An guten Tagen

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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Lisa
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Beitragvon Lisa » 21.01.2007, 15:56

Dritte Fassung:

An guten Tagen

An guten Tagen hängen den
Pferden Kinder um die Hälse

                   Später gehst du mit mir zum
                    abgesteckten Rund auf der Wiese
                    und schiebst meine Hand unter ihre Mähnen

                    Fahrräder lehnen am Zaun
                    ich sehe die drahtigen Haare auf ihren Nüstern
                    und wie sie Nebel blasen


zeigen sie im Fernsehen
wie ein Mann unter einer Herde von Schafen
den Sturm überstand

                    „In solch einer Lage
                    fragt man nicht mehr
                    nach Gattungszugehörigkeiten“

                    lacht der Mann zum Reporter
                    mit roter Nasenspitze und auf
                    den Schafen glitzert Regen

entscheidet sich der Ratscher am Arm
zu einer dünnen weißen Linie zu heilen

                    verschwindet also nie ganz
                    ich kann mit dem Finger darüber fahren
                    und von etwas erzählen
                    das einmal war

An guten Tagen habe ich gute Gedanken
und ist mir als würde das immer so sein

Könnt ich bloß dass dies nicht so ist
für die schlechten Tage wie eine Münze wenden














Zweite Version:

An guten Tagen

An guten Tagen hängen den
Pferden Kinder um die Hälse

              Später gehst du mit mir zum
              abgesteckten Rondell auf der Wiese
              und schiebst meine Hand unter ihre Mähnen

              Die Fahrräder sind an den Zaun gelehnt
              ich sehe die drahtigen Haare auf den Nüstern
              und wie sie Nebel blasen


zeigen sie im Fernsehen
wie ein Mann unter einer Herde von Schafen
den Sturm überstand

              „In solch einem Zustand
              fragt man nicht mehr
              nach Gattungszugehörigkeiten“

              lacht der Mann zum Reporter
              mit roter Nasenspitze und auf
              den Schafen glitzert Regen

entscheidet sich der Ratscher am Arm
zu einer dünnen weißen Linie zu heilen

              verschwindet also nie ganz
              so dass ich später mit dem Finger
              darüber fahren und von etwas erzählen kann
              das einmal war

An guten Tagen habe ich gute Gedanken
und ist mir als würde das immer so sein
Könnt ich bloß die Tatsache dass dies nicht so ist
für die schlechten Tage wie eine Münze wenden










Erste Version:

An guten Tagen

An guten Tagen hängen den
Pferden Kinder um die Hälse

              (Später gehst du mit mir zum
              abgesteckten Rondell auf der Wiese
              und schiebst meine Hand unter ihre Mähnen

              Die Fahrräder sind an den Zaun gelehnt
              ich seh die drahtigen Haare auf den Nüstern
              und wie sie Nebel in die Stunden blasen)


zeigen sie im Fernsehen
wie ein Mann unter einer Herde von Schafen
den Sturm überstand

              („In solch einem Zustand
              fragt man nicht mehr
              nach Gattungszugehörigkeiten“

              lacht der Mann zum Reporter
              mit roter Nasenspitze und auf
              der Wolle der Schafe glitzert der Regen)

entscheidet sich der Ratscher am Arm
zu einer dünnen weißen Linie zu heilen

              (verschwindet also nie ganz und gar
              so dass ich später mit dem Finger
              über ihn fahren und von etwas erzählen kann
              was einmal war)

An guten Tagen habe ich gute Gedanken
und ist mir als könnt das immer so sein
Könnt ich bloß die Tatsache dass dies nicht so ist
für die schlechten Tage wie eine Münze wenden




(sprachlich noch nicht ideal sicher, auch Ende ~~ trotzdem vielleicht textwerkstatt nicht nötig?)
Zuletzt geändert von Lisa am 25.01.2007, 10:33, insgesamt 4-mal geändert.
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Max

Beitragvon Max » 21.01.2007, 15:59

Liebe Lisa,

auf keinen Fall Textwerkstatt!

Mir ist als sei der Text schon sehr gut (nach dem ersten Leseeindruck), nur an den letzten zwei Zeilen könnte man zwecks sprachlicher Eleganz vielleicht noch ein wenig feilen.

