Traumbild

Hoedur

Beitragvon Hoedur » 21.12.2006, 17:15

Ein Traumbild sprach zu mir:

Mein Freund, was meinst Du
- Warum bist Du hier? -
Denkst Du an ein höheres Ziel
oder bist Du der Götter verrücktes Spiel?

Wir sitzen alle in einem Boot,
manch einer erkennt nicht die direkte Not,
da ist doch stets der sanfte Storm,
der Dich ganz leise und mit Hohn
hinabzieht - in die Dunkelheit.

Und weißt Du, daß meine größte Lust,
wenn ihr im Boot begreift, den Frust,
daß nichts und niemand kann vermeiden,
den Sturz - am Ende kommt das Leiden!

Und ganz am Ende siehst Du Land,
Du denkst an Erlösung, streckst die Hand,
siehst Wege, wenn der Nebel sich lichtet,
siehst Brücken, die Du einst selber vernichtet - hast abgebrannt!

An jeder Weggabelung hast Du ein mögliches Leben von dir geworfen.

Und wenn Du erkennst, dann ist es zu spät,
dann ist Dein Feld schon abgemäht.

Dein Buch ward geschrieben - heute Nacht!
Schweißgebadet war ich aufgewacht.


211206

Gast

Beitragvon Gast » 22.12.2006, 19:01

Lieber Hoedur,

„Ein Traumbild sprach zu mir“, du hast das Monatsthema im wörtlichen Sinn beim Schopf gepackt. Warum nicht. Mir scheint dein Text nur noch relativ unausgearbeitet und wenig geordnet. Im Einzelnen:

V 1
Der dem Lyrich im Traum Erschienene scheint dem Lyrich bekannt zu sein. Die Ansprache deutet dies an. Der Träumende wird nach der Einschätzung seines irdischen Hierseins, nach dem Sinn des Lebens also, befragt.
Gottgedanken kommen ins Spiel.

V2
Das leider relativ verbrauchte "Wir sitzen alle in einem Boot", erweckt den Eindruck, dass der Befrager nicht überhöht (gottgleich) anzusehen ist, sondern Mensch, und sich insofern nicht vom Befragten unterscheidet.
Dann geht es aber für mich ein wenig drunter und drüber. Worum es geht wirklich kann ich nicht herausfinden. Da ist die Rede von einem sanften Strom, der das Lyrich in die Dunkelheit hinabzieht.
Wenn das Lyrich hier „geblendet“ würde, hätte ich wohl eher Zugang.
(Kleiner Schreibfehler am Rande: nicht Storm, sondern Strom ist wohl gemeint)

V3
Ich sitze, glaube ich, auch mit im Boot und versinke im Chaos, ;-) welches vielleicht auch nur zustande gekommen ist, weil hier der Inhalt den Reimen geopfert wurde. (Auf die Reime komme ich noch gesondert zu sprechen).
Da geht Lust und Frust mit Leiden und vermeiden Hand in Hand, und ergibt für mich keinen Sinn.

V4
Land in Sicht? Einerseits. Aber auch Brücken vernichtet. Wäre da vielleicht eine andere Reihenfolge vonnöten?
Jetzt sprichst du von Erlösung, so dass ich mich, auch im Hinblick auf das in V1 erwähnte „Höhere Ziel“ frage, ob es hier letztlich um das Leben nach dem Tode geht, welches das Höhere Ziel sein soll.

Die weiteren Zeilen deuten ebenfalls in diese Richtung.

Zur Schlusszeile:
Das Lyrich erzählt seinen Traum. Der Traum liegt im Präteritum.
Das Aufwachen liegt also zeitlich nach dem Traum, des wegen: „Schweißgebadet bin ich aufgewacht“, noch besser, ganz weglassen, denn das tut ja eigentlich inhaltliches zur Sache und eine echte „Rahmenhandlung“ hast du ja nicht aufgebaut.
Das wäre dann folg. Ablauf:

Ich legte mich schlafen.
Ein Traumbild erschien
Beschreibung (eigentliches Gedicht)
Dann das Aufwachen.


