Der Gesang von der Kindheit

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Gast

Beitragvon Gast » 28.10.2006, 16:00

Bei der Accountlöschung bat die Autorin darum, dass ihre Texte gelöscht werden. Dieser Bitte kommt die Administration nach.
Zuletzt geändert von Gast am 16.11.2006, 00:52, insgesamt 9-mal geändert.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 12.11.2006, 14:31

Liebe Gerda,

ich schließe mich Lisas Wunsch an:-)
Das wäre wirklich spannend!
Saludos
Gabriella

Max

Beitragvon Max » 12.11.2006, 17:43

Liebe Gerda,

ich denke das "Klingeln der Elekrischen" ist ganz und gar eindeutig -jedenfalls für Menschen unserer Generation ;-). Lisas Hörbarwunsch unterstütze ich voll und ganz.

Liebe Grüße
max

aram
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Beitragvon aram » 12.11.2006, 22:04

liebe gerda,

glückwunsch zu diesem text - zählt zu deinen allerbesten, spricht mich sehr an.

besonders die leichtigkeit, mühelosigkeit der erzählung - ohne deshalb "pflegeleicht" zu sein - in balance zu lyrischer verdichtung finde ich sehr gelungen. intensive bilder kommen in dieser leichtigkeit /entspanntheit an, ohne an kraft einzubüßen. emotional innig, in der beschreibung mit ruhigem abstand.

gerne komme ich deiner kommentarbitte nach und sehe mir das erzählgedicht (m.e. ein "bilderbuchexemplar" für diese gattung - zu deren 'definition' es allerdings unterschiedliche auffassungen gibt) im detail an:

Der Gesang von der Kindheit

der gesang - ich überlege, wofür der artikel hier steht - lese ihn dann als hinweis auf abgeschlossenheit der beschreibung.

Die Stiefel zu groß und das Lachen zu laut
unter dem Zylinder von Großvater auf der Schaukel,

zu laut verstehe ich nicht - vielleicht gibt es eine geschichte dazu, die hier nicht erzählt wird (oder meinst du das lachen unter dem zylinder?) ... mir würde laut reichen.

unter verstehe ich als ausdruck der größenverhältnisse, trotzdem kommt das bild in verbindung mit lachen und schaukel nicht ungestört an - als sei entweder nur das lachen auf der schaukel oder gleich die ganze schaukel unterm zylinder... durch diese irritation tendiere ich zu mit - das bild wird für mich klarer, lebendiger - trotzdem kann auch die irritation gewollt sein und einen bruch andeuten - wie auch schon das zu laut --> da sie aufeinanderfolgen, neige ich dazu die brüche als beabsichtigt zu lesen, womit in der eingangstrophe das 'unbeschwert spielerische' sofort aufgebrochen würde - ist das von dir gewollt, oder überinterpretation?

die hoch flog durch die Dampfschwaden aus der Waschküche
im engen Hinterhof.

klasse. auch wenn es nicht beabsichtigt sein sollte, gefällt mir das doppelt (räumlich und kausal) lesbare "durch" außerordentlich.
im engen hinterhof finde ich doppelt gemoppelt, die enge haben hinterhöfe gewöhnlich an sich - oder hat das kind ihn schon so erlebt?

Keine Bank vor dem Haus, aber das Klingeln der Elektrischen, *

(asterix irritiert)
bildlich nicht völlig konsistent - das klingeln der elektrischen vor dem haus deutet auf eine wahrnehmung innerhalb des hauses (sonst wäre es die "ganze" elektrische, oder?), keine bank ist jedoch von draußen (oder aus dem fenster blickend) wahrgenommen. hier geht es ja um das, was anstelle der nicht vorhandenen bank vor dem haus ist - ich kann mir nicht vorstellen, dass ein klingeln -also ein rein akustischer eindruck - auf diese art wahrgenommen und in bezug gesetzt wird.

keine bank vor dem haus, aber die elektrische

fände ich stärker.

