Von brennenden Klavieren, schlaksigen Liebhabern und ungeschickten Kellnern (Teil I)
Der Kunstgenuss hierzulande hat einen hohen Preis. Das ist hinlänglich bekannt und scheinbar nicht zu ändern. Als kinderreiche Familie genießen wir Kunst daher eher häppchenweise. Der Kinobesuch - Entrée, Theatervorstellungen als leichte Zwischenmahlzeit. Nur manchmal überkommt uns die Lust auf das große Fressen. Den kulturellen Schweinsbraten mit fettiger Kruste. Wir leisten uns Karten für die königlich sächsische Oper.
Wenn wir die auserwählte Vorstellung dann endlich besuchen, befinden wir uns stets in der gleichen Gesellschaft. Links oder rechts von uns nimmt ein asthmatischer älterer Herr Platz, der jeden einzelnen Akt mit unterdrücktem Hüsteln, Röcheln und Stöhnen eindrucksvoll untermalt. Ich bin sicher, er würde auch in der MET, in der Mailänder Scala oder im Sydney Opera House neben uns sitzen. Fragen Sie mich nicht, wie er das macht. Er ist einfach da und hustet Schleim ab.
Natürlich ist er nicht allein. Seine Gemahlin trägt zumeist ihren Teil zur Gestaltung der akustisch-terroristischen Hintergrundkulisse bei. Sie versucht mit arthritischen Fingern ein mehrfach bandagiertes Bonbon auszuwickeln. Es gelingt ihr in den seltensten Fällen. Wenn doch, beginnt sie sofort, ein zweites zu enthüllen. Für den Schnarchhüstelröchelgatten. Oder sich selbst. Ich weiß es nicht. Es ist ja dunkel im Musentempel, und außerdem rede ich mir in solchen Momenten innerlich gut zu, um mich auf das Bühnengeschehen zu konzentrieren. Selbsthypnose nennt man das wohl in Fachkreisen.
Die Erfahrung lehrt mich, dass es noch einen zweiten Typ Asthmatikergattin gibt. Den fürchte ich fast noch mehr. Diese Dame hat über Jahre Parfümflakons gesammelt, alle Arten, Douglaspröbchen und milde Apothekergaben, und hüllt sich am entscheidenden Abend in eine Wolke diverser Duftwässerchen. Ein Parfümblend wallt aus ihrer Robe. Man kann mit dem Programmheft wedeln. Sich das Taschentuch an die Nase quetschen. Es hilft alles nix - kein Entkommen. Man erlebt die Vorstellung im Zustand einer nahenden Ohnmacht. Eine olfaktorische Katastrophe. Gelingt es einem, aus dem Chanel Nr 5, Naomi-Irgendwas und 4711 – Nebel kurz aufzutauchen, hört man den Opi röcheln. Kunstgenuss hat einen hohen Preis.
Diesmal jedoch, hören und staunen Sie, war alles anders. Kein angegrauter Herr in unserer näheren Umgebung. Nur mittelalterliche Dämlichkeiten mit uns auf dem Rang. Allesamt dezent parfümiert. Noch kein Knistern zu vernehmen. Kein Reizhusten. Ich begann mich zu entspannen und lauschte der Ouvertüre. Ich lehnte mich an die Schulter des Gatten und genoss, wie Belmonte seine Konstanze aus dem Palast des Bassa befreien wollte. (Nebenbei bemerkt: Er gefiel mir nicht. Der junge „Spanier“ maß zwei Meter zehn und schlakste sehr unfeurig über die Bühne. Vollkommen unverständlich war mir außerdem, dass irgendjemand ihm ein betonfarbenes Sepplbeinkleid angehost hatte. Er erinnerte mich an Pinocchio. Burattino. Kasperletheater. Aber gut. Wenigstens hustete und knisterte niemand. Es ist nie alles beisammen, wie meine Mutter zu sagen pflegt. Man muss auch zufrieden sein können.)
Ich war es zufrieden. Der Bassa versuchte, Konstanze für sich zu gewinnen. Biss dabei auf Granit. Sie liebt den Kniebundhosenadligen nun mal. Nun gut. Soll sie. Ich verstehe es nicht.
