tier

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Rala

Beitragvon Rala » 25.09.2006, 19:07

tier

das tier auf der schartigen klinge des messers
spürt die härte des landes
und die kälte
es wetzt seinen schwarzen schnabel
und denkt
so muss es sein
dann lebe ich
und nur der Widerstand unter meinen Flügeln ist
was mich trägt


-------

tier (erste Fassung)

das tier auf der schartigen
klinge des messers spürt die
härte des landes und die
kälte und es wetzt seinen
schwarzen schnabel und
denkt, so muss es sein
dann lebe ich
und nur der Widerstand
unter meinen Flügeln
ist, was mich trägt
Zuletzt geändert von Rala am 10.10.2006, 18:19, insgesamt 2-mal geändert.

DasM

Beitragvon DasM » 25.09.2006, 19:11

puh,
das ist schwere kost.
einerseits hört es sich an wie ein protest gedicht der schwarzen bevölkerung in noch von arpartheit triefenden ländern, andererseits wie eine liebe, die unter schweren kompromissen lebt.
kann mich noch nictmal festlegen, warum ich den text gut finde. er hat halt soviel melancholie, aber ist auch widerspenstig.

bin gespannt, ob du verrätst worum es geht.
interessiert mich brennend

michael

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leonie
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Beitragvon leonie » 25.09.2006, 22:21

Liebe rala,

auch ich finde dieses Gedicht sehr stark. Ich kann die Assoziationen zum Thema Apartheid nachvollziehen. Und doch kann es auch noch viel mehr sein, denke ich.

Liebe Grüße
leonie

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 25.09.2006, 22:24

Hallo Rala,

das Leben als Kampf. Ein finsteres Werk. Sprachlich gelungen.

Grüße

Paul Ost

Mucki
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Beitragvon Mucki » 26.09.2006, 00:46

Hallo Rala,

auch ich sehe hier einen Kampf, einen verzweifelten Kampf, der bereits verloren ist und trotzdem auch rebellische Elemente enthält - bis zum letzten Atemzug.
Tausend ausdrucksstarke Bilder schwirren mir durch den Kopf, wenn ich deine Zeilen lese. Muss sie noch zuordnen.
Sortierende Grüße
Magic

Gast

Beitragvon Gast » 27.09.2006, 01:15

Freiheit - mir fällt sofort dieses Wort ein,
liebe Rala,
... auschließlich vom Windwiderstand getragen...> der Weg in die Freiheit

Ganz speziell auf eine polt. Unabhängikeitserklärung beziehe ich es für mich nicht...

Mir geht es eher so, dass die Freiheit nur für denjenigen spürbar ist, der die Unfreiheit oder Gefangenschaft kennengelernt hat.
Wieder ein sehr eindrucksvolles Bild.

Liebe Grüße
Gerda

selina

Beitragvon selina » 27.09.2006, 08:18

Liebe Rala,
finster und bedrückend. Ein Kampf der schon verloren scheint...
Eindrucksvolle Worte


lg selina

lichelzauch

Beitragvon lichelzauch » 27.09.2006, 11:34

Hallo Rala,

starkes Gedicht, kann mich da nur anschließen (aber eine politische Ebene sehe ich nicht (??)) - das Leben erfahrbar nur im Schmerz - und im Schmerz zufügen? Das Tier wetzt ja den eigenen Schnabel und ist auch "auf" der Klinge, was für mich die Perspektive offen lässt, ob es selbst geschnitten wird/schneidet oder vielleicht nur betrachtet (in letzterem Fall wäre das Messer dann gleichermaßen das "Land" des Tieres...hmm, auch im ersten Fall kann man das so sehen, gut... nur falls das beabsichtigt ist, lobe ich mal, dass du erst nach "spürt" umgebrochen hast, so kommt nämlich die Verbindung Land-Messer bei mir zustande (falls nicht beabsichtigt, dann da vielleicht ändern?)).

Was ich interessant fände (als Spielerei), ob man Härte und Kälte nicht vertauschen könnte... "Kälte" so alleine gibt es ja recht häufig als "allgemeines Lebensgefühl" (klar, hier bezieht sich beides auch auf das Land, aber Kälte steht eben auch alleine) - "Härte" in analoger Weise als Grundsätzliches wäre faszinierend (also dann: "die kälte des landes und die härte") und für mich "wahrer" (bezüglich des Lebens).

(Seltsam, dass das mit den "und"s klappt... aber, es klappt.)

Ganz winzige Probleme haben ich mit den letzten drei Zeilen, weil es mir dann doch zu "einfach" wird (bildtechnisch... oder übersehe ich was?) - vielleicht ein anderes Wort für Widerstand? (Aber das ist schon wieder nur Kritik um der Kritik willen, ich hör ja auf...)

Bitte mehr! :smile:

Liebe Grüße,
lichelzauch

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 27.09.2006, 11:55

Liebe Rala,

als erstes: ich finde du hast eine sehr große Ausdrucksstärke und dabei sogar auch noch eine Menge zu erzählen!

Weil ich diesen Satz schreiben kann, traue ich mich jetzt mal anzumerken, dass ich manchmal den allzu schnellen und übertriebenen Umgang mit Zeilenumbrüchen als mit das seltsamste empfinde, was ich im Forum immer wieder lese. Ich finde, man gibt soviel damit fort...

warum zum Beispiel der Umbruch nach "schartigen"?