Wusstest Du, dass ich auch einen Text habe, der mit "An guten tagen" beginnt.

Liebe Grüße von nebenan
Max

Klara
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Beitragvon Klara » 21.01.2007, 16:41

Hallo Lisa,

das finde ich sehr gelungen!
Und hintersinnig.
Und nimmersatt.... oder?

Nur am Schluss würd ich feilen:

An guten Tagen habe ich gute Gedanken
und ist mir als könnt das immer so sein
Könnt ich bloß die Tatsache dass dies nicht so ist
für die schlechten Tage wie eine Münze wenden


Würde stärker auflösen, aus dem könnt ein könntE machen:

An guten Tagen habe ich gute Gedanken
Dann ist mir, als könnte das immer so sein -

Und das doppelte könnt bzw. könnte ist unschön
und "die Tatsache, dass" sperrig.

Mir fällt jetzt nichts Elegantes ein für die letzten zwei Verse.
Vielleicht irgendwas hierlang:
Ach wär doch mein Wissen darum
auch für die schlechten Tage
ein Pfand

(mein Vorschlag beinhaltet nicht alles, was notwendig ist, nur als grober Richtungsgedanke, schöner wär natürlich, die Münze bliebe.)

lg
klara

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 21.01.2007, 17:14

Hallo,
habt schon mal dank ihr beiden. ja genau, der Schluss ist ungelenk, ich kriegs irgendwie nicht hin, meinen Sinn formschön zu kommunizieren ;-). Deine Version gefällt mir schon, Klara! ich würde aber wenn es geht gern das Bild des "wendends" behalten, weil es mir nicht nur um das Bewahren im Sinne von "proviant" für die schlechten tage geht, sondern auch darum, das "es kann nicht immer so sein" dadurch zu entkräften, dass auch die schlechten tage nicht immer so blieben wie sie sind. Das ist vielleicht albern, für mich aber etwas "ganz" anderes.
Das doppelte könnt ist mir diesmal sogar selbst auch aufgefallen...auch die tatsache (bäh)....aber ...~~ sehr schwer, es zu verbessern. (Hilfe).*g*

Liebe grüße,
Lisa
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Klara
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Beitragvon Klara » 21.01.2007, 18:36

... fand auch noch den anderen sinn darin: dass auch die guten tage "leiden" unter dem wissen, dass es schlechte gäbe... absolute gegenwart unmöglich... man denkt immer, insofern man denkt, zurück und nach vorn, ist selten ganz im augenblick - hattest du das gar nicht reingeschrieben und ich nur -rausgelesen?

k

Klara
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Beitragvon Klara » 21.01.2007, 18:49

...
ach wüsst' ich stets beides - und könnt' es vergessen:
die münze jeweils nach belieben wenden

...

°grübel°

,-)
k

Gast

Beitragvon Gast » 22.01.2007, 03:11

Liebe Lisa,

deinen Text finde ich nicht ausschließlich auf den ersten Blick sehr interessant, er erinnert mich darüber hinaus an deine besondere Art "Prosa" zu schreiben. Klasse!
Ich denke genau wie auch Max, dass es nicht in die Werkstatt muss.

Nur, frage ich mich insgeheim, was daran schlimm ist, es in Erwägung zu ziehen... hey, Max, ;-) so "IH" ist die doch nicht...oder ;-)


In die Kommentare habe ich noch nicht reingeschaut.

Lisa hat geschrieben:An guten Tagen

Zum Titel:
erst dachte ich gut, jetzt bin ich mir nicht sicher, weil, das Gedicht ja bereits mit diesem Satz beginnt, und die Zeile auch im letzten Vers, wiederholt wird
Ich überlege.

Lisa hat geschrieben:An guten Tagen hängen den
Pferden Kinder um die Hälse

       (Später gehst du mit mir zum
      abgesteckten Rondell auf der Wiese
      und schiebst meine Hand unter ihre Mähnen

      Die Fahrräder sind an den Zaun gelehnt
      ich seh die drahtigen Haare auf den Nüstern
      und wie sie Nebel in die Stunden blasen)


Ich verstehe alles, bis auf das abgesteckte Rondell... Ich habe etwas vor Augen, was ich mit meinen Eindrücken von Koppeln und Zäunen nicht in Einklang bringe.
Die drahtigen Haare auf den Nüstern ist so herrlich lebendig.
Ich finde, dass dir das ineinander Fächern gut gelungen ist, ich komme mit dem "Blättern" nach.

