verbrannt (vorher: verb(r)annt)

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Mucki
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Beitragvon Mucki » 13.12.2006, 11:37

messer schere gabel licht
sind für kleine kinder nicht


ich legte meine hand auf die herdplatte
mama schrie
ich nicht

und
brenne
noch heute

mutter
schweigt

© Gabriella M.C.
13.12.2006
Zuletzt geändert von Mucki am 13.12.2006, 14:30, insgesamt 1-mal geändert.

scarlett

Beitragvon scarlett » 13.12.2006, 11:52

Wow, DAS ist ein ziemlicher Hammer, liebe Magic, verzeih bitte diese saloppe Formulierung, ich bin einfach sprachlos!
Das brennt - auch dem Leser - mehr als nur die Finger weg!

Klitzekleine Anmerkung: ich überlege noch, wie es wäre, das "und" wegzulassen und stattdessen das "ich" zu wiederholen... eindringlicher, scheint mir... oder "und ich"... Mmmm... scarlett denkt laut...

Grüße,

scarlett

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leonie
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Beitragvon leonie » 13.12.2006, 11:53

Liebe magic,

da geht es mir genau wie scarlett! Für mich braucht es dieses Sprichwort am Anfang nicht, ich glaube, der Text wäre noch stärker ohne es.

Liebe Grüße

leonie

scarlett

Beitragvon scarlett » 13.12.2006, 11:56

Das sehe ich anders als leonie, für mich macht das Sprichwort am Anfang das Ganze nur noch eindringlicher... Die Diskrepanz zwischen "Mutters Reden und Verhalten" wird noch augenscheinlicher und entlarvend.

Ich finde es gut.

scarlett

Mucki
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Beitragvon Mucki » 13.12.2006, 11:57

Liebe scarlett, liebe leonie,

ja, das soll es auch sein, einschlagen ins Gemüt, wie ein "Hammer", genau das ist meine Intention.


ihr meint so: (wäre eine Überlegung wert)
LG
Magic


verb(r)annt

ich legte meine hand auf die herdplatte
mama schrie
ich nicht

und ich
brenne
noch heute

mutter
schweigt

scarlett

Beitragvon scarlett » 13.12.2006, 11:59

Ja Magic, so meinte zumindest ich das, plus Sprichwort vorneweg.

Aber mal sehen, was andere noch dazu sagen...

scarlett

Mucki
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Beitragvon Mucki » 13.12.2006, 12:00

Liebe scarlett,

für mich macht das Sprichwort am Anfang das Ganze nur noch eindringlicher


ich überlege noch, tendiere aber auch dazu, den Spruch oben zu lassen.

Übrigens: ich habe bewusst "mama" am Anfang und "mutter" am Schluss geschrieben.
LG
Magic

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 13.12.2006, 12:16

Lieber magic,

diesen Text von dir finde ich sehr gelungen! Das Sprichwort zu Beginn würde ich unbedingt lassen, weil es den Text insgesamter dunkler, magischer macht, weil es ihn ins Allgemeine hebt. Was für dieses lyrische Ich gilt, kann mit ihm auch für andere Kinder gelten. Ich würde es mit ein paar Leerzeichen vielleicht "rechtsbündig" zur Überschrift machen, wie eine Art Zitat?

Was ich richtig gut, finde ist der für dich ungewöhnliche Aufbau! Keine Wiederholungen, um einen Spannungsbogen zu bauen, sondern viel mehr durch den inneren Drang des Textes selbst erzeugte Spannung. Schlicht gehalten, an Pointe gespart, die Pointe ist IM Text und nicht am Ende.
Ich finde, es ist ein sehr ehrlicher Text.

Was mir noch nicht ganz gefällt, ist der Titel, der ist mir noch zu verspielt. Meinst du nicht, du könntest auf das verbannt verzichten? Das steckt ja im Text und nochmal in dem Spiel Mama vs. Mutter. Wie wäre vielleicht als Titel: Gebranntes Kind ?

Kleine Frage: Geht das Sprichwort eigentlich wirklich so oder hast du es sogar noch raffiniert abgeändert? Beides fände ich gelungen. Ist das Sprichwort original so mit dem Licht(!), hast du das toll gefunden und das dunkle, schräge, verdammte, was in diesem Spruch enthalten ist, freigelegt, weil durch deinen Text das harmlose elektrische Licht zum " nicht ans Licht" dürfen/kommen generell wird. Hast du das Licht dazugefügt, finde ich das genauso gelungen - beides würde mir gefallen.

Man köntne übrigend den Text auch so lesen (das ist jetzt nur ein Gedankenspiel von mir, kein Vorschlag!)

verb(r)annt

messer schere gabel licht
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ich legte meine hand auf die herdplatte
ich schrie
mama nicht

und
brenne
noch heute


In meiner Variante ist ganz klar, warum das Kind am Schluss Mutter sagt und nicht Mama. In deiner Variante ist das gar nicht so leicht, denn die Mutter macht emotional ja alles richtig. Aber es geht wohl auch eher um die Eigenheit des Kindes als um die Liebe der Mutter. Das Kind hat sich (eventuell aufgrund des Verbots) den Schmerz selbst ausgesucht (und sich selbst aus der Kindheit verbannt?).

Ich finde, der Text ist dir richtig gut gelungen!
Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 13.12.2006, 14:28

Liebe Lisa,

ich freue mich, dass dich der Text anspricht.