davon abgesehen- klingeln - sagte man so? (nach meinem gefühl eher bimmeln, gebimmel)
elektrische wurde meines wissens überregional verwendet; ich würde es in jedem fall als typischen ausdruck seiner zeit stehen lassen.
(erklärung per fußnote ist ja kein problem - aber bitte ohne sternchen im "gedichteten")

kein Garten keine Tiere, keine Felder, ringsum kein Wald.

finde ich hervorragend. einer der seltenen fälle, wo die beschreibung einer negation ein bild erzeugt. ...allerdings bin ich mir auch hier nicht ganz sicher, ob das die perspektive des kindes ist. (komma nach garten? - mir gefällt es besser ohne - allerdings sehr unkonventionell)

Einen Kaufladen und die Puppenküche
mit einem richtigen Herd, die gab es
und den gewärmten Milchkaffee, in den Opa altes Brot brockte
wenn er von der Nachtschicht aus der Glashütte kam.

schöne ungestörte schilderung, lässt sofort bilder entstehen.
(immer wenn die perspektive des kindes eindeutig ist - richtiger herd, opa - finde ich den text berührend und überzeugend)

Klein und überschaubar
das Leben
im Reihenhäuschen …


hier wechselt die perspektive - auf deutlich abgesetzte art, dadurch kein problem für mich als leser.
(zur offenen frage des ortes / der ortswechsel noch am ende.)

klein finde ich unpassend als bezeichnung des lebens; das wort auch im weiteren sinne überflüssig --> wird auch so klar.

nach meinem geschmack ist die ganze aussage zu explizit - dieses ausdrückliche verträgt sich schwer mit den 'subversiven' formulierungen in s1 und s2.

alternativideen:

überschaubares leben / im reihenhäuschen

leben im überschaubaren / reihenhäuschen


...grundsätzlich tendiere ich zu einer letzterer ähnlichen variante - denn ich kann mir nicht vorstellen, dass das leben überschaubar erlebt wurde - sehr wohl aber, dass es sich im überschaubaren abspielte.

und doch …

als vereinzelt gesetzte zeile wiederum zu explizit für mich - auch müssten für eine so deutliche gegenüberstellung die vorangehenden bilder in sich noch ungebrochen sein.

schlage daher vor, die zeile entweder an den folgetext zu ziehen -

und doch versteckten sich / in den vorhängen / fieberfantasien

- oder der bruch wird gar nicht erst 'vermittelt' - das wäre m.e. die bessere variante:

leben im überschaubaren / reihenhäuschen // in den vorhängen / versteckten sich / fieberfantasien


von der Schlachtung des letzten Schweins
vom Tod des Nestlings, der noch nicht allein fressen konnte
von den Lämmern die verschwanden
von Hühnern auf dem Holzbock, geköpft für den Sonntagsbraten
einem sterbenden Katzenjungen
vom Verbrennen, vom Weinen, vom Heilen

klasse. unbedingt so lassen. ,-)

… lebendig war das andere zwischen den Feldern,

sehr schön. die drei punkte finde ich störend; würde sie weglassen.

mit den Wintern voll Schnee und Eiseskälte,
bizarren Frostblumen innen an den Scheiben.

den wintern - auch hier halte ich unwillkürlich inne und suche nach dem grund für den artikel - würde ihn hier streichen

Bettflaschen gefüllt mit heißem Wasser vom Herd.
Wollene Strümpfe, die kratzten und nicht wärmten,
prasselnde Feuer im Kamin und heißer Kakao.

wieder schön, nur die letzte zeile fällt ab - ich glaube es liegt an den prasselnden feuern - abgegriffenes bild - fände die zeile ohne dieses adjektiv eindringlicher

Die Aussaat im März, wenn die Erde weich glänzte,

weich glänzte kann ich mir nicht vorstellen - würde sagen matt glänzte

an Ostern

hier gefällt mir der regionale sprachgebrauch

das erste Mal nackte Knie und im Rock,

bisschen unrund - nackte knie und im rock? - beim ersten mal geht mir das "wieder" ab - so ist es doch gemeint?
- lässt sich aber schwer korrigieren, ohne zu ausführlich zu werden
(an ostern zum ersten mal / wieder rock und nackte knie)

Sommer voll Kirschen mit Blaubeeren gesäumt

gesäumt - etwas kitschig aber schön .-)

