Novemberrose

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
scarlett

Beitragvon scarlett » 22.11.2006, 13:26

Novemberrose

Vergessen vom Sommer
nicht abgeholt vom Winter
noch wärmt deine Blüte
mein Auge trotzt gelb
im rostigen Laub
einsamen Nebeln
in lidlosen Nächten
und wartet –
___________________________________________________

Erste Version:

Vergessen vom Sommer
nicht abgeholt vom Winter
noch wärmt deine Blüte
gelb mein Auge trotzt
im rostigen Laub
einsamen Nebeln
in lidlosen Nächten
und wartet

gleich mir –


scarlett, 2006
Zuletzt geändert von scarlett am 25.11.2006, 20:03, insgesamt 2-mal geändert.

Niko

Beitragvon Niko » 23.11.2006, 11:02

hallo scarlett!

mir gefällt dies hier. wobei ich finde, den schluss "gleich mir-" bräuchte es nicht. ich denke, der leser findet die verbindung und kann diese metapher gut umsetzen. warum "gelb mein auge trotzt"? mich erinnert das an (vermeindliche) gelbsucht, an tod. ist aber vielleicht mein ganz persönliches empfinden. und ganz wirkt löst dieses "todesbild" nur bei den wenigsten. gelb in verbindung mit auge ist im grunde abstrakt. und passt alleine deswegen kaum. wenn aber gelb sich auf die blüte bezöge, könnte es dann nicht sinnvollerer in der dazugehörigen zeile sein? "noch wärmt deiner blüte gelb" oder "noch wärmt gelb deine blüte" oder aber "noch wärmt deine blüte gelb"- in einer zeile. oder hattest du gelbäugigkeit beabsichtigt?

nachdenkende grüße: Niko

pandora

Beitragvon pandora » 23.11.2006, 12:20

liebe scarlett,

ein schönes, melancholisches bild.
wie niko bin ich allerdings der meinung, dass man den letzten vers getrost weglassen könnte.

lg
p.

Perry

Beitragvon Perry » 23.11.2006, 14:10

Hallo Scarlett,
mir gefällt dein inneres Wehren gegen den Winter gut. Deshalb finde ich das Gelb in den Augen gar nicht so verkehrt, den Gelb ist eine Sommerfarbe. Was mir weniger gefällt ist das rostende Laub, den rosten bezieht man üblicherweise auf metallische Gegenstände.
Ich mache dir der Einfachheit halber einfach mal einen Alternativvorschlag zu deinem Gedicht, vielleicht findest du ein paar Anregungen darin.

Vergessen vom Sommer
nicht abgeholt vom Winter
wärmt deine Blüte noch
trotzt gelb mein Auge
dem rostbefallenen Laub
den einsamen Nebeln
in lidlosen Nächten
und ich warte ...

LG
Manfred

Gast

Beitragvon Gast » 24.11.2006, 20:32

Liebe scarlett,

ja, so sehe ich manche Blüte auf den Rosenbüschen draußen auch.
Du hast diesen Eindruck schön eingefangen, und mir gefällt auch wie sich der Vers zum Ende verjüngt.
Das rostige Laub, die gelbe Rose, bei mir entsteht sofort ein Bild.
Eigentlich wunderbar rund, bis auf den letzten Satz, der mir vom Bezug ohnehin unklar ist.
Ich frage mich, ob das heißen soll, dass das Lyrich gleich dem Auge wartet?
Also, ich denke weg lassen, zu erklärend.

Liebe Grüße
Gerda

scarlett

Beitragvon scarlett » 24.11.2006, 20:39

Hallo Niko, pandora, Perry,

erstmal vielen Dank für eure Rückmeldung! Daß euch mein Gedicht anspricht, etwas in euch zum KLingen bringt, hat mich gefreut.

Das mit dem "wärmt/ gelb mein Auge..." hat schon was mit dem zu tun, was Perry angesprochen hat, ein letztes Erinnern an den Sommer, ein letzter Wärmetupfer bevor der Winter hereinbricht. Der Anblick einer gelben Rose, nah an der ansonsten kahlen Hauswand, versetzte mich in diese Stimmung -
Durch das Brechen in die nächste Zeile wollte ich sowohl die Farbe der Blüte festhalten als auch das, was sie im Auge des Betrachters auslöst. Der Bezug sollte absichtlich nicht eindeutig sein -

Was das "rostige Laub" angeht, da war ich mir unsicher - ich habe eine erste Fassung dieses Gedichtes, da heißt es "Rostlaub" - und ich denke, Perry, das ist wohl doch besser, meinst du nicht?
Je später im Jahr desto weniger Farbe, desto mehr Brauntöne und durch die Kälte "angefressen" - wie Rost eben.

Das größte Problem habe ich allerdings tatsächlich mit der letzten Verszeile - wenn die wegfällt, bleibt für mich das Gefühl, daß etwas fehlt - daß es dann irgendwie nicht mehr "richtig" ist. Natur dient mir in meinen Gedichten immer zur Darstellung von Befindlichkeiten- meint ihr wirklich, daß das ohne dieses "wie ich" (1. Version) bzw. "gleich mir" (aktuelle Version) klar wird? Woraus kann der Leser es denn ableiten??? "Mein Auge" ist - m M nach - zu schwach dazu...

