Bleib (vormals: ich war du)

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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Elsa
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Beitragvon Elsa » 02.03.2007, 09:34

4. Fassung (Ursprungstitel, Imperfekt, Wolf ohne 'wie')

ich war du

wir schmeckten einander
bitter und süß – das wärmte
einen moment

alle not
flog zum fenster hinaus
und keiner ahnte uns

auch geflüster ging
unter – auf der straße
heulte ein alfa spider
oder ein wolf

später sah ich dir nach
fror aber kaum

erneuert war ich ich
und das auto draußen
rot

-----

3. Fassung (Präsens gesetzt wg. Titel, Wolf ohne 'wie')

bleib

wir schmecken uns
einen bittersüßen
moment – er wärmt

alle not
fliegt zum fenster
hinaus und keiner ahnt uns

auch geflüster geht
unter – auf der straße
heult ein alfa spider
oder ein wolf

später sehe ich dir nach
und friere kaum

erneuert bin ich ich
und das auto draußen
rot

----
2. Fassung

bleib

wir schmeckten den
nektar bitter und
süß ein moment
wärmte
alle not
flog zum fenster hinaus
und keiner ahnte uns

auch geflüster ging
unter – auf der straße
heulte ein alfa spider
wie ein wolf

später sah ich dir nach
fror aber kaum

erneuert war ich ich
und das auto draußen
rot



------------
1. Fassung

ich war du

glieder – nur einen moment
verschmolzen – doch
erschien er als ewigkeit
wärmte

alle not flog zum fenster
hinaus und keiner ahnte
unser ausbreiten mit-
ineinander

auch geflüster ging
unter – auf der straße
heulte ein alfa spider
wie ein wolf

später sah ich dir nach
plötzlich kalter luftzug

erneuert war ich ich
und das auto draußen
rot

(c) Elsa Rieger
Zuletzt geändert von Elsa am 12.03.2007, 08:29, insgesamt 3-mal geändert.
Schreiben ist atmen

Niko

Beitragvon Niko » 02.03.2007, 13:01

hallo elsa!
das gefällt mir in weiten teilen. was mich ein bischen irritiert (andere mögen das gerade gelungen finden) sind die wechsel des sprachflusses. mal verbindend weich, mal hart, störrisch. wobei ich mir schon denken kann, dass du das so wolltest (vor allem in der vorletzten strophe). das rote auto ist mir zuviel des guten. was evtl daran liegt, dass ich es etwas weit hergeholt finde, respektive es evtl. in seiner gänze nicht verstehe.
gleich beim lesen dachte ich, dass der übergang zu strophe 2 im doppeldeutigen sinne so gut passen würde. du machst aber einen harten schnitt zur strophe 2. wenn dir an der formalen strukturierung nicht zwingend an beibehaltung gelegen ist (gott, rede ich geschwollen), dann fänd ich es so toll:

glieder – nur einen moment
verschmolzen – doch
erschien er als ewigkeit
wärmte
alle not
flog zum fenster
hinaus und keiner ahnte
unser ausbreiten mit-
ineinander

so oder so ähnlich. "wärmte alle not" fände ich einen schönen gedanken.......

gern gelesen, auch wenn´s mir nicht so rund "augt". ich finde auch die zeilenbrüche manchmal zu willkürlich.

lieben gruß: Niko

Gast

Beitragvon Gast » 02.03.2007, 13:28

Liebe Elsa,

schöne Idee, die Liebende immer wieder diesseitig und herzseitig beschäftigt.
die Umsetzung, immer unter der Prämisse die der Titel in den Raum stellt, empfinde ich noch nicht ausgewogen genug.

Dass "ich im du" gipfelt in der körperlichen Verschmelzung, die weitere Ebene der Auflösung im du wird angedeutet aber nicht konsequent genug umgesetzt, bzw, ausgklammert.
Das Lyrich wird eingeolt, aber dann ist auch nicht merh das "ich im du" Thema, meine ich.

