Wiedersehen - Endfassung: Besessen

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scarlett

Beitragvon scarlett » 12.03.2007, 14:03

Besessen

Nichts ist vorbei. Nichts ist vergessen.
Es fließt noch immer dieser Strom,
sobald sich unsre Blicke treffen
(aus sicherem Abstand, wohlgemerkt,
und über die Köpfe der andern hinweg).

Nur über die Lippen geht kein Ton.

Wir schweigen uns weiter an
wie besessen einander zu zeigen,
daß da nichts mehr ist,
als jene namenlose, wunde Stelle,
die uns die Glut einst hinterließ,

an der die wilde, unerlöste Welle
erstickt vom Ascheregen liegt...

Mit Dank an alle Kommentatoren!



2. Version

Nichts ist vorbei. Nichts ist vergessen.
Es fließt noch immer der Lavastrom,
sobald sich unsre Blicke treffen.
(Aus sicherem Abstand, wohlgemerkt,
und über die Köpfe der andern hinweg).

Nur über die Lippen geht kein Ton.

Wir schweigen uns weiter an wie besessen
einander zu zeigen, daß da nichts mehr ist,
als jene namenlose, wunde Stelle,
die uns die Glut einst hinterließ

und wo die unerlöste, wilde Welle
erstickt im Ascheregen liegt...


1. Version

Nichts ist vorbei. Nichts ist vergessen.
Es fließt noch immer der Lavastrom,
sobald sich unsre Blicke treffen.
(Aus sicherem Abstand, wohlgemerkt,
und über die Köpfe der andern hinweg).

Nur über die Lippen geht kein Ton.

Wir schweigen uns weiter an wie besessen
einander zu zeigen, daß da nichts mehr ist,
als dieser Abgrund voll Täuschung und List
um jene namenlose, wunde Stelle,
die uns die Glut einst hinterließ

und die als unerlöste, wilde Welle
erstickt im Ascheregen liegt...


scarlett, 2007
Zuletzt geändert von scarlett am 20.03.2007, 20:10, insgesamt 2-mal geändert.

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 12.03.2007, 14:56

Liebe Scarlett,

hui, ein wahrhaft dramatisches Gedicht!
Es hat großen Schwung, wirkt gereimt, obwohl es das nur stellenweise ist.
Das ist auch das, was mir persönlich nicht so gut daran gefällt.

Ich würde den Schwung beibehalten, aber gar nicht reimen.

Toll!

Lieben Gruß
ELsa
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Mucki
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Beitragvon Mucki » 12.03.2007, 16:25

Liebe scarlett,

das finde ich ein sehr starkes Gedicht von dir. Da ist soviel Wut und Leidenschaft drin, dass man es richtig spürt. Großartig! Das würde ich sehr gerne gelesen hören!
anerkennende Grüße
Mucki
P.S: Ich würde einen anderen Titel wählen. "Wiedersehen" ist zu harmlos m.E.

scarlett

Beitragvon scarlett » 12.03.2007, 17:02

Liebe Elsa,

die Reime habe ich nicht gesucht - die sind mir diesmal einfach so aus der Feder geflossen...
Ich weiß momentan nicht, wie ich das ändern sollte, ohne ein komplett neues Gedicht zu schreiben.
Andrerseits denke ich, daß sie auch die ein flüssiges Lesen begünstigen, sie erscheinen mir wie ein "Auffangen" des ansonsten mir fast aus der Hand gleitenden Themas. Du hast ja die Dynamik selber angesprochen.
Deine Rückmeldung und deine Gedanken haben mich sehr gefreut!

Liebe Mucki,

dein "großartig" freut mich natürlich riesig, auch wenn ich für mich immer zweifle an dem, was ich schreibe (um nicht zu sagen ver-zweifle *g*).
Aber wenn die Wut und Verzweiflung und Leidenschaft rüberkommt, dann bin ich zufrieden, dann habe ich geschafft, worum es mir eigentlich ging.
Ich werde mein Bestes tun, um deinem Wunsch nach einer Lesung nachzukommen, ich drück mich ja schon ewig drumherum...(ja, ich weiß, da stehen auch noch ein, zwei andere Wünsche an von früher und von anderen geäußert...).
In zwei Wochen, wenn ich mein Projekt abgegeben habe, an dem ich eigentlich arbeiten sollte statt Gedichte zu schreiben *ggg*, nehme ich den Kampf mit der Technik auf. Versprochen.

Ja, der Titel: der ist nicht optimal, da haste recht, hast du evtl. eine Idee?

Danke, danke, danke!!!

