Streetworker

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Rory Torres

Beitragvon Rory Torres » 11.12.2006, 13:13

du gehst wie immer die gleiche Straße entlang
jene die vermeintlich ins nirgendwo führt
und am ende dann doch immer vor
einem möbelgeschäft oder bauwagen endet
du fühlst dich wie die letzte drecksau auf erden
kannst förmlich die engel sich schlapplachen hören
oder tuscheln und lästern wie hundert pubertätszicken
im pausenrausch an einem deutschen gymnasium
am bodensee oder in mühlheim/ruhr zur feier des tages
es ist selbstredend nacht und die putzkolonnen
versuchen verzweifelt die letzten reste neon
vom gehsteig zu kratzen
polnische weiber natürlich mit ostblockallüren
und den üblichen kaugummibrüsten vorn dran
klappe gefallen du greifst nach den sternen
hetzt übers pflaster den bus noch zu kriegen
oder paar blicke auf strapse zu werfen
im fenster bei kaufhof und karstadt und so
schleppst dich zum bahnhof am denkmal vorbei
zu ehren der Helden von Bern oder Brüssel
nicht mal penner hier und fixer schon gar nicht
dafür hat ein blitz gleis 7 zerteilt
gottes hand schleift dich übers parkett
spielst deine dramen ohne zu murren
ganz allegorisch und linker als brecht
die finger zwar klamm doch pochend vor lust
nach äpfeln zu greifen oder tränenreichen regenbogen
gespannt von haustür zu haustür in alladins land

Mucki
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Beitragvon Mucki » 12.12.2006, 00:02

Hallo Rory,

als ich den Titel las, erwartete ich einen ernsthaften, nachdenklichen oder kritischen Text über die oft so vergebliche Arbeit und den nimmermüden Einsatz von Streetworkern.
Doch, was ich lese, ist Zynismus, Aberwitz und zusammenhanglose Fragmente, die mit einem Streetworker gar nichts zu tun haben und für mich insgesamt keinen Kontext bilden, kein Bild ergeben. Habe ich etwas überlesen? Meinst du etwas anderes? Ich begreife deine Zeilen nicht, finde keinen Zugang, auch wenn ich es schon zig Mal gelesen habe.
LG
Magic

Rory Torres

Beitragvon Rory Torres » 12.12.2006, 00:50

hm, das ist einfach ne nächtliche straßenszene, irgendein typ kämpft/"arbeitet"/ sich durch den nächtlichen großstadtdschungel, "streetworker" in dem sinne, dass da dieser typ sich quasi durch die großstadtnacht "malocht" und durch selbige hetzt, einsam, verloren, abgekämpft und am ende trotz allem willig und bereit zu einem kleinen oder großen wunder. es ist nicht zynisch, lakonisch vielleicht, bißchen bitterkeit ist sicher auch drin, aber immerhin spannt sich am ende ein regenbogen von haustür zu haustür :)

lg

Rory

Mucki
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Beitragvon Mucki » 12.12.2006, 00:57

Hallo Rory,

ach so, du meinst gar nicht die "Streetworker", die sich um die Obdachlosen und Kids, die auf der Straße leben, kümmern.
Da ist dein Titel natürlich irreführend. Da würde ich vielleicht einen anderen wählen, einen, der sich mehr auf diese Momentaufnahme oder besser gesagt, das Erleben des Ichs bezieht, was meinst du?
LG
Magic

Rory Torres

Beitragvon Rory Torres » 12.12.2006, 02:03

hm, das ich erlebt genau dieses erleben ja als work, also finde ich den titel gerade passend, denn das ich empfindet diese momentaufnahme, dieses zielloses streifen durch den großstastdschungel ja gerade als hard work, work on the streets. nein, natürlich meine ich nicht die streetworker, die sich um obdachlose und kids kümmern.

lg

Rory

Niko

Beitragvon Niko » 12.12.2006, 05:49

hallo rory!

"willkommen" hier im blauen salon!
der titel stört mich nicht im geringsten. ich mags mehrdeutig. ich würd´s noch dichter mögen. für mich würde es so besser in lyrische prosa passen. naja...-spitzfindigkeiten letztendlich. ob diese natürlich wirken sollende derbheit im text "so ist es halt, das wahre leben auf der straße" das ganze plastischer und authentischer macht, möcht ich für mich bezweifeln. bukowsky-anflüge. vielleicht provokant, für mich hats nix mit lyrik zu tun.
nu.....ansichtssache halt.

lieben gruß: Niko

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 12.12.2006, 10:41

Hallo Rory,

auch von mir erst mal ein Willkommen :-)

Ohne, dass das etwas über die Qualität des Textes aussagt - ich empfinde den Text eher als Kurzprosa, mindestens aber als "Erzählgedicht" (aber eigentlich wirklich Prosa) und würde daher vorschlagen, ihn in die entsprechenden Kategorien zu verschieben?

Die Stimmung des Textes und die Wahrnehmung in ihm, finde ich als Ausgangspunkt lohnenswert, interessant, sie schmeckt (zu Teilen) echt, das gefällt mir. Insgesamt ist der Text für mich aber ein Fragment oder eine Skizze etwas Längerem - das merkt man vor allem aufgrund der doppelt und dreifachen Steigerung im Schluss, die zum Teil nur dazustehn scheint, weil der Text sonst kein Ende hätte.
Der anmaßend "dramatische", egozentrische Ton, die hochgezüchtige Verzweifelung passt zwar auch zum Text und ist innerhalb seines Universums berechtigt (Teil seines Konzepts), überzeugt mich aber trotzdem nicht - im Grunde erwarte ich einen Roman der folgt.

Für mich wurde zu schnell der letzte Punkt unter den Text gesetzt, wie das oft mit Texten in Foren ist und woran sie letzlich sterben. ich finde, du solltest dich mit dieser Passage nicht allein zufrieden geben - da ist mehr drin. So wie die Bilder jetzt da stehen wirken sie letzlich unglaubwürdig, "streetlike", oder wie man das immer auch nennen will. Die Berechtigung (soll heißen ihre Glaubwürigkeit) erreichten sie erst durch einen größeren Rahmen, finde ich. Aber ich fürchte dieser Text wird nie so ausgearbeitet werden, dass es ihn lebendig macht?

Trotzdem bin ich auf deine Bilder neugierig geworden, die durchaus im Ansatz einen Blickwinkel zeigen, der hier manchmal noch fehlt. Vielleicht beim nächsten Text "runder" in sich selbst.

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Klara
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Beitragvon Klara » 31.12.2006, 20:11

Hallo,
ich find den Text so gut, glaubwürdig und dicht, wie er ist.
LG
Klara
PS Kommt mir so vor, als käme mir der Schreib- und Wahrnehmungsstil aus einem anderen Forum bekannt vor...? Anderer Nick, die gleichen heftigendeftigen Texte - sei es, wie es sei...


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