Hier mal die Stellen im Text, an dene ich meinen Eindruck festmache:

und keiner ahnte
unser ausbreiten mit-
ineinander


Inwieweit ist das wichtig? warum reflektiert das Lyrich die Gedanken der anderen, wenn es sich doch im du finden möchte/ gefunden hat?
Als Bruch des Blickwinkels, den das Lyrich einnimmt kommt mir das zu schnell.
Geht dann auch weiter mit der Fortführung der Betrachtung der "Welt draußen"

auch geflüster ging
unter – auf der straße
heulte ein alfa spider
wie ein wolf


Meine Erwartung ist durch den Titel geprägt.
Die Betrachtung, zeitgleich, hier der Liebesakt, draußen Profanes, ist eine interessante, aber was hat das mit dem "ich im du" gemein, wenn, wie ich hoffe, auch die metaphorische Ebene des "ich im du" mitsprechen soll?


Liebe Grüße
Gerda
Zuletzt geändert von Gast am 02.03.2007, 19:32, insgesamt 1-mal geändert.

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 02.03.2007, 18:44

Lieber Niko,

Dein Vorschlag, Str. 1 und 2 zusammenzufügen, gefällt mir. Die Schnitte sind tatsächlich hart, aber nicht so gewollt, wie sie da stehen, ich glaube, das ist die 10. Fassung, und ich habe gestrichen, hinzugefügt u.s.w. :rolleyes:

Liebe Gerda,

Es geht in dem Gedicht darum, dass sich die beiden heimlich treffen, eine Affäre.
Daher ist : keiner ahnte überaus wichtig.

Durch das 'gehetzte' Zusammensein, weil unerlaubt, ist es nicht möglich den Alltag draußen zu halten. Aber das LI will wenigstens durch den Gedanken, es ist ein Alfa Spider, der noch dazu wie ein Wolf (Symbol des Penis) heult, das Eindringen des Außen spannender machen.

Ich fürchte, der Titel ist falsch gewählt, es wird wohl daran liegen.
Was könnte ich da tun? Die Prämisse scheint falsch zu sein.

Vielen Dank für eure Gedanken, die mich bestimmt ein Stück weiter bringen werden.

Kopfkratzende Grüße,
ELsa
Schreiben ist atmen

Gast

Beitragvon Gast » 02.03.2007, 19:54

Liebe Elsa,

jetzt wird klar worum es dir geht. Ich habe mich vom Titel (ver)leiten lassen und nicht an Geheimnisse gedacht.
Dann erst Mal zum letzten Satz, der großartig ist, weil nämlich das Auto immer noch rot, als Metapher dafür steht, dass das Lyrich auch nicht jemand anderer geworden ist, obwohl es sich minutenlang vielleicht im Himmel gefühlt hat.
Eigentlich sind es die Nebensächlichkeiten, die das Lyrich hindern ganz beim Du zu sein...abgesehen von unterschiedlichen familiären Gegebenheiten :rolleyes: ...das profane Leben geht zeitgleich weiter...
Titel, ja was für ein Titel?
Fast ganz die deine Vielleicht in diese Richtung...
Ich denke weiter nach.

Liebe Grüße
Gerda

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 02.03.2007, 21:05

Liebe Gerda,

Das zeigt einmal mehr, dass der Titel verwirrt und LeserInnen an der Nase rumführt. Nein, das geht dann so nicht. Ich hasse es, in zufällige Fallen zu tappen beim Lesen.

Wenn Fallen, dann strategisch richtig ausgelegte :)

Deine Interpretation ist genau das, was ich im Text erreichen wollte, du hast es (auch für mich) auf den Punkt gebracht. :pfeifen:

Mit dem Auto war es so gedacht, richtig. Gut, dass es passt.

Aber ein Gedicht sollte ohne Erklärung funktionieren, womit wir wieder beim Thema wären: Titel.
Ja, ja, das ist schon die Richtung, genau.
Danke auch fürs Nachdenken. Ich habe schon so viel an dem Teil herumgemacht, ich bin schon ganz meschugge. Aber mir ist das Gedicht sehr wichtig ...