Der Bassa schenkt ihr immerhin ein Klavier. (Und Kunst hat ihren Preis!!!)
Doch was macht er nun? Ich traue meinen Augen kaum. Er zündet das Klavier an. Es brennt lichterloh. Ich hoffe insgeheim, dass man an den Ausgängen Feuerwehrmänner postiert hat (Stichwort: Brandschutzverordnung) und sehe vorsichtig nach links und rechts. Die uns garnierenden Damen starren mit offenen Mündern und schreckensgeweiteten Augen auf die Bühne. Niemand hustet. Niemand raschelt. Gespenstische Stille. Es beginnt, nach Qualm zu stinken. Eine Sekunde lang sehne ich mich nach dem vertrauten Duft von 4711. Offenbar hat aber alles seine Ordnung. Das Klavier brennt eindrucksvoll ab. Ein Aschehaufen bleibt zurück. Die Kosten scheinen im Kartenpreis inbegriffen zu sein (Das würde das Preisniveau erklären!). Mich überfällt angesichts meiner entgeisterten Nachbarinnen der Drang zu lachen. Ich unterdrücke ein Kichern. Mühsam. Ich bin fast schon so schlimm wie der heute abwesende kranke Opa. Mein Gatte stößt mich in die Seite. Ich möge sofort damit aufhören. Was das soll, frage ich leise bei ihm an. Die Flammen seien ein Bild für die Vergänglichkeit, zischt er zurück. Aha. Und Kniebundhosen sind ein Symbol für Leidenschaft. In der Oper husten zeugt von gutem Benehmen. Völlig neue Erkenntnisse.
Auf dem Nachhauseweg philosophieren wir über den Brand in der Oper. Seine dramatische Funktion. Ich finde es albern, Klaviere abzufackeln. (Genauso albern sind nackte Opernsänger. Oder andere bemühte Arrangements, die für Skandale und steigende Besucherzahlen sorgen sollen.) Mein Mann beharrt auf seiner Erklärung. Das brennende Klavier symbolisiere die Endlichkeit unserer Existenz, die Vergänglichkeit der Liebe. Ich gebe mich geschlagen. Tage später holt mich das Bild des brennenden Instruments ein. Aber das ist eine neue Geschichte.
Von brennenden Klavieren...
- Thomas Milser
- Beiträge: 6069
- Registriert: 14.05.2006
- Geschlecht:
Klasse pan, sauber runtergeschrieben und holperfrei erzählt!
Am Ende fehlt mir das AHA, aber da es ja einen zweiten Teil geben soll, erklärt sich das vielleicht.
Wenn es jedoch erstmal so für sich stehen soll, müsste man da m.E. ein bisschen was Schlaues oder Pfiffiges bringen.
staunen Sie musst du als Anrede groß schreiben
Es ist ja dunkel im Musentempel, (Komma) und außerdem rede ich mir in solchen Momenten innerlich gut zu, (um?) mich auf das Bühnengeschehen zu konzentrieren
2,10m vielleicht beser ausschreiben? Zwei Meter zehn
Diesmal leitet eigentlich Gegenwart ein, du schreibst dann aber Präteritum. Bin mir nicht sicher, ob das so geht
Ich war es zufrieden.
Mehr finde ich auf die Schnelle nicht. Ich habe an etlichen Ecken sehr geschmunzelt, zum Einen, weil ich das nur zu gut kenne und es mich selbst im Kino nervt, wenn einer raschelt, zum Zweiten, weil du mit sehr sicherem Stil die Angelegenheit beleuchtest. Sehr feiner Witz, richtig gut!
Klasse Kolumne!
Tom.
Am Ende fehlt mir das AHA, aber da es ja einen zweiten Teil geben soll, erklärt sich das vielleicht.
Wenn es jedoch erstmal so für sich stehen soll, müsste man da m.E. ein bisschen was Schlaues oder Pfiffiges bringen.
staunen Sie musst du als Anrede groß schreiben
Es ist ja dunkel im Musentempel, (Komma) und außerdem rede ich mir in solchen Momenten innerlich gut zu, (um?) mich auf das Bühnengeschehen zu konzentrieren
2,10m vielleicht beser ausschreiben? Zwei Meter zehn
Diesmal leitet eigentlich Gegenwart ein, du schreibst dann aber Präteritum. Bin mir nicht sicher, ob das so geht
Ich war es zufrieden.