Ich würde mich freuen, wenn ihr meine erste Version auch noch lesen würdet - vielleicht sollte ich doch bei der bleiben?

Fragende Grüße,

scarlett

scarlett

Beitragvon scarlett » 24.11.2006, 20:45

Hallo Gerda,

danke auch dir fürs Feedback!

Nein, es soll heißen, daß das lyrIch gleich der Rose wartet - das ist die eine Lesart.
Die andere, die ich zwar gern gewollt hätte, haut nicht hin, ich sehe es...

Gruß,

scarlett

Niko

Beitragvon Niko » 25.11.2006, 00:01

Natur dient mir in meinen Gedichten immer zur Darstellung von Befindlichkeiten- meint ihr wirklich, daß das ohne dieses "wie ich" (1. Version) bzw. "gleich mir" (aktuelle Version) klar wird? Woraus kann der Leser es denn ableiten??? "Mein Auge" ist - m M nach - zu schwach dazu...


nö, scarlett. das auge ist nicht zu schwach. eigentlich wäre auch das nicht nötig. vertraue dem leser. man erkennt an der wahl der worte, am zeilenumbruch und an vielen feinheiten, wie es von dem autor gemünzt ist. du widersprichst dir ja im grunde selbst:

natur dient dir zur darstellung von befindlichkeiten...-meinst du denn, es ginge tatsächlich nur dir so? und - die es nicht erkennen, für die ist es ein gutes herbstgedicht. wäre doch auch ok. oder?

lieben gruß: Niko

Mucki
Beiträge: 26644
Registriert: 07.09.2006
Geschlecht:

Beitragvon Mucki » 25.11.2006, 01:21

Liebe scarlett,

ein sehr schönes und bildhaftes, wehmütiges Gedicht. Ich sehe es wie die anderen. Das "gleich mir" oder "wie ich" braucht es nicht. Es ergibt sich aus deinen Zeilen. "mein Auge trotzt" kann auch raus sowie das "in": also so:


Vergessen vom Sommer
nicht abgeholt vom Winter
noch wärmt deine Blüte gelb
im rostigen Laub
einsamen Nebeln
lidlosen Nächten
und wartet


So finde ich es perfekt!
Saludos
Magic

Max

Beitragvon Max » 25.11.2006, 12:43

Liebe Scarlett,

ich finde das ein gedicht mit sehr eindringlichen Bildern.
Sprachlich denke ich über die folgendne Stellen nach:

Vergessen vom Sommer
nicht abgeholt vom Winter


Hier frage ich mich, ob die andere Wortfolge

Vom Sommer vergessen
vom Winter nicht abgeholt

stärker oder schwächer wirken würde.

gelb mein Auge trotzt
im rostigen Laub


Hier frage ich mich, wie es in der ersten der beiden Zeilen zu der etwas gewöhnungsbdürftigen Wortreihenfolge gekommen ist, was sprach gegen

gelb trotzt mein Auge
im rostigen Laub

In den folgenden Zeilen finde ich Version 2 besser als Version eins. Die letzte Zeile, obschon an sich stark, ist für mich auch nicht zwingend notwendig, weil die implizierte Trennung von Lyr. Ich und seinem Auge doch nicht natürlich ist.

Gern gelesen

Liebe Grüße
max

Max

Beitragvon Max » 25.11.2006, 12:44

PS: @magic, ich dachte schon, dass das trotzt essentiell für den Sinn des Gedichts ist, oder?

Liebe Grüße
max

königindernacht

Beitragvon königindernacht » 25.11.2006, 13:18

Dem Max schließe ich mich so ganz an und mag deine "Novemberrose" sehr.
Das "rostig" (eigentlich "Rostfarben" ist dichterische Freiheit- jeder Leser sieht vor sich, was du meinst.

Vor einem Jahr habe ich "Dezemberrose" geschrieben und in wenigen Tagen stelle ich es hier ein- Schreibst du dann eine "Januarrose"?

Sehr gerne gelesen, herzlichst, KÖ

Mucki
Beiträge: 26644
Registriert: 07.09.2006
Geschlecht:

Beitragvon Mucki » 25.11.2006, 13:25

Hallo Max,

PS: @magic, ich dachte schon, dass das trotzt essentiell für den Sinn des Gedichts ist, oder?

Liebe Grüße
max



dann könnte man vielleicht ein

ich trotze und noch ein Adjektiv dazu reinnehmen, aber das gelb der Blüte zuordnen.

Das "gelb mein Auge trotzt" gefällt mir nicht so. Ich muss da immer sofort an Hepatitis denken *g*
Saludos
Magic

Sabine

Beitragvon Sabine » 25.11.2006, 13:40

Hallo scarlett,

so habe ich dein Gedicht gelesen:

Vergessen vom Sommer
nicht abgeholt vom Winter
noch wärmt deine Blüte gelb

mein Auge trotzt
im rostigen Laub
einsamen Nebeln
in lidlosen Nächten
und wartet

gleich mir –


Mich störte beim Lesen ein wenig das "gelb" neben dem trotzenden Auge.
Hm ...

LG Sabine


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 11 Gäste