Lieben Gruß
ELsa
Schreiben ist atmen

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 03.03.2007, 23:35

Liebe Elsa,
ich habe die anderen Kommentare nicht gelesen - bitte verzeih, wenn sich etwas wiederholt.

Einige Passagen in diesem Texte finde ich unbändig frishc, das gefällt mir sehr. Dann sind aber auch ein paar dazwischen, die ich sehr gängig, etwas langweilig finde, gerade im Kontrast zu den starken Passagen.

Ich nenne mal zuerst, was mir gar nicht gefällt, das ist leider die ganze erste Strophe:

glieder – nur einen moment
verschmolzen – doch
erschien er als ewigkeit
wärmte


dann kommt eine ganz starke Passage,


alle not flog zum fenster
hinaus und keiner ahnte
unser ausbreiten mit-
ineinander


auch geflüster ging
unter – auf der straße
heulte ein alfa spider
wie ein wolf

(nur das blaue finde ich ein wenig schwächer, sonstl echt, originell, sinnlich, gefällt mir!
später sah ich dir nach
plötzlich kalter luftzug


etwas bemüht wirkende Überleitung, eigentlich aber nur Vers 2 (der plötzlich kalte Luftzug, vielleicht der oft in geschichten vorkommt?)
erneuert war ich ich
und das auto draußen
rot


Gefällt mir wieder :-)

Insgesamt ein Text, der, wenn er mit Bildern arbeitet, frisch und nah an der Liebe erzählt. An einigen Stellen will er aber noch zu direkt sagen, was passiert, die Szene "erklären" ("da liegen zwei, die sich lieben"). Von diesem kleinen Krampf köntne sich für mich noch der Text befreien, dann würde er noch stärker.

Für mich ein Short-Story-Gedicht

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 04.03.2007, 00:28

Liebe Lisa,

Vielen Dank. Ich war gerade dran, weil wir die Klischeediskussion haben, den Text auf stark
verbrauchtes abzuklopfen :-)

Und nun habe ich eine Variante dazu gefunden, die 1. Strophe vielleicht glücklicher zu formulieren.
Dein Blau habe ich jetzt auch noch betrachtet, ebenso den kalten Luftzug (viel und oft gelesen :-( )

Für mich ein Short-Story-Gedicht


Fein!

Neue Version ist eingestellt.

Lieben Gruß,
ELsa

@Gerda: Hab einen Titel versucht.


Bitte um klare Worte und danke dafür an alle.
Schreiben ist atmen

Gast

Beitragvon Gast » 04.03.2007, 02:18

Liebe Elsa,

es überkam mich geradezu nach dem der Mann im Mond mir seine bessere Hälfte gezeigt hat,
(Kleiner Scherz siehe Mondfaden im Café) ;-) mich noch einmal mit deinem Text zu beschäftigen.

Da ist der Nektar... hm hm auch nicht richtig toll, zu oft schon gehört in Verbindung mit " Liebestrank".
Ich bin jetzt mal so frei und zeig dir einen Änderungsvorschlag:
V 1 = 1 + 2

wir schmeckten uns
bittersüß
wärmte der moment

alle not
flog zum fenster hinaus
und keiner ahnte dich*


(Das ist wirklich gut, die Verbindung dass die Not raus ist und draußen keiner die beiden ahnt)
* ich wollte ein zweites "uns" vermeiden

V3 jetzt 4
später sah ich dir nach
und fror kaum

Das "aber", welches du in Z. 2 gesetzt hattest macht sich m. M. zu wichtig nach der ersten Zeile, die beiläufig klingt.

Der Titel deutet für mich jetzt in die richtige Richtung. "Bleib" trifft es dann, wenn der Titel den Wunsch des Lyrich unterstreichten soll.
Du könntest vielleicht überlegen den zeitgleichen Ablauf zu betonen?