Mehr finde ich auf die Schnelle nicht. Ich habe an etlichen Ecken sehr geschmunzelt, zum Einen, weil ich das nur zu gut kenne und es mich selbst im Kino nervt, wenn einer raschelt, zum Zweiten, weil du mit sehr sicherem Stil die Angelegenheit beleuchtest. Sehr feiner Witz, richtig gut!
Klasse Kolumne!
Tom.
Menschheit, Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu... (Charles Bukowski)
Liebe Peeeeh,
klasse! Ich habe mehrfach herzhaft lachen müssen - wie es Euer älteres Ehepaar auch in unsere Opernhäuser schafft und das vermutlich gleichzeitig zu Euren Vorstellungen, ist mir ein Rätsel.
Tom: ich dachte: Ich war es zufrieden geht auch und bedeutet was anderes ... Und "diemal war es dunkel" geht doch z.B. ...
Liebe Grüße
max, der jetzt den doofen Mond Mond sein lässt
klasse! Ich habe mehrfach herzhaft lachen müssen - wie es Euer älteres Ehepaar auch in unsere Opernhäuser schafft und das vermutlich gleichzeitig zu Euren Vorstellungen, ist mir ein Rätsel.
Tom: ich dachte: Ich war es zufrieden geht auch und bedeutet was anderes ... Und "diemal war es dunkel" geht doch z.B. ...
Liebe Grüße
max, der jetzt den doofen Mond Mond sein lässt
ich war es zufrieden deutet für mich auf dialekt hin. pan.. dieses "ich war es zufrieden" klingt nach baden württenberg. oder noch südlicher.
ich hab gut lachen können bei deiner geschichte, pan. und erinnere mich an eine hänsel und gretel aufführung, wo alles ganz tiefenpsychologisch inszeniert wurde.aber das ist eine andere geschichte..gif)
mit genuss gelesen....Niko
ich hab gut lachen können bei deiner geschichte, pan. und erinnere mich an eine hänsel und gretel aufführung, wo alles ganz tiefenpsychologisch inszeniert wurde.aber das ist eine andere geschichte.
.gif)
mit genuss gelesen....Niko
Liebe pandora,
das habe ich auch gern gelesen und mich köstlich über das brennende Klavier und Deine Ausführungen dazu amüsiert. Über den alten herrn natürlich auch und - Du kannst es Dir schon denken- auch ich kenne ihn. Er scheint mit der Gabe der Omnipräsens gesegnet zu sein...
Hier noch ein paar Kleinigkeiten, die mir aufgefallen sind:
Der Kunstgenuss hierzulande hat einen hohen Preis. Das ist hinlänglich bekannt und scheinbar nicht zu ändern. Als kinderreiche Familie genießen wir Kunst daher eher häppchenweise. Der Kinobesuch - Entrèe (der Akzent muss andersrum), Theatervorstellungen als leichte Zwischenmahlzeit. Nur manchmal überkommt uns die Lust auf das große Fressen. Den kulturellen Schweinsbraten mit fettiger Kruste. Wir leisten uns Karten für die königlich sächsische Oper.
Wenn wir die auserwählte Vorstellung dann endlich besuchen, befinden wir uns stets in der gleichen Gesellschaft. Links oder rechts von uns nimmt ein asthmatischer älterer Herr Platz, der jeden einzelnen Akt mit unterdrücktem Hüsteln, Röcheln und Stöhnen eindrucksvoll untermalt. Ich bin sicher, er würde auch in der MET, in der Mailänder Scala oder im Sydney Opera House neben uns sitzen. Fragen sie(Sie) mich nicht, wie er das macht. Er ist einfach da und hustet Schleim ab.
