Mädchen im Osten

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Nihil

Beitragvon Nihil » 18.03.2007, 11:02

Mädchen im Osten,
sie wird vom Apfel kosten -
wenn später im Norden
sie zu einer Frau geworden ist ..

Im Süden erklingt
ein Lied bis zum Ermüden ..
und es liegt im Westen
ein Apfelkrotzen unter Ästen.


Nihil
Zuletzt geändert von Nihil am 18.03.2007, 22:03, insgesamt 15-mal geändert.

Benutzeravatar
Elsa
Beiträge: 5286
Registriert: 25.02.2007
Geschlecht:

Beitragvon Elsa » 18.03.2007, 11:23

Lieber Nihil,

Gefällt mir gut, wie du die Himmelsrichtungen zu einem Bild der Lebenszeit gestaltest.

Der südliche Part scheint mir nicht recht ins Bild zu passen, das ich mir von deinem Gedicht mache. Ich lese nämlich (kann auch total daneben sein! [aber wenn ein Text öffentlich wo steht, gehört er dem Leser]): Am Morgen kostet das junge Mädchen den Apfel der Verführung,
Im Schatten (Norden) wird sie zur Frau.
Süden - der hakt bei mir, es ist mittag und die Hoch-Zeit des Lebens.
Und bei Sonnenuntergang im Westen, naja, Ende.

Ich würde anders formatieren:

Mädchen im Osten,
du musst von diesem Apfel kosten -
wenn später im Norden
du zu einer Frau geworden

bist ... und

im Süden erklingt noch
ein Lied bis zum Ermüden ...
liegt im Westen
ein Grabmal unter Ästen.

Unter dem Aspekt der vorgeschlagenen Formatierung, verstehe ich auch das Lied im Süden bis zum Ermüden. Es ist ein längerer Weg, die Lebensmitte zu durchschreiten.

Ich hoffe, du kannst mit meinen Gedanken dazu etwas anfangen.
Gern gelesen und nachgedacht,

ELsa
Schreiben ist atmen

Benutzeravatar
leonie
Beiträge: 8896
Registriert: 18.04.2006
Geschlecht:

Beitragvon leonie » 18.03.2007, 11:37

Lieber Alex,

ich habe das auch gern gelesen, war aber über die Reihenfolge erstaunt. Ich hätte eher erwartet, dass Du den Lauf der Sonne als Bild für den Lebenslauf aufnimmst. Deshalb war ich erstaunt über "im Norden sie zu einer Frau geworden". Ebenso, dass der Westen nicht das Bild fürs Altern und der Norden fürs Grabmal ist. Aber vielleicht ist das zu simpel gedacht und wird Deiner Intention nicht gerecht...

Liebe Grüße

amélie-leonie

Nihil

Beitragvon Nihil » 18.03.2007, 11:38

Liebe Elsa,

erstmal ein Dankeschön für deine Formatierungshilfe, die ich so gleichmal übernommen habe .. :daumen:

Das Lied ist so zu verstehen, dass wie du ja schreibst, das Mädchen der Verführung anheim fallen muss, namentlich ihrer Sexualität und ihre Unschuld verliert, wenn sie im kalten Norden zu einer Frau geworden ist .. der Norden steht hierbei für den Zenit der Sexualität und dass ich Sexualität für kälter als den Tod halte, das muss ich nicht groß erwähnen .. hihi

Im Süden erklingt noch ein Lied der Verklärung, ein wärmendes Lied auf die Unschuld, welches aber nur auf den ersten Blick warm ist, da der Süden, d.h. die romantische Verklärung, wandert man zum Pol hinab, in Wahrheit genauso kalt ist wie der Norden der Sexualität, da die Romantik nichts anderes ist als verdrängte Sexualität und sie ihrer Natur nach die Frau als etwas anderes vorstellt, als sie ihrer Natur nach ist ..

LG

Nihil
Zuletzt geändert von Nihil am 18.03.2007, 13:55, insgesamt 4-mal geändert.