Forellen und Krebse im Bach, wir Kinder auch.

klasse

Auf dem Leiterwagen ins Heu,

scheinbar ist nicht das fahren auf einem großen, heubeladenen leiterwagen gemeint - dann stünde im heu - sondern das spiel mit einem kleinen leiterwagen. in diesem fall würde ich auf dem streichen, um die sprache zu verdichten, die hier sonst m.e. zu 'ausführlich' wird zusammen mit dem anschließenden

in die Kartoffeln
mit dem alten Trecker, der immer nach Schmieröl roch.

immerwürde ich streichen

Später, wenn die Dielen geheimnisvoller knarrten,
die Abende dem Tag das Licht stahlen

wieder ein sehr ansprechendes bild. für sich gelesen, würde ich wenn durch als ersetzten, da dann eine zweite bedeutungsebene dazutritt - fraglich allerdings, ob das mit dem hauptsatz vereinbar wäre.

Ein leises Trippeln vom Speicher hieß Mäuseweihnacht.
Die Katzen lauerten schon.

klasse (du merkst schon - ich wiederhole mich ständig .-)

Irgendwann nur noch
einmal, sechs Wochen im Jahr.
dann nie mehr.

wieder der perspektivwechsel, passt gut.

In deiner Stimme,
in deinem Blick
lag das Dorf.

nicht klar, wer gemeint ist (der opa?), dennoch eindringlich; schöner schluss

es war Heimat.

diese zeile finde ich überflüssig und schwächend - das ist nun ja wohl klar (erzeugt daher pathos)

-was mir noch nicht ganz klar wird sind die ortswechsel - ist das reihenhäuschen nun stadt oder land - ist der opa an beiden orten oder nur an einem? (vielleicht würde es deutlicher wenn ich diesen punkt noch genauer betrachtete; ob der positiven fülle des textes bin ich aber erst mal geschafft .-)

toller text, gerda.

liebe grüße,
aram
there is a crack in everything, that's how the light gets in
l. cohen

aram
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Registriert: 06.06.2006

Beitragvon aram » 13.11.2006, 07:15

p.s.

hoffentlich irritieren dich meine vielen anmerkungen nicht - es sind erste assoziationen als feedback, nicht so überlegt durchgearbeitet wie bei kürzeren texten - mit dem "klingeln der elektrischen" hab ich mich z.b. inzwischen angefreundet, und manches, das mir zunächst schwierigkeiten bereitete, lässt sich auch durch ein komma entschärfen - z.b. zwischen zylinder und schaukel, oder zwischen knien und rock -
zur übersichtlichkeit noch zusammenfassung der anmerkungen zu einer durchgängigen textvariante.
die zeichensetzung ist teilweise geändert - aber nicht ganz durchgearbeitet - ergibt bei diesem text sehr interessante betonungsmöglichkeiten.


Der Gesang von der Kindheit


Die Stiefel zu groß und das Lachen laut
unter Großvaters Zylinder, auf der Schaukel
die hoch flog durch die Dampfschwaden aus der Waschküche
im engen Hof.

Keine Bank vor dem Haus, aber das Klingeln der Elektrischen
kein Garten keine Tiere, keine Felder, ringsum kein Wald.

Einen Kaufladen und die Puppenküche
mit einem richtigen Herd, die gab es
und den gewärmten Milchkaffee, in den Opa altes Brot brockte
wenn er von der Nachtschicht aus der Glashütte kam.

Leben im
überschaubaren
Reihenhäuschen

in den Vorhängen
versteckten sich
Fieberfantasien

          von der Schlachtung des letzten Schweins
          vom Tod des Nestlings, der noch nicht allein fressen konnte
          von den Lämmern die verschwanden
          von Hühnern auf dem Holzbock, geköpft für den Sonntagsbraten
          einem sterbenden Katzenjungen
          vom Verbrennen, vom Weinen, vom Heilen


lebendig war das andere zwischen den Feldern
mit den Wintern voll Schnee und Eiseskälte
bizarren Frostblumen innen an den Scheiben.
Bettflaschen gefüllt mit heißem Wasser vom Herd.
Wollene Strümpfe, die kratzten und nicht wärmten,
Feuer im Kamin, und heißer Kakao.

