Befreiungs.Schlag

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Gast

Beitragvon Gast » 04.09.2006, 20:02

...
Zuletzt geändert von Gast am 29.07.2007, 02:32, insgesamt 1-mal geändert.

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 04.09.2006, 22:23

Die Zeilenumbrüche finde ich sehr gekonnt, sprechen von Können,
doch hätte ich gern etwas mehr Ahnung davon, wovon die die Befreiung ist.

:daumen:

moshe.c

Niko

Beitragvon Niko » 05.09.2006, 02:56

Ein kleines
Wort, ein Gehen-Lassen,
ein Ich-Darf-Sein voll
Liebe doch und frei von
Schuld beflügelt Stunden
und Minuten mir,

oops.....sorry, bea! irgendwie ist mein vollständiger kommentar flöten gegangen. diese textstelle hatte ich zitiert weil sie mir zum einen sehr gefiel zum anderen, weil sie indirekt antwort gibt auf moshes "doch hätte ich gern etwas mehr Ahnung davon, wovon die die Befreiung ist." die textstelle macht klar, dass das lyrich eine befreiung aus der schuldhaftigkeit, die zur persönlichen schweren belastung wurde,widerfährt. keine bleiernen schritte mehr ist das einigste, was das lyrich konkret anspricht. ansonsten erzählt es uns alleine durch die darlegung des ist-zustandes, wie es gewesen war /sein muss ohne dieses "kleine wort", dass im unklaren bleibt und dem leser raum lässt für das einweben seiner ganz persönlichen empfindungen. somit also schreibst du nicht direkt, woraus das lyrich sich befreit, aber es ist lesbar in jeder zeile. und das find ich gelungen.
und wenn raum bleibt in einem gedicht, kann der leser sich den text zu eigen machen, dem geschriebenen seine persönliche note hinzufühlen.

gern gelesen: Niko
Zuletzt geändert von Niko am 05.09.2006, 12:17, insgesamt 2-mal geändert.

Birute

Beitragvon Birute » 05.09.2006, 08:49

Ich mag es sehr, Bea. :)

Die Erkenntnis, dass jeder Andere für sein Leben auch ein Stück selbst verantwortlich ist, und man sich nicht alle Päckchen aufbürden muss, die von Anderen geschnürt wurden, ist eine ganz große, und wichtige.

Herzlich
Birute

resumee

Beitragvon resumee » 05.09.2006, 15:14

Liebe Beatrix,

auch mir hat Dein Gedicht sehr gut gefallen.

Die Last verteilt auf viele
Schultern, kann ich die Falten
von der Stirne wischen und
bürde meinem Rücken keine
fremden Päckchen auf.

Aus meiner Sicht hat sich das lyrische Ich hiervon befreit. Abgrenzung und Umverteilung scheinen die Zauberworte.


Lieben Gruß an Dich,

resumee

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leonie
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Beitragvon leonie » 05.09.2006, 18:12

Liebe Beatrix,

ja, das gefällt mir auch gut und ich kenne das Gefühl einer solchen Befreiung. Ich bleibe nur an einer Stelle immer wieder hängen und weiß gar nicht genau warum:
Befreit füllt sich die Brust
mit Lachen, wird jeder Sonnenstrahl
zu Lebenskraft.
Ich vermute, das „wird jeder Sonnenstrahl zu Lebenskraft“ ist mir ein bisschen zu viel....Aber vielleicht geht das nur mir so.
Wie gesagt, sehr gern gelesen, bin gespannt auf mehr von Dir.

Liebe Grüße
leonie

Gast

Beitragvon Gast » 05.09.2006, 18:21

Hallo Beatrix,

gern gelesen, dein Einstandsgedicht hier.

Mir ist eines inhaltlich nicht kar:
Wieso sprichst du von einer Umverteilung der Last, wenn sich das Lyrich keine Päckchen mehr aufbürden lässt?
Was ist damit gemeint?
Gibst du die Päckchen zurück?
Eigene Probleme, die das Lyrich umverteilt?
Dann würden zwei Themenbereiche miteinander verwoben, die nur am Rande, nämlich mit der Belastung, die sie gleichermaßen verursachen können, zu tun haben.

Bin gespannt.

Liebe Grüße
Gerda

(Es ist ja immer die Frage, ob man objektiv/subjektiv selbst "schwer zu tragen hat" oder sich die Probleme Anderer, für deren Lösung sie selbst zuständig wären auch noch aufhalst.)

