert polnisch und somit potenziell rassistisch anmutet (bitte nicht falsch verstehen, aber ich dene die Gefahr, den Text so zu lesen, dass er ein Klischee bedient zu lesen ist durch die Sprache gegeben, ich würde das ausschließen).

Hier mal in puncto Polensprache meine Verbesserungsvorschläge:

Besetzt

Die polnischen Handwerker sprachen gebrochenes Deutsch oder gar keins. Sie gehörten zum Alltag. Immer wieder wurde in der Wohnung die Einrichtung geändert, die Zimmereinteilung variiert, und so gab es immer neue Gründe, damit Maler, Tischler, Fliesenleger, Klempner ein ständiges Kommen und Gehen veranstalten konnten.
Joseph war in seinem Element: Er war der große Boss. Inge kochte große Eintöpfe, denn natürlich saßen die Handwerker abends mit am Tisch, und Joseph holte den Wodka hervor und machte seine miesen Sprüche auf Inges Kosten – er war ja der Mann, und sie war nicht mal seine Frau.
Einmal ging es schief.
Joseph war zum Baumarkt gefahren, und Inge stand unter der Dusche. Das Bad hatte zwei Türen, die man beide nicht abschließen konnte. Einer der Männer ging hinein, um zu pinkeln (er öffnete seine Hose schon auf dem Weg). Gina saß in der Wohnküche an dem Eichentisch und machte Mathe-Hausaufgaben. Die Rillen im Holz drückten sich durch das Schulheft und formten die Zahlen schief, die sie schrieb.
Sie wunderte sich, dass der Pole (warum steht hier Pole? nimmt die Tochter in explizit als solchen wahr? einfach besser "Mann") nicht wieder aus dem Bad kam. Es war doch besetzt!
Sie hörte die Mutter.
„Lass mich.“
Es klang nicht gut, oh, es klang schon wieder nicht gut, und zum ersten Mal sehnte Gina sich danach, dass Joseph zurückkäme.
„Nun kommst du, Schlucha“, gurrte der Mann, „kommst du schon, Suka, ich kriegen, pisda!“
„Verpiss dich“, schrie Inge.
Etwas klirrte. Der Pole drückte die Tür von innen zu.
„Du halt still“, herrschte er Inge an.
Gina ging zur anderen Tür des Durchgangsbadezimmers. Sie sah den Polen von hinten, der Gürtel hing ihm aus einer Hosenschlaufe; er drückte ihre Mutter gegen die andere Tür, hielt sie an den Armen fest. Inge zitterte. Sie war nackt, an ihren Füßen bildeten sich Pfützen, an deren Rändern ein bisschen Schaum schwamm.
Gina sah ihr in die Augen.
Da drehte sich der Mann um.
„Du weg! Kind! Still! Sonst tot!“
Er machte eine heftige Geste, zackte ein schiefes Kreuz in die Luft, die Hand voll weißer Flecken.
Inge nutzte die Gelegenheit und gab ihm einen Schlag ins Gesicht, aber sofort drückte er wieder ihre Arme gegen die Tür.
Er war stärker.
DuKind weg!“, keuchte er.
Inge nickte ihrer Tochter zu, schickte sie mit einem Kopfrucken aus dem Badezimmer.
Gina gehorchte, ging zurück zum Küchentisch, zu ihren Hausaufgaben.
Sie wusste nichts mehr.
Die ganze Zeit lief das Duschwasser weiter, verspritzte sein Rauschen durch die Tür.
Es gab noch mehr Geräusche.
Immer wieder klappte die Tür einen Spalt auf, aber der Pole drückte von innen immer wieder dagegen und sagte:
„Pisda! Fotze!“
Rutschgeräusche. Etwa rummste. Die Tür klappte gegen den Rahmen.
Gina blieb sitzen – sie hatte die Drohung verstanden – aber sie war ja gar nicht da!
Sie war weg.
Ihr Füller lag auf dem karierten Blatt mit den Mathehausaufgaben und färbte alles blau. Gina hatte die Spitze so fest auf das Blatt gedrückt, dass sie brach. Die Tinte lief aus.
Sie schaute auf ihre blauen Finger, summte, um die Geräusche zu übertönen, und suchte wie zum Spaß nach einem angemessenen Schimpfwort.
Ihr fiel keins ein.
Sie saß stocksteif.
Da ging die gemarterte Tür endlich ganz auf, der Pole war fertig. Er kam aus dem Bad und machte sich die Hose zu. Er hatte eine Schramme an der Stirn, die blutete leicht, und an seinem Hemd waren nasse Flecken.
„Pisda!“, zischte er.
Und zu Gina:
Du Still, oder tot!“
Er machte einen Schritt auf sie zu und tat so, als schneide er ihr die Kehle durch; Gina spürte den Luftzug seiner Hand. Sie starrte ihn einen Moment lang an, dann lief sie zu Inge. Ihre Mutter saß auf den Klodeckel, ein Handtuch über den Schenkeln und eines um den Hals, über den Brüsten. Ihre Stirn lag auf den Oberarmen, die sie über den Knien gekreuzt hielt.
Gina ging zur Dusche und drehte das Wasser ab und setzte sich auf den Wannenrand.
„Verzeih mir“, flüsterte sie, „verzeih mir bitte, Mama“.
Inge hob den Kopf.
„Du musst dich doch nicht entschuldigen, dummes Ding“, sagte sie weich.
Gina weinte.
Ihre Mutter stand auf, zog sich an, und murmelte dabei immerzu:
„Mir tut es Leid. Mir tut es Leid. Mir tut es Leid.“
Gina ging zu ihr.
„Hör auf, Mama, bitte, hör auf damit!“
Sie konnte nicht aufhören zu heulen, doch Inges Augen blieben trocken. Ihre Mutter zog sich an, kämmte sich die nassen Haare glatt, und Gina weinte für sie beide.
In diesem Moment kam Joseph wieder, mit zwei schweren Eimern weißer Farbe.
Er stellte sie laut auf dem Boden ab.
„He, Tomasz!“, sagte er und schlug dem andern Mann (ihm oder Josef)auf die Schulter, zeigte auf seine Schramme.
„Hast du dich geprügelt?“
Joseph lachte.
„Pisda“, wiederholte der Pole. Er ging zu den Farbeimern.
Inge ging aus dem Bad, Gina dicht hinter ihr.
„Wirf ihn raus“, sagte Inge zu Joseph.
„Was ist los?“
„Er ist ein Schwein, wirf ihn raus“, sagte Inge.
Joseph schaute zu Tomasz, und Tomasz schaute zu Joseph. Sie blinzelten einander zu.
„Hast du etwa geile Träume, Inge?“, fragte Joseph grinsend.
Ihre Hand klatschte in sein Gesicht. Es war das einzige Mal, dass sie ihn schlug.
Joseph rieb sich die Wange und lachte.
Er wurde nicht mal böse, das hatte er gar nicht nötig.
Es war ein abgekartetes Spiel.
Und er hatte gewonnen.