Die Aussaat im März, wenn die Erde matt glänzte
an Ostern das erste Mal nackte Knie, und im Rock

Sommer voll Kirschen mit Blaubeeren gesäumt
Forellen und Krebse im Bach, wir Kinder auch.
Leiterwagen ins Heu, in die Kartoffeln
mit dem alten Trecker, der nach Schmieröl roch

Später, als die Dielen geheimnisvoller knarrten
die Abende dem Tag das Licht stahlen
roch es im Haus nach Äpfeln und Nüssen.
Ein leises Trippeln vom Speicher hieß Mäuseweihnacht.
Die Katzen lauerten schon.

Irgendwann nur noch
einmal, sechs Wochen im Jahr.

Dann nie mehr.

In deiner Stimme,
in deinem Blick
lag das Dorf.
there is a crack in everything, that's how the light gets in

l. cohen

Gast

Beitragvon Gast » 13.11.2006, 11:16

Liebe Lisa,
lieber Max,
liebe Gabriella,

vielen Dank fürs feedback.

@ Max - ich hatte gehofft, dass 'Elektrische' auch ohne Attribut verständlich sei, anscheinend wir es jedoch nicht generell verstanden, dass die Straßenbahne gemeint ist, die damals halt so hieß.

Was euren Hör-Wunsch angeht, so erfülle ich ihn gern.
Aber das kann noch eine Weile dauern, damit meine ich 2-4 Wochen, weil die sich Festplatte auf dem PC meines Sohnes "verabschiedet" hat. Er bekommt einen neuen, auf dem dann die Aufnahme-Software als Erstes neu installiert wird. Er hat mir erklärt warum, das auf meinem PC nur bedingt laufen würde, aber ich hab's ehrlich gesagt nicht verstanden.
(Er arbeitet mit prof. Software)
Ich weiß nur, dass das Ergebnis technisch auf jeden Fall immer sehr gut ist, wenn er meine Texte aufnimmt.
Ich bitte also um etwas Geduld ihr Lieben.

Herzliche Grüße
Gerda

Gast

Beitragvon Gast » 13.11.2006, 11:23

Lieber aram,
vielen, vielen Dank für deine auführliche Stellungnahme, ja für die Beschäftigung mit meinem Text.
Du verwirrst mich nicht, nein, keineswegs.
Es ist erstaunlich, wie du dich in diesen Text begeben hast.
Ich kann dir jetzt schon sagen, auch wenn ich später erst im Einzelenen darauf eingehen werde, denn das ist ja auch ein längerer Akt, ;-) dass du das Meiste entsprechend meiner Intention gelesen hast und diese stützt.

Bis bald auführlich und
liebe Grüße
Gerda

Gast

Beitragvon Gast » 14.11.2006, 16:48

Lieber aram,

nun werde ich näher auf deine ausführliche Besprechung eingehen,

Gerda Jäger hat geschrieben:Der Gesang von der Kindheit

Zum Titel: Ja, es ist so gemeint wie du schreibst, und der Artikel kam intuitiv dazu, dass die Kindheit abgeschlossen ist, schon lange zurück liegt

Gerda Jäger hat geschrieben:Die Stiefel zu groß und das Lachen zu laut
unter dem Zylinder von Großvater auf der Schaukel,
die hoch flog durch die Dampfschwaden aus der Waschküche
im engen Hinterhof.


Zum "zu laut": Ich finde es gut, dass du diese Frage stellst. Demnach macht es zumindest stutzig. Wäre es nicht möglich zu implizieren, dass das Kind auf der Schaukel immer als zu laut von den Erwachsenen kritisiert wurde?
Die Irritation ist beabsichtigt, soll aber dem Leser Spielraum einräumen.
Ich übernehme gern: Großvaters Zylinder und das anschl. Komma, aber Hinterhof muss bleiben, denn ja, für das Kind war der Hof klein und eng. Es ist zu verstehen, glaube ich, weil es ja die andere Heimat gibt.



