Jede andere Stadt - Teil Vier

Bereich für Erzähl- und Sachprosa, also etwa Kurzgeschichten, Erzählungen, Romankapitel, Essays, Kritiken, Artikel, Glossen, Kolumnen, Satiren, Phantastisches oder Fabeln
Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 10.03.2007, 23:40

In der Werkstatt.
Zuletzt geändert von Paul Ost am 09.05.2007, 21:27, insgesamt 4-mal geändert.

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 11.03.2007, 10:43

Hallo Paul,
neues Photo?
neue Frauen im Text, sehr gut.
habe auch diesen teil gerne gelesen. Nur kurz ein paar Anmerkungen:

Wieder so eine Aussage, die ihm durch und durch ging. Sie konnte nicht wissen, was er schon alles erlebt hatte.

hat mich beim Lesen gestört, es klingt so bedauernswürdig.

„Kein Wunder, dass es in Deutschland nicht mehr genug Lehrer gibt. Alle Abiturienten wollen Häuser bauen.“

für mich ein überflüssiger Satz

jetzt hat paul also sein aschenbrödel bekommen, aber nicht geliebt. schade.

Den restlichen Sonntagnachmittag verbrachte Paul in der alten Nationalgalerie. Im linken Treppenhaus hing ein gewaltiges Gemälde aus dem neunzehnten Jahrhundert, von dem er nicht genug bekommen konnte. Die Jagd nach dem Glück. Ein Reiter galoppiert über einen schmalen Steg. Dicht an seiner Seite reitet auf einem schwarzen Gaul der Tod und holt mit seiner Sense aus. Doch der Reiter achtet weder darauf, dass der Tod nach ihm greift, noch darauf, dass der Steg direkt über einem Abgrund abbricht. Es ist ihm auch gleichgültig, dass er eine unschuldige junge Frau niederreitet, die sich ihm schützend in den Weg stellen wollte. Er greift mit seinen Händen nach etwas, dass er jenseits der Schlucht, in die er sogleich stürzen wird, vermuten mag.

hat mir sehr gut gefallen, da es von der Alltagsbetrachtung abweicht

Wie sehr er dieses Leben hasste.

Sorry, gräßlicher Schlußsatz, schon zu oft gehört löst bei mir ein "ohh der arme, arme Paul" aus.

Die Betonung darauf, dass die Frauen jung und hübsch (und unschuldig) sind, ist mir ein wenig zu viel. Ist Paul schon in der midlife crisis?

sonntagsgrüße smile

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 11.03.2007, 12:28

Hallo smile,

da hast Du aber schnell gelesen.

Ist Paul schon in der midlife crisis?


Mittlerweile gibt es vor der midlife crisis der achtziger Jahre eine quarterlife crisis! :mrgreen:

Was das Selbstmitleid angeht... Hmh... Ich habe, um mal die Wahrheit zu sagen, das Lesen mit Wolfgang Hohlbein gelernt. Als zwölf- oder dreizehnjähriger las ich alle zehn Bände der Reihe über Ska den Satai (kein Scherz). Ich glaube, das hat bei mir Spuren hinterlassen.

Ansonsten ist es ein wenig schwierig für meine Leser/innen, weil ich so manchen Teil der Geschichte bislang nur vorgedacht habe. Ich hoffe, dass am Ende die Zahnräder ineinander greifen werden. Im Moment sind die Sprünge zwischen den verschiedenen Zeitebenen und die Rückgriffe auf Erinnerungen, die noch nicht geschildert wurden, sicher ein wenig mühsam.

Übrigens klemmt an meiner Tastatur schon die p-Taste. Ich glaube, das will mir etwas sagen.

Aber gut, ich schreib den letzten Satz mal um.

Grüße

Paul

aram
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Beitragvon aram » 11.03.2007, 13:50

lieber paul ost,

am anfang bin ich über zwei details gestolpert - fremde junge frau: sollte es individuell gemeint sein, mit komma zwischen den adjektiven - ansonsten kingt "junge frau" stereotyp - vielleicht soll das pauls charakterisierung dienen; mich hat's irritiert, frage mich, wie alt er selbst denn sein soll.

labiodental im Anlaut und dann ein Vokal mit ungerundeter Zungenstellung am Schluss: Leia, Linda, Lara, Laura oder Lena. Es gab genug davon, wahrscheinlich deshalb, weil sie sich so schön flüstern ließen.

