Mythische Erkenntnisreise

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Mucki
Beiträge: 26644
Registriert: 07.09.2006
Geschlecht:

Beitragvon Mucki » 28.01.2007, 18:25

2. Fassung

Mythische Erkenntnisreise

als Odysseus irrte ich über die Meere
immer aufs Neue von Poseidon bezwungen
kämpfte gegen Giganten des Geistes
wagte nicht der Überflutung meiner schwarzen Seele zu trotzen

als Tantalos verzehrte ich mich nach Speise und Trank
unbarmherzig vor meinen Augen weichend
gestand den Diebstahl an mir selbst nicht ein

als Ikarus im Labyrinth gefangen
vertraute ich den Flügeln aus Wachs
überhörte die Warnung meines Vaters

als Sisyphos schob ich den Fels hinauf zum Berg
ohne ihn als Teil des Ganzen zu sehen

als Ares entfachte ich den Krieg
gegen mich selbst
verweigerte mir den inneren Frieden

als Achilles besiegelte der Pfeil meinen Tod
meine Verwundbarkeit vermochte ich nicht einzugestehen

als Hermes brachte ich mir selbst die Botschaften
verstand es nicht ihren Inhalt zu entschlüsseln

als Pandora ergoss ich das Unheil in mein Dasein
Übermut und Trotz führten mich zur Versuchung
die Hoffnung ließ ich zurück

endlos lief ich im Kreis um mich herum
erkannte meine eigenen Spuren nicht
gefangen im selbst erschaffenen Kerker
gelang mir der Ausbruch nicht

tausend Schritte ging ich ein Leben lang
wich unendlich vielen Hürden aus
statt sie zu meistern
so viele Wege gesucht
im Labyrinth der Ahnungslosigkeit

bis die Stimme meiner Intuition
mir den ersten aller Schritte zuflüsterte

sei du selbst

© Magic




Mythische Erkenntnisreise

als Odysseus irrte ich über die Meere
immer aufs Neue von Poseidon bezwungen
in Gedankenstrudeln überflutet
kämpfte gegen Giganten des Geistes
meiner schwarzen Seele

als Tantalos verzehrte ich mich nach dem Ersehnten
unbarmherzig mir entrissen
so nah und doch so fern
gestand meinen Diebstahl nicht ein

als Ikarus im Labyrinth gefangen
schuf ich mir Flügel aus Wachs
zum Verbrennen verurteilt
überhörte die Warnung des Dädalus

als Sisyphos schob ich den Fels hinauf zum Berg
ohne ihn als Teil des Ganzen zu sehen

als Einäugiger unter Blinden
vermochte ich den König in mir nicht zu erkennen

als Thor nahm ich den Hammer
schlug ihn auf mich selbst
statt den gordischen Knoten in mir zu lösen

als Amor trieb ich den Pfeil nicht in mein Herz
sondern in meine Ferse des Achilles

als Hiob brachte ich mir selbst die Botschaften
hielt sie für wahrhaftig

als Pandora ergoss ich leichtsinnig
die Büchse in mein Dasein
hielt der Versuchung nicht stand

als Damokles wagte ich mich auf den Herrschersitz
war auch das Rosshaar noch so kräftig
schwebte dennoch das Schwert
stets bedrohlich über mir

Excalibur wusste ich nicht zu nutzen
warf es der Herrin vom See zurück

mit Sieben-Meilen-Stiefeln
lief ich im Kreis um mich herum
erkannte meine eigenen Spuren nicht
gefangen im selbst erschaffenen Kerker
blieb mir der richtige Weg verborgen

tausend Schritte ging ich ein Leben lang
wich unendlich vielen Hürden aus
statt sie zu meistern
so viele Wege gegangen
im Labyrinth der Ahnungslosigkeit

bis die leise Stimme meiner Intuition
mir den ersten aller Schritte zuflüsterte

sei du selbst

© Magic
Zuletzt geändert von Mucki am 30.01.2007, 14:19, insgesamt 3-mal geändert.

