Kino 1961

Gast

Beitragvon Gast » 19.03.2007, 01:22

Bei der Accountlöschung bat die Autorin darum, dass ihre Texte gelöscht werden. Dieser Bitte kommt die Administration nach.
Zuletzt geändert von Gast am 03.04.2007, 13:07, insgesamt 2-mal geändert.

Gast

Beitragvon Gast » 22.03.2007, 11:22

Mein Text scheint ja niemanden so anzusprechen dass er Lust bekommt, etwas dazu zu schreiben. :sad:

Ist er so miserabel?
So langweilig?

Ich wäre sehr froh, Rückmeldung zu erhalten ...

Ich brauche das nämlich mindestens genau so nötig wie alle anderen hier im Salon.

Liebe, etwas deprimierte Grüße
Gerda

Nachtrag:
Ein Haar in der Suppe finden? Kein Problem. Wer fischt bei mir? ;-)
Zuletzt geändert von Gast am 22.03.2007, 13:09, insgesamt 1-mal geändert.

Klara
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Beitragvon Klara » 22.03.2007, 11:44

Hallo Gerda,

du solltest dich entscheiden, aus welcher Perspektive du erzählst, wie relativierend meine ich, wie "erwachsen". Da kannst du ruhig ein bisschen mehr Mut zur Subjektivität haben. Dann solltest du dich fragen, WAS du genau erzählen willst. Eine Anekdote? Wie toll Kino damals war? Wie berüht du warst? Wie unübersichtlich Kino (als Metapher fürs Leben insgesamt vielleicht) ist?

Am Schluss weiß ich auch nicht, Gerda, so wie er jetzt ist, ist er nicht witzig. Du erklärst zu viel, bleibst vielleicht auch zu nah an der erinnerten Begebenheit. Vielleicht erfindest du besser etwas hinzu, übertreibst etwas? Lässt Ingrid auch etwas sagen, dass es kein Spaß sei, wenn die Leute sich immerzu kloppen? Irgendwie sowas. Um den Unterschied zwischen Kino und Wirklichkeit nicht machen zu müssen.

Ich versuch mal, ein bisschen zu kürzen und zu redigieren (wenn du vergleichst, kannst du die Kritik aus den Änderungen rauslesen):

Mein Bruder Hans-Jochen war vier, meine Schwester Ingrid acht, und ich etwa zwölf Jahre alt, als wir zusammen ins Kino gingen. Dick und Doof! Kennt wahrscheinlich jeder, aber für uns war es ein Ereignis - umso mehr, als wir da noch keinen Fernseher zuhause hatten. Kino war überhaupt anders. Es gab noch keine Großbildleinwand und kein Dolby Surround System. Kino war näher dran als heute. Der einzige Nachteil war, dass wir Kinder so selten hinein durften.

In unserem Dorfkino gab es nur enge Klappstuhlreihen und ein paar Logen. Logenplätze konnten wir uns nicht leisten. Also „Sperrsitz“, wobei ich bis heute nicht weiß warum die Klappholzstuhlreihen so bezeichnet wurden, aber vielleicht sperrten sie sich manchmal gegen das Besitzen. Einzig wichtig war, dass es überhaupt ein Kino gab. Ich freute mich sehr. Aufgeregt waren auch meine Geschwister, klar, weil sie nicht genau wussten was sie erwartete, denn für sie war es da erste Mal, während ich schon Kinoerfahrung hatte.