Gast

Beitragvon Gast » 05.09.2006, 18:23

Herzlichen Dank für Eure vielen Rückmeldungen und Fragen bzw. Antworten (:-)Niko) und Interpretationen. Und ja, liebe Leonie, vielleicht ist das mit dem Sonnenstrahl ein wenig dick aufgetragen, andererseits bei einem Befreiungsschlag dieser Art ist das vielleicht auch ganz ok, bzw. es verliert sich als solches innerhalb des Textes, meine ich.

Bea

Gast

Beitragvon Gast » 05.09.2006, 18:25

Hallo Gerda, da haben wir uns überschnitten.

Ja ich meinte für das Lyrich ein sich auf die eigenen Päckchen beschränken, ohne sich subjektiv die von anderen auch noch aufzubürden. Und manchmal ist so eine Erkenntnis wohl auch ein Befreiungsschlag.

LG

Bea
Zuletzt geändert von Gast am 05.09.2006, 21:45, insgesamt 2-mal geändert.

steyk

Beitragvon steyk » 05.09.2006, 19:24

Hallo Bea
ein guter Einschlag dein Befreiungsschlag. ;-)
Willkommen im Salon.

Gruß
Stefan

Gast

Beitragvon Gast » 05.09.2006, 21:45

Lieben dank für Lob und Willkommensgruß

:) Bea

aram
Beiträge: 4509
Registriert: 06.06.2006

Beitragvon aram » 06.09.2006, 03:40

hallo bea!

ich mag vor allem die ruhige, klare sprache, einfach ankommend, sehr angenehm - was immer du auf diese weise sagen möchtest, findet vorab gehör.

bin jetzt aber mal ein bisschen pingelig, weil ich weiß - schon aus der melodie deines ausdrucks, die bisweilen auch fein schwebend - tanzend in profanen kommentarpostings durchschwingt - du hast es drauf. und jetzt will ich's genau wissen, ok? .-)

Befreiungs.Schlag

durch diese schreibweise tritt der 'schlag' aus dem wort heraus in den vordergrund. also erwarte ich, dazu im text was zu finden - das ist dann aber nicht der fall.

mehr noch, warum hier überhaupt 'schlag' steht, bleibt völlig unklar - die folgenden bilder - last auf viele schultern verteilen, falten von der stirne wischen, befreite brust, Ein kleines Wort, ein Gehen-Lassen,
ein Ich-Darf-Sein
, blei vom fuß nehmen - passen alle nicht unmittelbar dazu.
der 'schlag' muss also schon vorher erfolgt sein und kommt hier nicht mehr vor - nur noch die auswirkungen werden geschildert.

soweit ok, aber doch etwas kryptisch- mysteriös. wenn ich stimmung und folgebilder dupliziere empfinde ich körperlich etwas anderes - mehr eine bewegung, wendung, drehung, entfaltung, ein frei machen, abstreifen sehr wohl, doch keinen schlag - eine ausbrechende tanzbewegung (kann ich körperlich klarer empfinden als in worte fassen)
- somit stellt sich die frage: ist es das schon - ein erkennen, frei machen, erheben, ansehen, umwenden und öffnen - oder ist / war da noch etwas anderes, das das gedicht verschweigt?

Falten
von der Stirne wischen

von der stirne oder aus der stirn(e)? 'von' der stirne klingt für mich ein wenig so, als wären die falten dann noch physisch vorhanden, nur nicht mehr auf der stirn - als hätten sie eine 'sonderexistenz'
wird jeder Sonnenstrahl
zu Lebenskraft.

das war die einzige stelle, an der ich auch beim 'freien lesen' stockte und schwer drüberkam (der sonnenstrahl ist auch schon 'von weitem zu sehen' - ragt aus dem textkörper .-)) - na ja, so ein wort, in einem lyrischen text, ohne innovation traditionell verwendet - da muss ich schon etwas schlucken. ich kann das bild einfach nicht mehr naiv lesen - das wäre hier jedoch nötig und angemessen. (wenn er wenigstens zu etwas anderem würde als zu 'lebenskraft'!)
unmittelbar vorher hat sich die brust befreit mit lachen gefüllt - das kann ich noch gut 1:1 lesen und fühlen - den 'sonnenstrahl' fühle ich dann einfach nicht mehr - overflow!