Ich erlaube mir mal zum veranschaulichen eine andere Version deines Textes (weil ich weiß (und es gut finde!), dass du es nicht übernehmen wirst, so ist es auch überhaupt nicht gedacht.... :alien0027:.


das tier auf der schartigen klinge

das tier auf der schartigen klinge
spürt die härte des landes
wetzt seinen schwarzen schnabel
und denkt
so muss es sein
dann lebe ich

und nur der Widerstand
unter meinen Flügeln
ist, was mich trägt


Was ich damit sagen will: Ich glaube, die unds in deinen texten sind wichtig, auch die Umbrüche, aber....es würde sich in meinen Augen lohnen, manchmal etwas mehr Furcht vor dem Umbruch zu haben, ihn so gewaltig zu empfinden wie er ist...

Soooooo...das soll mich aber nun nicht davon abhalten, dann noch zu "erwähnen" wie gelungen ich deinen Text wieder finde...und das voallem, weil er NICHT psychologisch ist und DOCH ein innerer Blick...das gelingt nur sehr wenigen und zeugt für mich von Klugheit. Während mich das psychologische letzlich langweilt, berührt mich dein text. Zudem schaffst du es, dass ich das Bild mit Vogel und Land vor mir sehe...es tut sich auf...und ich folge deiner Aussage.

Liebe grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Rala

Beitragvon Rala » 27.09.2006, 16:28

Ui, schon wieder so viele Reaktionen ...

Den Gedanken an Apartheid finde ich interessant, hatte ich aber überhaupt nicht beim Schreiben. Der Text entstand, wie meistens bei mir, aus der verbindung eines Bildes, das irgendwie vor meinem inneren Auge auftauchte - in dem Fall das eines schwarzen Vogels und eines Messers, fragt mich nicht, woher -, und eines Gedankens, der aus einem Gespräch mit jemandem resultierte, der froh war, all dem gesellschaftlichen Druck und den Widerständen und was das Leben hier bei uns sonst noch schwer machen kann, entkommen zu sein und nun ein ruhiges und entspanntes Leben führt, und der mich gefragt hat, wie ich es hier noch aushalte und mich mit vielem von dem, was ich so tue, noch zusätzlich dem aussetze. Bin dann zu dem Ergebnis gekommen, dass ich all das - natürlich nur in einem gewissen Maße, wohl brauche, um vorwärstzukommen und mich lebendig zu fühlen. So viel zum Hintergrund.

Also, Magic und selina: der Kampf ist nicht verloren, ganz im Gegenteil. Jede erfolgreich geschlagene Schlacht macht stärker.

Gerda, du hast Recht: es liegt durchaus eine Form von Freiheit darin.

lichelzauch, das Messer, auf dem das Tier sitzt, und es sitzt ja genau auf der Schneide, ist als Symbol ständiger Unischerheit gedacht - so eine Schneide ist ja sehr dünn, ein schmaler Grat, der Vogel kann da durchaus drauf sitzen, aber er muss ständig balancieren, und schneiden kann er sich auch dabei. Es steht also nicht nur für das Land, sondern mehr für die gesamte Situation.

Lisa, vielen Dank für deine Worte. dass die äußere Form mein größtes Problem ist, weiß ich, ganz einfach, weil ich oft viel zu ungeduldig bin um an solchen Dingen länegr zu feilen, obwohl es sicher oft viel bringen würde. In der Hinsicht muss ich noch an mir arbeiten. Danke auch für deine Mühe, eine andere Version zu entwerfen - ich werde sie mir durch den Kopf gehen lassen und dann bestimmt etwas verändern.

Freue mich immer wieder ganz doll, solche Leser wie euch gefunden zu haben :lachen0014:

Liebe Grüße,
Rala

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noel
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Beitragvon noel » 28.09.2006, 19:25

ich finde diesen text durchweg positiv konnotiert
realistisch ebenala homo homini lupus
da ist ja nichts moralinsuares, anklagendes, lamentierendes.
gang im versus, der widerstand ist der, der das lEben mAcht.

gern gelesen

noel
NOEL = Eine Dosis knapp unterhalb der Toxizität, ohne erkennbare Nebenwirkung (NOEL - no observable effect level).

Wir sind alle Meister/innen der Selektion und der konstruktiven Hoffnung, die man allgemein die WAHRHEIT nennt ©noel

cali

Beitragvon cali » 28.09.2006, 19:58

Rala

ganz hervorragend ist dieser innere Kampf beschrieben... Widerstand als Halt, Triebfeder und Katalysator, um Grenzen zu erweitern ggf. auch ganz zu durchbrechen...!

beste Grüße
Charlotta

Rala

Beitragvon Rala » 09.10.2006, 17:21

Liebe Lisa,

habe über Deinen Vorschlag nachgedacht und bin zu einem Kompromiss gekommen, der mir jetzt auch tatsächlich sehr viel besser gefällt (s.o.) Was hältst Du davon?

Liebe Grüße,
Rala

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 09.10.2006, 17:50

Liebe Rala,
kannst du bitte die originalversion zum Vergleich einstellen? Dann erst kann ich genau drauf eingehen...

danke :-)

Liebe grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
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