- was würde paul zu "larissa" sagen?

szenenwahl und erzählstil gefallen mir gut.

zuende gelesen hab ich nicht, aber das ist bei prosa oft so - ich bin etwas unsicher, ob du auf detailanmerkungen in einem solchen fall überhaupt wert legst - ?

liebe grüße
aram
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l. cohen

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 11.03.2007, 14:58

Lieber Aram,

ich freue mich über jede Anmerkung, selbst wenn Deine Bemerkung, Du habest den Text nicht zu Ende gelesen, meinem Ego natürlich einen leichten Stich versetzt haben mag. Aber genug davon.

Hoffentlich hast Du wenigstens den Mann ohne Eigenschaften "zu Ende" gelesen, da Du so löblich von ihm sprichst.

Was das Komma zwischen den Adjektiven betrifft, ist dies die einzige Regel, die ich trotz zahlreicher Erklärungsversuche bislang noch nicht begriffen habe. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf.

An dieser Stelle geht es nicht um Stereotypen, sondern um Trends. Eine junge Frau ist eben eine Frau, die noch jung ist. Eine halbe Generation zwischen Erzähler und beschriebener Frau reichen da als zeitliche Distanz aus.

Ab dreißig ist wohl niemand mehr jung. Egal wie sehr man sich das wünschen mag. Ich verweise auf Thomas Bernhard, der das irgendwo - Sorry, Gedächtnislücke - mal wunderbar beschrieben hat.

Was den Namen Larissa angeht: Die Zunge beschreibt einen Bogen im Mund und legt sich am Ende herrlich ermattet nieder. Ergo: Klingt gut. Ganz anders als Friederike!

Grüße

Paul

aram
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Beitragvon aram » 11.03.2007, 15:56

Paul Ost hat geschrieben:Hoffentlich hast Du wenigstens den Mann ohne Eigenschaften "zu Ende" gelesen, da Du so löblich von ihm sprichst.


lieber paul,

den mann ohne eigenschaften hätte ich tatsächlich gerne zu 'ende' gelesen - eines der bücher, das ich in ungebrochener chronologie lesen wollte.
(bei den teils kaum von einander abweichenden, sich auffächernden kapitelvarianten wurde es schwierig. innerhalb der entwurfsskizzen, in denen für einen substantiellen teil der wörter nur noch private kürzel stehen, musste ich irgendwann beschließen, zu lesen aufzuhören.)

möglicherweise hat mich das geprägt - wurde ich sozusagen gegen meinen willen gezwungen, mich als leser zu emanzipieren.-)

(vielleicht bin ich einfach musil-geschädigt. nimm es also bitte nicht persönlich... wenn die 'jede andere stadt'-serie mal abgeschlossen und zusammenhängend zu lesen ist, werde ich das gerne tun, weil sie mich im ganzen interessiert.)

sonntagnachmittagsgrüße
aram
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l. cohen

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 11.03.2007, 16:15

Lieber Aram,

da haben wir wohl eine sehr ähnliche Lese-Sozialisations- und Emanzipationsgeschichte. Auch ich habe nicht alle Varianten des Mannes ohne Eigenschaften gelesen, obwohl ich früher ein beinahe professionelles Interesse darin hatte.

Grüße

Paul

aram
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Beitragvon aram » 11.03.2007, 16:57

lieber paul, das bemerke ich erst jetzt:

Was das Komma zwischen den Adjektiven betrifft, ist dies die einzige Regel, die ich trotz zahlreicher Erklärungsversuche bislang noch nicht begriffen habe.

-na, dann versuche ich es auch mal:

eine fremde, junge frau ist eine frau, die sowohl fremd als auch jung ist. eine fremde junge frau ist eine junge frau, die fremd ist - im zweiten fall wird "frau" als selbständig aussage tragender begriff zurückgestellt und durch die begriffliche einheit "junge frau" ersetzt. diese schreibweise ist damit näher am stereotyp.

hm, tatsächlich nicht so einfach zu erklären. ...trotzdem m.e. eine der sinnvollsten kommaregeln im deutschen, weil sich "begriffliche vorstellung" mit ihr differenziert abbilden lässt.

