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Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
moshe.c

Beitragvon moshe.c » 17.10.2006, 20:04

Betrachtung

Das Mißverstehen
eines Babys
ist faulere Wurzel
als sein Schreien
in ihm.


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Aus der Reihe: WEGE DES LEBENS

Mucki
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Beitragvon Mucki » 17.10.2006, 22:57

wie oft nehmen sie sich vor, es besser zu machen und dann ... machen sie es genauso oder noch schlimmer ...


Saludos
nachdenkliche Gabriella

MarleneGeselle

Beitragvon MarleneGeselle » 18.10.2006, 11:24

Hallo Moshe,

ich muss gestehen, dass ich nicht verstehe, wofür das Baby als Symbol steht. Baby schreien nicht in ihrem Inneren, sie schreien hinaus was sie bedrückt. Und ihre Umgebung versteht in aller Regel bestens, was verlangt wird: frische Windel, Fläschen, eine Runde spielen ... Wie hier ein - eventuell absichtliches - Missverstehen hineinkommen soll, ist mir unklar. An dem Schreien des Babys ist nichts Unrechtes. Es hat Bedürfnisse, die meldet es an. Darin kann ich keine faule Wurzel sehen.

Liebe Grüße
Marlene

Jürgen

Beitragvon Jürgen » 18.10.2006, 15:34

Hallo moshe

Ich verstehe den Text als ein Aufruf, nicht die Reaktion des Babys sondern den Auslöser des Schreiens als das Problem zu betrachten. Oder weiter gefasst, nicht die Leiden eines Menschen, Baby hier als Bild für Hilflosigkeit eines erwachsenen Menschen, dann passt "Schreien in ihm", zu überwerten, sondern den Blickwinkel auf die Ursachen zu richten. "Sein" und "in ihm" wirkt wie eine doppelte Aussage. Wie wäre "als das Schreien in ihm". Nur als Vorschlag.

Mit Interesse gelesen

Jürgen

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 18.10.2006, 17:31

Liebe Gabriella: Ja

Liebe Marlene: Man kann hier das Baby als Baby sehen, wie du es tust, mehr oder weniger als ein 'Ding' sehen, wie du es
hier machst, auf so einfache Bedürfnisse reduziert. In meinen Augen ist es jedoch ein Mensch mit einer Seele, der gerade eines der schwierigsten Akte in seinem Leben vollbracht hat: Aus dem Uterus herausgeworfen zu werden, Trockenheit, Licht, Atmen, Kommunikation, und vieles mehr plötzlich zu erfahren und meistern zu müßen. Ein Baby hat eine vollständige Seele und einen sehr unvollständigen Körper mit sehr begrenzten Kommunikationsmitteln. Es ist ein Mensch, der behandelt wird......

Lieber Jürgen: Genau!
Sehr schön, daß du diesen Aspekt, der sehr meiner Intention entspricht, gesehen hast.

Mit bestem Dank an euch

Moshe

pandora

Beitragvon pandora » 18.10.2006, 18:29

lieber moshe,

ich stutze, wenn ich das lese. aus verschiedenen gründen.
zunächst: offensichtlich geht es darum, dass man kleine menschenkinder missverstehen kann. das kommt öfters vor, in verschiedenen kontexten.
aber grammatisch komme ich ins schleudern. "das missverstehen eines babys ist faulere wurzel als sein schreien" wäre für mich verständlich, wenn auch stilistisch nicht der weisheit letzter schluss. mit dem zusatz "in ihm" wird es (für mich) verworren. das schreien im baby? im missverständnis? in einem menschen?
verstehst du, was ich meine?

lg
p.

Max

Beitragvon Max » 18.10.2006, 21:43

Lieber Moshe,

mein Unverständnis hängt sich nahtlos an Pandoras - demnach ist das Missverstehen eines babys eine faulere wurzel - in ihm .... hmmmmm?&%$§! :oops:

Liebe Grüße
max

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 18.10.2006, 22:55

Liebe Pandora,

ja, Schreien in einem Menschen in einer Situation, in der er missverstanden, bzw. nicht vertanden wird, und er seine Schreie in sich hat, äußert, aber der Kern in ihm liegt, das Eigentliche in ihm liegt, ggf. auch in seiner Struktur, schlicht im Hier-Sein, seinem Ankommen in einer Umwelt. Er, der Mensch im Baby, wird nicht erkannt.
Das Baby wird gefüttert, usw., aber sein Wesen, seine Seele und deren Bedürfnisse nicht gesehen.
Übrigens nicht nur nicht im Baby, sondern in den weiteren Stufen der Kindheit auch nicht. Das ist die Regel.
Das Schreien wird mit Beruhigung beantwortet, weil es beunruhigt. klar. Es wird auf einfache Tatbestände zurückgeführt, wie Nahrung, usw. Aber wer mit Babys zu tun hatte, wird ggf. auch feststellen, daß dies nicht ausreicht. daß da mehr ist, was verstanden werden will, aber auch nicht verstanden werden kann. Es kann nicht verstanden werden, weil die Ausschließlichkeit des Betrachters zum Subjekt des Betrachtens praktisch ungebrochen ist, praktisch: Wer kann sich ein Leben ohne Atmen eigentlich vorstellen, das aber die Welt des Neugeborenen noch eben war? Und dann das Problem, welches im Inneren herrscht? (Um nur mal auf der praktischen Ebene zu blieben) Also: Wenn ein Bbay schreit, weil es den Verlust des Zustandes des Nicht-Atmen-Müssens beklagt: Wer versteht das bitteschön?
Und dies trifft auch auf die Deutung von Jürgen zu, die sich in einer anderen Deutung/ Zeit befindet: Die Klage, die auch ein Schreien ist.

