Eiszeit

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Gast

Beitragvon Gast » 05.12.2006, 15:24

Bei der Accountlöschung bat die Autorin darum, dass ihre Texte gelöscht werden. Dieser Bitte kommt die Administration nach.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 05.12.2006, 15:42

Liebe Gerda,

ja, Eiszeit ...

und diese Meldung würde wahrscheinlich nicht einmal in den Nachrichten erscheinen.
Nachdenkliche Grüße
Magic

Peter

Beitragvon Peter » 05.12.2006, 16:18

Hallo Gerda,


ob man will oder nicht, was du an dieser Stelle schreibst und auch woanders, bleibt als Merkzettel zurück, die haften bleiben, immer haften, in den Gehirnwindungen.

Trotzdem will ein Teil in mir dir nicht glauben - und ich bin so frei, dir zu sagen, warum.

Auf Missstände hinzuweisen innerhalb einer sprachlichen Form, die mehr sein will als eine Mitteilung, vernichtet oft, denke ich, diese sprachliche Form. Am Ende bleibt Betroffenheit, aber nicht die Form.

Allerdings weiß ich nicht, wie du deinen Text selbst verstehst. Er scheint mir eine Zeitungsnotiz mit leicht poetischem Charakter ("Eiszeit") und als solcher wäre er wünschenswert, am liebsten auf der ersten Seite einer Zeitung - Allerdings, wie ich fürchte, würde er dort nicht viel bewirken, weil er doch ein allzubekanntes Klischee bedient...

Ich glaube ich weiß inzwischen, dass du sehr nach der Verknappung suchst. Und wirklich gelingen dir immer wieder kurze Sentenzen, die ohne Umschweife Direktes schaffen - Aber meine Frage ist halt, was bleibt dann übrig, und muss nicht etwas übrig bleiben?


Liebe Grüße,
Peter

Gast

Beitragvon Gast » 05.12.2006, 19:28

Lieber Peter,

Vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren.

Ich weiß nicht, ob was übrigbleibt.
Darüber mache ich mir nicht die Gedanken.
Wichtig ist eher, ob ich überhaupt Leser erreiche, ob mein Text zu ihnen gelangt. Die Entscheidung, ob dann etwas bleibt trifft letztlich der Leser.
Dafür gehe ich bei mir auf die Suche und in die Tiefe.
Mir ist dieser letzte Satz meines Texts eminent wichtig. Da könnte dann doch etwas bleiben, vielleicht, wenn der Leser erkennt, dass mit der Meldung, der Winterkälte die Schuld zugesprochen wird.
Die entledigt uns Mitmenschen der Verantwortung..., das ist dann das Groteske.

Leider neige ich bei derartigen Texten dazu, (zu viel) zu grübeln und manchmal zu fast zynischen Betrachtungen.
Ich bin oft hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, Menschen aufzurütteln und dem Gedanken, dass "Wir" uns eh nicht ändern.
Es können solche Verzweiflungstexte entstehen, die über das "Feststellen" nicht hinausgehen können weil ich keine Lösung für die angezeigten Probleme weiß.
Das sind Zeiten, in denen mir die Poesie abhanden zu kommen droht, ja.
Die Weihnachtszeit und die damit verbundene "Wein"seligkkeit, in zweilerlei Wortsinn, ist solch eine Zeit.
Weihnachten in dieser Form gehört abgeschafft.
Was ist das denn für eine Gesellschaft, die das Fest der Liebe feiert und nicht auf den Nächsten achtet?
Nein, ich will bewusst nicht anmahnen, dass überall auf der Welt Menschen minütlich Hungers sterben, aber wenigstens vor der eigenen Haustür schauen, das könnten wir doch.
Ich glaube in der Tat, nicht wirklich etwas bewegen zu können.
(Nur kann ich diese Erkenntnis vielleicht manchmal schwerer ertragen, als es mir und meinen Texten gut tut)

Liebe Grüße
Gerda :sad:
Zuletzt geändert von Gast am 06.12.2006, 02:34, insgesamt 4-mal geändert.