Lisa hat geschrieben:zeigen sie im Fernsehen
wie ein Mann unter einer Herde von Schafen
den Sturm überstand

      („In solch einem Zustand
      fragt man nicht mehr
      nach Gattungszugehörigkeiten“

      lacht der Mann zum Reporter
      mit roter Nasenspitze und auf
      der Wolle der Schafe glitzert der Regen)


Ich frage mich, warum ausgerechnet der Mann unter den Schafen ...
Ich bin mir noch nicht ganz schlüssig, aber möglicherweise, willst du hier den Gegensatz zu den schlechten Nachrichten mit Toten, an schlechten Tagen, an diesem naturnahen eigentlich banalen und dennoch existentiellen Erlebnis aufzeigen...(Fernsehen dabei)
Die beiden Verse bergen viel Liebes und Erdverbundenes in sich, und weisen auf wesentliches Hin, (Ab)grenzung gerät in Vergessenheit. Den Artikel vor Regen würde ich weglassen. "Gattungzugehörigkeiten" passt, obwohl zusges.. Substantiv und "keit" ;-)


Lisa hat geschrieben:entscheidet sich der Ratscher am Arm
zu einer dünnen weißen Linie zu heilen

      (verschwindet also nie ganz und gar
      so dass ich später mit dem Finger
      über ihn fahren und von etwas erzählen kann
      was einmal war)

An guten Tagen habe ich gute Gedanken
und ist mir als könnt das immer so sein

Könnt ich bloß die Tatsache dass dies nicht so ist
für die schlechten Tage wie eine Münze wenden

Du hast wunderbar eingefangen, wie Menschen dazu neigen, wenn alles glatt läuft, nicht daran zu denken, dasss auch etwas schief laufen kann.
Ich würde eine Absatz vor "Könnt..." machen.
Zu den letzten zwei Zeilen, sie erscheinen mir noch ein wenig des Nachdenkens wert.
Ich könnte mir sogar schlicht diese knappe Version vorstellen:

Wären Tage wie Münzen zu wenden


Den Rest kann sich der Leser denken.

Mir gefällt dein Gedicht. Durchdacht, (ohne dass es so wirkt), deshalb toll!, In natürlicher Sprache erzählst du von den Dingen, eines guten Tages. Ich empfinde alles sehr frisch und echt. (Dieses Mal entdecke ich kein Bedrohungspotential). ;-)

Liebe Grüße
von der "Nachtarbeiterin"
Gerda

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 22.01.2007, 12:55

Liebe Gerda,
ja, das war eine echte Nachtschicht (@Uhrzeit ;-)). Ich dank dir sehr für deine Auseinandersetzung. Und Bedrohungspotenzial ist nicht in dem Text angelegt, das stimmt (wenn er nicht nur leichtfüßig ist).

Ich frage mich, warum ausgerechnet der Mann unter den Schafen ...

Hm? Der Mann war irgendwo unterwegs auf Wiesen/Land etc. und ihn überraschte der Sturm...da suchte er Schutz zwischen den Schafen?

Deinen Vorschlag für den Schlussvers ist natürlich sprachlich viel gelungener und für sich genommen (In Bezug auf schlechte und gute Tage) durchaus reizvoll.
Aber mir ist gerade wichtig, dass nicht die Tage gewendet werden sollen, sondern die Erkenntnis, dass etwas nie immer so bleiben kann wie es ist.

Konkret:

das Ich erlebt schöne Tage
Die tage sind so schön, dass sie suggerieren, es könnte immer so sein
Das Ich macht die Erfahrung, dass dies nicht so ist (= es gibt auch schlechte Tage)
Das Ich wünscht sich diese Erkenntnis (dass alle guten tage endlich sind) zumindest insofern in etwas Nützliches zu wenden als die Aussage: "es bleibt nicht immer so" auch auf die schlechten tage angewandt werden kann und somit beduetet:
Auch die schlechten tage gehen vorbei.