Ich würde es mit ein paar Leerzeichen vielleicht "rechtsbündig" zur Überschrift machen, wie eine Art Zitat?


Ja, ich bin auch dafür, das Zitat drin zu lassen.
Mit dem rechtbündig setzten: ich habs probiert, sieht merkwürdig aus.
Als Zitat habe ich es doch eigentlich schon gesetzt, oder? Durch das Kursive, und weil ich es an den Anfang setzte.

Was mir noch nicht ganz gefällt, ist der Titel, der ist mir noch zu verspielt. Meinst du nicht, du könntest auf das verbannt verzichten? Das steckt ja im Text und nochmal in dem Spiel Mama vs. Mutter. Wie wäre vielleicht als Titel: Gebranntes Kind ?


Ja, der Titel könnte einfach nur "Verbrannt" heißen. Du hast Recht, das "verbannt" steckt im Text. "Verbranntes Kind" möchte ich nicht so gerne nehmen, da dann Wiederholung von "Kind"

Aber ich könnte das Zitat im Text als Titel nehmen, dafür fett schreiben, und "Verbrannt" nur im Titel, außerhalb des Textes.

Dieses Sprichwort geht übrigens genauso.

ich legte meine hand auf die herdplatte
ich schrie
mama nicht


Das gibt dem Text eine andere Richtung. Denn die Mama (als sie noch "Mama" war), schreit, aber das Kind eben nicht.

In deiner Variante ist das gar nicht so leicht, denn die Mutter macht emotional ja alles richtig. Aber es geht wohl auch eher um die Eigenheit des Kindes als um die Liebe der Mutter. Das Kind hat sich (eventuell aufgrund des Verbots) den Schmerz selbst ausgesucht (und sich selbst aus der Kindheit verbannt?).


Es ist beides drin. Einmal das, was du sehr gut erkannt hast und andererseits auch um den Cut zwischen Mutter-Kind. Die Mutter macht eben nicht emotional alles richtig, sie schweigt am Schluss nur noch, sieht weg.

Also dann vielleicht so:

messer schere gabel licht
sind für kleine kinder nicht


ich legte meine hand auf die herdplatte
mama schrie
ich nicht

und ich
brenne
noch heute

mutter
schweigt


Man könnte vielleicht auch das "schreit" anders formulieren, um hier schon leichte Anzeichen zu setzen für das falsche Reagieren der Mama, ich weiß nur nicht wie. Und am Ende evtl. doch besser: mutter sieht weg *grübel*

LG
Magic

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 13.12.2006, 14:56

Liebe magic,
nein, nein, mit dem Zitat hast du alles richtig gemacht, das war eindeutig als Zitat gesetzt, ich dachte rechtsbündig wäre es noch schöner anzuschauen - dem scheint aber nicht so :tiere0051: (und recht hast du). Aber fett würde ich es nicht setzen, deine erste Version find ich gut.

Die Dopplung von Kind bei gebranntes Kind ist mir gar nicht aufgefallen, vielleicht ist das auch schon zu abgedroschen - es viel mir nur beim ersten Mal ein. Verbrannt find ich in jedem Falle schöner als mit dem Wortspiel.

Jetzt habe ich auch das doppelte Spiel (von Kind und Mutter) verstanden. Ja, das macht natürlich auch mama - mutter kenntlich. Ich würde es (bitte!! *g*) nicht fett setzen! Ein bisschen muss der Leser auch alleine schaffen, der Text gibt genug Anlass dazu. Seine eigene Mutter mit Mutter anzusprechen und nicht mit mama oder meinetwegen auch dem Vornamen hat genug Nachdruck (jedenfalls für mich, ich finde das schon alleine "gruselig").

Also schön indifferent - ja das mag ich.

Dann würde ich es - mit geändertem Titel - so lassen wie es oben steht...
Liebe Grüße,
Lisa
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Mucki
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Beitragvon Mucki » 13.12.2006, 15:16

Liebe Lisa, liebe scarlett,

ja, das fette schien mir auch zu aufdringlich, habe es deshalb auch nicht als 2. Version ganz oben eingestellt. Und das zweite "ich" hinter "und ich brenne immer noch" habe ich auch nicht reingenommen. Erst schien mir dein Vorschlag, scarlett, gut, doch dann dachte ich, nein, das "ich" geht aus den Zeilen hervor.
Also, ich lasse es jetzt so. So ist es für mich stimmig. Ich danke euch!
LG
Magic
P.S. Und ja, Lisa, ein "bisschen" muss der Leser auch alleine schaffen, genau! Und, dass es "gruselig" rüberkommt, ist gut. Das möchte ich erreichen.

Jürgen

Beitragvon Jürgen » 13.12.2006, 23:22

Hallo Magic

Ein sehr starker Text, der trotz seiner Kürze einen enormen Gehalt mit sich trägt.

das Ausleben bzw. Leben des Kindes, das Aufschreien der Mutter, ihr späteres Schweigen als das Kind immer noch seinen Weg geht, auch wenn es ein Brennen sein mag, so kommt der Text bei mir an.

Gefällt mir sehr gut :daumen:

Jürgen

Mucki
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Beitragvon Mucki » 13.12.2006, 23:31

Danke dir, Jürgen.
Das freut mich sehr, dass dieser kleine kurze Text dir gefällt!
LG
Magic


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