Montmarte

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Perry

Beitragvon Perry » 27.06.2006, 19:18

Montmartre


Ruhelose Seelen
irren durch die Gassen
rufen nach ihren
verlorenen Werken

Blind von der Lichterflut
des Molin Rouge
taumeln wir
die Stufen hinauf

während die Glocken
der Basilika Sacré-Cœur
die wenigen Stunden
bis zum Morgen zählen

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 23.09.2006, 10:28

Eine gelungene Urlaubspostkarte, gern gesehen.

moshe.c

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 23.09.2006, 10:51

Lieber perry,

hu, das ist unheimlich dieses Gedicht zu lesen, weil ich doch erst vor ein paar Wochen an eben diesem ort war :-). Mag sein, dass ich zu sehr "Tourist" war um der Szenerie über deine Bilder nahe zu kommen - für mich hatte all das nichts von Unheimlichkeit.

Inhaltlich frage ich mich: Die beiden Ichs im Text rennen ja Srufen hinauf, damit sind wohl die Stufen zur Sacré-Cœur gemeint?
Aber was passiert dann? Für mich fehlt das Ziel der Beobachtung...

Die ganze Szene ist natürlich ein wenig romnatisch überzeichnet, sehr traditionell daher, aber gut, ich denke, das ist Absicht.

Sprachlich bin ich mir nicht sicher, ob man Stufen HINAUF taumeln kann, sondern nur HINAB...daher vielleicht ...stolpern? (beide Worte allerdings sind schon sehr festgefahren in dieser Art Bilder).

Ein Gedicht, das für mich ein romantisch/klassisches Bild auszeichnet, das aber dort aufhört, wo es spannend wird ...zu früh, als dass die Phantasie des Lesers weiterspinnen könnte...

Eine Strophe mehr also bitte :-)

Liebe grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Niko

Beitragvon Niko » 23.09.2006, 11:16

hallo perry!
zu dem gedicht habe ich ja schon andernorts etwas geschrieben. mir gefällt es in weiten teilen, aber ein ruheloses rufen in den gassen...-ich weiß nicht...
lieben gruß: Niko
PS und offtopic
es ist ungehörig, ich weiß.......man verzeihe mir, dass ich hier an dieser stelle lisa eine postkarte schicke mit einer montmartre strophe.


postkarte II

auf dem rücken
des montmartre halten
sie die zauberspiegel fest
in händen
in denen man
die welt sieht
und sich

im staubgewölk
ehrwürdiger gassen
werden blinde sehend
und blenden die leblosen

Nihil

Beitragvon Nihil » 23.09.2006, 12:50

Hallo Perry,

dein schönes Gedicht erinnert mich daran, dass ich dringlich mein Paris-Vokabular erweitern sollte - ich singe ja nur über die Seine, über französischen Wein, l'amour, die Chansonette, Croissants und über Baguettes! :mrgreen:

mfg

Nihil

Perry

Beitragvon Perry » 23.09.2006, 13:57

Hallo Moshe,
danke, dass du dieses Gedicht hier ausgegraben hast.
Freut mich, dass es dir gefällt.
LG
Manfred

Hallo Lisa,
ja ein Touristenblick ist das nicht, den ich hier in meine und die geschichtliche Erinnerungen an diesen besonderen Ortes werfe. Etwas verwundert bin ich allerdings, dass die Aussage so schwer erkennbar ist: Wir irren durchs Leben, ständig auf der Suche nach seinem Sinn, taumelnd geblendet von den Lichtern der irdischen Welt der Erkenntnis entgegen, die uns der Morgen (Tod/Aufserstehung) bringen wird.
LG
Manfred

Hallo Nico,
es ist mehr ein inneres Rufen, dass das lyrische Ich in seiner Erinnerung hört. Danke fürs nochmalige Reinschauen und natürlich kannst du hier deine "Postkarte" posten, passt ja schließlich auch zum Thema.
LG
Manfred

Hallo Nihil,
danke für deine lobende Einschätzung. Ja es lohnt sich sicher ein bisschen tiefer im französischen Vokabular zu graben. Ich bin übrigens ein großer Fan von Greme Allright, vielleicht hast du schon mal was von ihm gehört.
LG
Manfred

Niko

Beitragvon Niko » 23.09.2006, 14:46

ganz kurz noch perry:

es muss Moulin Rouge heißen. (was, glaube ich, soviel bedeutet wie "Rote Mühle".
lieben gruß: Niko

Max

Beitragvon Max » 23.09.2006, 15:57

Lieber Perry,

sehr schön! es ist allerdings moulin nicht molin - ah das hat Niko ja gerrade bemerkt.