Gast

Beitragvon Gast » 05.12.2006, 19:31

Liebe Gabriella,

Vielen Dank fürs Lesen und Nachdenken.
vielleicht liest du ein wenig bei dem, was ich an Peter geschrieben habe, ich würde mich wahrscheinlich wiederholen, wie z. B.:


Mir ist dieser letzte Satz meines Texts eminent wichtig. Da könnte dann doch etwas bleiben, vielleicht, wenn der Leser erkennt, dass mit der Meldung, der Winterkälte die Schuld zugesprochen wird.
Die entledigt uns Mitmenschen der Verantwortung... das ist dann das Groteske.

Liebe Grüße
Gerda
Zuletzt geändert von Gast am 06.12.2006, 02:34, insgesamt 1-mal geändert.

Peter

Beitragvon Peter » 05.12.2006, 20:13

Liebe Gerda,

danke für den Einblick in deine Gedanken. Ich kann verstehen, dass man mitgenommen wird von einem Gerechtigkeitssinn und dass dieser einen oft ins Verzweifeln-wollen-können wirft - Aber vielleicht anders gesehen, ich glaube wir sprechen letztlich vom Mitleid, du sagst es ja selbst: für die Sprache, oder letztlich auch: für das Sehen (und man lebt ja vom Sehen) scheint das Mitleid und vor allem der Gerechtigkeitssinn schädlich.

Ich weiß nicht wer das einmal gefragt hat, ob man nach Auschwitz noch Gedichte schreiben darf. Es stellt sich die Frage... und vielleicht muss man für sich behaupten, dass es zwischen allen Dingen, die es schon gab und in allem Fall der Zeit trotzdem das neue Leben gibt, und dieses Leben darf Worte haben, gleich welche Schatten sich von diesen werfen.

Vielleicht greife ich zu weit - Auf was ich hinauswollte: Mitleid und Gerechtigkeitssinn sind unverzichtbar in einer Gesellschaft, wenn diese eine aus Menschen bleiben soll - aber in ganz persönlicher Sicht, sprich im Gedanken, und nicht in der Handlung, sollte, wie ich meine, Mitleid einen anderen Stellenwert haben. Dort hat man es im Eigenen zu begreifen, und dort sollte man sich fragen, warum man mitleidend ist, ohne dass man diese Frage dann über gesellschaftliche Verhältnisse beantwortet.

Es gilt zu entdecken, dass Mitleid eine Art Selbstmitleid ist; dass sich das Mitleid aus einer Projektion heraus ergibt. Und demgemäß hat man das Mitleid zu behandeln. Man schenke wo man schenken kann und helfe auch, aber - die Gedanken sind frei.

- Ich weiß nicht, gehen wir in denselben Gedanken?

Wenn nicht, ein Einblick in meine Gedanken.

Liebe Grüße,
Peter

Gast

Beitragvon Gast » 05.12.2006, 20:35

Ja, danke, lieber Peter
ein Einblick gewiss, was nicht heißt, dass ich solche Gedanken nicht auch habe.

Ich bin sicher, dass es der Unterscheidung bedarf und der Arbeit daran, dass nicht das Leid anderer, zum "Mitleiden" verführt.
Mitgefühl ist vielleicht das bessere Wort, wenn es darum geht, Gedanken zu ordnen, die mit dem Leid anderer einhergehen und mit denen man sich beschäftigt.

Liebe Grüße
Gerda

scarlett

Beitragvon scarlett » 05.12.2006, 20:45

Hallo Gerda,

ich habe deinen Text gelesen sowie deine Ausführungen dazu - beides macht betroffen.
Und ich denke, nichts anderes sollten diese Zeilen bewirken, einen Moment des Innehaltens vielleicht, ein paar Gedanken, die hinterfragen und nicht nur gedanken-los "verschenkt" werden in dieser doch ach so "weihnachtlichen" Zeit....