Natürlich ist er nicht allein. Seine Gemahlin trägt zumeist ihren Teil zur Gestaltung der akustisch-terroristischen Hintergrundkulisse bei. Sie versucht mit rachitischen Fingern (ich glaube, in unserer Wohlstandsgesellschaft wäre "arthritische Finger" passender) ein mehrfach bandagiertes Bonbon auszuwickeln. Es gelingt ihr in den seltensten Fällen. Wenn doch, beginnt sie sofort, ein zweites zu enthüllen. Für den Schnarchhüstelröchelgatten. Oder sich selbst. Ich weiß es nicht. Es ist ja dunkel im Musentempel, und außerdem rede ich mir in solchen Momenten innerlich gut zu, um mich auf das Bühnengeschehen zu konzentrieren. Selbsthypnose nennt man das wohl in Fachkreisen.
Die Erfahrung lehrt mich, dass es noch einen zweiten Typ Asthmatikergattin gibt. Den fürchte ich fast noch mehr. Diese Dame hat über Jahre Parfümflakons gesammelt, alle Arten, Douglaspröbchen und milde Apothekergaben, und hüllt sich am entscheidenden Abend in eine Wolke diverser Duftwässerchen. Ein Parfümblend wallt aus ihrer Robe. Man kann mit dem Programmheft wedeln. Sich das Taschentuch an die Nase quetschen. Es hilft alles nix - kein Entkommen. Man erlebt die Vorstellung im Zustand einer nahenden Ohnmacht. Eine olfaktorische Katastrophe. Gelingt es einem, aus dem Chanel Nr 5, Naomi-Irgendwas und 4711 – Nebel kurz aufzutauchen, hört man den Opi röcheln. Kunstgenuss hat einen hohen Preis.
Diesmal jedoch, hören und staunen Sie, war alles anders. Kein angegrauter Herr in unserer näheren Umgebung. Nur mittelalterliche Dämlichkeiten mit uns auf dem Rang. Allesamt dezent parfümiert. Noch kein Knistern zu vernehmen. Kein Reizhusten. Ich begann mich zu entspannen und lauschte der Ouvertüre. Ich lehnte mich an die Schulter des Gatten und genoss, wie Belmonte seine Konstanze aus dem Palast des Bassa befreien wollte. (Nebenbei bemerkt: Er gefiel mir nicht. Der junge „Spanier“ maß 2,10 m und schlakste sehr unfeurig über die Bühne. Vollkommen unverständlich war mir außerdem, dass irgendjemand ihm ein betonfarbenes Sepplbeinkleid angehost hatte. Er erinnerte mich an Pinocchio. Burattino. Kasperletheater. Aber gut. Wenigstens hustete und knisterte niemand. Es ist nie alles beisammen, wie meine Mutter zu sagen pflegt. Man muss auch zufrieden sein können.)
Ich war es zufrieden. Der Bassa versuchte, Konstanze für sich zu gewinnen. Biss dabei auf Granit. Sie liebt den Kniebundhosenadligen nun mal. Nun gut. Soll sie. Ich verstehe es nicht.
Der Bassa schenkt ihr immerhin ein Klavier. (Und Kunst hat ihren Preis!!!)
Doch was macht er nun? Ich traue meinen Augen kaum. Er zündet das Klavier an. Es brennt lichterloh. Ich hoffe insgeheim, dass man an den Ausgängen Feuerwehrmänner postiert hat (Stichwort: Brandschutzverordnung) und sehe vorsichtig nach links und rechts. Die uns garnierenden Damen starren mit offenen Mündern und schreckensgeweiteten Augen auf die Bühne. Niemand hustet. Niemand raschelt. Gespenstische Stille. Es beginnt, nach Qualm zu stinken. Eine Sekunde lang sehne ich mich nach dem vertrauten Duft von 4711. Offenbar hat aber alles seine Ordnung. Das Klavier brennt eindrucksvoll ab. Ein Aschehaufen bleibt zurück. Die Kosten scheinen im Kartenpreis inbegriffen zu sein. (Das würde das Preisniveau erklären.) (Punkt hinter die Klammer)Mich überfällt angesichts meiner entgeisterten Nachbarinnen der Drang zu lachen. Ich unterdrücke ein Kichern. Mühsam. Ich bin fast schon so schlimm wie der heute abwesende kranke Opa. Mein Gatte stößt mich in die Seite. Ich möge sofort damit aufhören. Was das soll, frage ich leise bei ihm an. Die Flammen seien ein Bild für die Vergänglichkeit, zischt er zurück. Aha. Und Kniebundhosen sind ein Symbol für Leidenschaft. In der Oper husten zeugt von gutem Benehmen. Völlig neue Erkenntnisse.
