Grausliche Mitternacht

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Benutzeravatar
Schwarzbeere
Beiträge: 254
Registriert: 03.12.2006
Geschlecht:

Beitragvon Schwarzbeere » 20.12.2006, 00:01

Grausliche Mitternacht

Hufschlag und Fluchen und der Schrei einer Magd
in der Scheune geschändet zum wirren Gelächter.
Wer jetzt noch ins Dunkle zu spähen sich wagt,
wird gnadenlos Opfer der grimmigen Schlächter,

dem die nächtlichen Schemen die Adern zerfleischen,
wenn die hungernden Rudel der heulenden Hunde
ihren Anteil am blutigen Mahle erheischen
von Hexern und Teufeln zur Mitternachtsstunde.

Behänge die Balken mit Knoblauchzöpfen.
Mit Weihwasser musst du die Türen besprengen,
wenn ums Haus tobt die Hatz der Gespenstergeschöpfe,
die mit flackernden Fackeln zum Eingang sich drängen.

Halt die Ohren dir zu , schließ fest deine Augen,
hinter den Ofen verkriech dich zum Beten.
Das Weihwasser trocknet, dein Hirnblut saugen
mit Schmatzen die Gäste, eh' sie dich zertreten.
Zuletzt geändert von Schwarzbeere am 27.09.2009, 17:57, insgesamt 3-mal geändert.

Mucki
Beiträge: 26644
Registriert: 07.09.2006
Geschlecht:

Beitragvon Mucki » 20.12.2006, 01:36

Hallo Schwarzbeere,

ui, das ist wirklich grauslich! Gut und sehr anschaulich geschrieben.
Eine Anmerkung: in Zeile zwei "geschändet". Müsste es nicht anders heißen, etwas im Sinne von leergesaugt oder so? Unter "schänden" verstehe ich vergewaltigen. Aber Vampire saugen ja Blut und vergewaltigen (laut Legenden) nicht, oder?
LG
Magic

Louisa

Beitragvon Louisa » 20.12.2006, 07:44

Hallo Schwarzbeere,

also ich finde es ist anerkennend anzumerken, dass Dein Rythmus fast nie ins holpern gerät, außer hier (glaube ich) :

hinter den Ofen verkriech dich zum Beten.
(...)
mit Schmatzen die Gäste, eh' sie dich zertreten.


-Sonst ist das natürlich ein nettes Thema. Es hätte mir sehr gefallen, wenn Du ein Fabelwesen erfunden hättest, vor dem ich mich fürchten muss... Zum Beispiel ein "Joghurtmonster" oder sowas!

Leider ist dem aber nicht so. Vielmehr weiß mein Kopf gar nicht, was er sich vorstellen soll. Ich zitiere die verschiedenen (sich überstürtzenden) Varianten:

1. "Vergewaltiger"

2. "Schlächter"

3. "Geister" (bzw. "Schemen")

4. "Hexer"

5. "Teufel"

6. "Vampire" (wegen Knoblauch)

7. "Gäste" (vielleicht eine persönliche Geschichte?)


-Das geht aber nicht in einem "guten Gedicht", finde ich. Das sind meist völlig unterschiedliche Wesen, die Du gleichsetzt. An Deiner Stelle hätte ich mich für eines entschieden und das dann genauer behandelt.

So ist es mir zu viel des Bösen.

Dann habe ich Probleme mit solchen Zeilen:

Wer jetzt noch ins Dunkle zu spähen sich wagt,

(...)

Das Weihwasser trocknet, dein Hirnblut saugen
mit Schmatzen die Gäste, eh' sie dich zertreten.


-Das waren zwei Beispiele. Ich finde das klingt einfach viel zu kompliziert. Kann man das nicht einfacher formulieren?

Insgesamt hat mich das alles auch unerklärlicher Weise an "Herr der Ringe" erinnert :smile: ...

Insgesamt (denke ich) bist Du sicher in der Lage eine garusige Stimmung zu erzeugen, aber die vielen, vielen Ungeheuer und der manchmal zu verschachtelte Satzbau lenken mich derart ab, dass ich mich nicht mehr gruseln kann. Aber das geht den anderen ja vielleicht nicht so.

Also ich hoffe auf ein eindeutiges Grusel-Gedicht!

Liebe Grüße,
l.

Benutzeravatar
Schwarzbeere
Beiträge: 254
Registriert: 03.12.2006
Geschlecht:

Beitragvon Schwarzbeere » 20.12.2006, 10:34

Liebe Kolleginnen

In der frierenden Schwärze ums Gitterbett sehe ich mich manchmal noch als Kind mit der Decke über dem Kopf und angewinkelten Füßen, angestrengt, das zu erlauschen, was ich nicht hören will, was mich ängstigt, was meine zugekniffenen Augen nicht sehen, doch mein zitternder Körper spürt, so nahe, so fern, so bedrohlich und undefiniert. Da wusste ich noch nicht die Gesichter der Ungeheuer, Vampire und anderer Unholde, von denen ich später, als ich lesen konnte, die präzisen Beschreibungen lernte, ja selbst der Krampus war mir noch nicht erschienen. Angst ist Furcht vor dem Unbekannten, dem der Geängstigte Gesichter anhängen will, doch „die Nacht schuf tausend Ungeheuer…“.