Es gibt doch auch diesen einfachen Satz: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein!, obwohl hier die Frage: Wovon lebt er denn sonst noch? offen bleibt, hat er doch eine Berechtigung.

Max: Gibt es eine nahtlose weitere Frage?


Mit liebem Gruß

Moshe

Hakuin

Beitragvon Hakuin » 18.10.2006, 23:09

moshe.c hat geschrieben:Betrachtung

Das Mißverstehen
eines Babys
ist faulere Wurzel
als sein Schreien
in ihm


ciao moshe,

obgleich der text in mir etwas auslöst, wie: jeah, so ist es!
habe ich anmerkungen:

ein baby kann NOCH nicht missverstehen - oder?

daher gibt es die faulere wurzel eigentlich nicht...

da sein schreien seine NATUR ist!!!

...die alles ausdrückt was ES ist.

wünschte mir oftmals die menschen schrien wie babys, so rein und klar, ohne wenn und aber und legten ihre gepeinigte seele offen dar.

...berürt mich, dein kleinod in zeilen gefasst.

sei gegrüßt, von herzem

hakuin

Mucki
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Beitragvon Mucki » 19.10.2006, 00:20

Hallo Hakuin,

das Baby missversteht hier nicht, sondern derjenige, der es schreien hört, so verstehe ich es.
Saludos
Gabriella

Max

Beitragvon Max » 19.10.2006, 20:48

Ja Moshe,

es gibt für mich Fragen zur poetischen Form - mir ist die zwingende Notwendigkeit des Bildes und des Exkurses "in ihm" nicht klar ... Hm, anders gesgat: ich verstehe Deine Erklärungen besser als das Gedicht.

Liebe Grüße
max

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 19.10.2006, 22:55

Hallo!

Das Mißverstehen wird in ihm abgelegt/angesiedelt als Ursache, als Wurzel für Weiteres, deshalb......
Es bleibt nicht irgenwie im Äußerlichen vorübergehend. sondern als Ursache dort.
Ganz konkret, für Asthma ggf. früher oder später. (Anhand meines Beispieles s.o.)

Moshe

ecrivain

Beitragvon ecrivain » 29.11.2006, 11:33

Hallo moshe.c,
beim Flanieren durch den Lyrik-Salon bin ich an deinem Gedicht, eigentlich eher ein Aporismus, hängen geblieben.
Warum? Weil ich kurze Gedichte liebe, und weil ich die Aussage - falls ich sie verstanden haben sollte - für moralisch überzogen, fast unmenschlich, halte und darüber gestolpert bin.

Erstmal: habe ich verstanden? Von zwei faulen Wurzeln ist die Rede, sie sind graduell unterschieden. Das Schreien eines Babys sei die weniger faule Variante, das Missverstehen des Geschreis nach Aufmerksamkeit die schlimmere.

Faule Wurzel: Meinst du einen genetischen Defekt? Oder eine durch frühe fehlerhafte Erziehung angelegte fatale Verhaltensweise? Wurzel, das klingt nach Anfang, nicht weiter nach hinten hinterfragbare Anlage. Eine Grundkonstante?

Die Aussage: Wenn wir genervt sind oder aggressiv reagieren von und auf das Schreien eines Babys, ist das ein schlimmerer (unverzeihlicher?) "Defekt" als sein Schreien.

Hast du das wirklich so gemeint?
Sollte man nicht für beides Nachsicht zeigen, für jene effektivste Kommunikationsform eines Babys, sowohl wie für den (gelegentlichen) Geduldriss der Erwachsenen? Vor allem den Erwachsenen kann man ruhig die Leviten lesen, wenn sie zuwenig Einfühlung zeigen. Aber musst du gleich von "faulen Wurzeln" sprechen? Das klingt so nach "mit Stumpf und Stiel ausrotten"!
Und dass es sich dabei um Grundkonstanten handeln soll, kann ich schon gar nicht nachvollziehen.

Viele Grüße
ecrivain

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 29.11.2006, 19:30

Hallo ecrivain!

Nett dir zu begegnen, und natürlich besonders, wenn du Kurzgedichte magst.

Nun hast dieses ausgegraben. Warum auch nicht.

Aus meiner Sicht ist es weder ein Aphorismus, noch hat es etwas mit Moral zu tun, sondern die Beschreibung und Fassung eines Umstandes in lyrischer Form, der keineswegs unmenschlich ist, sondern eher ein unmenschliches Unverständnis beschreibt.
Gabriella hat dies sehr spontan richtig erfasst. (s.o.)
Genetik spielt hier auch keine Rolle, sondern ein weitverbreitetes Unverständnis den eigenen Geburten gegenüber. Die näheren Umstande beschrieb ich doch.

Es kommt mir so vor, daß das Übel eben auch in deiner Sichtweise liegt, die ich versucht habe aufzuzeigen und ansatzweise beschrieb. Darauf bist du überhaupt nicht eingegangen.

moshe.c


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