Bukowskis letzter Traum

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Julek

Beitragvon Julek » 22.05.2006, 22:12

Bukowskis letzter Traum

Am Ende eine Villa in Florida.
Dachterrasse.
Meeresblick.
Und die Sonne wollte nicht aufhören zu scheinen.
Ein altes, glutverbranntes Gesicht.

Da blieb nur die Flucht zurück ins Zimmer
Der Rückzug unter die Schwingen seiner tiefschwarzen Schränke
Die Beschwörung ihrer Schatten
Wunderbar schmerzender
Erinnerungen
Vom Winter
Unter den Schienen
Chicagos.

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 22.05.2006, 22:24

Hallo Julek,

das ist gut. Das Leiden am Leben hat eben so seine eigene Schönheit. Aber Dein Bukowski trinkt ja gar nichts.

Aber warum "wunderbar schmerzender / Erinnerungen". Ich würde ja schreiben: "wunderbar schmerzende / Erinnerungen". Sonst müsste sich der Genitiv ja auf etwas beziehen, was vorher gewesen ist.

Grüße

Paul Ost

Louisa

Beitragvon Louisa » 22.05.2006, 22:44

Hallo Julek!
Ich finde das auch sehr gelungen! Besonders die vielen Bilder in einer protokollarischen Schreibweise gefallen mir.

Ist dieser Herr Bukowski eine reale Person, die jeder außer mir kennt oder ist das ein Fabelmann?

Ich finde eigentlich jede Zeile und den Kontrast der zwei Strophen perfekt!

Wieso heißt es am Ende "unter den Schienen..." müsste es nicht "auf den Schienen" heißen?

-Ansonsten ein sehr interessantes Gedicht!

Nächtliche Grüße, louisa

Max

Beitragvon Max » 23.05.2006, 09:23

Lieber Julek,

finde ich eine sehr interessante Reminiszenz an Bukowski und mal einen anderen Blickwinkel auf diesen Mann.

Liebe Grüße
Max

Jürgen

Beitragvon Jürgen » 23.05.2006, 09:51

Hallo

Nur zur Info, Charles Bukowski war ein amerikanischer Schriftsteller, der in seinen Werken (geprägt von seinem realen Leben) häufig die Figur des "saufenden, krakeelenden Genies" beschrieb.

Juleks Gedicht gefällt mir. Die Stelle "wunderbar schmerzender Erinnerungen" habe ich so verstanden, dass sie sich auf "Die Beschwörung ihrer Schatten" bezieht.

LG

Jürgen

Louisa

Beitragvon Louisa » 23.05.2006, 11:31

Da habe ich ja einmal wieder mein nacktes Unwissen zur Schau gestellt.

-Gut, louisa.

Und vielen Dank für die Hilfe!

steyk

Beitragvon steyk » 23.05.2006, 11:41

Hallo Julek,
ein sehr eindringliches Gedicht über ein Stück Bukowski.
Hat mir sehr gefallen
Gruß aus Berlin
Stefan

Trixie

Beitragvon Trixie » 23.05.2006, 23:58

Servus Julek!

Also, ehrlich gesagt: Ich wusste auch nicht, wer dieser Herr war und schäme mich zutiefst, doch nun habe ich, durch dieses Gedicht, einen Eindruck von ihm, wie mir scheint. Ich finde es sprachlich gelungen, wie Louisa schon anmerkte, in einem Protokollstil, dass Aufmerksamkeit verlangt. Vielleicht könnte man diese eine Zeile mit dem Schränken noch kürzen? Oder stecken in den einzelnen Bildern noch Bedeutungen betreffend des Herren Bukowski dahinter, die man nur als Insider versteht? Wie auch immer, es hat mich interessiert und ich finde, es kommt gut rüber!

lg Trixie

Julek

Beitragvon Julek » 24.05.2006, 07:39

Guten Morgen!