Faule Ausreden: das artikulierte Ich weiß sich nicht zu einer Präsenz zu bekennen, doch die Metaphern sollten es als schon etwas von der Kindheit entfernt verstehen lassen, und da ist es heute erforderlich, sich der Kategorisierung des Unheimlichen und den entsprechenden Konventionen anzupassen, also entweder Lützows wilde, verwegene Jagd, oder Hebbel oder Bram Stoker, etc.

Ich hätte den Text, den ja niemand ernst nehmen sollte, gerne unter Skurriles eingestellt, doch fand ich keine derartige Kolumne. Dass ich trotzdem dafür Kommentare erhalte, scheint mir zu viel der Ehre und ich bedanke mich mit einem schönen Kniefall.

Benutzeravatar
Schwarzbeere
Beiträge: 254
Registriert: 03.12.2006
Geschlecht:

Beitragvon Schwarzbeere » 20.12.2006, 10:41

Magic hat geschrieben: Aber Vampire saugen ja Blut und vergewaltigen (laut Legenden) nicht, oder?
Magic


Beim Hexensabbath nehmen solche und andere teil, und ich werde beim nächsten Mal Voyeur spielen!

Vielleicht könnten wir uns einmal gemeinsam einen Darculafilm anschauen?

Liebe grausliche Grüße. Schwarzbeere

Benutzeravatar
Schwarzbeere
Beiträge: 254
Registriert: 03.12.2006
Geschlecht:

Beitragvon Schwarzbeere » 20.12.2006, 10:47

Louisa :

hinter den Ofen verkriech dich zum Beten. XxxXxxXxxXx
(...)
mit Schmatzen die Gäste, eh' sie dich zertreten. xXxxXxxXxxXx

Ich stolpere nicht und vielleicht werde ich es vorlesen, wenn ich den Mut finde, mich vorzudrängen.

Zu den anderen, durchaus berechtigten Bemerkungen habe ich einen allgemeinen Kommentar geschrieben.

Danke für deine Mühe. Schwarzbeere

Benutzeravatar
Lisa
Beiträge: 13944
Registriert: 29.06.2005
Geschlecht:

Beitragvon Lisa » 20.12.2006, 11:07

Liebe Schwarzbeere,
ich habe unter Humorvolles zur besseren Orientierung "Skurriles" hinzugefügt, soll ich den Text dorthin verschieben?


Zum Text:

Hufschlag und Fluchen und der Schrei einer Magd
in der Scheune geschändet zu wirren Gelächter (oder bei)


Ich finds ja gruseliger wenn vom Teufel und nicht von Teufeln die Rede ist...

Insgesamt müsste der Text entweder länger sein, um sein opulentes Spiel ausgiebig spielen zu können, so ausgiebig, dass er mich in seine Welt versetzt - das tut er durch die vier Strophen nicht. Da brauch ich 10 oder mehr und eine viel genauere, ausführlichere, lebendigere Bescheibung. Du brauchst drei Strophen, um den Abend zu beschreiben und eine Zeile für den Mord - ist das gruselig? Schon klar, Spannung kann man auch durch Hinhalten erzeugen (sie ersten Alienfilm @Flurszene), aber da dieser Text ja durchaus ein klassischer (wenn auch skurril) ist, bin ich nicht tief genug drin, du erschaffst keine Welt (und wenn das nicht das Zeil ist, verwebst du den Text nicht mit der unseren genug in Spiegelblicken etc.). Ich meine, der Text springt von "draußen" hinter verschanzten Türen direkt zum Töten (außer weihwasser getrocknet), das Eindringen der gespenstischen Wesen, das Bewegen IM Haus des Kindes ist völlig unauserzählt. Mir fehlt das, gerade weil es eine Hinhaltespannung ist. Wie mit den sieben geißlein....und em letzten in der Uhr...

Das Verstecken könnte meines Erachtens eben genau dazu dienen: ausführen...das Scharren an der der Tür, das Brechen der tür...das Suchen des opfers....dann auch ruhig das Ausweiden etc., ich meine, wenn schon, denn schon oder? ;-)
Klassische Texte dieser Art sind blutrünstiger als deiner es ist. Für einen nicht klassischen ist er aber zu wenig gebrochen, denke ich, auch wünsch ich mir noch mehr düstere Psychologie.