Das ist das, was die letzten Zeilen aussagen sollen, aber natürlich noch gar nicht ausdrücken.

(Den Umbruchgedanken find ich gut, damit habe ich auch schon gespielt)

Liebe Klara,
danke für den versuch, der für sich schön klingt, aber noch nicht dem nahe kommt, was ich sagen möchte...


Wie wäre denn:

An guten Tagen habe ich gute Gedanken
und ist mir als würde das immer so sein

Könnt ich bloß dass es/dies so nicht ist/kommt
für die schlechten Tage wie eine Münze wenden
und sehen wie der Satz in der Sonne blinkt
<...naja....

Oder:

Ach könnt ich doch, dass dies nicht so ist
wie eine Münze wenden und in der Sonne glitzern machen



Vielleicht muss ich auch das Bild der Münze fallen lassen....aber es passt für mich...

ich setz mich weiter dran...

Liebe Grüße,
Lisa

PS Max: Zeigen!!
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Herby

Beitragvon Herby » 22.01.2007, 13:53

Liebe Lisa,

habe jetzt eben Deinen Text hier entdeckt. Ich will meine Gedanken mit aller Vorsicht äußern,
da ich den Text noch nicht intensiver lesen konnte. Doch selbst mit dieser Einschränkung
bin ich der Ansicht, der Text hat nichts in der Werkstatt zu suchen. Er spricht mich sehr an
und weckt eigene Assoziationen, die ich zum Teil längst vergessen glaubte.
Gut gefällt mir die Rahmenstruktur durch den ersten und den letzten Vers und dass die letzte
Strophe eine inhaltliche Überhöhung der ersten darstellt (hoffentlich verstehst Du, was ich
etwas unbeholfen sagen möchte).
Was mich stört, ist der Titel, der ja durch den ersten und letzten Vers gleich dreifach
auftaucht. Wäre hier „Kleine Wunder“ oder auch nur „Wunder“ eine Alternative, denn alles,
was Du beschreibst, sind ja, bei näherem Hinsehen, (kleine) Wunder.

Bei der Schafstrophe fiel mir auf, dass Du von Sturm sprichst, aber im Fell der Schafe glitzert
der Regen. Könntest Du hier nicht etwas Entsprechenderes finden? Kann ein Schafsfell
zerzaust sein?

In der letzten Strophe würde ich die Syntax ändern:

An guten Tagen habe ich gute Gedanken
> und mir ist, als könnte…

oder, um die Wiederholung von „könnte“ zu vermeiden,
> ich wünschte, es wäre … oder

Falls ich jetzt bereits Gesagtes wiederholt habe, bitte ich Dich um Nachsicht, Lisa, aber ich habe die Vorkommentare nicht gelesen. Aber noch mal, ich finde den Text schon jetzt wunderschön.
So, wenn ich jetzt dem „Geruch“ trauen darf, sind mir inzwischen die Hähnchenschenkel in der Küche verbrannt. Mal sehen …

LG Herby

aram
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Beitragvon aram » 22.01.2007, 14:30

liebe lisa

diesen text erlebe ich ganz nahe an der prosa, und habe das unbestimmte gefühl, er würde als solche für mich 'runder' - als wären es vor allem technische, quasi 'tabellarische' gründe, die es verhindern, ihn so zu setzen - sicher bin ich nicht, ein vages gefühl, vielleicht entgeht mir auch etwas - in erzählgedicht-form erscheint mir der text etwas spröde, trocken, als prosa hat er diese eigenschaft nicht, im gegenteil - d.h. ich ahne eine qualität, einen fluss, der durch die lyrikgenäherte setzung unterbrochen wird, nicht zur geltung kommt.

davon abgesehen -

einrückungen und in-klammer-setzen entsprechen einander 1:1 - das finde ich etwas maniriert - der text erhält eine irritation, die ihm m.e. schon zukommt, aber auf anderer ebene - gefiele mir ohne klammern besser.