Nihil

Beitragvon Nihil » 18.03.2007, 11:49

Elsa, für mich hört sich die Zeile "liegt im Westen .. ein Grabmal unter Ästen" grammatikalisch falsch an, aber vielleicht irre ich mich auch - kann man das so sagen? Ich habe es geändert in "im Westen .. liegt ein Grabmal unter Ästen .."

Du darfst mich gerne aufklären, aber nicht sexuell! ;-)

LG

Nihil

Nihil

Beitragvon Nihil » 18.03.2007, 11:55

Liebe Leonie,

da hatte sich dein Kommentar doch zwischen meine Antworten geschlichen .. ja, das ganz Bild steht etwas auf dem Kopf und verkehrt herum, aber so ist das nunmal - Romantizismus ist eine krankhafte Verzerrung der Wirklichkeit, eine Verkehrung und die Welt steht Kopf .. ;-)

LG

Nihil
Zuletzt geändert von Nihil am 18.03.2007, 15:38, insgesamt 1-mal geändert.

Nihil

Beitragvon Nihil » 18.03.2007, 11:56

.. na, alles in allem doch eher ein kleines Liedchen und ganz sicher Ausschussware .. nicht dolle, aber muss auch mal sein.

LG

Nihil

Benutzeravatar
Elsa
Beiträge: 5286
Registriert: 25.02.2007
Geschlecht:

Beitragvon Elsa » 18.03.2007, 12:55

Nihil hat geschrieben:Elsa, für mich hört sich die Zeile "liegt im Westen .. ein Grabmal unter Ästen" grammatikalisch falsch an, aber vielleicht irre ich mich auch - kann man das so sagen? Ich habe es geändert in "im Westen .. liegt ein Grabmal unter Ästen .."

Du darfst mich gerne aufklären, aber nicht sexuell! ;-)

LG

Nihil


Lieber Nihil, ich denke doch, sexuell kriegst du das selbst auf die Reihe *g*

Ja, du hast recht mit dem Westen, so geht es nicht wirklich.

Vielleicht aber:

im Süden erklingt noch
ein Lied bis zum Ermüden ..
und es liegt im Westen
ein Grabmal unter Ästen.

Was meinst du?

Ich halte dein Gedicht nicht für Ausschuss!

Lieben Gruß
ELsa
Schreiben ist atmen

Nihil

Beitragvon Nihil » 18.03.2007, 13:40

Liebe Elsa,

ja, so kann ich es stehen lassen, denke ich .. danke!

Ich finde den Text nicht schlecht, aber auch nicht wirklich gut .. also eher Durchschnitt und das Durchschnittliche endet bei mir umgehend als Ausschussware - damit mache ich mir nicht weiter große Mühe .. nicht aus Arroganz, sondern ich muss einfach das Gefühl haben, dass es sich lohnt, weil ich mich ohnehin nur dann dazu aufraffen kann ein Lied aufzunehmen und meistens nicht mal dann .. denn letztlich empfinde ich ohnehin als alles für die Katz. Aber ich mag ja Katzen! ;-)

LG

Nihil
Zuletzt geändert von Nihil am 18.03.2007, 19:45, insgesamt 1-mal geändert.

aram
Beiträge: 4509
Registriert: 06.06.2006

Beitragvon aram » 18.03.2007, 14:54

lieber nihil,

die poesie deiner texte entfaltet sich auch in grenzbereichen

damit meine ich die schwierig-simple reim-richtungsvorgabe ebenso wie die inhaltliche geschlossenheit, die mich stark an den topos vom 'gefallenen mädchen' erinnert -

ich verstehe aber, das du es grundsätzlicher meinst.... und da gehe ich nicht ganz mit; mir fehlt eine fünfte, 'spätere' richtung, scheint die betrachtung insgesamt romantikbefangen (keine textkritik, nur eine anmerkung zum thema)

jedenfalls gefiele mir der text - entgegen deiner intention, wie ich vermute - etwas offen gelassener, würde den schluss des kreises lieber mehr dem leser überlassen, vielleicht eine kleine ambivalenz einbauen -

meine variante dreht also einige bilder anders (und ist nicht so melodisch wie deine) [...und jetzt im letzten moment kam noch eine wilde strophe dazwischen, weil mir da was fehlte]



