Mosaik

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
königindernacht

Beitragvon königindernacht » 20.09.2006, 11:42

M o s a i k


Steinchen für Steinchen
behutsam aneinander legend
versuche ich,
das Bild
erneut zu finden
in seiner
Ruhe und Bewegung.

Schritt für Schritt,
manchmal voller Zweifel
oder mit fröhlichem Staunen
beim Entdecken
schon vergessen geglaubter
Kompositionen,
leiste ich Feinarbeit.

Stück für Stück,
Finger und Gedanken
eng miteinander
verflochten,
formt sich
allmählich und endlich
ein vielfarbiges Ornament.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 20.09.2006, 12:55

Hallo KÖ,

dein Gedicht gefällt mir ausgesprochen gut. Beim Lesen fällt man automatisch in diesem langsamen, behutsamen Rhythmus, genauso, wie das Mosaik behutsam zusammengesetzt wird.
Gut finde ich auch, dass der Leser hier Interpretationsspielraum hat, welches Mosak das LyrIch zusammensetzt, es kann so Vieles sein: Bilder aus der Kindheit, eine vergangene Liebe, Erinnerungen...
Es findet sich eine wohlige Schwingung in deinem Gedicht und dann ein so positiver Schluss, das Mosaik ist zu einem Ganzen geworden, zu einem positiven Ganzen.
Gelungen!
Saludos
Magic

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leonie
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Beitragvon leonie » 20.09.2006, 22:27

Liebe Kö,
ich finde das sehr unkonkret für ein Gedicht, die Begriffe sind sehr allgemein (vergessen geglaubte Kompositionen, vielfarbiges Ornament). Das macht es mir schwer, das Ganze in Bildern vor mir zu sehen. Das würde ich aber gern, weil ich die Idee wirklich schön finde. Ich finde es auch in dem Emotionen zu festgelegt, vielleicht wäre eine Möglichkeit, die Adjektive wegzulassen (behutsam, fröhlich), das würde der Phantasie des Lesers mehr Freiraum geben.
Liebe Grüße
leonie

königindernacht

Beitragvon königindernacht » 20.09.2006, 22:40

Guten Abend, liebe Magic und Leonie, und vielen Dank für euer aufmerksames Lesen und die guten Worte.

Weißt du, Leonie, gerade die Adjektive haben es mir bei diesem Text angetan, denn ich möchte von Strophe zu Strophe eine Steigeung einbauen: Wenn man in seiner Erinnerung (wohin auch immer sie führt) gräbt, geschieht dies erst vorsichtig, tastend, behutsam. Dann entdeckt man, wie in Strophe zwei beschrieben und allmählich formt sich ein Bild....

Dennoch werde ich einmal versuchen, den Text ohne Adjektive zu lesen- sie einfach weglassen.
Was meinen die anderen- behält das Gedicht dennoch seine Aussage?

Herzlichst, KÖ

Gast

Beitragvon Gast » 21.09.2006, 11:52

Darf ich mal ein bisschen daran herumprobieren? Ich mach's mal einfach:

Steinchen für Steinchen
leg ich behutsam
versuche das Bild
neu zu finden
in seiner
Ruhe und Bewegung

Schritt für Schritt
mal voller Zweifel
mal fröhliches Staunen
entdecke ich wieder
vergessen geglaubte
Kompositionen

Stück für Stück
verflechten sich Finger
eng mit Gedanken
formt sich
allmählich und endlich
vielfarbiges Ornament

Ich habe mal dreist alle Satzzeichen weggelassen, habe "verdichtet" (bei eigenen Gedichten kann ich das nie so richtig, aber hier traue ich mich). Am meisten gestört hat mich die Zeile "leiste ich Feinarbeit", die fand ich so "unlyrisch", zu technisch.
Die Partizipien habe ich versucht umzuwandeln.

Schau mal, ob du damit etwas anfangen kannst.

Liebe Grüße
Uta

königindernacht

Beitragvon königindernacht » 22.09.2006, 22:10

Ich bin noch nicht sicher, liebe traveller, ob ich Ideen von dir umsetzen werde. Dennoch herzlichen Dank für dein Mitdenken. Vorerst einmal einen schönen Urlaub für dich.

herzlichst, KÖ

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 25.09.2006, 10:46

Liebe Kö,

ja, über die Streichung der Adjektive....ich finde leonies Anmerkungen übrzeugend...

