Vorbei

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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Schwarzbeere
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Beitragvon Schwarzbeere » 06.03.2007, 15:00

Vorbei ...siehe auch Hörbar!

Bei dir hab ich mich wie daheim gefühlt.
Was heißt das schon: gefühlt – daheim - bei dir?
Wenn die Begierde einmal abgekühlt,
hebt Unruh oder Gleichmut das Visier.

Erinnerst du dich noch der ersten Stunden,
die wir verwirrt zerredet und verdeutet,
denn unser Wort war, unser Sinn gebunden;
wir fühlten edel uns - und ausgebeutet.

Dann jene Zeit, in der wir alles hatten,
wovon wir einst geträumt, doch nie geglaubt,
dass wir so bald am Glücke uns ermatten
und unser reines Liebeslicht verstaubt.

So wurden aus den Lenden Schenkel wieder,
und Beine, die einst Fingerkuppen reizten,
zu Gehwerkzeugen, ganz banale Glieder,
die früher nicht nur aus Routine sich spreizten.

Am Sonntag lagen wir im Bett und dachten,
ob wohl der große Rausch vorüber sei?
Das war's, was nun? so meint ich und wir lachten
und lebten weiter, als wär nichts dabei
.




(Ich weiß, dass Kästners Sachliche Romanze besser ist!)
Zuletzt geändert von Schwarzbeere am 07.03.2007, 16:47, insgesamt 1-mal geändert.

Hakuin

Beitragvon Hakuin » 06.03.2007, 20:15

schwarzbeere,

dein text zeigt mir gereifte weisheiten und auch zw den zeilen ein dagegen halten,
oder besser eine haltung die vielleicht die ersten stunden bewahren kann.

salve
hakuin

setzung etc. sind für mich gelungen, für mich...du weisst schon ;-)

salve
hakuin

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leonie
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Beitragvon leonie » 06.03.2007, 20:49

Lieber Schwarzbeere,

ich dachte tatsächlich schon beim Lesen an Kästner und fand es dann lustig, unten Deinen Hinweis vorzufinden.

"Gereifte Weisheiten" trifft es ganz gut, ein Schuss Melancholie, aber auch Humor.
Zu den Reimen werden sicher andere was schreiben, die sich da besser auskennen als ich...

Liebe Grüße

leonie

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 06.03.2007, 22:13

Lieber Schwarzbeere,

Dein Lieblingsthema, was? Bei einer Zeile kam ich ins Stolpern:

die früher nicht nur aus Routine sich spreizten.


Wie wäre es stattdessen mit "die früher nicht nur die Routine spreizte".

Sonst leuchtet Deine sachliche Romanze ein und ist gut umgesetzt.

Grüße

Paul

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 08.03.2007, 11:35

Liebe Schwarzbeere,

mich hat deine Hörversion wieder hierher zurückgeführt. Ich las diesen Text schon einmal hier und verliebte mich in die beiden ersten Zeilen:


Bei dir hab ich mich wie daheim gefühlt.
Was heißt das schon: gefühlt – daheim - bei dir?


Toller Rhythmus, kommt schlicht daher und doch schwingt da soviel mit...finde ich genauso gut bis hierher wie Kästners Romanze ;-))).

Dann fiel der Text für mich etwas ab. Er wird nicht schlecht, aber er fängt mich auch nicht, wirkte auf mich insgesamt tautologisch.
Dann stelltest du die Hörvideoversion ein (übrigens stilvoll gemacht, mit dem schwarz um dich her, das hat was!) und ich muss sagen: Es war ein echter Genuss für mich. Leonie schrieb das glaube ich irgendwo: Theoretisch hätte es auch für mich zu langsam sein müssen, aber es war stimmig so!).

Wenn ich den Text jetzt noch einmal lese, nur für mich, ohne deine Stimme im Ohr/ohne deinen Vortrag vor Augen, dann legt sich schon dieser Schleier von genuss über es, auch wenn es immer noch nicht so ganz für mich die Form hat, dass ich es ohne Umschweife verstehen kann, es mich hineinnimmt. Aber ich denke jetzt, das liegt einfach am Geschmack und nicht am gelungen oder nicht gelungen.
Denn technisch ist der Text wunderbar aufbereitet.

Hui, ich hoffe, du fasst das jetzt nicht als Gegenkommentar zu deinem neulich auf. Es sollte eine Annäherung sein und es hat mir Freude bereitet.

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Niko

Beitragvon Niko » 08.03.2007, 11:58

hallo schwarzbeere!
das ist ein tolles gedicht. inhaltlich im groben treffend, am ende schwingt bitterkeit mit. so ist es wohl. ist es so? und muss es so sein? hat man es nicht immer selbst in der hand, sein schicksal zu wenden? - aber der mensch ist bequem. und eine liebe ist arbeit. tägliche arbeit......
du siehst....da kommen eine menge gedanken, die du anschubst.
zwei dinge sind mir aufgefallen:

zu Gehwerkzeugen, ganz banale Glieder,
die früher nicht nur aus Routine sich spreizten.

meiner meinung nach muss nach "gehwerkzeugen" ein punkt, oder aber es müsste heißen: "zu gehwerkzeugen, ganz banalen gliedern,......."

lieben gruß: Niko

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Schwarzbeere
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Beitragvon Schwarzbeere » 08.03.2007, 16:40

Lieber Paul Ost

wie man den Begriff des Lieblingsthemas auch interpretieren will, du kannst jeweils damit Recht haben, doch will ich nur als Variante hinzufügen, dass es letztlich der Gesichtswinkel ausmacht, unter dem man ein Thema betrachtet, und wenn also das Thema Mann/Frau ist, dann kann die spezielle Betrachtungsweise von der Überlegung ausgehen, dass Familiengründung mit Anspruch auf Dauer bei unseren Feuersteinahnen vielleicht leichter übersehbar war als heute, wo die Lebenserwartung wohl das Doppelte oder Dreifache jener Urzeitwesen betragen dürfte.