Desweiteren weiße ich pedantisch darauf hin, dass Glocken immer die abgelaufenen Stunden zählen, nie die verbleibenden (es sei denn Du hast Glück und es ist. z.b drei Uhr und der Morgeb beginnt um 6 ;-) ).

Liebe Grüße, gern gelesen
Max

PS: Ich weiß am Monmarte ein Haus, das zum Verkauf steht und aus 4 Wohnungen einen Blick auf Paris bietet. Ich vermute für 1.5 Millionen Euro ist es zu haben. 30 € habe ich schon gespart, könnte mir jemand die restlichen 1.499.970 € leihen (ich gebe mein bestes, sie flink zurückzuzahlen ...)

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 23.09.2006, 16:06

Lieber Perry,

Wir irren durchs Leben, ständig auf der Suche nach seinem Sinn, taumelnd geblendet von den Lichtern der irdischen Welt der Erkenntnis entgegen, die uns der Morgen (Tod/Aufserstehung) bringen wird.


Hmmm...also vielleicht ist die Welt so einfach nicht für mich :-). Dann ist wohl auch schwer, das so zu lesen - geschieht nur bis zu einem gewissen Grad.

Aber nach der Erklärung verstehe ich zumindest, warum nicht eine weitere Strophe sein muss. Es wird nichts vorgegeben (irgednwie aber doch, weil es ja zu einer Kirche ist, wohin der Weg führt).

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

scarlett

Beitragvon scarlett » 23.09.2006, 20:25

LIeber Perry,

dein Blick auf Montmartre erinnert mich daran, daß ich dringend mal wieder hin sollte :-) -
Abgesehen davon beschreibst du ein Bild, das mir sehr gut gefällt und dessen erste Strophe vor allem mir die Geschichte dieses ehemals "Künstlerviertels" vergegenwärtigt-
Warum nicht die Stufen hinauf taumeln? ich finde das originell - mit dem Hintergrund ist das allemal durchaus möglich -
Sehr gerne gelesesen,

Gruß

scarlett

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 23.09.2006, 21:19

Lieber Perry,

jeder hat so seine eigenen Assoziationen, wenn es um Paris geht. Bei Deinem Gedicht habe ich ein wenig das Gefühl, dass Du aus dem Ideenpool der Allgemeinheit schöpfst, weniger aus Deiner persönlichen Erfahrung.

In meinen Augen fehlt es Deinem schön formulierten Gedicht daher leider an Seele...

Grüße

Paul Ost

Perry

Beitragvon Perry » 24.09.2006, 11:26

Hallo Niko,
danke für den Hinweis. Ich habs im Originaltext mittlerweile bereits berichtigt.
LG
Manfred

Hallo Max,
na dann spare mal fleißig weiter, ich bevorzuge mehr ländliche Gegenden am liebsten mit Blick aufs Meer. Das mit der verbleibenden Zeit und dem Glockenschlag erfordert natürlich vom Leser eine gewisse Bereitschaft sich auf die dahinter versteckte Metapher der Vergänglichkeit bzw. dem sich nähernden Ende einzulassen (lächel).
Danke und LG
Manfred

Hallo Lisa,
die Kirche ist hier als Symbol gedacht für eine höhere Macht, auf die wir wohl alle mehr oder weniger hoffen. Danke fürs nochmalige Auseinandersetzen und LG
Manfred

Hallo Scarlett,
mein Besuch dort liegt leider auch schon über 20 Jahre zurück, aber ich denke manche Erinnerungen lassen sich sowieso nur noch wehmütig erneuern. Es freut mich, dass dich der geschichtlicher Hauch und die
leise Ferne meiner Gedanken berühren konnten.
LG
Manfred

Hallo Paul,
vermutlich hast du dich von der vordergründigen Bildebene zu stark ablenken lassen, denn es steckt sehr viel von meiner Seele in den Zeilen.
Auf mich haben solche geschichtsträchtige Orte immer etwas Philosophisches.
Aber es freut mich, dass dir wenigstens die Formulierung gefallen hat.
LG
Manfred


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