Grüße euch beiden,

scarlett

Mucki
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Beitragvon Mucki » 12.03.2007, 17:52

Liebe scarlett,

mir würde als Titel "Besessen" gut gefallen. Was meinst du?
Saludos
Mucki

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 12.03.2007, 17:53

Liebe Scarlett,

ich hätte schon ein paar Ideen, von außen gesehen.
Aber ich weiß nicht, ob du das möchtest und auch nicht, ob du das hier möchtest
oder lieber in der Werkstatt.

Ich sag nochmals: Klasse diese Kraft!

Lieben Gruß
ELsa
Schreiben ist atmen

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 12.03.2007, 19:00

Laß doch den Text in Klammern weg. Das bringt nur Unsicherheit rein, wo doch alles so gut dasteht!

'Nichts ist vorbei, vergessen.', wäre auch möglich.

Und das letzte 'und' hat auch keine Berechtigung.

Meint ganz persönlich

Moshe

Max

Beitragvon Max » 12.03.2007, 21:28

Liebe Scarlett, lieber Moshe,

Du schreibst (Moshe)

Laß doch den Text in Klammern weg. Das bringt nur Unsicherheit rein, wo doch alles so gut dasteht!


Ich möchte Dir da widersprechen. Die Klammern finde ich hier ein gelungenes Stilmittel (es mag sein, dass mein Wohlwollen dabei davon beeinflusst ist, dass ich sie selbst erst kürzlich für mich entdeckt habe). Sie ziehen eine zusätzliche Ebene in den Text, den des Kommentatoren, eines Sprechers, der von dem "wir" zumindest nicht unmittelbar betroffen ist. Das lyr. Ich nämlich finde ich im Gegensatz dazu eher "unlyrisch", also ein unlyrisches Ich: es beschreibt und wenn es aus dem reinen Beschreiben herausgeht, dann sind die verwendeten Bilder etwa "Lavastrom" , "Ascheregen" oder "Abgrund voll Täuschung und List", Metaphern, die nicht wirklich neu sind. Auf dieser Ebene lese ich da - vielleicht zu unrecht - viel Noch-nicht-ganz-Verarbeitetes, ein sich Luft machen, das selbstverständlich notwendig ist, aber nicht immer Garant für ein gelungenes Gedicht.

Liebe Grüße
Max

scarlett

Beitragvon scarlett » 13.03.2007, 08:23

Liebe Mucki,

das wäre eine Überlegung wert mit dem "Besessen" - auch wenn es mir vielleicht eine Spur shcon zu stark in den Text dringt, ihn vorwegnimmt. Ich grüble noch...

Liebe Elsa,

ja nur heraus damit, mit den Ideen, am besten hier, direkt beim Gedicht (ich sehe keinen Grund für die Werkstatt). Vielleicht äußert sich ja dann noch der eine/andere zu einem möglichen neuen Titel.

Lieber moshe,

den Text in der Klammer kann ich nicht weglassen - er beinhaltet nicht nur eine zusätzliche andere Ebene wie Max das ja auch gesehen hat, er liefert auch noch einen Hinweis über die Art des "Zusammentreffens" lyrIch/lyrDu. Außerdem mag ich die Doppeldeutigkeit von "über den Köpfen der anderen hinweg"... Das ist mir wichtig.

Die erste Verszeile zusammenzuziehen wäre dann nicht mehr so eindringlich. Die Wiederholung des "nichts" ist schon gewollt und die zwei kurzen Sätzen - finde ich - bringen das Atemlose, das Rastlose, die Dynamik besser rüber....

Was das letzte "und" betrifft - zwei Relativsätze folgen aufeinander, ich wollte einfach den Übergang weicher gestalten durch das vorgeschobene "und". Ich bin mir nicht sicher, ob ein Weglassen hier gut wäre... ich denke noch...
Merci fürs Lesen und deine Gedanken/Anregungen zu meinem Text.

Lieber Max,

ja die Klammer muß schon bleiben, schön dass du das ebenso siehst.

Wenn ich den Rest deines Kommentars richtig verstanden habe, dann empfindest du das Gedicht als nicht gelungen, wegen des zu unlyrischen Ichs und der nicht "wirklich neuen Metaphern".
Nun denn, ich weiß ehrlich nicht, was ich dazu sagen soll - außer dass ich es gut finde, dass du mir deine Lesart gezeigt hast und woran es möglicherweise "hakt" in meinem Gedicht.
Unnötig wohl zu sagen, dass ich da ganz anders empfinde und die Dinge auch anders sehe (v a auch was die Metaphern anbelangt).

Dank dir jedenfalls für die Rückmeldung! Ich werde deine Worte noch etwas "sacken" lassen- und neu überdenken.