Trotzdem hat jeder von uns einmal (oder auch häufiger!) das „alle Lust will Ewigkeit“ als verwirklichbar betrachtet, weil wir eben unseren Wahn lieben.

Das Nachtleben scheint mir nicht zu bekommen,denn ich erlebe es jetzt wiederholt, dass ich eine Stellungnahme wörtlich vor mir sehe, doch wenn ich sie dann gelegentlich nachlesen will, existiert sie nicht. Vielleicht in ich schon leicht „gaga“? So meine Antwort auf deinen Vorschlag, die ich nicht mehr finden kann, außer in meinem Kopf: ich finde den Reim „eiz“ interessant, doch um „spreizte“, das du in deiner zugegebenermaßen gefälligeren Variante verwendest, einzusetzen, müsste ich wahrscheinlich die ganze Strophe umbauen, und ich habe und hatte hierfür verschiedene Alternativen überlegt, da diese Strophe, mit der die Ernüchterung ausgedrückt wird, mich ein wenig plagte. Ich werde weiter daran denken.

Dir vorläufig Dank und Grüße. Schwarzbeere

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Schwarzbeere
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Beitragvon Schwarzbeere » 08.03.2007, 16:43

Liebe Lisa

Hätte ich die Hörfassung gleich eingestellt, dann wäre dies vielleicht höflicher gewesen, als so die Aufmerksamkeit durch ein „doppelt hält besser“ zu forcieren. Allerdings hätte dann die Überlegung zum Wert eines Textes und dessen mögliches „Aufmascherln“ durch Bei– oder Zugaben nicht stattgefunden.

Ein Gedicht ist eine Sprachstruktur und sollte eigentlich als solche abgewogen werden. Das sagte ich auch so ähnlich in meinem Kommentar zur Pantherkomposition von Lilly-Rose.

Wenn es mir aber gelungen ist, durch welche Mittel auch immer, dir ein von dir geschätztes Erlebnis zu vermitteln, dann ist alles gerechtfertigt, oder?

Liebe Grüße. Schwarzbeere

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Schwarzbeere
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Beitragvon Schwarzbeere » 08.03.2007, 16:45

Lieber Niko,

Danke für deine Stellungnahme und ich stelle fest, dass meine 4. Strophe, wie ich es fast annahm, sprachlich anrempelt. Ich kann einwenden
So wurden …. Beine… ganz banale Glieder
da ich Glieder[rainbow]n[/rainbow] als Reim zu „wieder“ nicht verwenden kann.
Der von Dir vorgeschlagene Punkt ist zwar auch nicht ganz berechtigt, doch erwägenswert. In der „Kritischen Gesamtausgabe“ meiner Werke, die für 2031 programmiert werden sollte, möchte ich deinen Kommentar als Begründung für eine Letztfassung eingebaut sehen!

In guter Laune sende ich dir freundliche Grüße. Schwarzbeere

Niko

Beitragvon Niko » 08.03.2007, 17:55

In der „Kritischen Gesamtausgabe“ meiner Werke, die für 2031 programmiert werden sollte, möchte ich deinen Kommentar als Begründung für eine Letztfassung eingebaut sehen!

ich würd heute und vorab schon ein exemplar bestellen wollen, aber...........ob ich 2031 noch erlebe? dann wäre ichso an die 80 jahre.....und wahrscheinlich dem demenz anheimgefallen..........
aber somit werde ich als kommentator in die annalen der geschichte eingehen. ich danke heut schonmal dafür. mit alzheimer erinnere ich mich ja nicht mehr dran!

grüße......peter.......norbert......fritz....ach herr.......ähem......du weißt schon wer... :mrgreen:

königindernacht

Beitragvon königindernacht » 08.03.2007, 21:16

Och,

ich möchte auch ein Exemplar. Aber auch von Band Zwei: "Unkritisches..." :-)
Zauberhaft- auch ohne Kästner!

"die früher nicht nur aus Routine sich spreizten." Nur hier stimmt der Rhythmus nicht.
Vorschlag: "die einst sich nicht nur aus Routine spreizten"

Herzlichst, die KÖ

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Schwarzbeere
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Beitragvon Schwarzbeere » 14.03.2007, 23:22

Liebe Kö,

werde meinen Nachlassverwalter entsprechend instruieren!

Du hast den Metrumfehler aufgedeckt, der sich bei mir nicht zeigte, als ich den Text durchhörte, da ich Routine als "ru'ti:n" aussprach, was aber keine Entschuldigung darstellt, da dieses Wort durchaus eingedeutscht und daher als Routine ausgesprochen werden sollte, sollte aber vielleicht nicht muss?

Ich werde mir das "einst" überlegen.

Danke und schönen Abend. Schwarzbeere


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