Caunian love

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
pandora

Beitragvon pandora » 22.08.2006, 16:14

gone
Zuletzt geändert von pandora am 15.03.2008, 17:22, insgesamt 8-mal geändert.

lichelzauch

Beitragvon lichelzauch » 23.08.2006, 13:48

Hallo pandora,

gestern hab ich hier glaube ich noch eine etwas andere Version gesehen, oder? Vor allem am Ende wollte ich noch eine Stelle ankreiden (mit den Fenstern des Hauses des lyr. Ichs) - nur jetzt ist sie weg! Gefällt mir in der Form richtig gut.

Die Bilder sind wie gewohnt sehr ausdrucksstark und ich finde kaum was zum mäkeln... hier würde ich vielleicht noch ein "ich" einsetzen:
nur abends
sehe (ich) die erleuchteten fenster deines hauses

liest sich einfacher.

Aber sag mal, der Titel. So weit ich auf den ersten Blick sehe, war Kaunos sowohl eine Stadt in der Türkei... als auch eine Figur der griechischen Mythologie. Kann mir aber nicht so recht vorstellen, dass du darauf anspielst (Caunos wurde von seiner Schwester Byblis geliebt, floh vor ihr - er gründete die angesprochene Stadt, sie wurde wahnsinnig, zerlief in Tränen und wurde zu einer Quelle). Außerdem findet das gute Google zu "Caunian Love" eine Stelle im Aristoteles, in der der Begriff als Gegenbeweis zur Aussage "alle Liebe ist gut" gebracht wird (Caunian Love ist also böse).

Du meinst aber...?

(Das Ende und die ganze Schlangenmetaphorik gefällt mir übrigens besonders! Zum nachdenklich werden...)

Liebe Grüße,
lichelzauch

pandora

Beitragvon pandora » 23.08.2006, 15:00

hallo lichelzauch,

ich habe gestern noch einmal geändert stimmt. es mag sein, dass du die erste version gelesen hast.
danke auch für deinen hinweis auf das fehlende "ich".
das gedicht nimmt bezug auf die geschichte von byblis und caunos, allerdings erzählen die leute, die im heutigen dalyan, nahe der antiken stadt caunos, leben, diese immer wieder ein bisschen anders. ich überlege, ob ich die version, die ich gehört habe, in einem prosatext voranstelle.
die gegend dort ist unbeschreiblich schön.

lg, p.

lichelzauch

Beitragvon lichelzauch » 23.08.2006, 15:15

Also doch! Hmm... muss ich meine Lesart jetzt verändern... nicht erfüllte Liebe ist ja klar, aber die mythische Geschichte mit dem inzestuösen Verhältnis will sich mir da nicht ganz erschließen (obwohl dann natürlich "und es war nicht recht" viel mehr Sinn macht...) - wäre sehr gespannt auf die Version, die du dort gehört hast!

Und du hast recht... die Gegend dort IST schön! http://de.wikipedia.org/wiki/Kaunos :smile:

Gruß,
l

lichelzauch

Beitragvon lichelzauch » 24.08.2006, 21:20

Ah, jetzt mit Geschichte ist vieles klarer (ein bisschen zu klar, wie ja schon besprochen... es nimmt ein wenig die Pointen vorweg und macht das Gedicht stumpfer, wenn man die Geschichte vorher liest). Schon interessant die ganze Änderung mit dem Turm und dem in-die-Ferne-Schauen.

Bei der Gelegenheit kann ich eigentlich nochmal loben... also, den dreigeteilten Anfang (vor allem die Sonnen!), dann den Bogen zum Ende (mit den Fragen) und wie gesagt die Schlangen! Das ist so schön rund und unverbesserlich - da bleibt dem Kommentator doch glatt das Wort weg.