mädchen im osten
musst von diesem apfel kosten

frau geworden
stehst du im norden

herbst und sommer, frühling, winter
ziehn ins land

im westen schläft
ein grab unter ästen

doch klingt im süden
ein lied zum ermüden




grüße
aram
there is a crack in everything, that's how the light gets in
l. cohen

Nihil

Beitragvon Nihil » 18.03.2007, 15:24

Lieber aram,

romantikbefangen könnte durchaus hinkommen - die Romantik haftet mir an wie die Pest .. :rolleyes:

Eine interessante Variation hast du da geschrieben, ich stelle sie mal oben mit ein .. den Schluss finde ich zwar schön offen, in dem Sinne, dass die Unschuld des Mädchens im Lied bis zum Ermüden weiterklingt - bei mir ist das Grabmal im übrigen nicht die letzte Ruhestätte des Mädchens als vielmehr ihrer und auch meiner Unschuld .. aber irgendwie empfinde ich das Ende, wie soll ich sagen, wie ein Fremdes hintenangesetzt .. obwohl ich optimistischere und zweideutige Enden ja durchaus nicht verschmähe .. insofern wäre die Unschuld des Mädchens im Lied selbst bewahrt, im Sinne der Solveig, die ich in ihr gesehen habe ..

LG

Nihil

P.S.: Die Strophe "herbst und sommer, frühling, winter
ziehn ins land" könnte noch eine Änderung erfahren, was meinst du? Dieser Pfad klingt mir ein wenig ausgetreten ..

aram
Beiträge: 4509
Registriert: 06.06.2006

Beitragvon aram » 18.03.2007, 15:56

lieber nihil, danke für die ehre des nach-oben-stellens -


worauf sich das grabmal in deinem text bezieht, war mir tatsächlich nicht klar - das ist glaube ich auch schwer zu verstehen - vielleicht kannst du es noch deutlicher machen? wäre schlüssel für den ganzen text.

(grabmal klang für mich pathetisch... hatte auch damit gespielt, das grab rauszunehmen und "schnee liegt auf ästen" zu schreiben, aber das passt nicht zur himmelsrichtung und irgendwann mutierte der text vollends zu "richtungen des schulungsraumes" - der titel würde sich schon für meine variante eignen .-)
...ihr ende empfinde ich übrigens nicht 'angehängt', aber ich verstehe, was du meinst.

@ps - klar, die jahreszeitenstrophe ist auch trennblatt oder platzhalter ...nur die reihenfolge ist glaube ich nicht ausgetreten - sie ist nicht zufällig - und es reizte mich, den himmelsrichtungen noch eines draufzusetzen - es könnte aber auch was ganz anderes da stehen - hast du was?



liebe grüße
aram
there is a crack in everything, that's how the light gets in

l. cohen

Perry

Beitragvon Perry » 18.03.2007, 20:02

Hallo Nihil,
da ich selber eher selten reime, will ich mich gerne auch an diesem Himmelrichtungsgedichtwettbewerb beteiligen:

Mädchen im Osten
bald wirst du vom Apfel kosten

stehst dann Frau geworden
hoch oben im Norden

bis dich tief im Süden
der Liebe Lieder ermüden

und ein Grab unter Ästen
auf dich wartet im Westen

LG
Manfred

Nihil

Beitragvon Nihil » 18.03.2007, 20:07

Hi Manfred,

vielen Dank - ein Mitstreiter mehr in unserem kleinen Sonntagsdichtungswettbewerb .. hihi ;-)

LG

Sonntagsdichter Nihil


P.S.: Ich finde deine Version sehr hübsch, wobei ich nochmal sagen möchte, dass das Grabmal im Sinne von "Hier ruht die Unschuld" gemeint ist und nicht im Sinne des Grabes des Mädchens/der Frau/ der Urgroßmutter .. aber gut, das lasse ich mal unter dichterischer Freiheit gelten, gibt aber Punktabzug vom Unparteiischen ;-)


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: Google [Bot] und 12 Gäste