Liebe nächtliche Grüße
Gerda

Max

Beitragvon Max » 04.03.2007, 13:31

Liebe Elsa,

als ich die erste Version sah, konnte ich mich gar nicht mit der ersten Strophe anfreunden. Da mit aber ab Strophe 2 so einiges gefiel, wusst eich nicht so recht, was ich sagen sollte. Wie schön, dass sich das Problem in der Zwischenzeit gelöst hat ... die neue erste Strophe halte ich für viel stärker. Auch wenn Nektar durchaus gebräuchlich ist, so finde ich ihn in der Verbindung mit "bitte" nicht als abgedroschen ... ab

wärmte
alle not


ist es sowieso gut. Einzig bei

wie ein Wolf


weiß ich nicht , ob das nicht nur knapper kann ...

Liebe Grüße
max

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 04.03.2007, 13:50

Liebe Elsa,
also was deine Überarbeitungskünste angeht, bist du echt eine Zauberin. Das soll nicht heißen, dass alles besser wird, aber du gestaltest, das mit einer solchen Freiheit, das gefällt mir total - es entstehen keien Narben in deinen Texten dadurch...((hoffentlich verschwindet diese Kunst nicht, wenn ich sie verrate ;-)).

Die überarbeitete Version finde ich, hat insofern sehr gewonnen!!

Beibehalten würde ich allerdings den alten Titel - hat sich jemand über ihn beschwert? Ich finde ihn gerade gut, zumindest viel stärker als so ein (verzeih) olles "Bleib". Ansonsten finde ich alle Änderungen absolut gewinnbringend, das Gedicht hat nun seinen ganz eigenen Ton gefunden! Darf ich noch eine alternative Setzung vorschlagen?


ich war du

wir schmeckten
bitter den nektar und
süß wärmte
ein moment

alle not
flog zum fenster hinaus
und keiner ahnte uns

auch geflüster ging
unter – auf der straße
heulte ein alfa spider
wie ein wolf

später sah ich dir nach
fror aber kaum

erneuert war ich ich
und das auto draußen
rot

Das wäre meine Idee (minimale Umsetzung & andere Umbrüche)

Einige Stelle hast du wirklich erstaunlich toll geändert, ohne das Bild zu ändern, zum Beispiel die Stelle mit dem Frieren, die ist jetzt wunderbar und vorher war sie lahm, ich könnte mich nie auf die Art von einem Bild lösen, um es zu bewahren, würde ganz radieren, weil das halbe nicht gelingt - bei dir aber schon!

Was ich jetzt noch perfekt fände, wäre wenn der Wolf vom vergleich zum Bild würde, also das "wie" wegfallen könnte, für mich wäre das Bild dann noch sinnlicher, direkt, die Vergleichsform schwächt es noch ein bisschen ab - aber ich weiß nicht, ob das möglich ist? Ich selbst komme selten um ein "wie" herum.

Toll!!

Liebe grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Gast

Beitragvon Gast » 04.03.2007, 14:01

:confused: Ich war das, Lisa, die mit dem Titel in die falsche Richtung lief...
Vielleicht ist aber durch die Änderungen im Text, der alte Titel wieder genau richtig... Sorry Elsa, ich bin schwankend.

Liebe Sonntagsgrüße
Gerda

Max

Beitragvon Max » 04.03.2007, 14:08

Liebe Lisa,

ich kann mich für den Titel "bleib" (der ist nicht 'oll' ;-), der ist nur ein wenig zurückhaltender :-) )
durchaus erwärmen.

Liebe Grüße
max

Max

Beitragvon Max » 04.03.2007, 14:09

PS: Lisa, Du schreibst

Was ich jetzt noch perfekt fände, wäre wenn der Wolf vom vergleich zum Bild würde,


JA! Genau das meinte ich, es mir nur nicht ganz klar, wie man das sprachlich elegant löst.

Liebe Grüße
max


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