@larissa - lässt sich dieser name nun nach pauls kriterien gut flüstern oder nicht - ich dachte, der zischlaut spräche dagegen?

fortgesetzte sonntagsgrüße
aram
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Mucki
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Beitragvon Mucki » 11.03.2007, 17:23

Was das Komma zwischen den Adjektiven betrifft, ist dies die einzige Regel, die ich trotz zahlreicher Erklärungsversuche bislang noch nicht begriffen habe.


Man kann es auch einfacher erklären. Wenn das erste Adjektiv das zweite Adjektiv beschreibt, dann kommt kein Komma dazwischen. Sollen aber beide Adjektive für sich getrennt stehen, kommt ein Komma dazwischen.
Saludos
Mucki

aram
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Beitragvon aram » 11.03.2007, 17:38

Man kann es auch einfacher erklären. Wenn das erste Adjektiv das zweite Adjektiv beschreibt, dann kommt kein Komma dazwischen.

in diesem fall wäre "fremd" eine beschreibung von "jung"...
- fremde jugend?

grüße
aram
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Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 11.03.2007, 17:56

Lieber aram,

ich habe Muckis Erkärung ein wenig verstanden. Deine Erklärung überfordert mich völlig. Dein Einwand gegen Muckis Erklärung könnte nun bedeuten, dass sie nicht stimmt. Was soll ich denn jetzt schreiben?

Sie ist fremd und jung und eine Frau. Also ist sie eine fremde, junge Frau und eine fremde junge Frau. Was soll ich da differenzieren? Beides ist gleichermaßen richtig. Nach Muckis Erklärung müsste ich ein Komma setzen, weil sie eben eine fremde und junge Frau ist. Das fremd beschreibt die Frau, nicht aber, dass sie jung ist.

Was den Namen Larissa angeht, lieber Aram, so kannst Du auch diese Regel differenziert betrachten. Paul könnte so argumentieren:

Wenn der Name mit einem "L" anfängt und mit einem "a" aufhört, dann ist das sehr schön. Das anstrengende "i" in der Mitte fällt nicht so ins Gewicht.

Du kannst Dir auch einfach denken, dass der erzählte Paul ein Spinner ist, der gerne allgemeingültige Aussagen von sich gibt, die sich durch angeführte Einzelfälle jederzeit widerlegen lassen.

Grüße

Paul

Mucki
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Beitragvon Mucki » 11.03.2007, 18:02

Hallo aram,

Man kann es auch einfacher erklären. Wenn das erste Adjektiv das zweite Adjektiv beschreibt, dann kommt kein Komma dazwischen.

in diesem fall wäre "fremd" eine beschreibung von "jung"...
- fremde jugend?


Nein, deshalb kommt ja hier ein Komma rein: eine fremde, junge Frau, weil das Adjektiv "fremde" eben nicht das Adjektiv "junge" beschreibt, sondern beide Adjektive für sich getrennt zu lesen sind.

Sorry, Paul, für das Offtopelgemoppel hier. Aber vielleicht hilft es dir ja weiter in der Kommafrage zwischen zwei Adjektiven.
Saludos
Mucki

aram
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Beitragvon aram » 11.03.2007, 18:12

deshalb kommt ja hier ein Komma rein:



liebe mucki, lieber paul,

ohne komma ist es aber auch nicht falsch.

nur ist dann die [junge frau] fremd - (in der mathematik würde man klammern setzen) - aber ich nehme zur kenntnis, dass meine erklärung überfordert...

(soviel zu diesem detail, ich möchte es nicht weiter ausbreiten)

liebe grüße
aram
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l. cohen

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 12.03.2007, 22:27

Hallo zusammen,

so ist das also! Da spricht Herr aram ein Machtwort und der Faden ist tot. Leider bin in punkto Zeichensetzung immer noch nicht schlauer geworden.

Was die Jagd nach dem Glück angeht, so liebe ich dieses Gemälde wirklich. Ich weiß nicht, warum es mich so fasziniert, aber wenn ihr mal in der alten Nationalgalerie einen Typen seht, der sich nicht vom Fleck bewegt und einfach auf der Treppe sitzten bleibt, es könnte sich um Paul handeln.

Grüße

Paul

Darf ich das mal so anhängen?

http://www.smb.spk-berlin.de/smb/media/ ... allery.jpg


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