um die hälse --> an den hälsen? eigenartige vorstellung, doch ich glaube ich sehe was du meinst...
"hängen kinder an den hälsen der pferde" -?
(vermutlich tendiere ich dazu derartige sprachliche eigenheiten "auszubügeln", weil ich am liebsten prosa läse - lass dich also bitte nicht beirren... in diesem sinn klingt der ganze satz, so wie jetzt da steht, etwas ulkig)

der blumige ausdruck "nebel in die stunden blasen" tritt unvermittelt auf... ich finde ihn etwas 'wolkig', als würde hier die sprache nicht zureichen, und zugleich zuviel sagen... zöge es wieder etwas lakonischer vor - erscheint mir poetischer... (ich seh die drahtigen haare auf den nüstern nebel blasen)

"auf der wolle der schafe glitzert der regen" ist mir auf ähnliche art 'zuviel an etwas'...es wirkt nicht real, (ich frage mich, ob 'regen' auf 'wolle' 'glitzern' kann? - ich weiß es nicht, aber der zweifel daran kommt auf) - "auf den schafen glitzert der regen" sagt das gleiche und scheint mir doch 'glaubwürdiger')

"ratscher" schneidet vom wortklang ziemlich heftig in den text ... wie gesagt ich glaube, ich merke all das an, was du eigentlich 'willst' - etwas unterschwellig gewalttätiges; etwas, das nicht 'ästhetisch' sein soll (-?-)

"nie ganz und gar / so dass ich" finde ich unangenehm kompliziert... würde "und gar" streichen - evtl. umformulieren
"verschwindet also nie ganz / ich kann später mit dem finger über ihn fahren und von etwas erzählen / das einmal war" (das statt was? oder "und davon erzählen / was einmal war"?)

letzter absatz - deinen gedanken dazu, der sich mir aus deinem kommentar erschließt, finde ich gut, bemerkenswert. er lässt sich schwer umsetzen, weil die logische entsprechung nicht ganz stimmt - 'es bleibt nicht immer so' ist auch im moment der guten tage nicht greifbar - es scheint in beiden fällen innerhalb der situation so, als würde sie bleiben... das 'wenden' ist also ein logischer sprung zwischen verschiedenen ebenen) - andere annäherung:

an guten tagen habe ich gute gedanken
bis auf den, dass es immer so sein könnte
nur er bleibt mir auch
an schlechten


an guten tagen habe ich gute gedanken
und mir ist als könnte das immer so sein

(ist auch ein guter schluss, finde ich)

("könnt" würde ich das e geben - auch in s1 bei "seh" fällt mir diese verkürzung auf, wirkt auf mich gewollt)


...ich habe nur 'auffälligkeiten' besprochen, alles andere stimmt für mich - die stärken des textes kann ich nicht 'benennen', fassen - aber sie sind da

liebe grüße
aram
there is a crack in everything, that's how the light gets in
l. cohen

Gast

Beitragvon Gast » 22.01.2007, 15:09

Liebe Lisa,

ich danke dir sehr für die Erklärungen hinsichtlich des Wendens der Münze. Da hatte ich deine Intention nicht herausglesen, wie du sicher auch an meinem Vorschlag bemerkt hast.
Das ist natürlich sehr viel komplizierter und gerade habe ich arams Kommentar gelesen, in Prosa eher auszudrücken, weil du ausführlicher werden könntest.

Alles Liebe
Gerda
(mit Lesezeichen)

jetz nur laut gedacht:
Könnte ich die Erfahrung wenden wie eine Münze und nutzen.
Auf er einen Seite der gute - auf der anderen der schlechte Tag.

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eva
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Beitragvon eva » 22.01.2007, 15:15

Hallo Lisa,

zuerst: das ist ein Gedicht, das sogar gute Tage noch verbessern kann - es wirkt auf mich wie ein frischer Wind, der mir durch die Haare fährt.