Auf dem Nachhauseweg philosophieren wir über den Brand in der Oper. Seine dramatische Funktion. Ich finde es albern, Klaviere abzufackeln. (Genauso albern sind nackte Opernsänger. Oder andere bemühte Arrangements, die für Skandale und steigende Besucherzahlen sorgen sollen.) Mein Mann beharrt auf seiner Erklärung. Das brennende Klavier symbolisiere die Endlichkeit unserer Existenz, die Vergänglichkeit der Liebe. Ich gebe mich geschlagen. Tage später holt mich das Bild des brennenden Instruments ein. Aber das ist eine neue Geschichte.
kichernde Grüße
leonie
das habe ich auch gern gelesen und mich köstlich über das brennende Klavier und Deine Ausführungen dazu amüsiert. Über den alten herrn natürlich auch und - Du kannst es Dir schon denken- auch ich kenne ihn. Er scheint mit der Gabe der Omnipräsens gesegnet zu sein...
Hier noch ein paar Kleinigkeiten, die mir aufgefallen sind:
Der Kunstgenuss hierzulande hat einen hohen Preis. Das ist hinlänglich bekannt und scheinbar nicht zu ändern. Als kinderreiche Familie genießen wir Kunst daher eher häppchenweise. Der Kinobesuch - Entrèe (der Akzent muss andersrum), Theatervorstellungen als leichte Zwischenmahlzeit. Nur manchmal überkommt uns die Lust auf das große Fressen. Den kulturellen Schweinsbraten mit fettiger Kruste. Wir leisten uns Karten für die königlich sächsische Oper.
Wenn wir die auserwählte Vorstellung dann endlich besuchen, befinden wir uns stets in der gleichen Gesellschaft. Links oder rechts von uns nimmt ein asthmatischer älterer Herr Platz, der jeden einzelnen Akt mit unterdrücktem Hüsteln, Röcheln und Stöhnen eindrucksvoll untermalt. Ich bin sicher, er würde auch in der MET, in der Mailänder Scala oder im Sydney Opera House neben uns sitzen. Fragen sie(Sie) mich nicht, wie er das macht. Er ist einfach da und hustet Schleim ab.
Natürlich ist er nicht allein. Seine Gemahlin trägt zumeist ihren Teil zur Gestaltung der akustisch-terroristischen Hintergrundkulisse bei. Sie versucht mit rachitischen Fingern (ich glaube, in unserer Wohlstandsgesellschaft wäre "arthritische Finger" passender) ein mehrfach bandagiertes Bonbon auszuwickeln. Es gelingt ihr in den seltensten Fällen. Wenn doch, beginnt sie sofort, ein zweites zu enthüllen. Für den Schnarchhüstelröchelgatten. Oder sich selbst. Ich weiß es nicht. Es ist ja dunkel im Musentempel, und außerdem rede ich mir in solchen Momenten innerlich gut zu, um mich auf das Bühnengeschehen zu konzentrieren. Selbsthypnose nennt man das wohl in Fachkreisen.
Die Erfahrung lehrt mich, dass es noch einen zweiten Typ Asthmatikergattin gibt. Den fürchte ich fast noch mehr. Diese Dame hat über Jahre Parfümflakons gesammelt, alle Arten, Douglaspröbchen und milde Apothekergaben, und hüllt sich am entscheidenden Abend in eine Wolke diverser Duftwässerchen. Ein Parfümblend wallt aus ihrer Robe. Man kann mit dem Programmheft wedeln. Sich das Taschentuch an die Nase quetschen. Es hilft alles nix - kein Entkommen. Man erlebt die Vorstellung im Zustand einer nahenden Ohnmacht. Eine olfaktorische Katastrophe. Gelingt es einem, aus dem Chanel Nr 5, Naomi-Irgendwas und 4711 – Nebel kurz aufzutauchen, hört man den Opi röcheln. Kunstgenuss hat einen hohen Preis.
