nur kurz

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
lagunkel

Beitragvon lagunkel » 03.02.2007, 23:20

zweite Fassung

Mitten im Gespräch hält er inne
Er schließt die Augen
die schlanken Finger
legen sich
mit sanftem Druck
auf seine
sich runzelnde
Stirn
Suchen nach dem rechten
Wort
Hinter den geschlossenen Lidern
hasten die Augen
hin und her
suchend
suchend
Zwei, drei Sekunden vergehen
dann gleiten die Hände zurück
in den Schoß
Die Mundwinkel zucken
leicht
freudig
nur kurz
Das Wort ist da
der Satz kann weiter
laufen





erste Fassung

Mitten im Gespräch hält er inne
Er schließt die Augen
seine feingliedrigen Finger
legen sich
mit sanftem Druck
auf seine
sich runzelnde
Stirn
Suchen nach dem Rechten
Wort
Hinter den geschlossenen Lidern
hasten die Augen
hin und her
suchend
suchend
Zwei, drei Sekunden vergehen
dann öffnet er sich
Die Hände gleiten zurück
in den Schoß
Die Mundwinkel zucken
leicht
freudig
nur kurz
Das Wort ist da
der Satz kann weiter laufen
Zuletzt geändert von lagunkel am 11.02.2007, 16:15, insgesamt 2-mal geändert.

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 05.02.2007, 12:18

Liebe Rebecca,
das ist ein Text, der für mich eigentlich kein Erzählgedicht ist, sondern ein lyrisch gesetzer Prosatext - das heißt, er schreit eigentlich danach in Prosa ausgearbeitet zu werden, ich bin mir sicher, dass eine detailgenaue, längere Beschreibung der Gesten noch reizvoller wäre. Weißt du, was ich meine? So als Gedicht bleibt der Text etwas farblos, wenn ich auch das schlichte Beschreiben von Gesten, um den Moment zu fassen, gerne gelesen habe.

An dieser Stelle fällst du aus der "Metapher":

Zwei, drei Sekunden vergehen
dann öffnet er sich


Diese Zeilen beschreiben nicht mehr um zu erzählen, sondern verraten, was "eigentlich" geschieht. Sie bleiben nicht bei der Beobachtung der Gesten, sondern deuten bzw. sagen, wofür diese Gesten stehen. Dadurch nimmst du den restlichen textpassagen ihren übertragenden Charakter, finde ich, daher würde ich das umgestalten.

weiter laufen <--- weiterlaufen

(bei dem nach dem Rechten Wort bin ich unsicher, ob es ein Tippfehler ist oder ein Spiel mit der Groß-/Kleinschreibung, korrekt wäre: nach dem rechten Wort, aber der Umbruch zeigt an, dass das durchaus extra sein kann).

das doppelte suchend verstehe ich nicht...

Insgesamt gefällt mir also die Momentaufnahme, glaube aber, dass eine entsprechend klare prosaversion solche Wortsuchen noch magischer einfangen könnte.

Liebe grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

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Zefira
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Beitragvon Zefira » 05.02.2007, 12:51

Hallo Rebecca und Lisa,

mir gefällt gerade die lyrische Form sehr gut - weil in der Schaltstelle des doppelten "suchend" ein deutlicher Rhythmuswechsel stattfindet; das Gedicht liest sich vorher stockend, danach deutlich flotter.

Ich bin nur sehr über das "feingliedrig" gestolpert. Das würde ich streichen. Abgesehen davon, dass es m.E. Adjektive über das Aussehen des Sprechenden - abgesehen von der Gestik - nicht braucht, empfinde ich gerade dieses Wort auch als etwas abgegriffenen Hinweis auf Intellektualität.

Gefällt mir sehr!
lG Zefira
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.

(Ikkyu Sojun)

lagunkel

Beitragvon lagunkel » 05.02.2007, 17:11

Liebe Lisa, liebe Zefira

ich hatte auch erst daran gedacht das Ganze als Prosa auszuarbeiten, aber diese Form gefiel mir doch besser. Ich finde sie unmittelbarer. Das doppelte 'suchend' fungiert in der Tat als Umbruch und ich stimme dir zu, Lisa, bei den Zeilen danach muss ich nochmal über eine Änderung nachdenken.
'Recht ' habe ich mit Absicht groß geschrieben ;o)
..auch weiterlaufen habe ich mit Absicht getrennt geschrieben, werde aber nochmal daran rumbasteln.
Feingliedrig, ja Zefira, da hast du etwas entdeckt, wobei ich dir nur zustimmen kann. Ich werde mich nochmal ranmachen an den Text...
Gerne mehr Vorschläge
Danke bis hier.