Mucki
Beiträge: 26644
Registriert: 07.09.2006
Geschlecht:

Beitragvon Mucki » 31.01.2007, 12:40

Hallo Lisa,

ja, kann ich mir vorstellen, dass dies nicht mal eben ad hoc ging.

ich finde es interessant, wie du es aufgebaut hast. Ein Erzählgedicht ist es geworden, was eigentlich auch auf der Hand liegt, es bietet sich dazu an, ja.

Die Figuren hast du rausgenommen, ok. Kann man machen, die Frage ist nur, ob der Leser sie aber auch herausliest.

Hier z.B.

meine Verwundbarkeit vermochte ich mir nicht einzugestehen
meine Pläne schienen mir in Drachenblut gebadet
und doch starben sie alle durch einen einzigen Pfeil in die Verse


vermischt du die Achilles-Sage (griech.) mit der nordischen des Siegfried --> Drachenblut
("Verse" muss übrigens Ferse heißen, aber das nur nebenbei)

Hier:

mein Verstand schleuste Trojanische Pferde in mein Selbstvertrauen
entfachte den Krieg gegen mich selbst
verweigerte mir den inneren Frieden


gefällt mir, ist jedoch auch ein Odysseus-Bezug.
Mit Ares, dem Kriegsgott, wollte ich das Element des inneren Kampfes einbringen, jedoch nicht das Selbstvertrauen ansprechen.

Übermut und Trotz führten mich zur Versuchung
und so ergoss ich Unheil in mein Dasein


Hier war mir bei meiner Version der letzte Satz sehr wichtig:

die Hoffnung ließ ich zurück

(die Hoffnung war das Einzige, was in der Büchse der Pandora zurückblieb)

Botschaften brachte ich mir nur meine eigenen
blind vom zu großen geflügelten Helm des Selbstbetrugs
verstand ich es nicht ihren Inhalt zu entschlüsseln


Hier hast du das Element des Selbstbetruges eingebracht.
Doch ging es mir in dem Hermes-Vers um das Nicht-Verstehen, Nicht-Begreifen.

Allemal eine interessante Umsetzung, wie man es auch machen könnte!
Aber ich bevorzuge meine Fassung. Ich wollte bewusst die ganzen Figuren nennen, das reizte mich irgendwie, mal so eine Reise der ganz anderen Art zu beschreiben.

Danke dir für deine Arbeit, die du dir gemacht hast!:) Das ist sicherlich ein Thema, zu dem man endlos schreiben kann (die Mythologie ist ja ein wahrer Fundus!) und es auch endlos viele Möglichkeiten gibt, sie auszudrücken,-)

Saludos
Magic

Benutzeravatar
Lisa
Beiträge: 13944
Registriert: 29.06.2005
Geschlecht:

Beitragvon Lisa » 31.01.2007, 14:12

Liebe Magic,

Aber ich bevorzuge meine Fassung. Ich wollte bewusst die ganzen Figuren nennen, das reizte mich irgendwie, mal so eine Reise der ganz anderen Art zu beschreiben.


na klar :hut0039: . ich darf trotzdem noch antworten?

Das mit Achill stimmt natürlich, ich hatte nur noch in Erinnerung, dass auch er in irgendwas getaucht wurde, jetzt weiß ich dank wiki wieder, es war der Styx. Könnte man problemlos ersetzen (ich setz das oben mal mit Verweis ein).

Zur Verse sag ich lieber mal nichts mehr :rolleyes: (das war natürlich gewollt und sollte aud Metaebene auf den Text verweisen , jaja :mrgreen:
Die Figuren hast du rausgenommen, ok. Kann man machen, die Frage ist nur, ob der Leser sie aber auch herausliest.

Klar tut das der richtige Leser. Die, die bei diesen offensichtlichen Hints das nicht verstehen, verstehen es inhaltlich auch nicht besser, wenn sie den Namen dazu lesen, weil sie dann trotzdem nicht wissen, worum es geht.

gefällt mir, ist jedoch auch ein Odysseus-Bezug.
Mit Ares, dem Kriegsgott, wollte ich das Element des inneren Kampfes einbringen, jedoch nicht das Selbstvertrauen ansprechen.


ja, mag sein (aber Ares war auch am Trojakrieg beteiligt, darum hatte ich es eigentlich eingebaut, aber das mit dem Pferd ist ungenau, stimmt). Ich woltle gerne Ares noch etwas tätlicher zeichnen, weil du bei allen anderen Stellen Begebenheiten genommen hast und bei Achill nur, dass er Kriegsgott ist, könnte man sicher noch anders ausschmücken.