l

pandora

Beitragvon pandora » 25.08.2006, 09:03

Die Alten wussten noch von den Geschwistern zu berichten. Ungewöhnlich großgewachsen waren sie, dunkeläugig und ganz ebene Gesichtszüge hatten sie gehabt.
Man sah sie stets zusammen, oft zogen sie mit den Ziegenhirten in die Berge und lauschten dort am Feuer alten Geschichten.
Die Zeit kam und die Schwester sollte verheiratet werden. Zur Schande der Eltern erteilte sie jedoch allen Bewerbern eine kühle Absage, den reichen Männern ebenso wie den armen, den schönen und den hässlichen.
Die Dienerschaft glaubte immer dann ein Lächeln auf dem Gesicht des Bruders zu erkennen, wenn wieder einer der Abgewiesenen von dannen zog.
Wie groß war die Bestürzung im Hause jedoch, als auch der Bruder eines Tages spurlos verschwunden war. Dörfler glaubten ihn in einem Reiter erkannt zu haben, der nächtens in wildem Galopp davonritt.
Das Mädchen war untröstlich, schloss sich in seine Gemächer ein, verweigerte Essen und Trinken und weinte ohne Unterlass.
Erst, als ein Bote nach Monaten meldete, dass der verlorengeglaubte Sohn am Meer eine Stadt gegründet habe und dort als angesehener Mann lebte, kehrte sie langsam zurück.
Sie schickte dem Bruder Feigen und lange Briefe, aber nie kam auch nur eine einzige Zeile zurück.
Da ließ sie Steine brechen und einen riesigen Turm erbauen. Vom Turmfenster aus konnte sie am Horizont die Stadt sehen, in die der Bruder gegangen war. Auch, wenn sie ihm nicht nahe sein konnte, wenn sie seine Stimme nicht hörte und seine Augen nicht sah, so wusste sie zumindest, dass er lebte. Jeden Tag stieg sie ganz allein die vielen Stufen hinauf und sah in die Ferne.
Eines Tages aber war Rauch zu sehen und Feuerschein. Feindliche Heere waren in die Stadt eingedrungen. Sie mordeten und brandschatzten.
Diener fanden die bewusstlose Schwester am Abend und trugen sie behutsam in das Haus zurück. Von diesem Tage an sprach sie nie mehr ein Wort. Sie öffnete auch ihre Augen nie mehr, aber aus ihnen rannen klare Tränen, die bald ein Rinnsal bildeten, später einen Bach und schließlich einen breiten Fluss. Auf dem Boden des Flusses, der auch heute noch den Namen der unglücklichen Schwester trägt, liegen schwarze Kiesel.

Trixie

Beitragvon Trixie » 25.08.2006, 11:27

Oh, Pandora!!!

Das Gedicht habe ich gleich verstanden. Ich habe mich schonmal mit der gleichen Thematik beschäftigt, also: Geschwisterliebe, die sich nicht durchsetzen kann. Ich finde, du hast es wunderschön umgesetzt und auch die Geschichte unten, die du nochmal als Prosa erzählst, ist unbeschreiblich schön und so passend zu dem Gedicht!!
Eine Frage habe ich allerdings: Hat die Natter oben etwas mit den giftigen Schlangen zu tun? Oder ist das "Zufall", dass da zweimal das Bild der Schlangen auftaucht?

Trotzdem begeistert,
Trixie

Benutzeravatar
Lisa
Beiträge: 13944
Registriert: 29.06.2005
Geschlecht:

Beitragvon Lisa » 27.10.2006, 19:54

Liebe pandora,

huch - das habe ich erst jetzt entdeckt!! Das gefällt mir sehr...du hast eine Gabe, tiefe Geschichten zu entdecken und aufleben zu lassen...ich mag das sehr! Falls dein letzter Beitrag, der ist, der dem Gedicht vorangestellt werden könnte, würde ich in diesem Fall sogar zustimmen (meistens würde ich das nicht tun), aber diesmal erhöht es die Magie, weil in deinem Gedicht zur Erzählung Momente schweben, die in der Geschichte liegen, aber nicht genannt werden. Das trifft dann doppelt - so eben zum Beispiel die Sonnen auf der Haut...

...sprachlich wieder einmal - wollen wir davon nicht reden! :blumen: .
Schon der Anfang:
dein lächeln
sank in den grauen kies
auf dem grund deiner augen


das monokeros ist mir ja immer noch dein liebster Text (und die herbstkinder), aber diese passage finde ich ebenso...es hat einen richtigen fluss in sich...

Und diese Stelle:


sieht sie mit deinen augen?
spricht sie mit deinem mund?


ist in Hinblick auf das Thema einfach toll formuliert!!

Gut, dass ich das noch entdeckt habe! So etwas lese ich wirklich sehr gern von dir!

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

pandora

Beitragvon pandora » 28.10.2006, 18:56

danke lisa, freut mich, dass dir der text gefällt. vielleicht lese ich ihn für die hörbar ein, aber dann würde ich mir eine männliche stimme wünschen, die das "und es war nicht recht" intoniert. :-)

lg
pan

Benutzeravatar
Lisa
Beiträge: 13944
Registriert: 29.06.2005
Geschlecht:

Beitragvon Lisa » 28.10.2006, 18:58

Liebe pan,
wärst du vielleicht mit Max einverstanden? Den hab ich hier und könnte es dann, wenn du mir deine datei schickst, zusammenschneiden? Das fänd ich ganz ganz toll!

:blumen:

Lisa

PS: Oder wir überreden paul ;-)
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

pandora

Beitragvon pandora » 28.10.2006, 19:00

wir überreden paul.

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 28.10.2006, 21:52

Liebe Frau Pandora,

Sie müssen mich nicht überreden. Sie können mich einfach erpressen. Aber darf ich denn dann drei verschiedene Versionen des "und es war nicht recht" sprechen?

Fragt

Paul Ost

pandora

Beitragvon pandora » 28.10.2006, 22:24

werter herr ost,

ich erpresse doch keine kollegen! wenn sie sich mehr oder weniger freiwillig der aufgabe stellen, dürfen sie.

antwortet
DORA


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 6 Gäste