lg

Rebekka

pandora

Beitragvon pandora » 06.02.2007, 14:18

hallo lagunkel,

und auch von mir ein herzliches willkommen.
für mich ist das ein schönes zeitlupengedicht, lyrische filmsequenzen.

zwei dinge habe ich dennoch zu bemäkeln.
zum einen würde ich das doppelte "seine" vermeiden, vielleicht einmal mit bestimmtem artikel arbeiten.
zum anderen weiß ich nicht, ob das lyrICH nach dem Rechten sucht. oder dem rechten wort? ist der hintersinn gewollt?
generell könnte ich mir das auch gut in kleinschreibung (und ohne Satzzeichen) vorstellen, oder aber auch "herkömmlich", also nach den geltenden regeln der groß- und kleinschreibung, mit satzzeichen.

[quote="lagunkel"]zweite Fassung

Mitten im Gespräch hält er inne
Er schließt die Augen
seine schlanken Finger
legen sich
mit sanftem Druck
auf seine
sich runzelnde
Stirn
Suchen nach dem Rechten
Wort
Hinter den geschlossenen Lidern
hasten die Augen
hin und her
suchend
suchend
Zwei, drei Sekunden vergehen
dann gleiten die Hände zurück
in den Schoß
Die Mundwinkel zucken
leicht
freudig
nur kurz
Das Wort ist da
der Satz kann weiter
laufen


lg
peh

lagunkel

Beitragvon lagunkel » 11.02.2007, 16:14

liebe peh,

das doppelte seine empfand ich bisher nicht als störend, allerdings jetzt, wo ich es noch mehrmals durchgelesen habe, werde ich auf eines von ihnen verzichten. Über das bereits mehrfach angesprochene Rechten habe ich jetzt endgültig entschieden und es klein gemacht.
Danke ;o)

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noel
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Registriert: 04.08.2006

Beitragvon noel » 18.02.2007, 16:31

ola rebecca

ich mag die alliteration aus der ersten fassung:
seine feingliedrigen Finger



& aus diesem hier:
Zwei, drei Sekunden vergehen
dann öffnet er sich
Die Hände gleiten zurück


hätte ich einfach nur die zeile gestrichen
die umstellung: dann gleiten die hände zurück
lassen mich innehalten,
aber mit gerunzelter stirne & nicht mit lachend lippen

ansonsten trötz noelerei
-die kam gerade wegen des gefallen per se_
gern gelesen.

noel
NOEL = Eine Dosis knapp unterhalb der Toxizität, ohne erkennbare Nebenwirkung (NOEL - no observable effect level).

Wir sind alle Meister/innen der Selektion und der konstruktiven Hoffnung, die man allgemein die WAHRHEIT nennt ©noel

eldora

Beitragvon eldora » 05.06.2007, 22:41

Hallo lagunkel :)
Mir gefällt dieses Gedicht auch, es suggeriert mögliche Alzheimer-Krankheit, als 2. Bild habe ich einen alten, gebrechlichen Menschen vor mir, der möglicherweise nicht 'laufen' kann, nicht mehr.
Allerdings würde ich es ausdünnen, es ist ein Vorschlag, und es sind auch nur kleine Änderungen:
Statt
Mitten im Gespräch hält er inne
Er schließt die Augen
die schlanken Finger
legen sich
mit sanftem Druck
auf seine
sich runzelnde
Stirn
Suchen nach dem rechten
Wort
Hinter den geschlossenen Lidern
hasten die Augen
hin und her
suchend
suchend
Zwei, drei Sekunden vergehen
dann gleiten die Hände zurück
in den Schoß
Die Mundwinkel zucken
leicht
freudig
nur kurz
Das Wort ist da
der Satz kann weiter
laufen

schlag ich vor:

Mitten im Gespräch hält er inne
schließt die Augen
schlanke Finger
legen sich
mit sanftem Druck
auf die
sich runzelnde
Stirn;
das rechte Wort
versteckt
hinter geschlossenen Lidern;
und die Augen hasten
suchend, hin und her,
suchend
Sekunden vergehen, erst dann
gleiten die Hände zurück
in den Schoß;
zuckende Mundwinkel,
nur kurz freudig
leicht - das Wort,
gefunden,
lässt den Satz fließen.

(ein Satz läuft nicht - war mein Gedanke. Es gibt keinen Satzlauf, nicht mal beim Tennis ;). Ich hoff', Du kannst was anfangen mit den kleinen Änderungsvorschlägen)

Grüße
Eldora


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