Für mich ist die zeitliche Abfolge größtenteils durcheinander geraten, schrieb ich bereits. Nun kannst du natürlich sagen, ist ja alles nur Traum. Wohl wahr, aber selbst ein Traum hat eine „Traumlogik“
Das habe ich im Blauen Salon sehr eindrücklich von aram lernen können, der mich bei meinem Zeckentraum „gelöchert“ hat und letztlich dazu gebracht hat, den Traum so zu schreiben, dass auch der Leser weiß, wie die Traumbilder aussahen.
Das ist es doch: Der Leser sollte folgen können, gleich ob er die Intention des Autors trifft, oder die Folgerichtigkeit aus den Bildern im Text und/oder Formulierungen ableiten kann.
Ich habe es versucht, es will mir nicht gelingen. Zurück bleibt ein etwas nebulöser Eindruck, der sich wieder verflüchtigt.

Du hast kein Reimschema eingehalten. Auf mich wirken die Reime deshalb willkürlich und krampfhaft eingestreut. Dadurch hat dein Text für mich keinen Rhythmus. Es gibt kein Vermaß, wie bei durchgängigen Reimgedichten nötig, um einen Klang und ein Fließen zu erzeugen. die Reime haben etwas beliebig Belangloses, sie können den Text nicht stützen.
Aus diesen Gründen und weil es abgenutzte, oft gelesene sind, würde ich die Reime vermeiden.

Möglicherweise ist das, was ich dir schreibe alles sehr niederschmetternd. Ich finde aber du solltest nicht die Flinte ins Korn werfen, sondern versuchen, dem Traum alles abzugewinnen, was deinen Text voran bringt.
Wer weiß, ob du nicht noch die eine oder andere Unterstützung erhältst, jetzt wo ich den Stein ins Rollen gebracht habe.

Liebe Grüße
Gerda

Hoedur

Beitragvon Hoedur » 26.12.2006, 14:23

Guten Morgen Gerda,

nun, schade, daß meine Gedanken hier nicht rüberkommen. Deine vernichtende
Kritik wirft bei mir die Frage auf, ob wir den Text hier nicht einfach streichen sollen
und ich ihn mir im "stillen Kämmerlein" aufbewahre. Jedoch will ich hier noch erläutern,
was ich mir bei dem Text gedacht habe, um Deine "Vorwürfe" etwas zu entschärfen.

V1 das eigene ICH erscheint dem Träumenden und reflektiert sein Leben

V2 das "sitzen alle im selben Boot" ist ein Indiz hierfür, und fügt sich in den sanften "Lebensstrom",
auf dem man dahin gleitet, ohne wirklich sein Leben zu leben, ohne zu hinterfragen. Das Ende
ist die Dunkelheit, wenn Du sagst, "sitzen in einem Boot" ist verbraucht, dann finde ich, die
Vorstellung am Ende des Lebens ist ein Licht, das uns aufnimmt ebenso "vorgefertigt". Bei mir
kommt am Ende des Lebens die Dunkelheit. Schopenhauer meint hier, daß das Leben nur ein
Augenblick zwischen zwei Dunkelheiten ist.

V3 Das "inhaltlos" akzeptiere ich nicht.

V4 Und auch hier: Wenn ich am Ende des Lebens angelangt bin kann ich aufs Leben zurückschauen,
dann eröffnet sich mir eben ein Gesamtkunstwerk des Lebens, dann schau ich zurück und denk
mir, hätte ich doch das gemacht, oder jenes ... das ist aber eben nicht mehr möglich (die
Brücken sind abgerissen). Und: es gibt kein Leben nach dem Tod, es ist bald zu spät etwas zu
verändern. (das Feld ist abgemäht)



Daß ich hier keine durchgehende Reimform gewählt habe ist vielleicht ein Schwachpunkt, jedoch
wollte ich auch das mal versuchen, schliesslich träumen auch Dichter höchst selten in Versen ;-))


--
Hoedur

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Beitragvon leonie » 26.12.2006, 21:40

Lieber Hoedur,

ich glaube, das Gedicht würde sehr gewinnen, wenn Du die Reimform ganz weglässt. Ich finde spannende Gedanken darin, gerdade in den letzten vier Strophen. Aber mir scheint, an manchen Stellen ist dem Reim zuviel unterworfen worden. (z.B. Strom-Hohn, Lust-Frust (den finde ich besonders unpassend), und das geht zu Lasten des Inhalts.

