befund

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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eva
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Beitragvon eva » 06.01.2007, 22:10

Wir sind vorsichtig
umeinander

kein wort zu viel
das die pechwaage belastet

behutsam wie die katze
die seit dem bei uns heim sucht

doch nachts sind alle
katzen frei

Mucki
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Beitragvon Mucki » 07.01.2007, 00:03

Hallo Eva,

dein erstes Gedicht hier finde ich sehr gelungen! Du beschreibst eine Krisensituation mit gut gewählten Worten.
Das Spiel mit "heim sucht" ist gekonnt. Und die Schlusszeilen, die für mich aussagen, dass nachts allen Emotionen freier Lauf gelassen werden kann.
Das "umeinander" in Zeile zwei würde ich evtl. durch "miteinander" ersetzen und überlegen, ob der Titel nicht vielleicht zuviel verrät.
Saludos
Magic

Niko

Beitragvon Niko » 07.01.2007, 01:25

hallo eva!

gefällt auch mir sehr. ich mag es, wie du die worte bedeutsam machst. das pech ist mir zuviel. zumal ja in gleicher zeile von belasten die rede ist. meines erachtens könnte man das unbelasteter ohne pech lesen. auch die waage ist schon oft bemüht worden. naja.ansichtssache. ich hätte mir etwas anderes gewünscht.

und hier muss ich gabriella widersprechen: das umeinander ist für mich goldrichtig. das umeinander schleichen, umlageern um einander kreisen. und das vorsichtig. was gleich die grundstimmung zeigt: man will nicht verletzen. gut gewählte worte in diesem sinne.

lieben gruß: Niko

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 07.01.2007, 11:17

Liebe eva,
ich war ganz gespannt, als ich auf das Knöpfchen zu deinem Gedicht drückte, weil "man" dich ja schon von den Elfchen (= Eva) kennt und von einigen Kommentaren...ich finde es schön, dass du dir Zeit gelassen hast.
Dein Text spricht mich an, ich lese den Befund nicht im übertragenden Sinne sondern tatsächlich über einen der beiden im Gedicht ausgesprochen (Krankheit). Darauf hin wissen beide nicht mehr richtig miteinander umzugehen, schleichen umeinander her, um nichts falsches zu tun und sind so weit voneinander entfernt. Und dann am Ende das heimliche aber, das darauf hin deutet, dass in manchen Stunden sich die beiden doch sehr nah kommen, dass die Körper (also auch noch das, was krank ist) weniger eingeschüchtert und stumm sind als die Wortsprache.
So lese ich den Text.

Sprachlich stimme ich Niko zu, dass es dem Text manchmal an originellen Bildern fehlt. Dabei lese ich sowohl die pechwaage als auch das Katzenbild sehr gern, beides zusammen aber schwächt den text, finde ich.

Die Kombination von belastet und Pechwaage passt so noch nicht, finde ich. Entweder nimmst du die Waage als ganzes, die pech bringt, dann ginge sowas a la (jetzt kein sprachlicher Vorschlag, nur um den Unterscheid klar zu machen) oder du meinst, dass eines der beiden waageseiten die pechseite ist.

ersteres würde genauer sein: kein wort zu viel, das die pechwaage falsch ausschlagen lässt (auf die falsche Seite kippen lässt, im sinne so belastet, dass sie falsch ausschlägt.). Was ich meine ist: Eine gesamte Waage nur zu belasten, und zugleich das Bild bemühen zu wollen, dass sie auf eine bestimmte Weise ausschlägt, ist für mich nicht hundertprozentig stimmig.
OH, nun fällt mir gerade auf, du könntest auch eine Waage meinen, die gar keine Waagschalen hat, sondern einfach nur das Gewicht misst, das auf sie gelegt wird - und bei Zunahme dies sozusagen mehr Pech bedeutet, daher auch belastet. Ja, dann passt es wohl, wie es ist. Allerdings assoziiere ich bei dem Thema des Gedichts und Pech eher sowas wie Schicksal, das gewogen sein muss etc. und da kommt mir immer zunächst die klassische Waage in den Kopf. ~~
- Ohje, ich glaube ich drücke mich wirr aus! Wenn niemand anders versteht, was ich meine, vergessen wir das lieber ;-). Aber vielleicht kann man das Bild noch präzisieren.

Das umeinander finde ich auch gut gesetzt.

Seit dem würde ich zusammenschreiben?