Gerda Jäger hat geschrieben:Keine Bank vor dem Haus, aber das Klingeln der Elektrischen, *
kein Garten keine Tiere, keine Felder, ringsum kein Wald.


Hier bin ich irritiert... Was hat asterix damit zu schaffen? ;-) Bildungslücke? Ist asterix Straßenbahn gefahren?
Also in der ersten Version hatte ich nur "elektrische" stehen.
Dann kamen Nachfragen. Letzlich bin ich "über Schienen" beim Klingeln gelandet, am liebsten wäre mir aber, keins von beiden benutzen zu müssen.
Schienen wäre logischer, weil ich zuvor die nicht vorhandene Bank vor dem Haus erwähne. zwischen den Schien und dem Haus gab es nur den Bürgersteig. Klingeln habe ich so in Erinnerung, weil durch die alten Bahnen in Höhe der Halteschlaufen, durch die Waggons eine Schnur führte, an der man ziehen musste wenn man Aussteigen wollte, ich musste immer gehoben werden, ferner klingelte die Bahn damals immer wenn sie los fur.(Es war ausdrücklich keine "Bimmelbahn" ) ;-)
Das Komma hinter Garten übernehme ich gern. (Bei der Setzung von Kommata bin ich meist unsicher).
Was die Perspektive angeht, so könnte es durchaus sein, dass es nicht ausschließlich die Perspektive des Kindes ist, aber es lebte in einer Erwachsenenwelt und schnappte viel auf.

Gerda Jäger hat geschrieben:Einen Kaufladen und die Puppenküche
mit einem richtigen Herd, die gab es
und den gewärmten Milchkaffee, in den Opa altes Brot brockte
wenn er von der Nachtschicht aus der Glashütte kam.

Danke für das berührend und überzeugend hier an dieser Stelle.

Gerda Jäger hat geschrieben:Klein und überschaubar
das Leben
im Reihenhäuschen …


Du hast zwar recht mit deinem Einwand, dennoch ist gerade dieses "klein" so nahe am Leben des Kindes.
Alles andere klingt abgeklärt und das ist es ja nicht. Das Leben war eine kleines, (kindliches) und überschaubar.
ich überlege, ob ich so ändere:

Überschaubar
das kleine Leben
im Reihenhäuschen

Gerda Jäger hat geschrieben:und doch …


Diese Stelle ist problematisch, weil sie mehr schaffen soll, als zum nächsten eingerückten Absatz überzuleiten. Sie soll es schaffen auch bei der Beschreibung des anderen Lebens, der anderen Heimat in Gedanken mitgelesen zu werden (vor der Stelle: ... lebendig war das andere usw, deswegen auch die drei Punkte) und ich habe schon sehr oft darüber nachgedacht und mir ist bisher noch keine perfekte Lösung eingefallen.
Ich will auch nicht so viel erklären (müssen) im Text.
Also hier überlege ich noch unter Einbeziehung deiner Gedanken und auch im Hinblick auf die Weiterleitung auf die Fieberfantasien.
Das "und doch" hat auch noch eine andere Funktion... es soll aufmerksam machen und die "Heile Welt" für den Leser fragwürdig/ hintersinnig werden lassen.

Gerda Jäger hat geschrieben:versteckten sich
in den Vorhängen
Fieberfantasien

           von der Schlachtung des letzten Schweins
           vom Tod des Nestlings, der noch nicht allein fressen konnte
           von den Lämmern die verschwanden
           von Hühnern auf dem Holzbock, geköpft für den Sonntagsbraten
           einem sterbenden Katzenjungen
           vom Verbrennen, vom Weinen, vom Heilen


Danke, für das Klasse - keine Sorge, das bleibt so.

Gerda Jäger hat geschrieben:… lebendig war das andere zwischen den Feldern,
mit den Wintern voll Schnee und Eiseskälte,
bizarren Frostblumen innen an den Scheiben.
Bettflaschen gefüllt mit heißem Wasser vom Herd.
Wollene Strümpfe, die kratzten und nicht wärmten,
prasselnde Feuer im Kamin und heißer Kakao.