Ja für mich bleibt: opulenter oder ganz anders, so wirkt der text noch zu ausgedacht.

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Trixie

Beitragvon Trixie » 20.12.2006, 11:23

Huhu!

Also, ich kann schon die Kritik meiner Vorschreiben verstehen, doch rein persönlich finde ich es toll, denn mich erinnert es an eine Halloween-Nacht, wenn genau jene ganzen Gestalten rumlaufen und um Süßigkeiten bitten, was sich dann mit den Horrorfilmen vermischt, die ich meistens die halbe Nacht hindurch schaue und haufenweise Süßkram esse. Bis ich dann im Bett liege, ist mir eh übel und in meinem Kopf tummeln sich wirre Bilder von Monstern, Hexen und all dem, was du beschreibst! Daher hat es mich angesprochen, ohne an Kinderzeiten zu denken :mrgreen:! Allerdings habe ich formtechnisch mit "Behänge die Balken mit Knoblauchzöpfen" meine Schwierigkeiten...fehlt da nicht eine Silbe? Sonst müsste man die Knoblauchzöpfe unnatürlich betonen, finde ich! Ansonsten hatte ich keine Probleme, doch ich kenne mich da auch nicht so aus und lese eh immer alles laut und dann passt es meistens auch :-)!

Lieben Gruß
Trixie

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 20.12.2006, 13:45

Hallo Schwarzbeere,

ja, Dein Text hat was. Ich musste beim Einstieg eher an Grimmelshausen und den Dreißigjährigen Krieg denken. Dann kamen aber die Gruselbilder zum Vorschein.

@ Magic,

die Verbindung von Vampiren und sexueller Gewalt gab es schon lange vor Stoker. Monster tun ja immer das, was sie nicht dürfen. Darunter fällt eben auch die Schändung einer Magd.

Falls Du mein Gedicht "Incubus" im Salon findest, kannst Du Dir das berühmte Bild nocheinmal anschauen, das ich damals angehängt habe. Es zeigt einen Dämon bei der lasterhaften Arbeit.

Grüße

Paul Ost

Mucki
Beiträge: 26644
Registriert: 07.09.2006
Geschlecht:

Beitragvon Mucki » 20.12.2006, 14:12

Hallo Paul,

Frau lernt nie aus ... (geniales Bild von dem Alb!)
Davon mal abgesehen, hab ich hier den Fehler gemacht und den Fokus auf die Vampire konzentriert und dabei völlig übersehen, dass Schwarzbeere hier von etlichen "Monstern" schreibt.
LG
Magic

Benutzeravatar
Schwarzbeere
Beiträge: 254
Registriert: 03.12.2006
Geschlecht:

Beitragvon Schwarzbeere » 20.12.2006, 16:00

Fast fühle ich mich zum Spammer geworden, da ich unter meinem eigenen Text weiter und weiter spintisiere, doch lässt mich die anerzogene Höflichkeit nicht stumm bleiben, wenn andere sich für mich ihre Köpfe heiß denken. Ich will daher kurz auf die Kommentare eingehen:

Lisa

bitte verschiebe den Text wohin er deiner Meinung nach verschoben werden soll, doch vielleicht wäre es sinnvoll, ihn gleich in die Hörbar zu stellen, da ich Trixie eine Lesung schickte, die sie früher oder später dort unterbringen könnte.
Ob die Schänder beim oder zum Schänden lachen? Ich dachte etwa an "…sie lachten und klatschten den Takt dazu", eher als an „…aber die Fahne ist nicht dabei…“, so könnte ich argumentieren, aber ich weiß nicht mehr, ob ich überhaupt gezielt assoziierte.
Mit den sieben Geißlein hast du Recht, doch bin ich eher Wolf und springe ins Haus, wenn der Hunger mich treibt, auch wenn die Geißlein sich noch nicht gargeängstet haben. Ich tendiere leider zu Langatmigkeit und gerade deshalb zwinge ich mich zur Kürze, denn jeder Text, der mehr als eine Seite lang ist, läuft Gefahr, sich im Verbalschwulst und die Aufmerksamkeit des Lesers zu verlieren – was mir in meinen „alten Tagen“ viel zu häufig passiert! Ich verspreche aber, mich in deinem Sinne als verbesserungswillig zu zeigen, demnächst!

Trixie

Behänge die Balken mit Knoblauchzöpfen xXxxXxxXxXx, naja, leider klingt knoblauchigen auch nicht gut, also muss eine Verschnaufpause zwischen lauch und zöpfen gedacht werden, das ist freilich Pfusch, aber besser weiß ich es nicht!

Paul Ost

Den Simplicissimus liebte ich heiß, doch das war vor langer Zeit in einem anderen Land und überdies die H. ist tot (frei nach C. Marlowe).


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: Google [Bot] und 9 Gäste