Seelenschlachtung

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
DasM

Beitragvon DasM » 29.09.2006, 08:14

Seelenschlachtung


Treffen uns
in der hintersten
Ecke unserer
Empfindungen
um uns zu häuten.

Muskelmasse,
rot getrieben
von der Lüge
des Angestrebten,
strahlt ehrfürchtig
gegen die
Vorsätze
unseres Lebens.

Entblöße dich,
zeige mir dein
verletzbares Inneres,
erlabe dich
an meiner
Offenbarung.

Seelenschlachtung.
Es ist Spätsommer
und unsere Liebe
liegt mit
Lichtschutzfaktor vierzig
im Strandkorb
unserer
Scheinheiligkeit.

Gast

Beitragvon Gast » 02.10.2006, 23:51

Hallo Michael,

die Intention deines Gedichts glaube ich nachvollziehen zu können.
Du schreibst über eine Beziehung in der kein wirklich offenes ausgewogenes Mit- und Füreinander mehr stattfindet, es wird sich stattdessen geschlachtet und gehäutet.
Man hat sich gegenseitig so sehr verletzt, dass es normal scheint, sich abzuschirmen gegen die Verbal - vielleicht auch körperlich Attacken des jeweils anderen.

Die Idee ist gut und ganz sicher ein nochmaliges Überdenken und vielleicht Überarbeiten deines Gedichts wert.
Was mir besonders gefällt ist der Strandkorb der Scheinheiligkeit als Metapher, sowie auch der LSF 40.

Den Aufbau finde ich zum Teil problematisch.
Du verwendest viele Substantive, die ein Gedicht eher passiv und steif erscheinen lassen. (Verben hingegen lassen ein Gedicht fließen).
Ja und dann bekomme ich die Metaphern (Schlachten + Häuten versus Strandkorb und LSF ) die du gewählt hast nicht wirklich zusammen, es fehlt mir so etwas wie ein roter Faden.

Ich würde statt des Schlachtens im Hinblick auf „Das nicht verbrennen wollen“ (LSF 40) und „Das Schutz suchen“ im Strandkorb, eher meine Bilder zu Beginn bei Brand und Feuer suchen und, nicht beim Fleischer. ;-) ich hoffe du verstehst, was ich meine, oder ich würde beim „Zerfleischen“ bis zum Schluss bleiben, wenn dir das Häuten und das Bild der Muskelmasse, (was ich nicht verstehe), wichtig sind.
Das wären sehr starke Eingriffe in den Text, die ich aber ehrlich gesagt für nötig halte, in die eine oder andere Richtung.


Der erste Vers klingt absichtsvoll
ich habe aber, das Gefühl, dass das lyrich und das lyrdu nicht voller Absicht auf einander losgehen.

Vielleicht könntest du dir vorstellen zu schreiben:

V1
Getroffen (alternativ: Verbrannt)
in der dunkelsten Ecke (hintersten klingt m. E. zu banal)
unserere Empfindungen
gehäutet (alternativ: ausgeräuchert)


Vers 2 erschließt sich mir nicht, „Muskelmasse“ s. o. und das etwas „von der Lüge des Angestrebten“ „ehrfürchtig“ strahlt…Ich habe keine Idee, Ehrfurcht ist etwas, was ich hier nicht setzen würde.

In V 3 heißt es:
erlabe dich usw, m. W. gibt es nur „labe dich“
an meiner
Offenbarung.

Hier taucht für mich plötzlich die „Offenbarung“ auf, die eigentlich vermuten lässt, es geschähe etwas Positives, aber genau das sehe ich nicht im Textverlauf.

(Auf Worte, die auf „ung“ enden sollte man ohnehin in Gedichte besser verzichten, im Zweifel trägt das substantivierte Verb eher zum stilistischen Gelingen bei).

Der letzte Vers ist jener, der mir gefällt, s. o..
Hätte er den wie ich oben beschrieben habe, roten Faden, dann wäre nicht allein die Idee gut sondern auch das Gedicht, wenn ein wenig an bestimmten Formulierungen gefeilt würde.

Nun, lieber Michael ich hoffe, dass du damit arbeiten kannst.

Liebe Grüße
Gerda
Zuletzt geändert von Gast am 03.10.2006, 11:44, insgesamt 1-mal geändert.

Niko

Beitragvon Niko » 03.10.2006, 09:39

hallo michael!

mir gefällt dein gedicht. mit oder gerade wegen seiner drastischen schonungslosigkeit. seelenschlachtung: der titel ist schon subjektiv und sagt gleich aus, dass das offenlegen der gefühle mehr noch ist, als ein "nackig machen" es ist ein schlachten, ergo ein sterben der seele.

die strahlende muskelmasse ist ein bild, das ich für mich nicht umsetzen kann.

die letzte strophe könnte durchaus als eigenständiges gedicht bestehen, finde ich.

später evtl. mehr, hab heute keine "zeitfenster" mehr.

lieben gruß: Niko

Gast

Beitragvon Gast » 03.10.2006, 11:48

Hi Michael,

Nikos Idee den letzten Vers abzukoppeln, hat was, denn ich habe ja "Die Kurve" dahin nicht bekommen, s. o. außerdem wirkt es ein bisschen so, als ob dieser Vers um der guten Idee Willen anghängt wurde.
LGG

DasM

Beitragvon DasM » 09.10.2006, 16:39

lieben dank für das befassen mit meinem text.
zuerst die idee die letzte strophe als eigenständiges gedicht zu nutzen.
diese idee hatte ich auch schon mal, hatte aber das gefühl, dass das nicht funktioniert, da diese strophe ja negierende zusammenfassung des vorangegangenen ist.


liebe gerda:
ich finde gerade das wort "Schlachtung" in seiner absolut eigenständigen Dominaz in diesem Text sehr betimmend. denn es ist für mich die Verbindung für die anderen Metaphern wie Häutung, Muskelmasse etc.
Der "prolog" des textes ist wichtig. Das man sich nämlich genau dafür trifft. Und zwar in der hintersten Ecke, damit ist gemeint, das man sich nichts mehr zu sagen hat.

Die Häutung ist das Ablegen der Maske. Darunter ist all das, was alle Menschen haben. Es ist durch nichts zu "verdecken". damit natürlich verletzbar. Aber man zeigt sich dem anderen endlich so.

Letztendlich wird dieser gute Ansatz jedoch negiert, durch den Rückzug in die Starndkörbe.
Man schützt sich wieder ( besser als vorher durch sehr hihen Lichtschutzfaktor )


Liebe Grüße
Michael


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