Hier stimme ich mit dir überein, den Artikel vor Wintern lasse ich weg.
Das prasselnde hat natürlich einen Geräuscherinnerungswert, ich überlege noch, ob ich es leichten Herzens streichen kann (knackende Äste im Kamin geht vielleicht)

Gerda Jäger hat geschrieben:Die Aussaat im März, wenn die Erde weich glänzte,
an Ostern das erste Mal nackte Knie und im Rock,


für das Kind gab es kein "mattes" Glänzen. das ist die Sprache der Erwachsenen ;-) Da kommt das erdverbundene, das Wissen um weiche Erde im Frühling mit ins Spiel. Auch das kann ich nicht ändern.
Es hat seinen Grund.
Meinst du, dass das fehlende "wieder" arg schlimm ist bei: das erste Mal nackte Knie und im Rock,
Ich werde auch hier erneut nachdenken, auch wegen der Sprachmelodie.

Gerda Jäger hat geschrieben:Sommer voll Kirschen mit Blaubeeren gesäumt
Forellen und Krebse im Bach, wir Kinder auch.
Auf dem Leiterwagen ins Heu, in die Kartoffeln
mit dem alten Trecker, der immer nach Schmieröl roch.


Was den Leiterwagen angeht, so ist es genau so gemeint, wie es da steht, auf dem großen leeren Leiterwagen ins Heu,
auf das immer ("Anfängerfehler" ) kann ich sehr gut verzichten
;-)

Gerda Jäger hat geschrieben:Später, wenn die Dielen geheimnisvoller knarrten,
die Abende dem Tag das Licht stahlen
duftete es im Haus nach Äpfeln und Nüssen.
Ein leises Trippeln vom Speicher hieß Mäuseweihnacht.
Die Katzen lauerten schon.


Deine Idee, das "wenn" durch "als" zu ersetzen hat etwas für sich. (Grammatisch klingt es nicht "ast"rein). Ich überlege auch, weil es sich für mich nicht selbstverständlich, sondern fremd anhört. Daraus jedoch zu schließen, dass es dann zu meiner Intention nicht passe, möchte ich ausschließen, ich werde darüber jedenfalls nachdenken.

Gerda Jäger hat geschrieben:Irgendwann nur noch
einmal, sechs Wochen im Jahr.
dann nie mehr.


;-) auch ich wiederhole mich mit: "Danke, dir"

Gerda Jäger hat geschrieben:In deiner Stimme,
in deinem Blick
lag das Dorf.

es war Heimat.


Warum muss man als Leser "wissen" wessen Blick es ist, in dem das erwachsene Lyrich erkennt, was für das Kind Heimat war?
Leonie hat für sich eine Deutung gefunden, die schon sehr nahe an meiner Intention ist.
Ich möchte dieses offenlassen. Nur so viel, der erwähnte Großvater ist es nicht.

Zur letzten Zeile: Es war Heimat ja, ich denke, es ist zu überlegen.
diese weg zu lassen.

Zum Ortswechsel.
es gibt nur einen.
Der 1. Teil ist Stadtheimat
der 2. Teil die Dorfheimat - nach dem Bruch mit den Fieberfantasien, in denen aber die Dorfheimat, die echte, eine große Rolle spielt.

Tja, lieber aram, das ist jetzt erst einmal die Beantwortung deiner Stellungnhame.
Es folgt bald, die Auswertung all dessen, nach nochmaligem genauen Lesen, deiner Setzung mit deinen Änderungsvorschlägen.

Vielen, vielen Dank
liebe Grüße
Gerda

Gast

Beitragvon Gast » 16.11.2006, 00:59

Ihr lieben Alle,

dank arams tatkräftiger Unterstützung konnte ich heute die (wenig) geänderte Fassung einstellen.
Sie steht unter der Erstfassung. Die Änderungen sind in der ersten Fassung mit *gekennzeichnet.
Es war für mich ein Erlebnis, mich erst über einen langen Zeitraum allein mit dem Text zu beschäftigen.
Insbesondere aram hat mich dann gefordert und gefördert.
Ich weiß jetzt wie sehr ich in dem Text spreche

Allen hier noch einmal ein herzliches Dankeschön.

Nachtgrüße
Gerda


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