Ein kleines
Wort, ein Gehen-Lassen,
ein Ich-Darf-Sein voll
Liebe doch und frei von
Schuld beflügelt Stunden
und Minuten mir

ein ziemlicher mega-satz - bei 'doch und frei von schuld' wirds zu viel im sinn von lesbarkeit des bogens - soviel auf einmal kann ich im gefühl nicht präsent halten -
Ein kleines
Wort, ein Gehen-Lassen,
ein Ich-Darf-Sein voll
Liebe
beflügelt Stunden
und Minuten mir

geht gerade noch, wobei 'stunden und minuten' auch schon ballastig sind - beflügelt (die) minuten mir - wäre tänzerischer und somit dem inhalt angemessener
(das ist kein änderungsvorschlag, nur eine untersuchung)
zudem finde ich die inversion mit 'mir' am satzende frag-würdig.

mh, "doch" gehört ja noch zur liebe, aber passt mir so irgendwie gar nicht rein - die ganze zeile Liebe doch und frei von gibt für mich keinen sinn - der verdacht schleicht sich ein, 'doch' und 'und' hätten ihre plätze verwechselt. - ich glaube dieser stelle kann ich nicht gerecht werden und will mir nicht anmaßen, da was zu sagen.
('frei von schuld' ist inhaltlich natürlich essentiell - mein 'auslösen' aufgrund der satzverschachtelung hat mit inhalt gar nichts zu tun.)

von jedem Fuß auf dem
ich mich durchs Leben schleppte.

finde ich etwas unglücklich formuliert. (auf wie vielen füßen hat sich das lyr.ich durchs leben geschleppt? kann man sich auf füßen (durch)schleppen? -ich glaube, eher auf beinen.)


der inhalt des textes berührt mich in seiner einfachheit (wobei ich 'einfachheit' hier als etwas 'hohes' ansehe, bitte nicht missverstehen - hat nichts mit primitiv oder simpel zu tun - drückt klarheit und entflechtung aus - bewusstsein, auseinander halten, da-sein, in der richtigen mitte.)

zur sprache sagte ich schon - da ist meine liebe am stärksten entflammt. (oh, dieses sonnenstrahl bild - hilfe, es ist nicht farbecht! :-)

danke für das gedicht und alles liebe!
aram

Gast

Beitragvon Gast » 06.09.2006, 20:39

danke für die detaillierte Auseinandersetzung, bin grad an der Uni, werd sie mir noch mal in Ruhe zu Gemüte führen.

LG

Bea

Gast

Beitragvon Gast » 07.09.2006, 02:35

So da bin ich noch mal. An anderer Stelle hat auch Niko diesen Schlag bzw. das Absetzen desselben bemängelt. Warum ich das so brauche kann ich logisch schlecht erklären; es drückt für mich die Epiphanie aus, die dem Gedicht zugrunde liegt. Das Lyrich ist da vielleicht eher sanft hingekommen, somit ist der Schlag aber dem Beschriebenen nicht vor- sondern nachgeschaltet.

Die Falten wische ich von der Stirne, so kennt das mein Sprachgebrauch. Wie ich mir auch den Schweiß von der Stirn wischte.

Der Sonnenstrahl/die Lebenskraft, ja traditionell gebraucht, nicht innovativ, könnte man vielleicht tatsächlich überarbeiten und ein anderes Bild suchen, ist im "Ist"-Zustand des Textes aber auch Ausdruck der Befreiung, die sich ankündigt.

Der Megasatz, den brauchte ich beim Schreiben als Ausdruck der Homogenität des Prozesses

Ein kleines
Wort, ein Gehen-Lassen,
ein Ich-Darf-Sein voll
Liebe doch und frei von
Schuld beflügelt Stunden
und Minuten mir


Das "doch" steht genau richtig, denn gerade aus weiblicher Sicht (wie man erzogen ist und was erwartet wird, bzw. frau von sich selbst erwartet) sind "Ich-darf-Sein" und "Liebe" gegensätzlich, weil frau meist andere vor das eigene Wohlsein stellt.

Stunden und Minuten, sind die erste bewusste Auskostung der Befreiung die sich entwickelt. Da könnte das Lyrich auch die Sekunden noch bewusst rausschmecken, wenn es denn in den Text gepasst hätte.

"von jedem Fuß" -- jedem meint beide und impliziert nicht mehr als zwei, so meine Intention, und es sind schon mehr meine Füße die mich schleppen, denn meine Beine. Oder sollte ich mich da so sehr irren?

Hm - ich glaube, nun bin ich auf alles eingegangen, habe sicher nicht alles "weg"erklärt, aber das hast du ja auch nicht von mir erwartet.
Neben der Wortwahl, waren mir ja Sprachgefüge und Klang wichtig und so habe ich versucht i.m.o. eine harmonische Einheit schaffen.

Noch mal danke für den ausführlichen Kommentar!

LG

Bea


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