Diesmal jedoch, hören und staunen Sie, war alles anders. Kein angegrauter Herr in unserer näheren Umgebung. Nur mittelalterliche Dämlichkeiten mit uns auf dem Rang. Allesamt dezent parfümiert. Noch kein Knistern zu vernehmen. Kein Reizhusten. Ich begann mich zu entspannen und lauschte der Ouvertüre. Ich lehnte mich an die Schulter des Gatten und genoss, wie Belmonte seine Konstanze aus dem Palast des Bassa befreien wollte. (Nebenbei bemerkt: Er gefiel mir nicht. Der junge „Spanier“ maß 2,10 m und schlakste sehr unfeurig über die Bühne. Vollkommen unverständlich war mir außerdem, dass irgendjemand ihm ein betonfarbenes Sepplbeinkleid angehost hatte. Er erinnerte mich an Pinocchio. Burattino. Kasperletheater. Aber gut. Wenigstens hustete und knisterte niemand. Es ist nie alles beisammen, wie meine Mutter zu sagen pflegt. Man muss auch zufrieden sein können.)
Ich war es zufrieden. Der Bassa versuchte, Konstanze für sich zu gewinnen. Biss dabei auf Granit. Sie liebt den Kniebundhosenadligen nun mal. Nun gut. Soll sie. Ich verstehe es nicht.
Der Bassa schenkt ihr immerhin ein Klavier. (Und Kunst hat ihren Preis!!!)
Doch was macht er nun? Ich traue meinen Augen kaum. Er zündet das Klavier an. Es brennt lichterloh. Ich hoffe insgeheim, dass man an den Ausgängen Feuerwehrmänner postiert hat (Stichwort: Brandschutzverordnung) und sehe vorsichtig nach links und rechts. Die uns garnierenden Damen starren mit offenen Mündern und schreckensgeweiteten Augen auf die Bühne. Niemand hustet. Niemand raschelt. Gespenstische Stille. Es beginnt, nach Qualm zu stinken. Eine Sekunde lang sehne ich mich nach dem vertrauten Duft von 4711. Offenbar hat aber alles seine Ordnung. Das Klavier brennt eindrucksvoll ab. Ein Aschehaufen bleibt zurück. Die Kosten scheinen im Kartenpreis inbegriffen zu sein. (Das würde das Preisniveau erklären.) (Punkt hinter die Klammer)Mich überfällt angesichts meiner entgeisterten Nachbarinnen der Drang zu lachen. Ich unterdrücke ein Kichern. Mühsam. Ich bin fast schon so schlimm wie der heute abwesende kranke Opa. Mein Gatte stößt mich in die Seite. Ich möge sofort damit aufhören. Was das soll, frage ich leise bei ihm an. Die Flammen seien ein Bild für die Vergänglichkeit, zischt er zurück. Aha. Und Kniebundhosen sind ein Symbol für Leidenschaft. In der Oper husten zeugt von gutem Benehmen. Völlig neue Erkenntnisse.
Auf dem Nachhauseweg philosophieren wir über den Brand in der Oper. Seine dramatische Funktion. Ich finde es albern, Klaviere abzufackeln. (Genauso albern sind nackte Opernsänger. Oder andere bemühte Arrangements, die für Skandale und steigende Besucherzahlen sorgen sollen.) Mein Mann beharrt auf seiner Erklärung. Das brennende Klavier symbolisiere die Endlichkeit unserer Existenz, die Vergänglichkeit der Liebe. Ich gebe mich geschlagen. Tage später holt mich das Bild des brennenden Instruments ein. Aber das ist eine neue Geschichte.
kichernde Grüße
leonie

Liebe pandora,
ich habe diese Glosse mit Vergnügen und manchem Auflachen sehr gern gelesen. Zunächst hörte es sich für mich an, als wäre das lyr. Wir als Abonnent in der Opernaufführung, wegen der immer gleichen Personen. schnell klärt sich aber, dass es sich um die in kaum einer Aufführung fehlenden "Erscheinungen" handelt, die man auch als "Störfaktoren" bezeichen könnte.
Rachitisch fiel mir auch auf, sieh leonies Anmerkung.
Gelungen die Verbindung Kniebundhose/Leidenschaft und brennendes Klavier/Vergänglichkiet.
Immerhin hatte die Protagonisten einen kunstbeflissenden Gatten..gif)
(Ich hätte dennoch mehr als nur gekichert).