Wir wurden von unserem Vater, mit Verhaltensmaßregeln und Eintrittskarten ausgestattet, in den Vorraum des Kinos entlassen. Dann übernahm die Platzanweiserin das Kommando. Kurz nachdem sie uns auf unsere Plätze bugsiert hatte - ich musste meinen Bruder erstal überzeugen, dass der Sitz nicht mit ihm hochklappen würde - ging der Vorhang geräuschvoll auseinander und das Licht aus. Kaum flimmerten die ersten Bilder über die Leinwand, musste mein Bruder mal. Ich musste mit. Ausgerechnet jetzt. (Einen Vorfilm gab es nicht, denn es war ja die Kindervorstellung am Nachmittag). Als wir aufstanden und tapsend unseren Weg an den Knien vorbei suchten, flammte der Strahl der Taschenlampe der Platzanweiserin auf. Klar war ich da schon schlecht drauf und herrschte Hans-Jochen in der Toilette auch dementsprechend an, er möge sich beeilen, was dazu führte, dass er seine Hosen bepinkelte, unglücklich dreinschaute und zu quengeln begann. Darauf konnte ich keine Rücksicht nehmen, und so zerrte ich ihn hinter mir her zurück in den Vorführraum.
Ich bemerkte, dass Ingrid etwas verkrampft auf ihrem Platz saß und auf die Leinwand starrte. Dort zog Dick dem Doof gerade eins mit der Bratpfanne über, die anscheinend auch aufgeschlagenes Ei enthielt. Das Publikum johlte. Ingrid flüsterte aufgeregt „Gerda, das war doch heiß, der verbrennt den doch!“ „Psst, sei still, ist doch nur ein Film, du störst die andern“. Ich nahm ihre Hand, tätschelte sie kurz, dann war Ruhe.

Dick und Doof beschmissen sich mit Sahnetorten, dass es nur so klatschte. Alles im Saal grölte, nur rechts neben mir vernahm ich Geräusche, die sich ganz stark danach anhörten, als ob Hans Jochen gleich seine Sirene anstellen würde. Richtig, er wurde zunehmend lauter. Es war peinlich. Er störte die anderen Zuschauer! Ich stieß ihn an und zischte ihm zu: „ Sei still“, Hans-Jochen legte zu, wollte aufstehen. Ich schaute nach links zu meiner Schwester und sagte: „Ich geh mal mit Hans Jochen raus“, „Ich will mit, allein bleib ich nicht“. Also griff ich links die Hand meiner Schwester und rechts die meines Bruders, und so drängelten wir uns, Hans-Jochen immer wieder aufjaulend, durch die Reihe Richtung Ausgang. Die Tür wurde uns schon von der Platzanweiserin geöffnet.
„Sag mal, du spinnst wohl, wie kannst du denn da drin so laut rumheulen, ist irgendwas?“ raunzte ich draußen vor dem Gebäude. Mein Bruder schien völlig aufgelöst, er wollte etwas sagen, aber es kamen nur gurgelnde Laute und dicke Tränen. Ich beugte mich herunter und legte den Arm um ihn. (Ich hätte den Film gern, sehr gern weiter gesehen).“Was ist denn nur los, Hansi, tut dir was weh?“, fragte ich ihn scheinbesorgt und holte eines der schönen Taschentücher, die von Mama umhäkelt und geplättet waren, (und die ich damals schon nicht leiden mochte) aus der Manteltasche. Hansi heulte Rotz und Wasser. Ich trocknete und tröstete. Endlich versiegte der Tränenstrom. Inzwischen hatte Ingrid sich auch zu Hans Jochen gehockt. Sie sah ebenfalls nicht besonders glücklich aus.
"Können wir jetzt wieder rein?", fragte ich, als Hans-Jochen sich etwas beruhigt hatte. Aber das war die falsche Frage. Er machte sich von mir frei und schrie:
„Nein, nein, da geh ich nicht mehr rein!“
Ich war wütend und verwirrt.
„Und warum nicht""; schrie ich ihn an, "willst du mir etwa den Spaß verderben?“
Er bedachte mich mit einem düsteren noch reichlich feuchtem Blick und sagte: „Ist überhaupt kein Spaß, das Kino! Die machen nur alles kaputt und tun einander weh.“
Langsam begriff ich.
"Außerdem ist der zu dick", maulte Ingrid, "so dick soll man nicht sein!"
Ich seufzte. Kam mir sehr erwachsen vor.
Schade, dass kleine Kinder keinen Spaß verstehen.

lg Klara

Gast

Beitragvon Gast » 22.03.2007, 13:08

Liebe Klara,

danke dir für das prompte Feedback, damit kann ich eine Menge anfangen, das sehe ich auf einen Blick. Es ist gerade so, als ob endlich dieser Knoten weggeschlagen wurde, mit dem ich diesen Text gutmeinend versehen hatte...
Ja, und das mit der Perspektive, ist ganz schön schwierig (für mich). Ich hätte mich schon vorher bewusster damit auseiandersetzen müssen, aber daran merkt man die noch wenig geübte Prosaschreiberin, die bei andern zwar das Haar in der Suppe findet, aber ... na ja, eben auch andere braucht, die in ihrer Suppe fischen... ;-)
Dauert ein bisschen zu vergleichen, aber ich bin froh, dass du den Text "entpackt " hast.

