Eigenverantwortung

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Phygranimus

Beitragvon Phygranimus » 19.10.2006, 15:23

Eigenverantwortung

Ein Ausruf
sie zu knechten
und maßlos
auszusaugen
bis sie
nicht mehr
widerstehen !

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 19.10.2006, 15:35

Hallo Phygranimus,

Tja, Eigenverantwortung ist leider eines dieser Wörter, mit denen ich nichts anfangen kann, da sie durch Überanspruchung tautologisch superlaviert werden - denn was ist der Unterschied zwischen Verantwortung und Eigenverantwortung? Es gibt keinen - das zweite Wort ist sinnleer. Sicher schlägt sich die Absurdität der Forderungen eben auch in dieser Wortkreation nieder, müsste aber, um erkenntlich zu sein, im Text kenntlich gemacht sein, finde ich.

Für mich ist der Text, bei aller Klarheit, die er aufgrund der Thematik haben muss, zu sehr Ausruf als Gedicht - gerade für Kurzlyrik zu nah am Satz. Anders gesetzt eher ein Aphorismus/~...

Eigenverantwortung: Ein Ausruf sie zu knechten und maßlos auszusaugen - bis sie nicht mehr widerstehen!

Ein sicher wichtiger Ausruf, bei dem es um so schwieriger ist, dabei die Kunst zu beherrschen, auch poetisch zu sein. Um zwar, weil der poetische Moment etwas mitteilt/erreicht, was der Ausruf nicht tut.

So für mich ein wichtiger Gedanke, aber kein fertiges Gedicht.

Liebe Grüße,
Lisa

Kleine Anmerkung zusätzlich: Du machst immer (ist mir shcon bei anderen Texten aufgefallen) ein Leerzeichen zwischen Wort und Ausrufe- oder Fragezeichen - das gehört so nicht :-)

PS: Vielleicht in Lyrik und Kultur verschieben?
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Max

Beitragvon Max » 19.10.2006, 20:36

Lieber Phy,

ja ... genau, Eigen- und Verantwortung ist seltsam tautologisch.

Der Rest des erinnert mich in der Diktion ein wenig an die Eröffnung des Herrn der Ringe ....

Liebe Grüße
max

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Mnemosyne
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Beitragvon Mnemosyne » 20.10.2006, 01:19

Weiß ich nicht. Man kann doch durchaus anderen gegenüber verantwortlich sein, seinem Vorgesetzten etwa, im Zweifelsfall Gott. "Eigenverantwortung" ist der Versuch, diese Verantwortlichkeit gegenüber einem höheren Wesen - Fürst/Papst/Gott - in eine säkularisierte Gesellschaft zu retten; der kategorische Imperativ ist hierfür z.B. ein Ansatz. Der Begriff deutet an, daß man die letzte moralische Instanz seiner Entscheidung in sich selbst zu suchen hat - mitunter mit den von Phygranimus angedeuteten Folgen eines schrankenlosen raubtierkapitalistischen Immoralismus. Jedenfalls verstehe ich das so.

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 20.10.2006, 11:40

Hallo Mnem,

trägt man Verantwortung, so hat man immer Verantwortung gegenüber jemand anderen (sei es eine Sache, ein Familienmitglied, der Chef, der Papst oder Gott. Verantwortung ohne ein Objekt, auf dass sie sich bezieht, gibt es nicht. Alles, was rettenswert ist stecktschon nur in dem Begriff Verantwortung. Und wenn da nicht drin, dann nirgendwo :-).

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
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Beitragvon Mnemosyne » 20.10.2006, 15:09

Hallo Lisa,

es ist aber doch ein Unterschied, ob ich Verantwortung für oder gegenüber etwas habe. Z.B. bin ich für ein mir anvertrautes Kind verantwortlich, und zwar im z.B. seinen Eltern gegenüber. Das "Eigen" bezieht sich nach meinem Verständnis auf das "gegenüber": es macht aus dem "gegenüber" ein "ich".

Grüsse

Merlin

Max

Beitragvon Max » 23.10.2006, 21:31

Hey Merlin,

aber das macht Eigenverantwortung nicht wirklich besser - dass ich für mich selbst verantwortlich bin, dass sollte doch nun wikrlich selbstverständlich sein.

Liebe Grüße
Max

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Beitragvon Mnemosyne » 24.10.2006, 14:20

Moin Max,

eigentlich meinte ich das "mir selbst" und nicht das "für mich". Ach, egal. Aber das Gedicht ergibt einfach keinen Sinn mehr, wenn man es bloß auf Verwantwortung bezieht; die ist doch nun sicher kein Aufruf, zu knechten? Ein paar klärende Worte von Phyg wären hier vielleicht hilfreich...

Grüsse

Merlin

rya

Beitragvon rya » 24.10.2006, 14:41

Hallo.
@ Lisa."tautologisch superlaviert werden".
?.Das mag jetzt an mir liegen,aber geht es nicht auch etwas verständlicher?
@Max. Die Assoziation zum Herrn der Ringe hatte ich auch.....

zu Merlin.
Ich kann deine Gedankengänge nachvollziehen.(Warst du schon auf dem Konzert?)

zum Gedicht:
ich bin da etwas ratlos,und hoffe auf einen erklärenden Kommentar des Verfassers.
Gruss,Frank

Niko

Beitragvon Niko » 24.10.2006, 17:31

tach zusammen

ich glaube, dass der begriff "eigenverantwortung" schon seine berechtigung hat. er will lediglich den aspekt verdeutlichen, dass vor allem die verantwortlichkeit bei einem selbst liegt. ich kann mich gott und der welt gegenüber verantwortlich zeigen, mir selbst jedoch ohne jede verantwortung gegenüber stehen. wichtig hier auch der aspekt des "selbst in die hand nehmen".

ich sehe diesen ausruf ähnlich wie lisa als einen aphorismus. weniger als lyrische verdichtung. ist mir ein bisserl reißerisch, aber nu.........-geschmacksache halt.

lieben gruß: Niko

Phygranimus

Beitragvon Phygranimus » 24.10.2006, 20:21

Hallo zusammen,

jetzt habe ich auch wieder etwas Zeit,
vielen, vielen Dank für Eure Antworten und Aufmerksamkeit.
Ich war am Wochenende auf 2 Demos, um der Anklage dieser Zeilen
auch Genüge zu tun.
Natürlich ist das keine poetische Höchstleistung. Es ging mir mehr um die Aussagekraft.
Zwischen der "Eigen"verantwortung für das eigene Leben und Familie gegenüber der verordneten
Eigenverantwortung, die dann in Wirklichkeit Ausbeutung darstellt, ist schon stark zu unterscheiden.
Das mit dem Ring, sie zu knechten, paßt schon ganz gut.
Ich traue den derzeitigen Regierungen dieser Welt auch ein Sammelsurium an Schlechtigkeiten zu,
die die genannte Literatur noch in den Schatten stellen.

Grüße von Klaus

P.S.

Hallo Lisa, deshalb kann man ja dieses Wort auch zu den sogenannten Unwörtern zählen,
meine gedankliche Anklage richtet sich auch gegen dieses Wort.

P.P.S.

Nochmal, hallo Lisa,
kann man das Leerzeichen nicht unter künstlerischer Freiheit verbuchen,
so wird das Satzzeichen hervorgehoben ?
Ich kann mich auch mit den Rechtschreibreformen nicht anfreunden ( => sehr untertrieben ausgedrückt ) !
( Außerdem finde ich, daß bei der Computerschrift das Satzzeichen direkt
hinter dem Buchstaben seltsam aussieht. )

Du kannst den Beitrag ruhig verschieben.


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