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Niko

Beitragvon Niko » 07.01.2007, 12:23

das "seit dem" lese ich mit einer betonung auf dem,lisa. also seit dem zustand, der zuvor beschrieben wurde. somit finde ich dieses auseinanderschreiben des wortes gerechtfertigt und gut.

ich bin gespannt, was eva dazu meint.

lieben gruß: Niko

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 07.01.2007, 12:32

Liebe Eva,

mir gefällt dieses Gedicht sehr gut. Stimmt es, dass Du "seit dem" und "heim sucht" mit Absicht auseinander schreibst. Als Betonung des Ereignisses (dem) und der Suche?

Grüße

Paul Ost

P.S.: NJs Gedanke und meiner haben sich gerade überkreuzt.

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 07.01.2007, 12:36

Hallo,
ja die Absicht habe ich schon auch erkannt, darum habe ich es ja als Frage formuliert. Ich finde aber im gegensatz zu heim sucht (was ja ein echtes Spiel mit die Katze sucht etwas heim und die katze sucht ein Heim ist) ist das seitdem für mich weniger begründet bzw. gefällt mir nicht so sehr. Das zeitliche seitdem beinhaltet ja die Deutung seit dem...es verwirrt aber, weil es beides gibt. Daher würde ich zu seitdem tendieren.

Liebe grüße,
Lisa
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Klara
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Beitragvon Klara » 07.01.2007, 13:54

Hallo,

gefällt mir.

seitdem zusammen?
lg
klara

Max

Beitragvon Max » 07.01.2007, 14:30

Liebe Eva,

das ist ein Gedicht, das in der Summe einen guten Eindruck bei mir hinterlässt.

Zu den kritisierten Bildern vielleicht soviel: Die "pechwaage" scheint mir ein Bild zu sein, das nach Originalität strebt und dadurch so auffällt, das man (naja, ich ;-) ) sich fragt, ob es noch in den Text passt. Mit der Katze verhält es sich gerade andersherum, die ist eher recht gebräuchlich. Beides finde ich aber durchaus so, dass es das Gedicht vertragen kann.
Was mich am meisten überlegen lässt, ist das Ende:

doch nachts sind alle
katzen frei


In den Zeilen vorher wird eine lyrische Spannung, die in diesen Zeilen in meinen Augen zu schnell vergeben wird ... Vielleicht ließe sich da noch etwas Gehaltvolleres finde?!

Liebe Grüße
max

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eva
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Beitragvon eva » 08.01.2007, 10:44

Zuerst danke für die spannende Kritik und euer Interesse, das hat mich sehr gefreut.

Im einzelnen:

Das erste "miteinander" habe ich dann durch das "umeinander" ersetzt, Magic, weil ich genau das ausdrücken wollte, was Niko nachgelesen hat.

Der "Befund" bezieht sich sowohl auf einen möglichen Auslöser, wie Lisa ihn erkennt, als auch auf die gesamte Beziehungssituation. Mir würde schlicht kein anderer Titel einfallen -?

Die Pechwaage hat sich aus der bekannten Goldwaage, auf die jedes Wort gelegt wird, und dem Märchen von der Pechmarie entwickelt. Das Bild der (schon zweischaligen, Lisa) Waage mit der Spaltung in Gold einerseits und Pech andererseit war von mir wohl nicht sauber zu Ende gedacht worden, mir ging es darum, die eine Seite nicht überzustrapazieren. Das arbeitet jetzt erst mal...

Das seit dem war mir in der Trennung wichtig, weil es mir nicht nur darum ging, den Zustand nochmal zu betonen, wie Niko es sah, sondern auch um sich zugleich davon zu distanzieren, von diesem "dem", das man lieber nicht näher benennen und damit in die Realität bringen will. Zusammengeschrieben findet diese Distanzierung meines Erachtens keinen adäquaten Ausdruck oder habe ich da einfach selbst zu wenig Distanz zum Text?

Das heim suchen, Paul, habe ich auch bewusst auseinander geschrieben, weil es dann heimsuchung, heimat suche, vielleicht auch heimliche suche verwebt.

Zum Ende, max, kann ich nur sagen: kalt erwischt! Ich finde es absolut schwach, ich saß lange vor diesem Satz "denn nachts sind alle katzen..." und hätte ihn am liebsten offen gelassen, aber das klang einfach nicht stimmig. Das "frei" war dann noch der Akzeptabelste aller faden Kompromisse.

Jetzt sitze ich also in einer überfrachteten Pechwaage fest und überlege mir, was Katzen nachts tatsächlich so sind...