Ich habe mir vor Jahren etwas zurechtgelegt in dieser Hinsicht, zu einer Zeit als ich auch mal dachte, Weihnachten gehört einfach abgeschafft, wenn es sich nur noch in dieser Form, wie wir sie seit Wochen erleben gestaltet: das gesamte "Elend" unserer Welt kann nicht beseitigt werden, es konnte auch früher nie beseitigt werden und es ist zu befürchten, daß es nie gelingen wird. Das Einzige, was jedem Einzelnen übrig bleibt, will er denn nicht verzweifeln oder "Weihnachten abschaffen" ist im kleinen, privaten Rahmen/Umfeld konkret etwas tun- und genügsam werden, genügsam in jeder HInsicht. Genügsam heißt nicht sich abfinden, aber auch, das Maß nicht aus den Augen verlieren...
Und ja, ich kann Weihnachten seither wieder was abgewinnen, ohne in "Wein-seligkeit" zu verfallen- ich denke, kleine Schritte sind angesagter als große Worte-

Dein Text nun besteht aus kleinen Worten, "kleinen" Hinweisen, die jeder für sich deuten, aus denen jeder für sich eine KOnsequenz ziehen kann. INsofern finde ich ihn gut -
Es gibt keinen moralisch erhobenen Zeigefinger, deine Bestandsaufnahme (so wirkt das auf mich) ist klar, und in gewisser Weise auch gnadenlos - gut so!
Nur bleibt es für mich eben eine "Bestandsaufnahme" - mir persönlich fehlt der Schritt zum "Gedicht", was immer man auch darunter verstehen mag.

Wichtig ist so ein Text allemal, das will ich nicht leugnen- und ich hab ihn in Stille und mit Gewinn gelesen -

Gruß,

scarlett

Herby

Beitragvon Herby » 06.12.2006, 17:32

Liebe Gerda,

ich habe Deinen Text und den sich anschließenden Gedankenaustausch mit großem Interesse gelesen. Du schreibst:

Mir ist dieser letzte Satz meines Texts eminent wichtig


Ja, das ist er wirklich, beinhaltet er doch so etwas wie die Quintessenz Deiner Zeilen, und gerade die Doppeldeutigkeit des Wortes "Kälte" erhöht ja noch sein Gewicht und das des gesamten Textes.

Ich spreche bewusst von "Zeilen" und nicht von "Versen", weil es mir mit dem Gedichthaften ähnlich geht wie scarlett und Peter. Doch Du sagst ja selbst:

Es können solche Verzweiflungstexte entstehen, die über das "Feststellen" nicht hinausgehen können weil ich keine Lösung für die angezeigten Probleme weiß.
Das sind Zeiten, in denen mir die Poesie abhanden zu kommen droht, ja.


Ich glaube, jeder von uns kennt dieses Gefühl von Wut auf Gott und Politiker und wen auch immer wegen des Zustands dieser Welt. Manchmal erwachsen aus dieser Wut Taten im positiven Sinne, mitunter macht sie aber auch einem Gefühl der Ohnmacht Platz, aus dem heraus man zu Papier und Stift greift, um daran nicht zu ersticken.

Dein Text ist eine berechtigte gesellschaftskritische Moment- und Bestandsaufnahme und als solche Wert, gelesen und reflektiert zu werden.

Liebe Grüße
Herby

Gast

Beitragvon Gast » 06.12.2006, 18:18

Liebe scarlett,
lieber Herby,

vielen Dank fürs Lesen und eure Stellungnahmen.

Ich habe gestern bevor ich diesen Text gepostet habe überlegt, wo er hinpasst, wohlwissend, dass er keine Lyrik ist, da bin ich mit euch einer Meinung.
Ich ging dann die Rubriken Lyrik und Prosa durch, und letztlich schien dieser Text mir am besten unter "Blick aus dem Fenster" aufgehoben.
Ich bin jetzt froh, dass ich ihn überhaupt gepostet habe.
Eure Meinungen, oder sollte ich besser sagen eure Stimmen, zum Text bzw. zur Thematisierung von "Kälte" zu lesen, habe ich als sehr wertvoll empfunden.
Literarisch gesehen, ist er wohl eine Notiz für Kurzprosa oder für eine Erzählung - ein Projekt, was ich aber derzeit nicht beginnen mag.

Liebe Grüße
Gerda


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