Die Fahrräder sind an den Zaun gelehnt
ich seh die drahtigen Haare auf den Nüstern


hier stolpere ich über die haarigen Nüstern der Fahrräder, womöglich weil mein Kinderfahrrad immer eine Fuchsstute war, aber der Bezugswechsel ist mir zu prompt.

entscheidet sich der Ratscher am Arm
zu einer dünnen weißen Linie zu heilen


auch wieder nur ein Wort: der Ratscher ist in unseren Breiten jemand, der (zu) viel redet und es brauchte einen Zwischengedanken, bis ich den Riss erkannte - was kein mentales Problem ist, sondern mich emotional aus dem Fluss haut

verschwindet also nie ganz und gar
so dass ich später mit dem Finger
über ihn fahren und von etwas erzählen kann
was einmal war

hier finde ich die Verstärkung durch "und gar" überflüssig,
"darüber fahren" statt "über ihn" wäre vielleicht flüssiger,
und auch das "etwas, was einmal war" wünschte ich mir geschmeidiger (habe aber überhaupt keine Idee wie - kritisieren ist einfach, ich weiß)
An guten Tagen habe ich gute Gedanken
und ist mir als könnt das immer so sein
Könnt ich bloß die Tatsache dass dies nicht so ist
für die schlechten Tage wie eine Münze wenden

auf diese letzte Strophe würde ich gerne ganz verzichten, sie klingt mir zu sehr nach "und die Moral von der Geschicht" und zerstört meine zarte Sehnsucht nach der "Leichtigkeit des Seins", die du vorher so feinsinnig ersponnen hast. Aber vielleicht kannst du darauf verzichten und mit der Erinnerung enden an dieses geheimnisvolle etwas, das einmal war?

So jetzt habe ich erst eure kritische Auseinandersetzung gelesen und es so verstanden, als ob dir die Moral von der Geschicht sprich der Proviant für schlechtere Zeiten sehr am Herzen liegt. Da mag ich dir ungern folgen, weil ich gerade diese Tendenz, das Gute zwischen den Zeilen zu spüren, an deinem Text so mag. Aber wenn, dann würde ich den Ratscher darauf hinzielen lassen, dass es auch andere Tage gibt - zwischen den guten.

Aber nochmal: mir hat es sehr gefallen.
Liebe Grüße
Eva

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Beitragvon Lisa » 23.01.2007, 20:10

Hallo,
ich danke euch für eure Kommentare....

Lieber Herby,
wie schön dich zu lesen...die Regenstelle habe ich noch einmal geändert, zerzaust kann ich leider nicht einbauen, da der Sturm zur Zeit des Interviews schon vorbei sein soll. Die Tropfen sollen wie Kugeln im Schafsfell liegen und das Licht brechen, also etwas schönes/zauberhaftes sein....~~ wenn das Bild nicht voll funktioniert muss ich da shinnehmen, ich mag es behalten.

Die Änderung der Syntax: Das hatte ich erst so :-), aber es soll sich direkt auf gute tage beziehen können...

Gut gefällt mir die Rahmenstruktur durch den ersten und den letzten Vers und dass die letzte
Strophe eine inhaltliche Überhöhung der ersten darstellt (hoffentlich verstehst Du, was ich
etwas unbeholfen sagen möchte).


Ja, und ich dank dir sehr dafür, so war es gedacht....

Deine Titelüberlegungen finde ich gut, da werde ich nochmal überlegen, ob ich etwas finde, was auf die Aussage des Endes hinweist.

Über das würde denke ich auch nach, ich denke der ganze schluss muss anders...mal sehen, aber wenn es ähnlich wird, werde ich das würde nehmen.
Ich dank dir sehr!

Lieber aram,

mit den Klammern und dem Einrücken hast du völlig recht, ich nehme die Klammern weg. danke für dein genaues, visuelles auge, mir ist die unnatürliche Dopplung nicht aufgefallen.

Hälse: Ich meine so:

Bild

es ist die Frage, ob das um nicht mehr mitschwingen lässt als ein "an", da dieses Hängen ja in der Bewegung ist und die Kinder nicht nur unten dran hängen sondern sich herumschwingen etc....da würde ich ein ulkig notfalls riskieren. Könntest du mir nach meiner Beschreibung rückmelden, ob für dich ein an das genauso und ohne Ulkfaktor leistet?

zum nebel: ja, ich habs mir durch kopf und feder gehen lassen, du hast recht mit wolkig. was ist besser nebel blasen oder nebel pusten?