Liebe Sonntagsgrüße
Gerda
ich habe diese Glosse mit Vergnügen und manchem Auflachen sehr gern gelesen. Zunächst hörte es sich für mich an, als wäre das lyr. Wir als Abonnent in der Opernaufführung, wegen der immer gleichen Personen. schnell klärt sich aber, dass es sich um die in kaum einer Aufführung fehlenden "Erscheinungen" handelt, die man auch als "Störfaktoren" bezeichen könnte.
Rachitisch fiel mir auch auf, sieh leonies Anmerkung.
Gelungen die Verbindung Kniebundhose/Leidenschaft und brennendes Klavier/Vergänglichkiet.

Immerhin hatte die Protagonisten einen kunstbeflissenden Gatten.
.gif)
(Ich hätte dennoch mehr als nur gekichert).
Liebe Sonntagsgrüße
Gerda
Liebe pandora,
der Titel ist schon köstlich und dann wird es noch besser! Ich habe das auch sehr gern gelesen und - wie kann es anders sein - auch ich kenne diesen Herrn. Ich muss allerdings sagen, dass die Dame mit dem Bonbon mich fast noch mehr aufregt, weil bei mir das Auspacken des Bonbons sich über Stunden dehnt. (Sehr schön auch die Beobachtung des "Ersatzbonbons", ja so ist es!!)...
Und dann nochmal der zweite Höhepunkt mit dem brennenden Klavier..herrlich beschrieben...
Ja, die kleinen fehlerchen haben die anderen ja schon gefunden, ich muss das also gar nicht und kann einfach vergnügt weiterwandern...
Danke für diese Erheiterung mit Deja-vu-Charakter...
Liebe Grüße,
Lisa
der Titel ist schon köstlich und dann wird es noch besser! Ich habe das auch sehr gern gelesen und - wie kann es anders sein - auch ich kenne diesen Herrn. Ich muss allerdings sagen, dass die Dame mit dem Bonbon mich fast noch mehr aufregt, weil bei mir das Auspacken des Bonbons sich über Stunden dehnt. (Sehr schön auch die Beobachtung des "Ersatzbonbons", ja so ist es!!)...
Und dann nochmal der zweite Höhepunkt mit dem brennenden Klavier..herrlich beschrieben...
Ja, die kleinen fehlerchen haben die anderen ja schon gefunden, ich muss das also gar nicht und kann einfach vergnügt weiterwandern...
Danke für diese Erheiterung mit Deja-vu-Charakter...
Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.
ihr alle, ich danke euch für eure wohlwollenden kommentare und freue mich, dass euch der text erheitert hat. immer wenn ich soetwas geschrieben habe, und es zum x-ten male lese, denke ich, dass dies keiner mehr witzig findet.
eigenartig, dass ihr die röchel-knister-stink-fraktion alle zu kennen scheint.
ich habe fast alle anregungen übernommen und fehler ausgemerzt. leonie, dir vor allem danke für "arthritisch". was für ein schönes wort!!!!
liebe grüße
p.
eigenartig, dass ihr die röchel-knister-stink-fraktion alle zu kennen scheint.

ich habe fast alle anregungen übernommen und fehler ausgemerzt. leonie, dir vor allem danke für "arthritisch". was für ein schönes wort!!!!
liebe grüße
p.
Lisa,
offtopic: Es gab in der Sendung mit der Maus mal eine Untersuchung darüber, ob es lauter knistert, wenn man ein Bonbon schnell auspackt oder wenn man es langsam auspackt. Ergebnis: Es knistert gleich laut, nur wenn man es langsam auspackt, knistert es länger. Vielleicht sollte man diesen Film vor jeder Vorstellung im Kino, Theater, etc. kurz einspielen...
Liebe Grüße
leonie
offtopic: Es gab in der Sendung mit der Maus mal eine Untersuchung darüber, ob es lauter knistert, wenn man ein Bonbon schnell auspackt oder wenn man es langsam auspackt. Ergebnis: Es knistert gleich laut, nur wenn man es langsam auspackt, knistert es länger. Vielleicht sollte man diesen Film vor jeder Vorstellung im Kino, Theater, etc. kurz einspielen...
Liebe Grüße
leonie
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