Nochmal danke für eure Gedanken!
Liebe Grüße
Eva

Gast

Beitragvon Gast » 08.01.2007, 13:27

Liebe Eva

dein Gedicht habe ich gern gelesen. Von den Elfchen kennen wir uns schon.
Die Auseinandersetzung mit deinem Text habe ich gerade verfolgt.
Hängen blieb ich an dem bereits erwähnten letzten Satz:
eva hat geschrieben:doch nachts sind alle
katzen frei

Da suchst du nach einer anderen Formulierung, weil du nicht nach
eva hat geschrieben:behutsam wie die katze
die seit dem bei uns heim sucht

Schluss machen willst.
Meinst du denn diese Wendung der Blick auf die anderen Katzen[/,]sei notwendig für die Text(be)deutung? ich habe diese Gefühl nicht.
Ich habe hin un her überlegt, könnte denn nicht, das Wort: "nachts" das Gedicht schließen?
Also um es zu verdeutlichen:

[i]behutsam wie die katze
die seit dem bei uns heim sucht
nachts


oder ist dir der Aspekt wichtig, auf alle "Katzen" hinzuweisen, auf alle, "die heim suchen"?
Ich hoffe, dass ich jetzt nicht verwirre.


Liebe Grüße
Gerda

Trixie

Beitragvon Trixie » 08.01.2007, 14:25

Hallo Eva!

Das gefällt mir! Es ist kurz und prägnant und doch sehr aussagekräftig mit viel Platz für eigene Ideen und Assoziationen! Ich musste bei der Pechwaage sofort an die Pechmarie denken und habe das so verstanden, dass egal was gesprochen werden würde, das Unglück oder eben Pech noch verstärken würden. Zumindest kommt es dem Lyrich so vor. Was mich stört sind die "vielen" Adjektive in dem Text, in dem du doch schon die Bilder hast! Ich würde zum Beispiel das "behutsam" weglassen, denn das willst du, oder liege ich falsch, ja schon mit dem Bild der Katze ausdrücken. Den Endvers finde ich gar nicht so schlecht vom Gedanken her, nur da stört mich, dass das Wort Katze, einfach vom Gesamtlesefluss, schon wieder vorkommt. Außerdem hört sich das "alle" nicht gut an, denn es ist zu pauschalisierend und passt einfach von der speziellen Thematik her nicht. Denn du versuchst ja schon eine bestimmte Situation aufzuzeigen von zwei Menschen, die sich vom Pech verfolgt fühlen (noch ein Grund, warum ich das Wort Pech hier so eingebaut richtig gut finde: Sie sehen sich in keinster Weise als selbst schuld oder nehmen die Situation an, sondern schieben es dem Pech zu) und da passt "alle" einfach nicht wirklich. Da frage ich mich auch: Brauchst du das "alle Katzen" im Gegensatz zur einen Katze, die dort heim sucht (was ich übrigens richtig finde!) ? Könntest du nicht einfach sagen:

(behutsam) wie die katze
die seit dem bei uns heim sucht

doch nachts ist auch sie frei


Oder so ähnlich? Ginge, das in diese Richtung weiter zu denken? Hmmm, schwierig, denn ich kann das mit dem abschließenden Satz schon verstehen, geht mir auch immer so :-)! Doch ansonsten gefällt es mir wirklich sehr, denn ich finde, du hast genau die richtige Stimmung in dieses Thema reingebracht, die bei mir auch anstößt :-) !

Grüßchen
Trixie

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 08.01.2007, 20:05

Liebe Eva!

Bist du diese Situation nicht leid?

Mir wäre sie leid.
Ich möchte auch am Tag ein freier Kater sein.

Schnurrrr

moshe

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eva
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Beitragvon eva » 09.01.2007, 21:41

lieber moshe,
natürlich bin ich die situation leid.
wer will schon jede nacht um 3:00 geweckt werden, um dem kerl die türe in die freiheit zu öffnen, während er die tage auf meinem sofa verpennt? da hilft auch sein schönstes schnurren nicht... ;-)

hallo gerda, hallo trixie
danke für eure kritischen anregungen. momentan wende ich worte hin und worte weg, streich(l)e behutsam und andere katzen, finde keine gesamtversion, die mich befriedigt, und bleibe zuletzt an den ein bis zwei gelungenen sätzen hängen. aber das ist normal, denke ich, dazu ist das üben ja da.
jetzt kehre ich erstmal geläutert zu den elvchen zurück.

liebe grüße
eva


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