doch, das mit der wolle geht. aber die Konstruktion ist sicher nicht gut (danke auch dir, eva!). ich habs geändert in "auf den Schafen glitzert Regen"

ratscher, da bin ich unsicher, im Grunde ist das gemogelt, solche Liniennarben entstehen ja eh nur bei schnitten. ich könnte also schnitt nehmen. ratscher sollte etwas kindlicher klingen @duktus, aber vielleicht fällt es zu stark raus, ich probiere mich mal an schnitt. unterschwellig gewaltätiges sollte aber damit nicht angedeutet werden. Mir ging es um das "war", das ist das schönste an dem Bild für mich (schön im Sinne von einem guten Tag), eine wunde, die klar einmal war, auf die man zeigen kann, die man zeigen kann (im Kontrast zu anderen "inneren" Wunden).

und gar kommt weg, das hatte ich auch erst nicht, weiß nicht, was mich da geritten hat ;-)

was in das übernehme ich auch (ich glaube, auch das hatte ich selbst in einer Version schon).

die e's habe ich, obwohl unbewusst gesetzt hinzugegeben, ja, sie wirken shcon etwas gekünstelt, also fort damit.

Für das Ende möchte ich trotz der Schwierigkeit das "wenden" behalten. Da braucht es noch ein zwei Tage, ich hoffe, es gelingt mir.

Liebe Gerda,
ich muss zum Ende noch überlegen...was ich aber vergessen hatte, hast du nicht mal zum Rondell was gefragt? Die szenerie soll ein Zirkus sein (den gabs bei uns früher oft in der Stadt, die Ponys wurden dann mit einem schlichten Zaun umschlossen...

Liebe eva,
die Windbeschreibung ist eine schöne, ja...so sollte es vielleicht werden...

wäre schnitt für dich geeigneter eva?

darüber fahren klingt flüssiger, aber kann ich das bezüglich grammatisch machen? ich probier das mal

auf diese letzte Strophe würde ich gerne ganz verzichten, sie klingt mir zu sehr nach "und die Moral von der Geschicht" und zerstört meine zarte Sehnsucht nach der "Leichtigkeit des Seins", die du vorher so feinsinnig ersponnen hast. Aber vielleicht kannst du darauf verzichten und mit der Erinnerung enden an dieses geheimnisvolle etwas, das einmal war?

So jetzt habe ich erst eure kritische Auseinandersetzung gelesen und es so verstanden, als ob dir die Moral von der Geschicht sprich der Proviant für schlechtere Zeiten sehr am Herzen liegt. Da mag ich dir ungern folgen, weil ich gerade diese Tendenz, das Gute zwischen den Zeilen zu spüren, an deinem Text so mag. Aber wenn, dann würde ich den Ratscher darauf hinzielen lassen, dass es auch andere Tage gibt - zwischen den guten.


Vielleicht klingt das überinterpretiert, aber für mich ist die letzte Strophe noch mehr den guten Tagen geschuldet als zuvor, es geht schon um ein bewahren...ein bisschen Moralcharakter hat solch eine Strophe bestimmt immer am Ende, aber ich mag sie nicht aufgeben, weil das Gedicht darauf beruht, diesem Gedanken Ausdruck zu geben...vielleicht wenn es runder ist, auch für dich besser lesbar und wenn nicht, schneide ihn dir einfach weg :smile: :pfeifen:

Ich hoffe, ich habe alles angemessen berücksichtigt, entschuldigt bitte, wenn wir etwas durchgegangen ist und weist mich gegebenenfalls nochmal drauf hin. Ich habe den text jetzt nochmal über arbeitet und eingestellt. Das Ende ist noch alt. Ich setz mich da morgen nochmal dran.

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

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leonie
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Beitragvon leonie » 23.01.2007, 20:47

Liebe Lisa,

das habe ich sehr gern gelesen. Die zweite Fassung gefällt mir viel besser. Ich hatte gleich Bilder vor Augen und Du hast sie so schön beschrieben!
Am Schluss frage ich mich, warum Du nicht einfach "die Tatsache" weglässt, im Grunde verliert der Satz dadurch ddoch nicht an Sinn, klingt aber meiner Meinung nach schon viel besser!

Liebe Grüße

leonie


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