Vielen Dank für eure netten Bemerkungen.
Louisa und Trixie, ihr braucht euch nicht zu schämen, es wundert nicht, dass Bukowski eher bei den Männern bekannt ist, ich denke, im allgemeinen spricht seine Literatur wohl eher Männer an als Frauen - zumindest fand (oder findet) meine Schwester seine Schreiberei immer "ziemliche Scheiße" :grin:

Das Gedicht ist keine pure Phantasie. Bukowski hat seine letzte Zeit tatsächlich in einem fetten Haus in Florida verlebt. Gab da mal so seine Doku, die ich teilweise auf einem Bukowskiabend in Leipzig gesehen habe. Dort steht Bukowski also auf seiner Dachterasse, über ihm der strahlend blaue Himmel - ein total kaputtes Gesicht in legeren Strandklamotten, eine komische Figur, die überhaupt nicht an diesen Ort passt. Und tatsächlich, auf seinem Gesicht totale Verzweiflung, als er sagt: Ich weiß nicht, manchmal denke ich, dass ist hier alles zu schön, und ich bekomme Angst, dass mir nichts mehr einfällt, worüber ich noch schreiben könnte.
Und ich glaube, er hat danach auch nichts mehr geschrieben.

Zu euren Bemerkungen und Fragen:

Gurke, ganz recht, der Genitiv bezieht sich auf Beschwörung....

Louisa, ich weiß, unter den Schienen, das hört sich vielleicht etwas seltsam an, aber weißt du, ganz wörtlich meine ich das nicht. Ich musste dabei an Blues Brothers denken, die in einer winzigen Wohnung praktisch unterhalb der Schienen wohnen, deren Einrichtung alle zwei Minuten von vden Erschütterungen vorbeifahrenden Züge erbebt.

Trixie, was würdest du denn konkret kürzen wollen?

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 24.05.2006, 09:52

Hallo Julek,
auch ich weiß nicht genug über Bukowski, aber dein Gedicht erzählt ganz klar über ihn. Ich finde überhaupt solch eine Idee gelungen, wenn es nicht unnatürich wäre, weil einem nicht so viele Geister so nahe stehen wie es nötig wäre, ergäbe das einen tollen Gedichtband! Jedenfalls hast du mir Lust gemacht über drei, vier Dichte, die mir nahe stehen auch einmal solch eine kleine Komposition zu dichten.

Ich würde übrigens nichst kürzen, jede Zeile ist für die Erklärungen deiner Motivik nötig.

Vielleicht würde ich Meerblick statt Meeresblick schreiben, schon allein,weil es dadurch traumschön wie im Katalog (und eben ironischerweise, schrecklicherweise auch in der Realität(!) so ist)--Oha, das wöäre ja dann auch eine Kürzung :-$

Liebe Grüße,
der Text ist wirklich originell und voller fremder Schmerzen,

Lisa

pandora

Beitragvon pandora » 24.05.2006, 10:03

hallo julek,

ich habe vor kurzem bei jan georg troller ein wunderschönes bukowski-porträt gelesen. vielleicht interessiert es dich :
http://www.perlentaucher.de/buch/24245.html.
http://www.weltbild.de/artikel.php?WEA= ... ikelnummer
=11446242&mode=art&PUBLICAID=ac551abd6a067b28809715c73b4d6e92

dein gedicht hat mich daran erinnert.

lg
p.

Trixie

Beitragvon Trixie » 24.05.2006, 12:34

Okay, nach dieser Erklärung bin auch ich fest davon überzeugt, dass alles seinen Platz da hat, wo er ist. Mir kamen nur manche Sätze unproportioniert länger oder kürzer vor als andere, aber wenn man tiefer in die Materie eintauchen kann, dann lenkt das von der Form ab :mrgreen: ! Also: Einfach so lassen :!: !

lg Trixie

Mark_Leo

Beitragvon Mark_Leo » 26.05.2006, 14:35

Hey,

Bukwoski mag ich sehr gerne, aber ich finde "meinen" Bukowski nicht ganz in dem Gedicht wieder, ich werde mal weitersuchen ;-).

Gruß,
Mark

lichelzauch

Beitragvon lichelzauch » 10.12.2006, 20:41

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