Hier war mir bei meiner Version der letzte Satz sehr wichtig:

die Hoffnung ließ ich zurück

(die Hoffnung war das Einzige, was in der Büchse der Pandora zurückblieb)


ich weiß das mit der Hoffnung, das habe ich beim Ändern aus Versehen gelöscht, das war keine Absicht


Botschaften brachte ich mir nur meine eigenen
blind vom zu großen geflügelten Helm des Selbstbetrugs
verstand ich es nicht ihren Inhalt zu entschlüsseln


Hier hast du das Element des Selbstbetruges eingebracht.
Doch ging es mir in dem Hermes-Vers um das Nicht-Verstehen,
Nicht-Begreifen.

ja, aber mir gefiel an deiner Idee so besonders gut, dass die Briefe ans lyr. Ich selbst überbracht/geschrieben werden, das fand ich gerade so originell und verband es mit Selbstbetrug (wie eine Rückkopplung).

Naja, hat Spaß gemacht :-)

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Mucki
Beiträge: 26644
Registriert: 07.09.2006
Geschlecht:

Beitragvon Mucki » 31.01.2007, 14:30

Hallo Lisa,


Das mit Achill stimmt natürlich, ich hatte nur noch in Erinnerung, dass auch er in irgendwas getaucht wurde, jetzt weiß ich, es war der Styx. Könnte man problemlos ersetzen


stimmt, das muss man nur ein Wort ändern.

Zur Verse sag ich lieber mal nichts mehr (das war natürlich gewollt und sollte aud Metaebene auf den Text verweisen , jaja


Na, du bist mir ja eine *lach* Darauf wäre ich jetzt nicht gekommen,-)

Zitat:
Magic schrieb:
Die Figuren hast du rausgenommen, ok. Kann man machen, die Frage ist nur, ob der Leser sie aber auch herausliest.

Lisa schrieb:
Klar tut das der richtige Leser. Die, die bei diesen offensichtlichen Hints das nicht verstehen, verstehen es inhaltlich auch nicht besser, wenn sie den Namen dazu lesen, weil sie dann trotzdem nicht wissen, worum es geht.


Da hast du Recht, ja. Insgesamt würde wohl ein Leser, der sich nicht mit der griechischen Mythologie auskennt, hier des öfteren Wiki bemühen *g*

ja, mag sein (aber Achill war auch am Trojakrieg beteiligt, darum hatte ich es eigentlich eingebaut, aber das mit dem Pferd ist ungenau, stimmt). Ich woltle gerne Achill noch etwas tätlicher zeichnen, weil du bei allen anderen Stellen Begebenheiten genommen hast und bei Achill nur, dass er Kriegsgott ist, könnte man sicher noch anders ausschmücken.


Mir ging es hier vor allem um diesen Satz von dir:

mein Verstand schleuste Trojanische Pferde in mein Selbstvertrauen


Da die List des Odysseus ja das Trojanische Pferd schuf und vor allem die listigen Einfälle des Odysseus sein Kennzeichen waren, mit denen er immer wieder die Giganten besiegte, bezieht man m.E. hier den Vers auf Odysseus. Klar, war Achilles in den trojanischen Krieg entscheidend beteiligt (laut der Legende), aber eben nicht durch das trojanische Pferd,-)

Nicht-Begreifen.

ja, aber mir gefiel an deiner Idee so besonders gut, dass die Briefe ans lyr. Ich selbst überbracht/geschrieben werden, das fand ich gerade so originell und verband es mit Selbstbetrug (wie eine Rückkopplung).


Ok, kann man insofern dann auch als "Selbstbetrug" sehen, jep.

Naja, hat Spaß gemacht


Na, um so besser,-)
Saludos
Magic, die vielleicht demnächst mal in die rein nordische Mythologie reist,-) Ich finde diese Mythen einfach so spannend!


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 7 Gäste