Tomasz durfte weiter die Wände weißen.


Den Dialog zwischen Mutter und Tochter finde ich auch schwächer als den Rest - "dummes Ding" ist eine typischer Baustein in solchen Mutter/Kind-Abschwächungsversuchenszenen und die Wiederholungen ein etwas einfallsloses Stilmittel. Kannst du die beiden nicht einfach durch Gesten miteinander sprechen lassen?

Ansonsten ist die Geschichte rund und gut erzählt finde ich.


Hallo Charly,

wenn du Klara gelesen hast, sollte es ersichtlich sein, dass sie kein Bild von Polen zeichnen wollte - und ich finde das auch gut so. Ihr Charakter ist "zufällig" Pole. Den Vergleich mit den Rumänen finde ich darum unangebracht, zumal das sicher ein Fakt ist, zu dem aber ganz klar noch andere Fakten gehören und es in anderen Fällen wieder unangebrachte Unterstellung gibt, die zutreffen (u.s.f.) Aber als Bogen zu "den" Polen klingt das unangebracht schräg, oder nicht? Ich sehe da keine Verbindung, weder zwischen Polen und Rumänen, noch zwischen Klaras einem Polen und allen Polen, die deiner Meinung nach etwas vorleben sollen. Ich möchte hiermit bitte keine Diskussion anzetteln oder administrativ gelten, aber ich denke, deine Formuierungen sind etwas fragwürdig.

Liebe Grüße an euch beide,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Klara
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Beitragvon Klara » 05.04.2007, 18:29

Danke, Lisa, ich glaube, das hilft mir (und "den" Polen ,-))

lg
klara


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