Liebe Grüße
Gerda

Klara
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Beitragvon Klara » 22.03.2007, 13:36

Hallo Gerda,

was ich vergessen hab:
Um das noch witziger zu machen, wäre es wahrscheinlich hilfreich, den Gegensatz zwischen dem Amüsement/der Lust am Tortenklatschen der Erzählerin und dem Unwohlsein ihrer Geschwister stärker heraus zu arbeiten.
Das Misslingen.
(Die arme Erzählerin übrigens, so ein Ärger! Älteste Schwestern sind manchmal echt arm dran... - und ich weiß, wovon ich da spreche! ,-)

lg
klara

Gast

Beitragvon Gast » 22.03.2007, 14:14

Liebe Klara,

danke nochmals, ja, ja die ältern Schwestern ... die können allerdings den jüngeren, das Leben auch ganz hübsch schwer machen, fragt man die jüngeren :pfeifen:

Du hast Recht, die Gegensätze müssen mehr herausgearbeitet werden, danke.

LGG

Jürgen

Beitragvon Jürgen » 26.03.2007, 00:33

Hallo Gerda

1961 gab es doch schon längst Gro0bildleinwände, oder???
Wenn es in diesem speziellen Kino keine gab, sollte man es vielleicht noch etwas herausarbeiten, dass es eben in diesem Lichttheater keine gab, z. B. weil es in der Provinz war. Es ist sonst missverständlich.

Der Erzählstil ist etwas trocken und könnte gut etwas Lebendigkeit und Ausschmückung vertragen, z. B. in der Art, dass das Mädchen sich so auf den Kinobesuch gefreut und wie sauer sie auf den kleinen Bruder ist, weil er ihr den Spaß verdirbt.

Oder war dir so ein knapper Erzählstil wichtig, um den Charakter der Erinnerung zu unterstreichen?

Späte Grüße


Jürgen

Gast

Beitragvon Gast » 26.03.2007, 09:48

Lieber Jürgen,

vielen Dank fürs Lesen und den Tipp mehr auszuerzählen, ich bin dabei zu überarbeiten, denn Klara hat mir auch schon wichtige Hinweise gegeben.
Was die Kinoleinweand angeht, so unterliege ich vielleicht in sofern einem Irrtum, das ich Bezeichnungen verwechsele. Solche Filmleinände, wie es sie heute gibt, gab es jedenfalls noch nicht. Ich werde da mal forschen.

Liebe Grüße
Gerda

Gast

Beitragvon Gast » 03.04.2007, 13:06

Liebe Klara,

ich habe zum überweigenden Teil auf der Basis deiner Hinweise und Vorschläge geändert, gekürzt und ergänzt, ein wenig umformuliert. Ich habe das jetzt im Einzelnen nicht gekennzeichnet, sondern die neue Version gepostet.
Danke dir noch Mal, wieder habe ich einiges dazugelernt.

Lieber Jürgen,

wegen der Grioßbildleinwand habe ich ans Deutsche Filminstitut, rein interessehalber mal eine Mail gesandt, da meinen Internetrecherche nichts gebracht hat.
Ich lass dich das Ergebnis wissen. Im Texte heißt jene Stelle nun:
"Es gab noch nicht die Art von Großbildleinwand wie heute ..." usw.
Was das Ausschmücken angeht, so ist die zweite Version jetzt wohl besser gelungen. (Hoffe ich). Allerdings ist es schwerer als ich dachte, die kindlichen Erinnerungen mit dem Wissen von heute zu beschreiben.

Liebe Grüße
Gerda


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