Der Ausdruck "Ruhe und Bewegung" erinnert mich zu stark an Lessings Laokoon (Ruhe in Bewegung), als dass ich es frei davon lesen könnte (wäre also für in, allerdings würde ich überlegen, ob du das, was hinter diesem Ausdruck vermutest, das ist, was du hier aussagen möchtest...). Ich weiß nämlich gar nicht genau, was Ruhe und Bewegung in diesem Gedicht bedeuten soll - was ist die Ruhe und was die bewegung des Bildes? Der Prozess des Zusammenfügens, Teilchen für Teilchen?

Insgesamt wirkt der Text auf mich zu philosophisch "angehaucht" in seiner jetzigen Form. Soll er philosophisch sein, braucht es für mich weniger Indifferenz und mehr Aussagekraft...die Themen sind dann für mich nur angeschnitten...(ohne das dies selbst zum Prinzip würde).

Ich weiß nicht recht, wo der text hin will...
Liebe grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

königindernacht

Beitragvon königindernacht » 25.09.2006, 18:09

Oh, ich finde dies sehr spannend,

wenn man anlässlich eines Lebenseinschnittes auf sein Leben oder einen großen Teil von ihm zurück blickt, das tue ich in diesem Gedicht, gräbt man in Erinnerungen, stellt sich Fragen, sucht nach Antworten. Manchmal geht dies bis an die Schmerzgrenze und ein anderes Mal entstehen Bilder fast wie von selbst.

Wenn du dir die Fragen stellst: Warum habe ich dies oder jenes getan? Weshalb ist es so und nicht anders gekommen usw. dann setzt du für dich selbst ein Mosaik zusammen, welches dein Leben in seiner Stetigkeit (Ruhe), aber auch in seinen Wechseln (Bewegung) zeigt. Dabei wird Vergessenes wieder wach und paart sich mit dem Erkennen der Möglichkeiten, die sich dir neu eröffnen.

Vielleicht, liebe Lisa, muss man erst in ein bestimmtes Alter kommen, um dies so bewusst zu reflektieren- Ich kokettiere jetzt mal mit dem meinen in dieser Hinsicht... *lächel*
Dennoch denke ich noch einmal über die Verwendung der Adjektive nach, hier lässt sich bestimmt noch am Text arbeiten.

Herzlichst, KÖ

PS. Ich kenne Lessings "Lakoon" nicht, was ich schreibe, das schreibe ich aus meinem Bauch heraus, mit ganz eigenen Worten- meine Bewunderung für deinen großen Wissenschatz.

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 02.10.2006, 11:10

Liebe kö,

hier muss sich sagen: Ich habe das Gedicht wohl einfach falsch gelesen - und das lag nicht am Gedicht, sondern an mir. Nach deinen Worten:

wenn man anlässlich eines Lebenseinschnittes auf sein Leben oder einen großen Teil von ihm zurück blickt, das tue ich in diesem Gedicht, gräbt man in Erinnerungen, stellt sich Fragen, sucht nach Antworten. Manchmal geht dies bis an die Schmerzgrenze und ein anderes Mal entstehen Bilder fast wie von selbst.


Ja, nun ergibt es auch für mich Sinn...

..die Anmerkung zu Lessing (den ich selbst nicht gelesen, nur "gelernt" habe in anderen Zusammenhängen) klang vielleicht etwas unglücklich oder gar klugmistig, aber so war es icht gemeint...ich wollte nur sagen: Hier gibt es einen ganz "bekannten" Ausdruck "Ruhe in Bewegung" und ich kann nicht umhin, das an der Stelle zu lesen, weil es sich unmittelbar aufdrängt. Es ist aber gar nicht so gemeint. Daher ist für mich diese Stelle unglücklich.

Also...was ich eigentlich nur sagen wollte:
Ich habe das Gedicht "falsch" gelesen und kann nun nachvollziehen, wovon es erzählen soll. Mein Blick auf mein Leben ist ein so vollständig anderer, dass ich wohl einfach nicht in der lage war, die großen Worte philosophischer Grundbausteine (Staunen etc...) so zu lesen, wie du sie meinst, nämich ganz anders. Das ist nicht meine Art, aber das heißt ja nun nichts.

Das muss ja auch mal gesgat werden, wenn man sich irrt :-)

Liebe grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

königindernacht

Beitragvon königindernacht » 28.10.2006, 17:56

Liebe Lisa,

zurück von der Kur lese ich deine Zeilen, lächle heiter vor mich hin und erfreue mich an dem guten, offenen Miteinander. Danke.

Herzlichst, KÖ, die immer wieder mal Anlass hat, Mosaike zu legen


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