Liebe Grüße

leonie

Gast

Beitragvon Gast » 27.12.2006, 10:25

Lieber Hoedur,

gerde habe ich meinen ausfürlichen Kommentar versehentlich gelöscht.
Ich habe jetzt keine Zeit mehr und schreibe später.
Liebe Grüße
Gerda

Gast

Beitragvon Gast » 28.12.2006, 13:09

Lieber Hoedur,

deine Gedanken, die dich zum Gedicht Traumbild geführt haben, sollten offenbar nicht im stillen Kämmerlein unter Verschluss bleiben, sondern gelesen werden. Ich finde es ganz wichtig, dass du nicht denkst, ich würde meinen, dein Text habe im blauen Salon nichts zu suchen.
Nimm meine Kritik doch bitte als Auffoderung am Text zu arbeiten. Es geht hier um den Text, nicht um dich persönlich.
Ich habe nicht geschrieben, dass V3 "inhaltslos" sei, sondern dass der Inhalt dem Reim geopfert/ untergeordnet wurde. Das ist etwas Anderes und meint, dass du den Inhalt viel freier und eindrücklicher ohne Reim tansportieren könntest.
Zwischenzeitlich hat leonie, auch geschrieben, du mögest die Reime völlig weglassen.
Ich würde es versuchen und auch die Gedanken in einer gewissen Reiehnfolge und Logik zu erzählen, so, dass daraus nach ein Bild im Kopf des Lesers entstehen kann, welches sich nicht schnell wieder verflüchtigt, weil nicht nachvollziehbar war.
Die Gedanken können so "verrückt" oder "unlogisch" sein, wie sie es in Träumen sind, nur man sollte Ihnen folgen können.
Wenn du Metaphern benutzt, wie das Bild des Bootes und auch "Land in Sicht", dann funktioniert es in der von dir gewählten Reihenfolge nicht.
Vielleicht drücke ich mich nicht klar genug aus?
Ich meine, der Lebensstrom plätschert manchmal, dann rauscht er, hat Stromschnellen, Strudel und Wasserfälle. Wenn Lyrich und Ich in einem Boot sitzen und Land sehen, bedeutet das doch Rettung - oder?
Die Brücken, die vernichtet wurden gehören meiner Ansicht nach zu den Widernissen, während der Fahrt durch den Lebensstrom. (Nicht ans Ende gestellt). Man hätte, um jetzt mit einem anderen Bild zu arbeiten, die Möglichkeit gehabt, über manche Brücke zu gehen unterwegs, die man aber - vernichtet hat, das heißt, die helfende Hand nicht ergriffen, nehme ich an.
Mir war nicht klar, dass es sich um ein Zwiegespräch mit dir selbst im Traum handelt, auf die Idee wär ich ohne deine Ausführungen nicht gekommen.
Vielleicht geht es anderen Lesern auch so und du hast deshalb noch erst wenige Kommentare.
Wie wäre denn, wenn du etwas in Richtung: Ich erschien mir als Traumgestalt, oder als Titel: Überich in Traumgestalt, vielleicht reicht auch im Titel statt Traumbild, - gestalt zu nehmen, aber dann solltest du im ersten Vers vom Erscheinen deiner Person im Traum sprechen.
Im Traum ist eben alles möglich. Auch dass "Gott" einem Atheisten erscheint und ihn bewfragt, ob er über den Sinn des Lebens nachgedacht habe.
Ob dir das nun weiterhilft? Wenn du magst und Fragen hast, stelle sie doch. Manchmal wird man sich über den eigenen Text erst richtig klar, wenn man hört wie die Leser ihn rezipieren.

Also ich hoffe, du nimmst das alles rein textlich.

Liebe Grüße
Gerda

Hoedur

Beitragvon Hoedur » 30.12.2006, 09:46

Guten Morgen Leonie und Gerda,

leider kam ich heute erst wieder dazu mich zu melden. Zu viel Aufregung am Ende
des Jahres und am Anfang meines Umzuges. Nun, ich habe mich entschlossen, die
Reimform wegzulassen und meine Gedanken etwas auszuführen, ob ich ein reimloses
Gedicht oder einen Prosatext erarbeite muß ich noch sehen. Auf alle Fälle liegt schon
Novalis neben mir, und der hat ja jede Menge Träume ausgeführt.
Mein Bild, daß die Brücken am Ende des Lebens im "Schlachtfeld des Lebens" brennen
und nicht begehbare Brücken eines Erlösten sind werde ich
dann auch versuchen besser zu beschreiben.
Habt etwas Geduld, im neuen Jahr poste ich dann nochmal meinen Traum.

Danke für die Mühe
Grüße
Hoedur :lesen0005:


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