vermächtnis

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Iris

Beitragvon Iris » 22.10.2006, 18:14

was für ein entsetzen
liegt auf den gesichtern

in stein gehauene märtyrer
die blicke kreuzen sich

man kann froh sein
sagt ein vorübergehender

daß es menschen gab

die uns heute noch erinnern,
wofür es sich
lohnte

ihr glaube

an das leben



relief von golgatha

was für ein entsetzen
liegt auf den gesichtern

in stein gehauene märtyrer
die blicke kreuzen sich

man kann froh sein
sagen vorübergehende

daß es einen menschen gab

der uns heute noch erinnert,
wofür es sich
lohnt

zu leben
Zuletzt geändert von Iris am 03.11.2006, 19:05, insgesamt 2-mal geändert.

Nifl
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Beitragvon Nifl » 23.10.2006, 21:44

Huhu Iris.

Wahre Worte, Märtyrern gedenken, die durch ihre selbstlose Aufopferungsbereitschaft die Menschheit in irgendeiner Weise vorangebracht haben...


ihr glaube

an das leben

Ich weiß nicht, das Leben ist ja gerade das, was sie im Namen von (...) aufgegeben haben, um Märtyrer zu werden...


Ich denke der Text könnte noch etwas Dichte vertragen ... so kommt er mir doch beinahe vor wie eine umgebrochene Prosaausage. Durch Kürzung würde er mE. spannender werden.
Vorschlag: (nur um zu zeigen, was ich meine):


was für ein entsetzen
auf den gesichtern

in stein gehauene märtyrer
kreuzen sich

froh
ein vorübergehender
heute noch


LG
Nifl
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Mucki
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Beitragvon Mucki » 24.10.2006, 00:33

Hallo Iris,

gerade dieser "Widerspruch", dass sie ja ihr Leben gaben, gefällt mir an deinem Gedicht.
Mit den ersten vier Zeilen tue ich mich schwer, finde nicht so recht den Zugang zu dem "entsetzen" und den sich kreuzenden Blicken.
Saludos
Gabriella

Iris

Beitragvon Iris » 24.10.2006, 08:30

Hallo Nifl,

ich verstehe, was du meinst,

bringt mich auf den Gedanken:

in stein gehauene märtyrer
gekreuzt blick für blick



sie kreuzen sich kaum selbst oder?

gemeint war ursprünglich, daß ihre Blicke sich bei der gemeinsamen Hinrichtung nicht wirklich treffen ...


Hallo Gabriella,

Ja, dieser Widerspruch, ich schlag mich damit nicht im Gedicht, sondern gedanklich etwas rum in Beziehung zu den heutigen Selbstmordattentätern, Terroranschlägern oder jenen, welche sich vor fahrende Waggons schmeißen und damit immer jemand reinziehen, nämlich jenen, der sie überfährt ...
ich denke, es müßte doch immer einen Weg geben fürs Leben, real ist es nicht immer so, doch ...

Wie war es früher, da gab es Märtyrer, sie haben so gelebt, daß sie für ihren Glauben jemand hingerichtet hat, also so, daß es letztendlich Täter gab, kann es die Möglichkeit geben, nicht Opfer werden zu müssen im Leben für das Leben, ich denke ja ..., und doch ist wichtig für was sie bereit waren zu sterben.

Das Entsetzen liegt bei denen, die Überleben und das Ganze verfolgen, seien es nur Schaulustige oder auch jene, die eben weiterleben für das, wofür jemand sich opferte.

Ich komme mit der Textarbeit hier nicht weiter, wenn ich nach:

man kann froh sein
sagt ein vorübergehender

aufhören würde?
dann fehlt wieder etwas.

Liebe Grüße Iris

Max

Beitragvon Max » 25.10.2006, 21:58

Liebe Iris,

ich weiß ehrlich gesagt noch nicht ganz, ob mir der Widerspruch gefällt oder nicht. Denn, wenn diese Märtyrer an ein Leben glaubten, dann doch eher an eines nach dem Tode, das vorher scheint ihnen ja nicht so viel wert gewesen zu sein.

Wasmir dafür gelungen scheint, ist der Anfang

was für ein entsetzen
liegt auf den gesichtern

in stein gehauene märtyrer


Das Bild hat in mir Erinnerungen wachgerufen.

Liebe Grüße
Max

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Beitragvon leonie » 25.10.2006, 22:50

Liebe Iris,

mir gefällt Dein Gedicht. Mit dem Schluss assoziiere ich nicht nur, aber auch relativ "moderne Märtyrer" wie Martin Luther King oder Dietrich Bonhoeffer. Der Glaube an das Leben muss sich nicht nur auf das eigene Leben beziehen, sondern kann sich vielleicht auch auf eine Haltung richten, die dem Leben (anderer) dient. Das heißt nicht, dass man das eigene Leben nicht achtet, aber dass man bereit ist es "loszulassen" für andere. Es kann aber muss meiner Meinung nach nicht nur der Glaube an ein Leben nach dem Tod sein, der eine solche Haltung bewirkt.

Liebe Grüße
leonie

Mucki
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Beitragvon Mucki » 25.10.2006, 23:33

sehe ich auch so, leonie

wahre Märtyrer zeichnen sich ja gerade dadurch aus, dass sie sich opfern für andere und nicht, weil sie an ein besseres neues Leben glauben.
Saludos
Gabriella

Iris

Beitragvon Iris » 28.10.2006, 18:36

Hallo ihr,
vielen Dank für Eure Gedanken ich muß noch ein bißchen überlegen, ob ich es so lasse.
Liebe Grüße Iris

Iris

Beitragvon Iris » 03.11.2006, 17:43

Ich habe noch eine zweite Version angefügt.
LG Iris

Mucki
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Beitragvon Mucki » 03.11.2006, 18:47

Hallo Iris,

die zweite Version gefällt mir viel besser.
Den Titel würde ich kürzen: einfach nur: golgatha, das genügt ("Erinnerung an" kann entfallen). Jetzt machen auch die sich kreuzenden Blicke Sinn.
Worüber ich noch grüble, ist der Satz:

"was für ein entsetzen"

denn, eigentlich ist dies nach meiner Meinung nicht so. Es ist eher Ehrfurcht, aber kein Entsetzen.

Saludos
Gabriella

Iris

Beitragvon Iris » 03.11.2006, 19:03

Liebe gabriella, auf den gesichtern der gekreuzigten kann ich mir ehrfurcht weniger vorstellen, du meinst sicher die gesichter der vorübergehenden?

liebe grüße iris

Mucki
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Beitragvon Mucki » 03.11.2006, 19:08

Liebe Iris,

stimmt, ich hatte es fälschlicherweise auf die Vorübergehenden bezogen.
Saludos
Gabriella


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