Liebe Grüße euch allen,

scarlett

Max

Beitragvon Max » 13.03.2007, 09:54

Liebe Scarlett,

ich finde es bei der Qualität, die hier im Salon herrscht nicht so wichtig und auch nicht die richtige Skala, Gedichte in gelungen und nicht-gelungen einzuteilen.
Umgekehrt möchte ich eben nicht verhehlen, dass ich an dem Gedicht im jetzigen Zustand noch die geäußerte Kritik habe. Was die Originalität der Bilder angeht, so fiel mir gerade spontan ein, dass selbst Heinz Rühmann (der berühmte Dichter ;-) ) in seinem "Ich brech' die Herzen der stolzesten Frauen" die Zeile "Mein Blut ist Lava" eigentlich nur ironisch verwenden kann - und so ist auch Dein "Lavastrom" bei mir zunächst angekommen. Es verweist nur nichts darauf, dass es ironisch gemeint wäre (und ich glaueb es auch nicht ...).

Liebe Grüße
max

aram
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Beitragvon aram » 13.03.2007, 11:08

liebe scarlett!

dieses thema spricht mich an (tja...)

du hast klassische, starke bilder dafür gefunden.

die wie heiße kartoffeln sorgsam behandelt sein wollen (ähm, was sag ich da?...)

manches finde ich 'zu genau' benannt/bewertet (täuschung und list)

auch dass der aschenregen immer noch stattfindet, kann ich mir nicht vorstellen (auch das war doch schon, oder?)

...ich finde, die bilder dieses textes passen nicht ganz zur prosanahen sprache mit kommas und allem drum und dran...dadurch wird es etwas 'episch' und diese ausführlichkeit gerät in konflikt mit intensiven ein-wort-bildern wie "lavastrom" ...ich finde, wenn ausführlich in bildern 'erzählt' wird, werden sie kitschig - das liegt mehr am umgang mit bildworten als an ihnen selbst...
der text ist nach meinem emfinden als ganzes nicht kitschig. er hat erklärung/umschreibung/beiwerk, durch das ich als leser durch muss und das vom geschehen eher ablenkt.

ein ansatz, das material anzuordnen -
(nur um damit zu spielen, nicht als empfehlung)



wiedersehen


nichts

vorbei und nichts
vergessen

wenn sich wie belanglos unsere blicke treffen
(über die köpfe der anderen hinweg)

lavastrom
über die lippen geht kein ton

zu zeigen dass da nichts mehr ist
als dieser abgrund

um die wunde an der stelle
die wild als unerlöste welle

unter geregneter asche liegt






kernbohrung

wiedersehen. nichts. lavastrom.


- je mehr ich mich damit beschäftige, umso schwieriger wird doch der lavastrom. obwohl ich den begriff für das geschehen durchaus angemessen finde. aber es ist schwer, so zu sprechen. da ist deine originalversion im grunde konsequenter, weil sie sich darum nicht 'schert' - nach meinen versuchen gefällt sie mir nun am besten.

liebe grüße
aram
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Elsa
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Beitragvon Elsa » 13.03.2007, 11:26

Liebe Scarlett,

ok, dann hier meine Idee dazu:

Nichts ist vorbei oder vergessen.
Es fließt noch immer sobald sich
unsre Blicke treffen.

(Aus sicherem Abstand, wohlgemerkt,
und über die Köpfe der andern hinweg)

Nur über die Lippen geht kein Ton
wie besessen zusammen gepresst

einander zu zeigen, daß da nichts mehr ist
außer Abgrund um jene namenlose
Wunde, die uns die Glut einst hinterließ

als unerlöste, wilde Welle
erstickt im Ascheregen ...


Angeregte Grüße,
ELsa
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Beitragvon Mucki » 13.03.2007, 11:32

Hallo Max,

was bitte hat dieses leidenschaftliche Gedicht von scarlett mit Heinz Rühmann zu tun? Auch wenn der Lavastrom vielleicht vorkommt. Ich kann mich nicht mehr an den genau Text von Rühmann erinnern. Du vergleichst hier "Paprika" (scarletts Gedicht) mit "weißen Bohnen", deren Verfallsdatum bereits abgelaufen ist. (Rühmann)

Hallo aram,

deine Fassung ist total langweilig. Da ist keine Emotion, keine Wut, gar nichts mehr drin. Wo ist Kitsch in scarletts Gedicht? Ich sehe keinen. Der Lavastrom, der Ascheregen, die Glut, alles passt für mich genau da rein, weil es hier um Emotion pur geht.
Saludos
Mucki

aram
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Beitragvon aram » 13.03.2007, 11:38

hallo mucki,

ich wäre auf deine emotionalen texte gespannt...

(für Dich geht es um emotion ...aber emotion ist nicht auf worte angewiesen. literatur schon. deshalb sind deine texte genau so langweilig wie meine.)

aram
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l. cohen


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